Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 2 Wx 23/21 – Beschluss vom 02.08.2021
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Grundbuchamts des Amtsgerichts Meldorf aufgehoben, soweit das Grundbuchamt die Auffassung vertreten hat, dass die Eintragung einer Wohnungsgewährungsreallast in Schleswig-Holstein nicht zulässig ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde nach einem Geschäftswert von 5.000 € zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten leben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen. Der als Eigentümer des betroffenen Grundstücks eingetragene Beteiligte zu 1) hat der Beteiligten zu 2) mit Vertrag vom 9. Januar 2021 – UR-Nr. … der Notarin A. in X. – in den nach vorausgegangenen Hinweisen des Grundbuchamts mit beglaubigten Erklärungen vom 17. März 2021 – UR-Nr. … – und 7. April 2021 – UR-Nr. … der Notarin A. – geänderten Fassungen auf deren Lebensdauer ein Mitbenutzungsrecht zum Wohnen an dem Anwesen eingeräumt. Die Beteiligten haben vereinbart, dass für den Fall, dass der Grundbesitz auf jemand anderes als Eigentümer übergehen sollte, das Mitbenutzungsrecht aufschiebend bedingt auf den Eigentumsübergang auf einen Dritten zu einem Wohnungsrecht mit näher konkretisiertem Inhalt erstarkt. In § 2 heißt es in der zuletzt vereinbarten Fassung zum Inhalt des Wohnungsrechts in Nr. 6:
„Das Wohnungsrecht erlischt auch dinglich, wenn es auf Dauer nicht ausgeübt werden kann; der Berechtigte ist dann zur Bewilligung der Löschung verpflichtet, Geldersatzansprüche werden aus jedem Rechtsgrund ausgeschlossen, es sei denn der Eigentümer hat den Wegzug zu vertreten.
(…)
Es wird bewilligt und beantragt, das Wohnungsrecht gem. § 1093 BGB aufschiebend und zugleich auflösend bedingt in das Grundbuch einzutragen.
(…)
Erlischt infolge Wegfalls der betreffenden Räumlichkeiten, gleich aus welchem Grund, die Möglichkeit der Inanspruchnahme des vorstehend vereinbarten und zur Eintragung bewilligten Wohnungsrechtes, ist der Eigentümer aufschiebend bedingt verpflichtet, der Berechtigten eine Wohnung vergleichbarer Größe, Ausstattung und Lage im Umkreis von 100 km nach ihrer Entscheidung, auch auf dem Grundstück selbst, auf Lebenszeit zur Verfügung zu stellen, wobei die Berechtigte lediglich die heute vereinbarten Kosten und Aufwendungen zu tragen hat. (…) Den Monatswert dieser Leistungsverpflichtung geben die Beteiligten mit 650,00 Euro (in Worten: sechshundertfünfzig Euro) an. Zur Sicherung bewilligt der Eigentümer und beantragt die Berechtigte im Rang nach dem Wohnungsrecht die Eintragung einer Wohnungsgewährungsreallast (§ 1105 BGB) zu ihren Gunsten (…).“
Die beurkundende Notarin hat unter Beifügung einer Ausfertigung der vorbezeichneten Ausgangsurkunde mit Schreiben vom 11. Januar 2021 im Namen der Antragsberechtigten die Eintragung des Wohnrechts und aufschiebend bedingten Wohnungsrechts an rangbereiter Stelle im Grundbuch und die Eintragung der Wohnungsgewährungsreallast im Rang nach dem Wohnrecht und dem aufschiebend bedingten Wohnungsrecht im Grundbuch beantragt.
Mit Verfügung vom 2. Februar 2021 hat das Grundbuchamt, soweit für das Beschwerdeverfahren von Interesse, darauf hingewiesen, dass es nicht Inhalt des Wohnungsrechts sein könne, dass der Berechtigte zur Abgabe einer Löschungsbewilligung verpflichtet werde, dies könne nur schuldrechtlich vereinbart werden. Weiter hat es darauf hingewiesen, dass gemäß § 54 Abs. 2 des preußischen Gesetzes betreffend die Ablösung von Reallasten in der Provinz Schleswig-Holstein vom 3. Januar 1873 (PrGBl. S. 3) mit Ausnahme von Geldrenten keine Reallasten begründet werden könnten, und diesbezüglich die Rücknahme des Antrags in der Form des § 29 GBO angeregt.
