Bestandteilszuschreibung: OLG München erleichtert grundbuchrechtliche Vorgänge ohne Eigentümerbewilligung
In einem Rechtsstreit um die Zuschreibung von Grundstücksteilen und die damit verbundenen Dienstbarkeiten entschied das Oberlandesgericht München, dass für die Zuschreibung von Grundstücksteilen als Bestandteil eines anderen Grundstücks die Bewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks nicht erforderlich ist, sofern dadurch keine rechtliche Beeinträchtigung für den Eigentümer entsteht. Das Gericht hob damit den Beschluss des Amtsgerichts Laufen auf, welches die Zuschreibung wegen vermeintlich notwendiger Bewilligung abgelehnt hatte. Diese Entscheidung klärt, dass eine Bestandteilszuschreibung unter bestimmten Voraussetzungen ohne die Zustimmung des Eigentümers des dienenden Grundstücks möglich ist.
Übersicht
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das OLG München hat entschieden, dass die Bewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks für die Zuschreibung von Grundstücksteilen nicht notwendig ist, wenn keine rechtliche Beeinträchtigung vorliegt.
- Der Beschluss des Amtsgerichts Laufen, der eine Bewilligung für die Bestandteilszuschreibung forderte, wurde aufgehoben.
- Die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Eintragungsantrags durch das Grundbuchamt war zulässig und begründet.
- Die rechtliche Beeinträchtigung wird nur dann angenommen, wenn das Recht durch die Eintragung eine ungünstigere Gestaltung erfahren kann.
- Dienstbarkeiten bleiben im bisherigen Umfang bestehen und verbleiben dem Gesamtgrundstück, jedoch mit einer Beschränkung der Ausübung für den Teil, der früher das herrschende Grundstück war.
- Die Ausübung der Dienstbarkeiten ist zu Gunsten des Teils des Grundstücks beschränkt, der vorher herrschend war, was keine nachteilige rechtliche Veränderung für den Eigentümer des dienenden Grundstücks darstellt.
- Die Entscheidung unterstreicht die Möglichkeit der Zuschreibung von Grundstücksteilen als Bestandteil eines anderen Grundstücks unter bestimmten Bedingungen ohne zusätzliche Bewilligungen.
- Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens unterblieb, da die Beteiligten durch den Erfolg des Rechtsmittels von der Kostentragung befreit wurden.
Eigentümerbewilligung bei Bestandteilszuschreibung: Was ist zu beachten?
Die Bestandteilszuschreibung ist ein grundbuchrechtlicher Vorgang, bei dem ein Grundstück einem anderen Grundstück als Bestandteil zugeschrieben wird. Dies kann zum Beispiel erfolgen, wenn zwei Grundstücke miteinander verbunden werden sollen oder wenn ein Gebäude auf einem fremden Grundstück errichtet wird.
In der Praxis kommt es häufig zu Fragen im Zusammenhang mit der Eigentümerbewilligung des dienenden Grundstücks bei einer Bestandteilszuschreibung. Das Oberlandesgericht München hat in einem aktuellen Beschluss vom 24. Januar 2024 (Az.: 34 Wx 9/24 e) entschieden, dass die Bewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks für den grundbuchrechtlichen Vollzug der Bestandteilszuschreibung nicht erforderlich ist.
In diesem Beitrag erläutern wir die rechtlichen Grundlagen der Bestandteilszuschreibung und die Bedeutung der Eigentümerbewilligung des dienenden Grundstücks. Wir geben auch einen Überblick über die aktuelle Rechtsprechung und stellen dar, welche praktischen Auswirkungen die Entscheidung des Oberlandesgerichts München hat.
