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Dingliches Vorkaufsrecht geht Mietervorkaufsrecht vor

Vorrang des dinglichen Vorkaufsrechts für Familienangehörige vor dem Vorkaufsrecht des Mieters

In einem aktuellen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) wurde klargestellt, dass das dingliche Vorkaufsrecht eines Familienangehörigen Vorrang genießt vor dem Vorkaufsrecht eines Mieters, wenn es vom Eigentümer zu Gunsten des Familienangehörigen bestellt wurde. Der Fall dreht sich um ein Vorkaufsrecht, das im Grundbuch eingetragen wurde und sowohl von einer geschiedenen Ehefrau als auch von einem Mieter ausgeübt wurde.

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Der Fall: Vorkaufsrecht für geschiedene Ehefrau und Mieter

Im zugrundeliegenden Sachverhalt wurde im Jahr 2016 für die zwischenzeitlich geschiedene Ehefrau des Wohnungseigentümers, die Beteiligte zu 1, ein Vorkaufsrecht im Grundbuch eingetragen. Im Jahr 2019 verkaufte der Eigentümer die Wohnung an Dritte. Sowohl die geschiedene Ehefrau als auch der Mieter der Wohnung erklärten daraufhin die Ausübung ihres Vorkaufsrechts. Der Eigentümer ließ die Wohnung jedoch an den Mieter übereignen, der im Oktober 2020 als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde. Die Beteiligte zu 1 klagte daraufhin gegen den ursprünglichen Eigentümer unter anderem auf Übereignung des Wohnungseigentums, jedoch wurde die Klage in erster Instanz abgewiesen.

Das Grundbuchamt löscht das Vorkaufsrecht

Am 31. März 2022 wurde das im Grundbuch zugunsten der Beteiligten zu 1 eingetragene Vorkaufsrecht gelöscht. Die Beteiligte zu 1 legte Beschwerde ein und verfolgte ihr Ziel, einen Amtswiderspruch gegen die Löschung des Vorkaufsrechts zu erwirken, mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Vorrang des dinglichen Vorkaufsrechts

Der BGH entschied, dass die Löschung des Vorkaufsrechts ohne Bewilligung der Beteiligten zu 1 und ohne Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit gesetzeswidrig war. Der BGH stellte fest, dass das dingliche Vorkaufsrecht des Familienangehörigen Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters hat. Dabei verwies das Gericht auf § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach ein gesetzlich begründetes Vorkaufsrecht eines Familienangehörigen prinzipiell Vorrang vor einem rechtsgeschäftlich begründeten Vorkaufsrecht genießt.

Da das Grundbuchamt das Vorkaufsrecht unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften gelöscht hat und das Grundbuch dadurch unrichtig wurde, hob der BGH den angefochtenen Beschluss auf und verfügte die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung des im Grundbuch eingetragenen Vorkaufsrechts.

Bedeutung für die Praxis

Dieser Beschluss verdeutlicht, dass im Falle der Ausübung eines Vorkaufsrechts sowohl von Familienangehörigen als auch von Mietern das Vorkaufsrecht des Familienangehörigen Vorrang genießt, sofern es im Grundbuch eingetragen wurde und von dem Eigentümer zu Gunsten des Familienangehörigen bestellt wurde. Dies ist insbesondere für Eigentümer und Mieter von Immobilien relevant, um im Falle eines Verkaufs die Rechtslage und mögliche Vorrangfragen korrekt einschätzen zu können und unnötige gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.

[…]


Das vorliegende Urteil

BGH – Az.: V ZB 58/22 – Beschluss vom 27.04.2023

Leitsatz:

Das dingliche Vorkaufsrecht genießt jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters, wenn es von dem Eigentümer zu Gunsten eines Familienangehörigen i.S.v. § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB bestellt wurde.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. April 2023 beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zuwird der Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 5. Oktober 2022 aufgehoben.

Das Amtsgericht Meißen (Grundbuchamt) wird angewiesen, einen Widerspruch gegen die Löschung des im Grundbuch von Meißen – Wohnungsgrundbuch – auf Blatt 5639 in Abteilung II unter der laufenden Nummer 2 eingetragenen Vorkaufsrechts einzutragen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 2.700 EUR.

