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Einsicht in Grundbuch durch Privatperson

OLG Frankfurt – Az.: 20 W 171/18 – Beschluss vom 03.09.2018

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 5.000 Euro

Gründe

I.

Der Antragsteller verfolgt mit der Beschwerde sein Begehren auf Erteilung der Auskunft aus dem Grundbuch bezüglich der eingetragenen Eigentümer zu vier konkret bezeichneten Grundstücken in Stadt1 weiter.

Nachdem dem Antragsteller anlässlich eines Besuches in Stadt1 aufgefallen war, dass auf diesen vier betroffenen Grundstücken Videoüberwachungskameras installiert waren, die er für rechtswidrig hält, hatte er sich zunächst am 16. Mai 2017 per E-Mail an die Stadt1 gewandt. Der behördliche Datenschutzbeauftragte der Stadt1 teilte dem Antragsteller darauf mit E-Mail vom 16. Mai 2017 mit, die von ihm angesprochenen Videoanlagen seien keine Anlagen städtischer Ämter oder Betriebe, sondern beträfen ausschließlich den privaten/gewerblichen Bereich und verwies auf den Hessischen Datenschutzbeauftragten als nach dem Bundesdatenschutzgesetz – BDSG – zuständige Aufsichtsbehörde.

Der Antragsteller wandte sich sodann mit E-Mail vom 27. Mai 2017 an das Amtsgericht Stadt1 und begehrte unter Verweis auf den vorgenannten Schriftverkehr Auskunft über die Inhaber von vier konkret benannten Gebäuden und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die dort ausweislich der von ihm beigefügten Fotos installierten Videoüberwachungsanlagen würden den öffentlichen Bereich erfassen und somit gegen geltende Vorschriften des Hessischen Landesdatenschutzgesetzes verstoßen. Zwar bestehe die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten; er wolle jedoch zivilrechtlich gegen die entsprechenden Personen vorgehen. Mit weiterer E-Mail vom 6. November 2017, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, bestand der Antragsteller unter Ankündigung einer Dienstaufsichtsbeschwerde auf einer Bearbeitung seiner bis dahin nicht beschiedenen Anfrage an das Amtsgericht.

Daraufhin teilte eine Rechtspflegerin des Grundbuchamtes dem Antragsteller mit Schreiben vom 8. November 2017 mit, dem Ersuchen auf Erteilung von Auskünften zu den Eigentumsverhältnissen könne nicht entsprochen werden, weil das hierzu nach § 12 Abs. 1 GBO erforderliche berechtigte Interesse nicht gegeben sei.

Der ebenfalls von dem Antragsteller kontaktierte Hessische Datenschutzbeauftragte teilte diesem mit Schreiben vom 27. November 2017 mit, dass er in Stadt1 durch Private installierte Videoüberwachungseinrichtungen, die potentiell öffentliche Bereiche erfassten, regelmäßig, anlassbezogen und in großer Zahl auf datenschutzrechtliche Zulässigkeit überprüfe. Wegen der schieren Masse könnten diesbezügliche Anfragen und Reklamationen jedoch bedauerlicherweise nicht immer umgehend und zeitnah abgearbeitet werden, zumal für das Stadtgebiet Stadt1 vor einiger Zeit eine „Massen-Eingabe“ eingegangen sei, die allein knapp 370 Stellen mit Videokameras umfasse. Es werde deshalb um Nachsicht gebeten, wenn er der Eingabe des Antragstellers, die er zu gegebener Zeit prüfen werde, momentan nicht zeitnah nachkommen könne.

Gegen den ablehnenden Bescheid des Grundbuchamtes vom 8. November 2017 wandte sich der Antragsteller mit seinem als „Widerspruch“ bezeichneten Schreiben vom 30. April 2018 und machte im Wesentlichen geltend, die rechtswidrig installierten Überwachungskameras seien eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, gegen die der Landesdatenschutzbeauftragte aus den dargelegten Gründen wohl nicht zeitnah einschreiten könne. Zusätzlich bestehe jedoch auch ein zivilrechtlicher Anspruch zur Ahndung von Rechtsverstößen durch rechtswidrig installierte Überwachungskameras, da diese durch die Erfassung des öffentlichen Raumes dennoch persönliche Bereiche tangierten.

Die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes half mit Beschluss vom 3. Juli 2018 dem als Beschwerde anzusehenden Widerspruch des Antragstellers nicht ab und legte die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.

II.

Die Beschwerde ist zulässig.