Grundstückstausch und Bestandteilszuschreibung
Ausgangspunkt der rechtlichen Auseinandersetzung war ein notariell beurkundeter Tauschvertrag zwischen zwei Parteien, die jeweils Eigentümer von angrenzenden Grundstücken waren. Durch diesen Tausch sollte jeweils ein Teil der Grundstücke den Eigentümer wechseln, mit dem Ziel, diese Teile den jeweils anderen Grundstücken als Bestandteil zuzuschreiben. Eine solche Zuschreibung hätte zur Folge, dass die neu zugeschriebenen Teile rechtlich als untrennbarer Teil des Hauptgrundstücks gelten.
Rechtliche Herausforderungen und das Grundbuchamt
Das rechtliche Problem entstand, als das Grundbuchamt die Bestandteilszuschreibung ablehnte. Die Begründung basierte darauf, dass durch die Zuschreibung die bestehenden Dienstbarkeiten, konkret Geh- und Fahrtrechte, in ihrer Ausübung beeinträchtigt werden könnten. Nach Auffassung des Grundbuchamtes war eine Bewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks notwendig, da die Bestandteilszuschreibung formalrechtlich als Erweiterung der bestehenden Dienstbarkeiten interpretiert wurde, was eine rechtliche Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Grundstücks darstellen könnte.
Notarielle Argumentation und gerichtliche Klärung
Der die Grundstückseigentümer vertretende Notar legte Beschwerde ein und argumentierte, dass keine tatsächliche Erweiterung der Dienstbarkeiten vorliege, da die Ausübung der Rechte auf den ursprünglichen Bereich beschränkt bleibe. Dieser Argumentation folgend, sah das Oberlandesgericht München keine Notwendigkeit für eine Bewilligung durch den Eigentümer des dienenden Grundstücks. Es urteilte, dass die rechtliche Position des Eigentümers des dienenden Grundstücks nicht nachteilig verändert werde, und hob daher den Beschluss des Grundbuchamts auf.
Entscheidungsgründe und rechtliche Bewertung
Das Gericht stützte sich in seiner Entscheidung maßgeblich auf die Auslegung des § 19 GBO (Grundbuchordnung), der besagt, dass Eintragungen im Grundbuch vorgenommen werden können, wenn sie vom Rechteinhaber bewilligt werden, dessen Recht von der Eintragung betroffen ist. In diesem Fall sah das Gericht keine „rechtliche Beeinträchtigung“ im Sinne des § 19 GBO, da die Dienstbarkeiten in ihrem Bestand und ihrer Ausübung nicht verändert wurden. Die Entscheidung unterstreicht die Möglichkeit, Grundstücksteile als Bestandteil anderen Grundstücken zuzuschreiben, ohne die Rechte Dritter zu beeinträchtigen, solange die Ausübung der Dienstbarkeiten klar geregelt und begrenzt ist.
Das Oberlandesgericht München bestätigte mit seinem Beschluss die Zulässigkeit der Bestandteilszuschreibung unter den gegebenen Umständen und stärkte damit die Rechtssicherheit in vergleichbaren Fällen.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Was ist eine Bestandteilszuschreibung im Grundbuchrecht?
Eine Bestandteilszuschreibung im Grundbuchrecht bezieht sich auf den Vorgang, bei dem ein Grundstück (das zugeschriebene Grundstück) einem anderen Grundstück (dem Hauptgrundstück) als Bestandteil zugeschrieben wird. Dies ist ein materiell-rechtlicher Vorgang, der auf einer entsprechenden Erklärung des Eigentümers beider Grundstücke basiert. Eine Zustimmung von Drittberechtigten ist hierfür nicht erforderlich.
Die Wirkung der Bestandteilszuschreibung besteht darin, dass das zugeschriebene Grundstück Teil des Hauptgrundstücks wird. Bei einer solchen Zuschreibung entsteht im rechtlichen Sinne ein neues Grundstück. Zukünftige Belastungen erfassen das gesamte Grundstück, während bisherige Belastungen auf jedem Teil bestehen bleiben. Die bislang nur an einem Grundstücksteil bestehenden Belastungen erstrecken sich nicht auf die anderen Grundstücksteile. Eine Ausnahme gilt für Grundpfandrechte, die am Hauptgrundstück lasten; diese erstrecken sich auf das zugeschriebene Grundstück und nehmen Rang nach den auf dem zugeschriebenen Grundstück bestehenden Belastungen ein.
