OLG Frankfurt – Az.: 20 W 108/19 – Beschluss vom 06.06.2019
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag vom 06.03.2019 nicht aus den Gründen dieses Beschlusses zurückzuweisen.
Gründe
I.
Im oben aufgeführten Teileigentumsgrundbuch Blatt …2 ist die Beteiligte zu 1. in Abt. I, lfd Nr. 3, als Eigentümerin eingetragen. Im oben weiter aufgeführten Teileigentumsgrundbuch Blatt …1 ist der Beteiligte zu 2. in Abt. I, lfd. Nr. 2, als Eigentümer eingetragen. Darüber hinaus sind die Beteiligten im Erbbaugrundbuch von Stadt1 Ortsteil1, Blatt …3, in Abt. I jeweils anteilig als Erbbauberechtigte eingetragen. Im letztgenannten Erbbaugrundbuch ist seit 04.03.1980 in Abt. III, lfd. Nr. 4, eine Grundschuld zu 120.000,– DM eingetragen, seit 20.07.1984 mit Zinsen ab 28.09.1978 abgetreten an die X-Aktiengesellschaft in Stadt2. In der Eintragung vom 04.03.1980 ist vermerkt: Mithaft in Blatt …1. Weiter ist dort ebenfalls seit 04.03.1980 in Abt. III, lfd. Nr. 5, eine Grundschuld zu 120.000,– DM eingetragen, seit 08.11.1983 mit den Zinsen seit der Eintragung der Grundschuld in das Grundbuch abgetreten an die X-Aktiengesellschaft in Stadt1. In der Eintragung vom 04.03.1980 ist hier vermerkt: Mithaft in Blatt …2. Dementsprechende Eintragungen der Grundschulden finden sich in Abt. III, lfd. Nr. 2, des Teileigentumsgrundbuchs Blatt …1 und in Abt. III, lfd. Nr. 2, des Teileigentumsgrundbuchs Blatt …2, jeweils mit dem Vermerk, dass Mithaft in Blatt …3 bestehe.
Am 26.09.2018 haben die Beteiligten eine Löschungsbewilligung der B Aktiengesellschaft vom 12.09.2018 (Bl. 32/1 der Akte) vorgelegt, in der (unter anderem) diese die Löschung der vorbezeichneten Rechte in den oben aufgeführten Grundbüchern bewilligt. Die Beteiligten haben mit öffentlich beglaubigter Erklärung vom 24./25.09.2018 (Bl. 32/- der Akte) der Löschung der Grundschulden zugestimmt und die Löschung beantragt. Nachdem das Grundbuchamt durch Verfügung vom 31.01.2019 (Bl. 32/5 der Akte) aufgegeben hatte, zur Löschung der Grundpfandrechte in Blatt …3 die Zustimmung sämtlicher Erbbauberechtigter vorzulegen, haben die Beteiligten den Antrag vom 31.01.2019 durch öffentlich beglaubigte Erklärung vom 06./11.03.2019 (Bl. 32/9 der Akte) insoweit zurückgenommen, als mit ihm die Löschung der Grundschulden, eingetragen in Blatt …3, begehrt worden war. Die Löschung solle nur in Blatt …1 und Blatt …2 eingetragen werden.
Das Grundbuchamt hat sodann durch Zwischenverfügung vom 18.03.2019 (Bl. 32/10 der Akte) darauf hingewiesen, dass ein Teilvollzug der Löschungsbewilligung nicht möglich sei und der Antrag einschließlich der Zustimmung der Erbbauberechtigten in Blatt …3 neu gestellt werden müsse. Nach weiterem Schriftwechsel, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 32/11 ff. der Akte verwiesen wird, hat das Grundbuchamt durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 32/14 der Akte) den Antrag der Beteiligten vom 06.03.2019 auf Eintragung der Mithaftentlassung der Rechte Abt. III, lfd. Nr. 2, in den Blättern …1 und …2 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Eintragung der Pfandentlassung in diesen Blättern aufgrund der vorliegenden Löschungsbewilligung der Gläubigerin nicht erfolgen könne, da dies nur einen Teilvollzug der Löschungsbewilligung darstellen würde und dies nicht dem Willen der Gläubigerin entspräche.
Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten mit Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten – des Beteiligten zu 2. – ohne Datum, beim Oberlandesgericht eingegangen am 02.05.2019, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, Beschwerde eingelegt und auf die der Rechtsauffassung des Grundbuchamts entgegenstehende Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm und verschiedener Landgerichte hingewiesen. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde ausweislich seines Beschlusses vom 16.05.2019 (Bl. 32/20 der Akte) unter Bezugnahme auf die Gründe des Zurückweisungsbeschlusses nicht abgeholfen und hat sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Darüber hinaus hat es in den Beschlussgründen darauf hingewiesen, dass eine Vollmacht für die Beteiligte zu 1. nicht nachgewiesen sei.
II.
Die Beschwerde ist gemäß den §§ 71, 73 GBO statthaft und auch ansonsten zulässig. Der Vorlage einer Verfahrensvollmacht für die Beteiligte zu 1. durch den Beteiligten zu 2. bedarf es in Ansehung des § 11 Satz 4 FamFG für die Beschwerdeeinlegung nicht (vgl. Sternal in KEHE, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 71 Rz. 90; Kramer in BeckOK GBO, Stand: 01.03.2019, § 71 Rz. 223 m. w. N., vgl. auch Senat, Beschluss vom 23.11.2005, 20 W 516/05, zitiert nach juris).
Die Beschwerde hat auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Begründung des Grundbuchamts im angefochtenen Beschluss ist nicht geeignet, den Eintragungs-/Löschungsantrag der Beteiligten zurückzuweisen.
Allerdings wird in der Literatur durch das vom Grundbuchamt in seiner Verfügung vom 29.03.2019 (Bl. 32/12 der Akte) zitierte Handbuch (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rz. 2724a) die Auffassung vertreten, der Teilvollzug einer durch den Gläubiger eines Gesamtgrundpfandrechtes erteilten Löschungsbewilligung sei nicht zulässig, so dass für die Löschung eines Gesamtrechtes nur an einzelnen belasteten Grundstücken oder Miteigentumsanteilen die Erklärung einer Pfandfreigabe durch den Gläubiger erforderlich sei.
Demgegenüber wird von der ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur angenommen, dass bei einem Gesamtgrundpfandrecht auf der Grundlage einer vom Gläubiger erteilten Löschungsbewilligung auf entsprechenden Antrag des Eigentümers eine Löschung nur an einzelnen belasteten Grundstücken oder Miteigentumsanteilen zulässig ist (vgl. OLG Hamm FGPrax 1998, 208; OLG München FGPrax 2016, 150; OLG Celle FGPrax 2018, 250; LG Verden BeckRS 2011, 13238; LG Gera MittBayNot 2002, 190, mit Anm. Munzig; Demharter, GBO, 31. Aufl., § 13 Rz. 19 und § 19 Rz. 21; Bauer/Schaub/Krauß, GBO, 4. Aufl., AT D Rz. 166; Volmer in KEHE, a.a.O., § 13 Rn. 41; Meikel/Böhringer, GBO, 11. Aufl., § 48 Rz. 157; Reetz in BeckOK GBO, a.a.O., § 13 Rz. 48; Reischl in jurisPK-BGB, Stand: 01.04.2017, § 1175 Rz. 14; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neub. 2015, § 1175 Rz. 10; Palandt/Herrler, BGB, 78. Aufl., § 1175 Rz. 3; Lotter MittBayNot 1985, 8). Dieser Auffassung hat sich auch der erkennende Senat bereits angeschlossen (Beschluss vom 09.07.2018, 20 W 11/18, n. v.).