Gemäß § 12c Abs. 1 Nr. 1 GBO ist zur Entscheidung über die Gestattung der Einsicht in das Grundbuch und die Erteilung von Grundbuchauszügen zunächst der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Grundbuchamtes berufen. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat nach § 12c Abs. 1 Nr. 2 GBO auch zu entscheiden über Auskünfte aus einem vom Grundbuchamt etwa geführten Eigentümerverzeichnis nach § 12a Abs. 1 Nr.1 GBO. Wird eine Änderung einer Entscheidung nach § 12c Abs. Nr. 1 oder 2 GBO verlangt und abgelehnt, so hat hierüber im Wege der Erinnerung der Grundbuchrechtspfleger zu entscheiden, gegen dessen Entscheidung sodann nach § 12c Abs. 4 S. 2 GBO die Beschwerde eröffnet ist (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl., § 12c Rn. 4 und 11; Senat Rpfleger 2011, 430 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob das an das Amtsgericht gerichtete Begehren des Antragstellers auf Auskunft über die Inhaber der von ihm konkret bezeichneten Gebäude als Einsichtsersuchen in das Eigentümerverzeichnis nach § 12a Abs. 1 GBO oder als Antrag auf Grundbucheinsicht jeweils in Abteilung I der betroffenen Grundbuchblätter der vier bezeichneten Grundstücke anzusehen ist. Denn jedenfalls kommt eine Auskunft über „die Inhaber der Gebäude“, wie dies von dem Antragsteller formuliert wurde, nicht in Betracht, weil in rechtlicher Hinsicht Gebäude wesentlicher Bestandteil der jeweiligen Grundstücke sind und in Abteilung I des Grundbuches dementsprechend nur die Grundstückseigentümer, nicht aber die Inhaber von Gebäuden ausgewiesen werden.

Nachdem im vorliegenden Fall über das Begehren sogleich die Grundbuchrechtspflegerin entschieden hat, ist gegen deren ablehnende Entscheidung jedenfalls die Beschwerde nach § 12c Abs. 4 S. 2, 71, 73 GBO eröffnet, welche der Antragsteller mit seinem als Widerspruch bezeichneten Schreiben vom 30. April 2018 eingelegt hat.

Über diese Beschwerde hat der Senat als Beschwerdegericht zu entscheiden, nachdem die Grundbuchrechtspflegerin dem Rechtsbehelf gemäß §§ 72, 75 GBO nicht abgeholfen hat.

Die zulässige Beschwerde führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg.

Nach § 12 Abs. 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Gleiches gilt für die Erteilung einer Auskunft aus einem Eigentümerverzeichnis, da in § 12a Abs. 1 S. 2 GBO ausdrücklich geregelt ist, dass die Voraussetzungen für die Einsicht in das Grundbuch, die in § 12 GBO geregelt sind, gegeben sein müssen. Ein solches berechtigtes Interesse im Sinne des § 12 Abs. 1 GBO liegt vor, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamtes bzw. des an seine Stelle tretenden Beschwerdegerichts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch mit einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann (vgl. BayObLG Rpfleger 1999, 216; KG NJW-RR 2004, 943; BayObLG NJW-RR 1998, 1241; OLG Düsseldorf FGPrax 1997, 90 und ZEW 2011, 44; KG NJW 2002, 223; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 525; Demharter, a.a.O., § 12 Rn. 7 ff; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl., § 12 Rn. 6 jeweils m.w.N.; Grziwotz, MDR 2013, 433 ff). Dabei bezweckt § 12 Abs. 1 GBO in erster Linie nicht einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine beschränkte Publizität des Grundbuches ab. Diese geht einerseits über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff BGB hinaus. Andererseits genügt jedoch nicht jedes beliebige Interesse, vielmehr muss die Verfolgung unbefugter Zwecke oder reiner Neugier ausgeschlossen werden und die Kenntnis vom Grundbuchinhalt für den Antragsteller aus sachlichen Gründen für sein künftiges Handeln erheblich erscheinen (vgl. BayObLG, Rpfleger 1998, 338 und NJW 1993, 1142; OLG Hamm, DNotZ 1986, 497, 498; KG NJW 2002, 223 und NJW-RR 2004, 1316). Bei der hierbei gebotenen Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht möglicherweise beeinträchtigten Berechtigten grundsätzlich vor der Gewährung der Grundbucheinsicht nicht angehört werden (BVerfG NJW 2001, 503) und ihnen von der obergerichtlichen Rechtsprechung (BGHZ 80,126) auch kein Beschwerderecht gegen die Gewährung der Einsicht zugebilligt wird (OLG Düsseldorf ZEV 2011, 44).