Mehrere Grundstücke desselben Eigentümers können im Grundbuch so verbunden werden, dass sie im Wege der Vereinigung oder Zuschreibung als ein Grundstück eingetragen werden. Bei der Zuschreibung erstrecken sich die bereits am Hauptgrundstück eingetragenen Belastungen, wie Hypotheken, Grund- oder Rentenschulden, auch auf das zugeschriebene Grundstück, haben aber Rang nach den am zugeschriebenen Grundstück schon bestehenden Belastungen. Weder bei der Vereinigung noch bei der Bestandteilszuschreibung ist die Zustimmung dinglich Berechtigter erforderlich. Nach der Vereinigung oder Zuschreibung können Belastungen jeweils nur noch auf dem gesamten Grundstück eingetragen werden.
Zusammengefasst ermöglicht die Bestandteilszuschreibung die rechtliche Vereinigung von Grundstücken zu einem neuen, einheitlichen Grundstück, wobei bestehende Belastungen auf den jeweiligen Teilgrundstücken erhalten bleiben, aber zukünftige Belastungen das gesamte, neu entstandene Grundstück betreffen.
Wie wirkt sich die Eigentümerbewilligung auf die Bestandteilszuschreibung aus?
Die Eigentümerbewilligung spielt eine zentrale Rolle bei der Bestandteilszuschreibung im Grundbuchrecht. Die Bestandteilszuschreibung ist ein Vorgang, bei dem ein Grundstück einem anderen Grundstück als Bestandteil zugeschrieben wird. Dieser Vorgang setzt voraus, dass die betroffenen Grundstücke spätestens im Zeitpunkt der Neueintragung demselben Eigentümer gehören. Bei gemeinschaftlichem Eigentum müssen zudem spätestens zu diesem Zeitpunkt die Art der rechtlichen Verbundenheit und die Beteiligungsquoten dieselben sein.
Die Eigentümerbewilligung ist eine notwendige Voraussetzung für die Durchführung der Bestandteilszuschreibung. Sie ist eine Erklärung des Eigentümers, die gegenüber dem Grundbuchamt abgegeben wird und die Zustimmung zur Durchführung der Bestandteilszuschreibung beinhaltet. Diese Bewilligung ist Teil des Antrags auf Bestandteilszuschreibung und muss in der für Grundbucherklärungen vorgeschriebenen Form, in der Regel also in notariell beglaubigter Form, vorliegen.
Die Bewilligung des Eigentümers ist erforderlich, um die Eintragung der Bestandteilszuschreibung im Grundbuch vornehmen zu können. Ohne diese Bewilligung kann das Grundbuchamt die gewünschte Eintragung nicht vornehmen. Die Eigentümerbewilligung dient somit als Nachweis des Einverständnisses des Eigentümers mit der Bestandteilszuschreibung und als Grundlage für die Eintragung im Grundbuch.
Zusammenfassend ist die Eigentümerbewilligung ein entscheidender Schritt im Prozess der Bestandteilszuschreibung, da sie die Zustimmung des Eigentümers zur rechtlichen Verbindung der Grundstücke dokumentiert und die Grundlage für die entsprechende Eintragung im Grundbuch bildet.
Welche Rolle spielen Dienstbarkeiten bei der Bestandteilszuschreibung?