Gründe:

I.

In dem im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Wohnungsgrundbuch wurden im Jahre 2016 H. P. als Wohnungseigentümer und zeitgleich für die Beteiligte zu 1, seine zwischenzeitlich geschiedene Ehefrau, ein Vorkaufsrecht eingetragen „- auflösend bedingt – für den ersten das Vorkaufsrecht auslösenden Verkaufsfall – vererblich und nicht übertragbar – (…)“. Im Jahre 2019 verkaufte H. P. (nachfolgend „Voreigentümer“) die Wohnung an Dritte. Daraufhin erklärten sowohl die Beteiligte zu 1 als auch der Mieter der Wohnung, der Beteiligte zu 2, jeweils die Ausübung ihres Vorkaufsrechts. Der Voreigentümer ließ die Wohnung mit Genehmigung der Drittkäufer an den Beteiligten zu 2 auf, der im Oktober 2020 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde. Die Beteiligte zu 1 nahm den Voreigentümer vor dem Landgericht Dresden u.a. auf Auflassung des Wohnungseigentums in Anspruch. Die Klage wurde mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 1. Februar 2022 abgewiesen. Am 31. März 2022 wurde das zugunsten der Beteiligten zu 1 im Grundbuch eingetragene Vorkaufsrecht gelöscht.

Der Beschwerde, mit der die Beteiligte zu 1 beantragt hat, das Vorkaufsrecht wieder einzutragen, hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen. Das Oberlandesgericht hat sie zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 ihr nunmehr ausdrücklich auf Eintragung eines Amtswiderspruchs gerichtetes Beschwerdeziel weiter.

II.

Das Beschwerdegericht meint, die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung des Vorkaufsrechts der Beteiligten zu 1 sei nicht zu veranlassen. Zwar habe das Grundbuchamt die Löschung unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften vorgenommen, weil es die Beteiligte zu 1 als Berechtigte vor der Löschung nicht angehört habe. Die Beteiligte zu 1 habe aber nicht glaubhaft gemacht, dass das Grundbuch durch die Löschung unrichtig geworden sei. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Vorkaufsrecht noch bestehe. Den notariellen Urkunden zufolge sei das Wohnungseigentum nach der Überlassung des Wohnraums an den Beteiligten zu 2 begründet worden und habe dieser sein damit bestehendes gesetzliches Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt. Dies werde durch die tatbestandlichen Feststellungen des Urteils des Landgerichts Dresden bestätigt, und die Beteiligte zu 1 habe nicht glaubhaft gemacht, dass der Sachverhalt insoweit falsch erfasst worden sei. Dem gesetzlichen Mietervorkaufsrecht des Beteiligten zu 2 komme Vorrang gegenüber dem dinglichen Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 1 zu. Aus § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebe sich nichts anderes, da diese Norm ihrer Schutzrichtung nach nicht eingreife. Ein Vorrang gesetzlicher Vorkaufsrechte gegenüber rechtsgeschäftlich begründeten Vorkaufsrechten sei nicht nur für die Vorkaufsrechte im öffentlichen Interesse, sondern auch für das Mietervorkaufsrecht anzuerkennen, denn der Gesetzgeber verfolge mit diesem dem Allgemeinwohl dienende Ziele. Mit der wirksamen Ausübung des Mietervorkaufsrechts sei das Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 1 erloschen, da es nur für den ersten Verkaufsfall bestellt worden sei. Dieser sei mit dem Verkauf der Wohnung an Dritte eingetreten. Der Verkauf könne nicht deshalb nicht als solcher gewertet werden, weil die Beteiligte zu 1 nicht zum Zuge gekommen sei.