Die Notarin hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Wohnungsreallast nicht um einen besonderen Rechtsbegriff handele, sondern um eine übliche, in §§ 1105 ff. BGB geregelte Reallast, die lediglich mit dem besonderen Rechtsinhalt der Gewährung von Wohnraum bestellt worden sei. Der Grundstückseigentümer sei aufgrund der Reallast verpflichtet, positive Leistungen zu erbringen, wobei die Realisierung der eingetragenen Reallast im Wege der Zwangsvollstreckung und hier insbesondere im Wege der Zwangsversteigerung erfolge. Die aufgrund der Reallast zu erbringenden Leistungen müssten in Geld umgerechnet im Versteigerungsverfahren angemeldet werden. Von der Art der Durchsetzung des Rechts stehe die Reallast als Verwertungsrecht dem Grundpfandrecht gleich.
Das Grundbuchamt hat in seiner Zwischenverfügung vom 25. März 2021 an seiner Auffassung festgehalten und um Einreichung einer Ergänzungsurkunde unter Fristsetzung gebeten. Hiergegen richtet sich die von der Notarin eingelegte Beschwerde vom 7. April 2021, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 19. April 2021 nicht abgeholfen hat.
II.
Die gemäß § 71 Abs. 1 GBO zulässige Beschwerde, die gemäß § 15 Abs. 2 GBO als im Namen der Beteiligten eingelegt gilt, ist teilweise begründet.
1. a) Nach § 1105 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstück zu entrichten sind. Eine Beziehung zwischen den vereinbarten Leistungen und dem belasteten Grundstück muss nicht bestehen (Senat DNotZ 1975, 720; Mohr, MüKo, BGB, 8. Aufl., § 1105 Rn. 14 m. w. N.; Palandt/Herrler, BGB, 80. Aufl., § 1105 Rn. 4). Die Reallast muss auch nicht auf Erbringen von Geldleistungen gerichtet sein, sondern kann im Erbringen persönlicher Dienste, wie Pflegeleistungen (Senatsbeschluss vom 12. August 2020 – 2 Wx 38/20 – juris; FamRZ 2001, 1455; Mohr, a. a. O., § 1105 Rn. 18), Gewähren von Wohnung, Aufrechterhaltung eines bestimmten Gebäudezustandes (Palandt/Herrler, a. a. O.) oder der Verpflichtung zum Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes (Mohr, a. a. O., § 1105 Rn. 23) bestehen.
b) Entgegen der Auffassung des Grundbuchamts steht der Eintragung der Reallast § 54 Abs. 2 des preußischen Gesetzes vom 3. Januar 1873 betreffend die Ablösung der Reallasten in der Provinz Schleswig-Holstein (GS Pr. S. 3) nicht entgegen.
Dieses Gesetz gilt allerdings im Rahmen des landesrechtlichen Vorbehalts des Art. 115 EGBGB bis heute fort (Senatsbeschluss vom 12. August 2020, a. a. O.; Mohr, a. a. O. § 1105 Rn. 78; Staudinger/ Reymann, BGB, Neubearb. 2017, Einl. zu §§ 1105-1112 Rn. 18; vgl. auch LT-Drucks. 16/239, S. 5).
Nach § 54 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Ablösung der Reallasten in der Provinz Schleswig-Holstein dürfen mit Ausnahme fester Geldrenten Lasten, welche nach dem gegenwärtigen Gesetz ablösbar sind, einem Grundstück ab Erlass des Gesetzes nicht auferlegt werden. Nach den Vorschriften des Gesetzes ablösbar sind nach dessen § 1 als Grund- oder Reallasten „alle beständigen Abgaben und Leistungen, welche auf eigenthümlich oder zu Erbzins, Erbfeste oder Erbpacht besessenen Grundstücken oder Gerechtigkeiten haften“. Untersagt ist nach dem Wortlaut der Bestimmung danach allein die Belastung eines Grundbesitzes mit beständigen Abgaben oder Leistungen. Nicht beständige Abgaben und Leistungen können demgegenüber einem Grundstück auferlegt werden (Senat, a. a. O. Rn. 16; OLG Köln, Beschluss vom 9. Oktober 1995 – 2 Wx 36/95 – juris Rn. 16 zum wortlautgleichen Art. 30 Abs. 1 PrAGBGB; a.A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 1986 – 9 U 228/85, Rpfleger 1986, S. 366).