Dienstbarkeiten spielen bei der Bestandteilszuschreibung eine wichtige Rolle, da sie die Nutzung und Verfügbarkeit der betroffenen Grundstücke maßgeblich beeinflussen können. Bei der Bestandteilszuschreibung wird ein Grundstück einem anderen Grundstück als Bestandteil zugeschrieben, was rechtlich die Vereinigung der Grundstücke bedeutet. Die Dienstbarkeiten, die auf den beteiligten Grundstücken lasten, bleiben dabei grundsätzlich bestehen und müssen im Zuge der Bestandteilszuschreibung berücksichtigt werden.
Vorrangige Dienstbarkeiten, die auf einem der Grundstücke eingetragen sind, stehen der Bestandteilszuschreibung und der katastertechnischen Verschmelzung der Flurstücke nicht entgegen. Sie bleiben nach der Zuschreibung weiterhin bestehen und behalten ihren Rang. Dies bedeutet, dass die Dienstbarkeiten, die vor der Zuschreibung auf einem der Grundstücke lasteten, auch nach der Zuschreibung und der rechtlichen Vereinigung der Grundstücke weiterhin wirksam sind. Die Dienstbarkeiten erstrecken sich jedoch nicht automatisch auf das gesamte neue Grundstück, sondern beziehen sich weiterhin nur auf den Teil des Grundstücks, auf den sie ursprünglich eingetragen waren.
Die rechtliche Einordnung und die Handhabung von Dienstbarkeiten im Kontext der Bestandteilszuschreibung sind insbesondere dann von Bedeutung, wenn die beteiligten Grundstücke unterschiedlich belastet sind. Beispielsweise kann ein Grundstück mit einer Dienstbarkeit belastet sein, während das andere Grundstück frei von solchen Belastungen ist. Nach der Zuschreibung bleibt die Dienstbarkeit auf dem ursprünglich belasteten Teilgrundstück bestehen. Dies kann zu einer unterschiedlichen Belastung innerhalb des neu entstandenen Gesamtgrundstücks führen.
Zusammenfassend haben Dienstbarkeiten bei der Bestandteilszuschreibung eine wesentliche Bedeutung, da sie die Nutzungsmöglichkeiten der betroffenen Grundstücksteile weiterhin einschränken können. Die bestehenden Dienstbarkeiten bleiben nach der Zuschreibung bestehen und müssen bei der Planung und Durchführung der Bestandteilszuschreibung berücksichtigt werden.
§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- § 19 GBO (Grundbuchordnung): Regelt die Eintragungsvoraussetzung der Bewilligung durch denjenigen, dessen Recht von der Eintragung betroffen ist. Im Kontext des Urteils ist dies relevant, weil diskutiert wurde, ob die Bestandteilszuschreibung ohne die Bewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks erfolgen kann.
- § 15 GBO: Betrifft die Antragstellung zur Eintragung im Grundbuch. Der Urkundsnotar hat hier gemäß dieser Vorschrift im Namen der Beteiligten gehandelt, um die Eigentumsumschreibung sowie die Bestandteilszuschreibung zu beantragen.
- § 71 GBO: Regelung zur Beschwerde gegen Entscheidungen des Grundbuchamts. Dies war relevant für die Zulässigkeit der Beschwerde, die der Notar gegen den ablehnenden Beschluss des Grundbuchamts eingelegt hat.
- § 22 Abs. 1 GNotKG (Gerichts- und Notarkostengesetz): Betrifft die Kostenpflicht der Beteiligten im Beschwerdeverfahren. Im Urteil wurde festgestellt, dass aufgrund des Erfolgs der Beschwerde keine Kostenpflicht für die Beschwerdeführer besteht.
- § 25 Abs. 1 GNotKG: Regelt die Kostenbefreiung bei erfolgreicher Beschwerde. Dies unterstreicht, dass die Beteiligten aufgrund des erfolgreichen Ausgangs des Beschwerdeverfahrens von der Kostenpflicht befreit sind.