III.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung in dem angefochtenen Beschluss statthaft (§ 78 Abs. 1 GBO i.V.m. § 70 Abs. 1 FamFG) und auch im Übrigen zulässig (§ 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG). Die Regelung in § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO, nach der die Beschwerde gegen eine Eintragung im Grundbuch unzulässig ist, steht der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht entgegen. Zwar war die Beschwerde ihrem Wortlaut nach zunächst auf Wiedereintragung des Vorkaufsrechts und damit gegen die Löschung gerichtet, die ihrerseits eine Eintragung i.S.v. § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO darstellt, da sie am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teilnimmt (vgl. BayObLGZ 1989, 136, 138; Demharter, GBO, 32. Aufl., § 71 Rn. 36; KEHE/Sternal, Grundbuchrecht, GBO § 71 Rn. 26; Meikel/Schmidt-Räntsch, GBO, 12. Aufl., § 71 Rn. 40). Bei der Auslegung prozessualer Anträge ist aber der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. Senat, Urteil vom 15. November 2019 – V ZR 9/19, NJW-RR 2020, 526 Rn. 6). Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde daher – was im Rechtsbeschwerdeverfahren im vollen Umfang nachprüfbar ist – zutreffend dahin ausgelegt, dass sie, wie von der Rechtsbeschwerde nunmehr auch ausdrücklich formuliert, auf die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung des Vorkaufsrechts gerichtet ist. Denn (allein) mit diesem Rechtsschutzziel ist die Beschwerde nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO und damit auch die Rechtsbeschwerde statthaft.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Beschwerdegericht lehnt es zu Unrecht ab, das Grundbuchamt zur Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung des Vorkaufsrechts anzuweisen.

a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts. Im Wege der Beschwerde kann die Löschung einer Eintragung nach § 71 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO nur verlangt werden, wenn die vorgenommene Eintragung inhaltlich unzulässig ist. Die Beschwerde gegen inhaltlich zulässige Eintragungen ist nach den genannten Vorschriften nur mit dem Antrag zulässig, gegen die Eintragung einen Amtswiderspruch einzutragen. Die hier vorgenommene Löschung ist – unabhängig von der Frage, ob die Eintragung einer Löschung überhaupt jemals inhaltlich unzulässig sein kann – inhaltlich zulässig.

Die Beschwerde kann deshalb nur Erfolg haben, wenn ein Amtswiderspruch einzutragen ist. Das setzt nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO voraus, dass das Grundbuchamt die Löschung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen hat und das Grundbuch dadurch unrichtig (geworden) ist (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Juni 2016 – V ZB 3/14, FGPrax 2016, 244 Rn. 6).

b) Wie das Beschwerdegericht zutreffend sieht, hat das Grundbuchamt bei der Löschung des Vorkaufsrechts gesetzliche Vorschriften verletzt. Dies folgt allerdings nicht nur daraus, dass die Beteiligte zu 1 vor der Löschung nicht angehört wurde, sondern auch daraus, dass die Voraussetzungen für die Löschung nicht vorlagen.

aa) Gesetzliche Vorschriften sind i.S.v. § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO verletzt, wenn bei der Eintragung zu beachtende Rechtsnormen des materiellen oder formellen Rechts infolge eines objektiven Pflichtenverstoßes des Grundbuchamts nicht oder nicht richtig angewendet worden sind (Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2021 – V ZB 52/20, ZfIR 2022, 198 Rn. 33). Dies ist hier der Fall.

bb) Die Beteiligte zu 1 war als Buchberechtigte Beteiligte des auf Anregung des Beteiligten zu 2 eingeleiteten Berichtigungsverfahrens. Als Betroffene der Löschung des zu ihren Gunsten eingetragenen Vorkaufsrechts war sie vor der Löschung zu hören (vgl. Senat, Urteil vom 12. November 2004 – V ZR 322/03, NJW-RR 2005, 315, 316). Das Grundbuchamt hat daher gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, indem es das Vorkaufsrecht gelöscht hat, ohne der Beteiligten zu 1 rechtliches Gehör zu gewähren.

cc) Das Grundbuchamt hat zudem gegen §§ 22, 29 GBO verstoßen, indem es das Vorkaufsrecht gelöscht hat, ohne dass die Unrichtigkeit des Grundbuchs in der vorgeschriebenen Form nachgewiesen war.