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht bzw. der Erteilung von Auskunft aus dem Eigentümerverzeichnis über die jeweils im Grundbuch eingetragenen Eigentümer der vier Grundstücke nicht dargelegt.

Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Bereiche und damit der Einhaltung der Anforderungen des § 4 BDSG 2018 (inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmend mit der zum 24. Mai 2018 außer Kraft getretenen Vorgängervorschrift des § 6b BDSG a.F.) obliegt als öffentliche Aufgabe gemäß § 40 Abs. 1 BDSG dem Hessischen Datenschutzbeauftragten als nach dem Landesrecht zuständiger Behörde. Zwar ist es verständlich, dass der Antragsteller dessen Antwort mit Schreiben vom 27. November 2017, wonach eine Überprüfung der von dem Antragsteller als rechtswidrig angesehenen vier Videoüberwachungsanlagen zwar zu gegebener Zeit vorgenommen werde, jedoch zeitnah nicht erfolgen könne, als nicht zufriedenstellend ansieht. Der von dem Hessischen Datenschutzbeauftragten hierfür angegebene Umstand, dass die Vielzahl der eingehenden Beanstandungen mit den vorhandenen personellen Kapazitäten bedauerlicherweise nicht immer umgehend und zeitnah abgearbeitet werden könnten, vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des BDSG und die etwaige Ahndung festgestellter diesbezüglicher Gesetzesverstöße als öffentliche Aufgabe kraft Gesetzes dem Hessischen Datenschutzbeauftragten als Behörde zugewiesen ist. Die von dem hessischen Datenschutzbeauftragten mitgeteilte Überlastung kann letztlich nicht dazu führen, dass einzelne an der Einhaltung des Datenschutzes besonders interessierte Bürger die Erfüllung dieser öffentlichen Aufgabe durch Überprüfung und Ahndung etwaiger Gesetzesverstöße an sich ziehen.

Allerdings wird die Auffassung vertreten, § 4 BDSG könne als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden (vgl. Becker/Plath, DGSVO/BDGS, 3. Aufl., § 4 BDSG Rn. 31). Ausgehend hiervon wurde in der zivilrechtlichen Rechtsprechung bereits in Einzelfällen die Auffassung vertreten, einem Bürger könne ein Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB gegen den Betreiber einer Videoüberwachungsanlage dann zustehen, wenn er den betroffenen öffentlich zugänglichen Raum regelmäßig nutzen müsse und wegen der besonderen Ausgestaltung des Außenbereichs nicht von dem überwachten privaten Bereich in den nicht überwachten öffentlichen Bereich ausweichen könne (so etwa AG Berlin-Mitte NJW-RR 2004, 531). Eine derartige Situation, in welcher der Antragsteller befürchten müsste, von den von ihm beanstandeten Videoüberwachungsanlagen regelmäßig und ohne Ausweichmöglichkeit erfasst zu werden und deshalb persönlich betroffen zu sein, ist im vorliegenden Fall jedoch ersichtlich nicht gegeben. Denn der im südlichen Baden-Württemberg lebende Antragsteller hat in der von ihm vorgelegten Korrespondenz selbst mitgeteilt, die von ihm fotografierten und mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig anzusehenden Videokameras nur anlässlich eines Wochenendbesuches in Stadt1 entdeckt zu haben. Abgesehen davon, dass es sich bei den zur Auskunft aus dem Grundbuch verlangten Grundstückseigentümern nicht zwangsläufig um die Betreiber der von dem Antragsteller beanstandeten Videoüberwachungskameras handeln muss, da diese in der Regel von den Mietern oder sonstigen Nutzern der jeweiligen Grundstücke angebracht werden, sind somit die Voraussetzungen eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruches nicht dargelegt und auch im Übrigen nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Antragsteller in seinem Widerspruchsschreiben vom 30. April 2018 sich gerade nicht auf eine – nach den Umständen auch nicht ersichtliche – besondere persönliche Betroffenheit berufen, sondern vielmehr selbst darauf hingewiesen, wegen der angesichts der derzeitigen personellen Ausstattung bestehenden Überforderung des Landesdatenschutzbeauftragten als Bürger die entsprechenden Belange selbst in die Hand nehmen zu wollen.

Soweit der Antragsteller auf Ausnahmen bezüglich der Auslegung des berechtigten Interesses zu Gunsten der Presse verweist, wurde weder vom Antragsteller geltend gemacht noch ist im Übrigen ersichtlich, dass er die von ihm begehrten Auskünfte aus dem Grundbuch zum Zwecke der Wahrnehmung von Aufgaben der Presse erhalten wollte.

Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 61 Abs. 1, 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 70 FamFG). Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 19. Aufl., § 70 Rn. 41).

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