- § 890 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Behandelt die Vereinigung und Teilung von Grundstücken und die damit verbundenen Rechte. Obwohl im Urteil nicht direkt erwähnt, ist dieser Paragraph relevant für das Verständnis, wie Dienstbarkeiten bei der Vereinigung von Grundstücken behandelt werden, was im Kontext der Bestandteilszuschreibung von Bedeutung ist.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 34 Wx 9/24 e – Beschluss vom 24.01.2024
In der Grundbuchsache (…) wegen Bestandteilszuschreibung erlässt das Oberlandesgericht München – 34. Zivilsenat – am 24.01.2024 folgenden Beschluss
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Laufen – Grundbuchamt – vom 14.11.2023 aufgehoben.
2. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag nicht aus den Gründen des aufgehobenen Beschlusses zurückzuweisen.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 2 ist im Grundbuch in Bl. 11xx als Eigentümerin der Fl.Nr. 70/3 eingetragen. Am 30.3.2022 wurde die Zerlegung des Flurstücks in die Fl.Nrn. 70/3 und 70/7 im Grundbuch eingetragen.
Die Beteiligte zu 1 ist im Grundbuch in Bl. 4xx als Eigentümerin der Fl.Nr. 70 eingetragen. Am 30.3.2022 wurde die Zerlegung von Flurstück 70 in die Fl.Nrn. 70 und 70/6 im Grundbuch eingetragen.
In Bl. 6xx sind zur Fl.Nr. 60 in Abt. II unter den laufenden Nrn. 2 und 5 Geh- und Fahrtrechte für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Blatt 4xx, Fl.Nr. 70, eingetragen. In Bl. 4xx sind im Bestandsverzeichnis bei Fl.Nr. 70 entsprechende Herrschvermerke eingetragen.
Mit notariellem Tauschvertrag vom 7.7.2022 vereinbarten die Beteiligten einen Tausch des Grundstücks Fl.Nr. 70/6 an die Beteiligte zu 2 und des Grundstücks Fl.Nr. 70/7 an die Beteiligte zu 1 jeweils mit allen Rechten, Bestandteilen und gesetzlichem Zubehör. In einer Anlage zu dem notariellen Tauschvertrag erklärten die Beteiligten ferner die Auflassung und bewilligten und beantragten die Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch. Ferner beantragten sie, die Fl.Nr. 70/6 dem Grundstück Fl.Nr. 70/3 als Bestandteil zuzuschreiben sowie die Fl.Nr. 70/7 dem Grundstück Fl.Nr. 70 als Bestandteil zuzuschreiben.
Mit Schreiben vom 13.1.2023, eingegangen beim Grundbuchamt am 17.1.2023, reichte der Urkundsnotar gemäß § 15 GBO namens aller Antragsberechtigter die Auflassungsurkunde zur Eigentumsumschreibung ein.
Mit Schreiben vom 24.8.2023 teilte das Grundbuchamt dem Notar mit, dass eine Bestandteilszuschreibung von Flst. 70/6 zu Flst. 70/3 nicht möglich sei. Aus den Herrschvermerken ergebe sich, dass Flst. 70/6 hinsichtlich zweier Dienstbarkeiten berechtigt sei. Herrschend könne nur ein ganzes Grundstück sein. Denkbar wäre eine Antragsrücknahme hinsichtlich der Bestandteilszuschreibung oder Löschung der Dienstbarkeit. Mit Bewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks wäre auch eine Erweiterung der Dienstbarkeit theoretisch möglich.