(1) Gemäß § 19 GBO erfolgt eine Eintragung – auch die Eintragung einer Löschung -, wenn der von der Eintragung Betroffene sie bewilligt. Betroffen von einer Eintragung und damit bewilligungsberechtigt ist derjenige, dessen grundbuchmäßiges Recht durch die vorzunehmende Eintragung rechtlich beeinträchtigt wird oder zumindest rechtlich nachteilig berührt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 – V ZB 107/10, NJW-RR 2011, 19 Rn. 10 mwN). Danach müsste die Beteiligte zu 1 als im Grundbuch eingetragene Vorkaufsberechtigte die Löschung des Rechts bewilligen. Sie hat jedoch keine Löschungsbewilligung erteilt.

(2) Liegt eine Bewilligung nicht vor, ist eine berichtigende Eintragung im Grundbuch möglich, wenn die Grundbuchunrichtigkeit nachgewiesen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GBO). An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen, weil er eine Grundbucheintragung ohne Bewilligung des Betroffenen ermöglicht und das Grundbuchverfahren zur Klärung von streitigen Tatsachen weder geeignet noch bestimmt ist. Es sind alle Möglichkeiten, bis auf ganz entfernte, auszuräumen, die der Richtigkeit der begehrten berichtigenden Eintragung entgegenstehen können. Der Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit ist nach § 29 Abs. 1 GBO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden zu führen (Senat, Beschluss vom 21. Januar 2016 – V ZB 43/15, NJW 2016, 3242 Rn. 9 mwN).

(3) Nach diesen Maßstäben ist der Unrichtigkeitsnachweis nach § 22, § 29 Abs. 1 GBO hier nicht geführt.

(a) Unrichtig wäre das Grundbuch gewesen, wenn das für die Beteiligte zu 1 eingetragene Vorkaufsrecht materiell-rechtlich erloschen wäre. Dies wäre der Fall gewesen, wenn es nur für den ersten Verkaufsfall bestellt und dieser mit dem Verkauf der Wohnung durch den Voreigentümer an die Dritten eingetreten wäre, ohne dass die Beteiligte zu 1 ihr Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt hätte. Da die Beteiligte zu 1 ihr Vorkaufsrecht ausgeübt hat, könnten diese Voraussetzungen nur vorliegen, wenn dem Beteiligten zu 2 als Mieter ein Vorkaufsrecht zugestanden, er dieses wirksam ausgeübt und sein Vorkaufsrecht gegenüber dem dinglichen Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 1 Vorrang gehabt hat. Zudem müsste feststehen, dass das Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 1 auch in dem Fall erloschen ist, dass seine Ausübung aufgrund eines vorrangigen gesetzlichen Vorkaufsrechts ins Leere ging.

Voraussetzung für die Entstehung des Mietervorkaufsrechts in der Person des Beteiligten zu 2 wäre nach § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass an den an ihn vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an ihn Wohnungseigentum begründet worden ist und die Wohnräume sodann an einen Dritten verkauft wurden. Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt nach § 577 Abs. 3 BGB durch schriftliche Erklärung des Mieters gegenüber dem Verkäufer. Das Vorkaufsrecht muss innerhalb von zwei Monaten ab Zugang der Mitteilung nach § 577 Abs. 2 BGB ausgeübt werden (§ 577 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 469 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 BGB). Sollten diese Voraussetzungen nicht vorliegen oder das Mietervorkaufsrecht des Beteiligten zu 2 keinen Vorrang gegenüber dem dinglichen Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 1 haben, hätte auch die Eintragung des Beteiligten zu 2 als Eigentümer nicht zum Erlöschen des Vorkaufsrechts der Beteiligten zu 1 geführt. Denn die Verfügung über das Wohnungseigentum wäre dann gegenüber der Beteiligten zu 1 nach § 1098 Abs. 2 i.V.m. § 883 Abs. 2, § 888 BGB unwirksam.

(b) An dem Nachweis der genannten Voraussetzungen in der Form des § 29 GBO fehlt es. Das Grundbuchamt hat seine Annahme, das Vorkaufsrecht sei erloschen, allein auf die Urkunde des Notars K. mit der UR-Nr. 1549/2019 und das in dem Rechtsstreit zwischen der Beteiligten zu 1 und dem Voreigentümer ergangene Urteil des Landgerichts Dresden gestützt. Diese Urkunden reichen für den erforderlichen Nachweis nicht aus.