Er hat hierzu im Beschluss vom 09.07.2018 zur Begründung ausgeführt:
„Der Senat vermag der auch in der Literatur vereinzelt gebliebenen Auffassung von Schöner/Stöber nicht zu folgen, sondern schließt sich der herrschenden Auffassung an. Zwar gilt im Grundbuchrecht im Ausgangspunkt der von Schöner/Stöber in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gestellte Grundsatz, wonach der Antrag nach § 13 GBO und die nach § 19 GBO erforderliche Bewilligung sich decken müssen. Hiervon kann jedoch abgewichen werden, wenn der Bewilligung entnommen werden kann, dass der Erklärende auch mit einem Teilvollzug im Grundbuch einverstanden ist, so dass seine Löschungsbewilligung in eine Pfandfreigabeerklärung umgedeutet werden kann bzw. diese mit umfasst. Von einem solchen Einverständnis mit dem Teilvollzug kann bei der von einer Bank erklärten Löschungsbewilligung für ein Gesamtgrundpfandrecht in aller Regel und auch im hier vorliegenden Fall ausgegangen werden, ohne dass es insoweit entscheidend darauf ankäme, ob man in materiell-rechtlicher Hinsicht von einer Aufgabe oder einem Verzicht des Gläubigers auf das Recht ausgeht. Denn einer solchen für das Gesamtrecht erteilten Löschungsbewilligung kann im Wege der Auslegung entnommen werden, dass die Bank an dem weiteren rechtlichen Schicksal des Gesamtrechts nach Erteilung der Löschungsbewilligung und – im Falle eines Briefrechtes – Aushändigung des Briefes – kein Interesse mehr hat. Die rechtlichen Belange der Bank werden nämlich durch die Art und Weise des nachfolgenden Grundbuchvollzuges nicht mehr berührt. Der von ihr erteilten Löschungsbewilligung kann somit im Wege der gebotenen Auslegung entnommen werden, dass sie nicht nur mit der sofortigen Löschung des Gesamtrechtes einverstanden ist, sondern auch mit der Löschung zunächst nur an einzelnen Grundstücken oder Miteigentumsanteilen sowie der erst späteren Löschung an den zunächst verbliebenen Belastungsobjekten (so ausführlich auch Lotter a.a.O. und OLG München a.a.O.).“
Daran hält der Senat fest. Die genannten Grundsätze finden auch auf das vorliegende Verfahren Anwendung, das auch keine Veranlassung gibt, hiervon abzuweichen. Das Grundbuchamt hat seine abweichende Rechtsauffassung denn auch nicht eigenständig begründet, sondern lediglich auf die genannte Literaturstelle, mit der der Senat sich auseinandergesetzt hat, verwiesen. Lediglich ergänzend ist noch darauf zu verweisen, dass die bewilligende Gläubigerin hier ausweislich der vorgelegten und alle oben aufgeführten Grundbuchblätter umfassenden Löschungsbewilligung auf eine Vollzugsnachricht verzichtet hat, was ebenfalls dafür spricht, dass sie an dem weiteren rechtlichen Schicksal des Gesamtrechts nach Erteilung der Löschungsbewilligung kein Interesse mehr hat (vgl. dazu auch OLG Celle FGPrax 2018, 250). Alleine auf das Interesse der Gläubigerin hat aber das Grundbuchamt ausweislich der Gründe des angefochtenen Beschlusses abgestellt. Soweit also an der vom Grundbuchamt in Bezug genommenen Literaturstelle weiter darauf verwiesen wird, dass ein Teilvollzug nicht zulässig sei, da bei einer Löschungsbewilligung für das Gesamtrecht beachtet werden müsse, dass die Grundschuld nach §§ 1192, 1173 Abs. 2 BGB auf den Eigentümer des mithaftenden Grundstücks übergegangen sein könnte, ist lediglich noch ergänzend darauf hinzuweisen, dass auf diese Erwägungen die Oberlandesgerichte Hamm (Tz. 18 ff. bei juris) und München (Tz. 16 ff. bei juris), denen sich der Senat bereits – wie oben dargelegt – im Beschluss vom 09.07.2018 angeschlossen hat, bereits eingegangen sind (so nun auch OLG Celle FGPrax 2018, 250, Tz. 17 ff. bei juris). Hierauf kann Bezug genommen werden.
Aus den genannten Gründen erweist sich die Beschwerde wie aus dem Beschlusstenor ersichtlich als erfolgreich. Aus den im angefochtenen Beschluss aufgeführten Gründen – der Unzulässigkeit eines Teilvollzugs einer Löschungsbewilligung – kann die Zurückweisung des Eintragungs-/Löschungsantrags nicht aufrechterhalten werden. Ob dem Eintragungsantrag ggf. andere Hindernisse entgegenstehen, auf die das Grundbuchamt seine Zurückweisung bislang nicht gestützt hat, wird es in eigener Zuständigkeit zu prüfen haben.
Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde bedarf es weder einer Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens noch einer Wertfestsetzung.
Auch eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.