Mit Schreiben vom 4.9.2023 teilte der Notar mit, dass auch eine weitere Variante möglich sei. Es sei auch zulässig, die Ausübung der Dienstbarkeit zum Vorteil eines realen Teils des herrschenden Grundstücks ohne Verselbständigung dieses Teils zu beschränken. So, wie ohne vertragliche Inhaltsänderung eine „reale Teilflächenbelastung“ bei Dienstbarkeiten möglich sei, sei auf diese Weise eine „reale Teilflächenberechtigung“ bei Dienstbarkeiten möglich. Er bitte daher in der Veränderungsspalte Zug um Zug mit der Eintragung der Bestandteilszuschreibung zu vermerken, dass die bestehende Dienstbarkeit nur dem zugeschriebenen Teil Fl.Nr. 70/6 zum Vorteil gereicht. Die Abgabe erneuter Grundbucherklärungen der Beteiligten sei hierfür nicht erforderlich. Mit weiterem Schreiben legte er eine Stellungnahme des DNotI vor, wonach die beantragte Bestandteilszuschreibung zulässigerweise erfolgen könne, die vom Grundbuchamt vorgebrachten Bedenken bestünden nicht.
Mit Beschluss vom 14.11.2023 wies das Grundbuchamt den Antrag vom 17.1.2023 zurück. Es sei grundsätzlich möglich, dass die Ausübung der Dienstbarkeit nur der derzeit herrschenden Fläche zum Vorteil gereiche. Da es sich jedoch formalrechtlich um eine Rechtserweiterung handele (auch wenn nur eine Teilfläche einen Vorteil habe, so sei künftig doch auch das Flst. 70/3 herrschend, welches derzeit nicht berechtigt ist), sei – entgegen der Auffassung des Notars – die Bewilligung nach § 19 GBO des Eigentümers des belasteten Grundstücks erforderlich. Dieser erleide durch die Erweiterung einen rechtlichen Nachteil.
Hiergegen wendet sich der Notar mit seiner für alle Beteiligten eingelegten Beschwerde vom 21.11.2023 unter Hinweis auf sein Schreiben vom 4.9.2023 und das DNotI-Gutachten. Es liege weder eine Rechtserweiterung, noch eine Inhaltsänderung der Dienstbarkeiten vor.
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 27.12.2023 nicht abgeholfen. Da nur ein ganzes Grundstück herrschend sein könne, erweitere sich der Umfang der Berechtigung durch die Bestandteilszuschreibung rechtlich auch auf das aufnehmende Grundstück, auch wenn der reale Ausübungsbereich eingeschränkt werde. Dadurch habe der Eigentümer des dienenden Grundstücks einen rechtlichen Nachteil, seine Bewilligung nach § 19 GBO fehle.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Insbesondere ist sie gegen die Zurückweisung des Eintragungsantrags statthaft, § 71 GBO. Die Beschwerde konnte durch den Urkundsnotar erhoben werden. Nachdem dieser gemäß § 15 Abs. 2 GBO bereits für die Beteiligten die Eintragung beantragt hatte, gilt er auch als ermächtigt, gegen die darauf ergangene Antragszurückweisung für sie Beschwerde einzulegen (Demharter GBO 33. Aufl. § 71 Rn. 74; Schöner/Stöber GBR 16. Aufl. Rn. 189; Bauer/Schaub/Sellner GBO 5. Aufl. § 71 Rn. 17).
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Mit den im Beschluss vom 14.11.2023 genannten Gründen kann der Eintragungsantrag nicht zurückgewiesen werden.
a) Gemäß § 19 GBO erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen ist. Ein Recht wird von der Eintragung betroffen, wenn es durch sie im Rechtssinn, nicht nur wirtschaftlich, beeinträchtigt wird oder werden kann (BGH BwNotZ 2001, 89; Demharter § 19 Rn. 49). Es muss sich allerdings um eine nachteilige Veränderung handeln, nicht jegliche rechtliche Auswirkung der Eintragung auf das in Frage stehende Recht ist ausreichend (Bauer/Schaub/Kilian § 19 Rn. 122 f.). Eine „rechtliche Beeinträchtigung“ i.S. des § 19 GBO liegt dann vor, wenn das Recht durch die bewilligte Eintragung unter Umständen eine ungünstigere Gestaltung erfahren kann (Hügel/Holzer GBO 4. Aufl. § 19 Rn. 68). Nicht jede Auswirkung auf die Buchposition ruft die Notwendigkeit einer Bewilligung hervor. Wird die Buchposition nur ausschließlich verbessert oder bleibt sie rechtlich neutral, so bedarf es keiner Bewilligung (Meikel/Böttcher GBO 12. Aufl. § 19 Rn. 43; Bauer/Schaub/Kilian § 19 Rn. 123).