(aa) Ein von einem deutschen Notar beurkundeter Vertrag ist zwar eine öffentliche Urkunde und genügt damit der Form des § 29 GBO (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Februar 2020 – V ZB 3/16, NJW 2020, 1670 Rn. 25). Die Urkunde erbringt aber Beweis nur für den durch den Notar als Urkundsperson beurkundeten Vorgang (vgl. § 415 Abs. 1 ZPO), hier also dafür, dass die Urkundsbeteiligten vor dem Notar die von diesem beurkundeten Erklärungen abgegeben haben. Die von dem Grundbuchamt in Bezug genommene Urkunde belegt daher lediglich, dass der Voreigentümer, die Drittkäufer und der Beteiligte zu 2 übereinstimmend erklärt haben, dass der Beteiligte zu 2 ein Vorkaufsrecht gegenüber dem Voreigentümer ausgeübt habe und hierdurch zwischen diesen ein Kaufvertrag zustande gekommen sei, für den mit Ausnahme besonderer abweichender Vereinbarungen die Bestimmungen des ursprünglich zwischen dem Voreigentümer und den Dritten geschlossenen Kaufvertrages gelten sollten.

Nichts anderes folgt daraus, dass die Urkundsbeteiligten die Wirksamkeit der Vorkaufsrechtsausübung in dieser Urkunde ausdrücklich anerkannt haben. Diese Erklärungen entfalten nämlich materiell-rechtlich Wirkung nur im Verhältnis der Parteien des beurkundeten Vertrages untereinander, zu denen die Beteiligte zu 1 nicht gehört. Sie gestalten nicht die objektive Rechtslage hinsichtlich des Bestehens und der Wirksamkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts. Auch der Notar hatte weder bei der Beurkundung noch bei dem Vollzug des Vertrags zu prüfen, ob das Vorkaufsrecht des Beteiligten zu 2 bestand, wirksam ausgeübt wurde und Vorrang gegenüber dem Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 1 hatte, oder ob die Eintragung des Beteiligten zu 2 ihr gegenüber mit Blick auf das dingliche Vorkaufsrecht gemäß § 1098 Abs. 2, § 883 Abs. 2 BGB unwirksam wäre, wenn die Beteiligte zu 1 ihr Vorkaufsrecht rechtzeitig und wirksam ausgeübt haben sollte (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Februar 2020 – V ZB 6/20, Rn. 6).

Mit der Urkunde kann daher nicht der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO für die hier vorgenommene Löschung erforderliche Nachweis geführt werden, dass das von den Urkundsbeteiligten im Verhältnis untereinander Anerkannte tatsächlich und rechtlich objektiv zutrifft, namentlich dass die Voraussetzungen für das Entstehen eines Mietervorkaufsrechts nach § 577 Abs. 1 BGB in der Person des Beteiligten zu 2 vorlagen und dieser das Vorkaufsrecht wirksam und fristgemäß ausgeübt hat. Die gesetzlichen Beweisregeln der §§ 415 ff. ZPO erstrecken sich nicht auf die Übereinstimmung der beurkundeten Erklärung mit der Wirklichkeit und auch nicht auf deren materielle Wirksamkeit (Bauer/Schaub/Bayer/MeierWehrsdorfer, 4. Aufl., GBO § 29 Rn. 171).

(bb) Das Urteil des Landgerichts Dresden genügt zum Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs ebenfalls nicht. Da es sich nicht um ein die nach § 19 GBO erforderliche Bewilligung ersetzendes Urteil (vgl. § 894 Abs. 1 Satz 1 BGB) handelt, kann es allenfalls darum gehen, ob die durch das Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen einen für die Berichtigung nach § 22 Abs. 1 GBO hinreichenden Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs erbringen. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil das Urteil nicht rechtskräftig ist. Aber selbst wenn es rechtskräftig wäre, würden die vorliegend zu prüfenden Fragen, ob ein Mietervorkaufsrecht bestand und von dem Beteiligten zu 2 wirksam und fristgemäß ausgeübt wurde, in dem Rechtsstreit über die von der Beteiligten zu 1 gegen den Voreigentümer gerichtete Klage auf Auflassung des Wohnungseigentums nur Vorfragen darstellen, die nicht in Rechtskraft erwachsen. Rechtskräftig entschieden wäre allenfalls, dass ein solcher Auflassungsanspruch nicht besteht. Dies besagt nichts über das Erlöschen oder Fortbestehen des Vorkaufsrechts der Beteiligten zu 1, zumal diese aufgrund der Vormerkungswirkung nach § 1098 Abs. 2, § 883 Abs. 2 BGB einen Auflassungsanspruch aus § 888 BGB gegen den Beteiligten zu 2 hätte, wenn – was nachfolgend noch zu behandeln sein wird – ihrem Vorkaufsrecht Vorrang zukommen sollte.