Nicht beständig sind Abgaben oder Leistungen, wenn sie zeitlich beschränkt sind. Dafür genügt es, dass sie auf die Lebensdauer eines Menschen befristet sind (Senat, a. a. O., Rn. 17; OLG Köln, a. a. O., Rn. 18, 20). Ein solches Verständnis entspricht dem hinter der landesrechtlichen Beschränkung stehenden Zweck, eine auf unabsehbare Zeit andauernde Belastung eines Grundstücks durch seit dem Mittelalter entstandene grundherrschaftliche Lasten, wie Fron-, Hand- oder Spanndienste und daraus folgende, als übermäßig empfundene Bindungen des Grundbesitzes aufzuheben (Senat, a. a. O.; OLG Köln, a.a.O., Rn. 21; Mohr, a. a. O., § 1105 Rn. 1). Dass auch das Gesetz betreffend die Ablösung der Reallasten in der Provinz Schleswig-Holstein vordringlich die Ablösung solcher grundherrschaftlichen Lasten bezweckt, ergibt sich aus den in seinen §§ 6 ff. enthaltenen Ausgleichsregeln, die etwa in § 8 Baudienste, in § 10 Spanndienste und in den §§ 14 ff. nach Körnern bemessene Abgaben von Getreide betreffen (Senat, a. a. O.).
Gemessen daran handelt es sich bei der zugunsten der Beteiligten zu 2) vereinbarten Wohnungsgewährungsreallast um eine nicht beständige Reallast. Sie ist bereits nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 6 der notariellen Vereinbarung auf die Lebenszeit der Beteiligten zu 2) beschränkt. Eine solche Beschränkung entspricht auch dem erkennbaren Zweck des Wohnungsgewährungsrechts, als Gegenleistung für die von der Beteiligten zu 2) auf den Belastungsgegenstand erbrachten finanziellen Aufwendungen bei Eigentumsverlust oder Trennung ihre Versorgung durch ein lebenslanges Wohnrecht bzw. Wohnungsrecht auf dem Anwesen gemäß § 1093 BGB und bei Wegfall der betreffenden Räumlichkeiten an einem vergleichbaren Anwesen gemäß § 1105 BGB durch den Beteiligten zu 1) sicherzustellen (vgl. Mohr, a. a. O., 8. Aufl., § 1105 Rn. 18).
2. Demgegenüber hat die Beschwerde keinen Erfolg, soweit die Beteiligten sich ohne Begründung gegen die Auffassung des Grundbuchamts wenden, dass eine Verpflichtung zur Löschungsbewilligung und der Ausschluss von Schadensersatzansprüchen nicht zum Gegenstand eines dinglichen Wohnungsrechts gemacht werden kann. Das Wohnungsrecht nach § 1093 Abs. 1 BGB ist das Recht, ein Gebäude oder den Teil eines solchen unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung zu benutzen (§ 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB); es verpflichtet den Eigentümer, diese Nutzung zu dulden.
Unbedenklich ist in diesem Zusammenhang im Ausgangspunkt die – vom Grundbuchamt zu Recht nicht beanstandete – Vereinbarung in § 2 Nr. 6 S. 1 des Vertrags, dass das Wohnungsrecht dinglich erlischt, wenn es auf Dauer nicht mehr ausgeübt werden kann. Es handelt sich insoweit um eine auflösende Bedingung im Sinne des § 158 BGB, die ausreichend bestimmt ist, weil sie objektiv bestimmbar ist (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 1261; Krauß NotBZ 2007, 129).
Bei den weiteren Vereinbarungen in § 2 Nr. 6 S. 1 des Vertrags handelt es sich dagegen um schuldrechtliche Vereinbarungen im Zusammenhang mit der auflösenden Bedingung der Wohnungsrechtsbestellung. Derartige schuldrechtliche Vereinbarungen können zwar neben dem dinglichen Recht selbstständig oder als Teil des Grundgeschäfts getroffen werden, sie können aber nicht Gegenstand des dinglichen Wohnungsrechts sein und sind nicht eintragungsfähig (vgl. BGH FamRZ 2009, 598; Palandt/Herrler, a. a. O., § 1093 Rn. 8, 14, 15 i. V. m. § 1090 Rn. 5 und § 1018 Rn. 27 m. w. N.).
III.
Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG. Soweit die Beschwerde Erfolg hat, fallen gemäß § 25 Abs. 1 GNotKG und Nr. 14510 KV-GNotKG Gerichtsgebühren nicht an.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO liegen nicht vor. Insbesondere gebietet die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GBO keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf das Urteil des OLG Düsseldorf Rpfleger 1986, 366, das den mit § 54 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Ablösung der Reallasten in der Provinz Schleswig-Holstein wortlautgleichen Art. 30 Abs. 1 PrAGBGB, der nach § 22 des Gesetzes über Gemeinheitsteilung und Reallastenablösung vom 28. November 1961 (Sonderband GV NW Nr. 7815) im ganzen Land Nordrhein-Westfalen anwendbar ist, abweichend ausgelegt hat, da diese Abweichung die Auslegung nicht revisiblen Landesrechts betrifft (Senat, a. a. O., Rn. 20).