b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend eine Bewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks nicht erforderlich. Dieser erleidet durch eine Bestandteilszuschreibung des Flst. 70/6 zu dem Flst. 70/3 keine nachteilige rechtliche Beeinträchtigung.
aa) Die Vereinigung samt Verschmelzung mehrerer Grundstücke, von denen bisher nur eines das herrschende Grundstück aus einer Dienstbarkeit ist, ist ohne weiteres zulässig. Die Dienstbarkeit bleibt im bisherigen Umfang bestehen, d.h. sie verbleibt dem Gesamtgrundstück, jedoch unter Beschränkung der Ausübung für den Grundstücksteil, der früher herrschendes Grundstück war (Schöner/Stöber Rn. 639a). Die Vereinigung des herrschenden Grundstücks einer Grunddienstbarkeit mit einem anderen Grundstück lässt den Bestand und den Umfang der subjektiv-dinglichen Berechtigung selbst unberührt (BayObLG Rpfleger 1974, 148/150; Staudinger/Herrler BGB (2019) § 890 Rn. 33). Bei einer Vereinigung des herrschenden Grundstücks mit einem anderen Grundstück erstreckt sich die Berechtigung zwar formal auf den jeweiligen Eigentümer des neuen Gesamtgrundstücks. Die Ausübung der Berechtigung ist aber zu Gunsten des Teils des Gesamtgrundstücks beschränkt, der früher das herrschende Grundstück bildete (BayObLG NJW-RR 2003, 451; Staudinger/Herrler a.a.O.; BeckOGK/Hertel Stand: 15.4.2021 § 890 BGB Rn. 63; BeckOGK/Kazele Stand: 1.11.2023 § 1018 BGB Rn. 140; MüKoBGB/Mohr 9. Aufl. § 1018 Rn. 24). Entsprechendes gilt bei der Bestandteilszuschreibung (Schöner/Stöber Rn. 652).
bb) Die an dem Grundstück Fl.Nr. 60 bestellten Dienstbarkeiten in Form von Geh- und Fahrtrechten erfahren somit durch die Bestandteilszuschreibung keine nachteilige Veränderung. Weder werden die Geh- und Fahrtrechte räumlich noch sonst inhaltlich verändert. Sie dürfen auch künftig nur zugunsten des Grundtücksteils ausgeübt werden, der bisher herrschendes Grundstück war. Weil die Ausübung der Berechtigung aus der Dienstbarkeit auf das früher herrschende Grundstück beschränkt bleibt, bringt die Grunddienstbarkeit dem durch die Zuschreibung entstehenden Grundstück keinen Vorteil (BayObLG NJW-RR 2003, 451/452). Umgekehrt entsteht dem dienenden Grundstück auch kein Nachteil. Zutreffend ist zwar die Feststellung des Grundbuchamtes, dass künftig das gesamte Grundstück Fl.Nr. 70/3 das herrschende Grundstück darstellt, aufgrund der Ausübungsbeschränkung liegt aber keine nachteilige rechtliche Beeinträchtigung für den Eigentümer des dienenden Grundstücks vor.
3. Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens unterbleibt, weil die Beteiligten diese als Beschwerdeführer zunächst gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG schon von Gesetzes wegen zu tragen haben und ihre diesbezügliche Haftung aufgrund des Erfolgs des Rechtsmittels gemäß § 25 Abs. 1 GNotKG ebenfalls von Gesetzes wegen erloschen ist. Daher bedarf es auch keiner Geschäftswertfestsetzung.