c) Die Beteiligte zu 1 hat auch glaubhaft gemacht, dass das Grundbuch durch die Löschung des Vorkaufsrechts unrichtig geworden ist.

aa) Die Unrichtigkeit des Grundbuchs muss nicht bewiesen werden. Analog § 899 Abs. 2 Satz 2 BGB genügt vielmehr die Glaubhaftmachung. Es genügt daher, wenn die Unrichtigkeit unter freier Würdigung der nach § 294 ZPO zugelassenen Beweismittel überwiegend wahrscheinlich ist (Senat, Beschluss vom 2. Juni 2016 – V ZB 3/14, FGPrax 2016, 244 Rn. 18 mwN). Diese Würdigung obliegt dem Beschwerdegericht als Tatgericht. Sie ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt überprüfbar, in diesem Rahmen vorliegend aber zu beanstanden.

bb) Es bestehen bereits Zweifel, ob das dingliche Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 1 erloschen wäre, wenn ein gesetzliches Vorkaufsrecht für den Beteiligten zu 2 bestanden und gegenüber dem dinglichen Vorkaufsrecht Vorrang gehabt hätte.

(1) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass sich das nur für den ersten Verkaufsfall bestellte dingliche Vorkaufsrecht nach § 1097 BGB auf den Fall des Verkaufs durch den Eigentümer beschränkt, dem das Grundstück zur Zeit der Bestellung gehört. Es erlischt daher, wenn das belastete Grundstück auf andere Weise als durch Verkauf in das Eigentum eines Sonderrechtsnachfolgers des Verpflichteten übergeht, da dann ein Verkauf durch den Eigentümer im Sinne des § 1097 BGB nicht mehr gegeben sein kann (Senat, Beschluss vom 21. Januar 2016 – V ZB 43/15, NJW 2016, 3242 Rn. 11). Ist das dingliche Vorkaufsrecht hingegen für mehrere Verkaufsfälle bestellt, erlischt es regelmäßig nicht, wenn es im Verkaufsfall trotz Ausübung nicht zum Eigentumserwerb führt, weil ein rangbesseres dingliches Vorkaufsrecht besteht und ausgeübt wird (vgl. Senat, Urteil vom 3. Mai 1961 – V ZR 36/60, BGHZ 35, 146, 148 f.). Ob dies auch für ein Vorkaufsrecht gilt, das nur für einen Verkaufsfall bestellt ist, hat der Senat bislang nicht entschieden (vgl. hierzu etwa Hahn, MittRhNotK 1994, 193, 195). Ebenso wenig ist geklärt, was gilt, wenn die Ausübung des dinglichen Vorkaufsrechts wirkungslos bleibt, weil ein gesetzliches Vorkaufsrecht, etwa – wie hier – ein Mietervorkaufsrecht ausgeübt wird, dem Vorrang zukommt (vgl. hierzu DNotI-Report 15/2010, S. 137, 138).

(2) Hier erscheint bereits fraglich, ob das Beschwerdegericht den Inhalt des dinglichen Vorkaufsrechts zutreffend bestimmt hat, was in vollem Umfang der Nachprüfung durch den Senat unterliegt (vgl. Senat, Urteil vom 12. November 2021 – V ZR 204/20 Rn. 11). Das Beschwerdegericht geht davon aus, dass das Vorkaufsrecht allein für den ersten Verkaufsfall bestellt ist. Dass die Beteiligte zu 1 bei dem Verkauf der Wohnung von dem Voreigentümer an die Dritten „nicht zum Zuge“ gekommen sei, weil der Beteiligte zu 2 sein gesetzliches Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt und dieses Vorrang habe, führe nicht dazu, dass dieser Verkauf nicht als Verkaufsfall anzusehen sei. Hierbei hat das Beschwerdegericht möglicherweise nicht hinreichend berücksichtigt, dass das Vorkaufsrecht „für den ersten das Vorkaufsrecht auslösenden Verkaufsfall“ bestellt wurde. Diese Formulierung lässt mehrere Deutungen zu. Zum einen könnte hiermit – so das Verständnis des Berufungsgerichts – gemeint sein, dass das Vorkaufsrecht nur für den ersten Verkaufsfall bestellt sein soll, bei dem es überhaupt ausgeübt werden kann, unabhängig davon, ob die Ausübung im Ergebnis zu einem Kaufvertrag zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Eigentümer führt. Zum anderen könnte gemeint sein, dass nur ein solcher Verkauf als Verkaufsfall gewertet werden soll, bei dem die Vorkaufsberechtigte die Möglichkeit hat, ihr Vorkaufsrecht mit Erfolg auszuüben (vgl. zu ähnlichen Formulierungen etwa OLG München, MittBayNot 2017, 376; Meikel/Böttcher, GBO, 12. Aufl., § 22 Rn. 58). Dann wäre das dingliche Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 1 selbst dann nicht erloschen, wenn das gesetzliche Vorkaufsrecht des Beteiligten zu 2 Vorrang gehabt hätte.

cc) Auf diese offenen Rechtsfragen kommt es hier nicht an. Denn unabhängig davon trifft die von dem Beschwerdegericht seiner Würdigung zu Grunde gelegte Rechtsauffassung, dass das Vorkaufsrecht des Mieters aus § 577 BGB einem dinglichen Vorkaufsrecht nach § 1094 BGB vorgeht, jedenfalls im vorliegenden Fall nicht zu.

(1) In der Literatur wird allerdings überwiegend davon ausgegangen, dass gesetzliche Vorkaufsrechte und namentlich das Mietervorkaufsrecht Vorrang vor dinglichen Vorkaufsrechten haben (MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl., § 463 Rn. 14; MüKoBGB/Häublein, 9. Aufl., § 577 Rn. 26; Heintz, Vorkaufsrecht des Mieters, 1998 Rn. 484 ff.; DNotI-Report 15/2010, S. 137; Falkner, MittBayNot 2012, 519). Nach anderer Ansicht soll letzteres nur gelten, wenn das dingliche Vorkaufsrecht nach Abschluss des Mietvertrages bestellt wurde, anderenfalls soll das dingliche Vorkaufsrecht Vorrang haben (BeckOGK/Klühs, BGB [1.1.2023], § 577 Rn. 13; Hageböke/Horst, DNotZ 2019, 345; Erman/Grziwotz, BGB, 16. Aufl., § 1094 Rn. 9).

(2) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Frage des Konkurrenz- bzw. Rangverhältnisses bislang nicht entschieden. Der Senat ist zwar in einer Entscheidung zu § 4 Nr. 2 Satz 2 NdsAufbauG von einem Vorrang des gesetzlichen Vorkaufsrechts gegenüber einem dinglichen Vorkaufsrecht ausgegangen (Senat, Urteil vom 18. Februar 1977 – V ZR 24/75, WM 1977, 550). Allerdings war in diesem Fall der Vorrang ausdrücklich gesetzlich angeordnet. Dass der Gesetzgeber den gesetzlichen Vorkaufsrechten teilweise ausdrücklich Vorrang vor dinglichen Vorkaufsrechten einräumt (vgl. auch § 5 Satz 1 RSiedlG und § 28 Abs. 2 Satz 5 BauGB), lässt jedenfalls keinen zwingenden Rückschluss auf das Verhältnis von Mietervorkaufsrecht zu dinglichem Vorkaufsrecht zu, weil § 577 BGB eine solche Regelung nicht enthält.

(3) Vorliegend bedarf keiner Entscheidung, in welchem Verhältnis Mietervorkaufsrecht und dingliches Vorkaufsrecht generell zueinander stehen. Das dingliche Vorkaufsrecht genießt jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters, wenn es – wie hier – von dem Eigentümer zugunsten eines Familienangehörigen i.S.v. § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB bestellt wurde.

(a) Nach § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Mieter nicht zum Vorkauf berechtigt, wenn der Vermieter die Wohnräume an einen Familienangehörigen oder an einen Angehörigen seines Haushalts verkauft. Der Begriff des Familienangehörigen entspricht in dieser Vorschrift dem der Regelung in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB über die Eigenbedarfskündigung (MüKoBGB/Häublein, 9. Aufl., § 577 Rn. 25; Staudinger/Rolfs, BGB [2021], § 577 Rn. 46; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 15. Aufl., BGB § 577 Rn. 25; BeckOK-Mietrecht/Bruns, BGB [1.2.2023], § 577 Rn. 36; BeckOGK/Klühs, BGB [1.1.2023], § 577 Rn. 75). Er wird vom Bundesgerichtshof in Übereinstimmung mit § 383 ZPO und § 52 StPO ausgelegt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 – VIII ZR 159/09, BGHZ 184, 138 Rn. 22). Ehegatten sind daher – wie in § 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO bestimmt – auch dann als Familienangehörige anzusehen, wenn sie geschieden sind (vgl. BGH, Urteil vom 2. September 2020 – VIII ZR 35/19, NJW 2021, 620 Rn. 20).

(b) Allerdings findet die Ausnahmeregelung des § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde vorliegend keine unmittelbare Anwendung. Der Voreigentümer hat die Wohnung nicht an die Beteiligte zu 2 verkauft, sondern ihr lediglich ein dingliches Vorkaufsrecht eingeräumt. Die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts stellt keinen „Verkauf“ im Sinne dieser Vorschrift dar. Richtig ist zwar, dass ein Verkaufsfall im Sinne von § 577 BGB auch dann vorliegen kann, wenn der mit dem Dritten geschlossene Kaufvertrag unter einer aufschiebenden Bedingung steht (vgl. Senat, Urteil vom 15. Mai 1998 – V ZR 89/97, BGHZ 139, 29, 33). Richtig ist auch, dass die schuldrechtliche Vereinbarung über die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts nach der Rechtsprechung des Senats gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung bedarf, weil mit ihr zugleich die Verpflichtung begründet wird, das Eigentum an dem Grundstück unter bestimmten Umständen an den Vertragspartner zu übertragen (vgl. Senat, Urteil vom 8. April 2016 – V ZR 73/15, NJW 2016, 2035 Rn. 12 mwN). Auch das Reichsgericht war schon davon ausgegangen, dass die Vereinbarung über die Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts beurkundungsbedürftig ist, weil sie die „bedingte Verpflichtung des Verkäufers zur Übertragung des Eigentums“ enthält (RGZ 110, 327, 333; vgl. auch RGZ 72, 385, 392). Selbst wenn man aber mit der Rechtsbeschwerde die schuldrechtliche Vereinbarung über die Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 22. November 2013 – V ZR 161/12, NJW 2014, 622 Rn. 10) in diesem Sinne als „doppelt bedingten Kauf“ ansehen wollte, änderte das nichts daran, dass sie nicht als „Verkauf“ i.S.v. § 577 BGB angesehen werden kann. Welche Vereinbarungen das Mietervorkaufsrecht auslösen, ist eine Frage der Auslegung dieser Norm, bei der neben deren Wortlaut auch ihr Sinn und Zweck zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 22. Juni 2007 – V ZR 269/06, NJW 2007, 2699 Rn. 8 f.; Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 70/03, NJW 2003, 3769). Die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts kann schon deshalb keinen Verkaufsfall i.S.v. § 577 BGB darstellen, weil die Vorkaufsrechtsvereinbarung nicht die essentialia eines Kaufvertrages enthält, namentlich nicht eine Einigung über den vom Käufer zu zahlenden Kaufpreis (§ 433 Abs. 2 BGB). Dieser wird erst in dem von dem Vorkaufsverpflichteten mit dem Dritten geschlossenen Kaufvertrag festgelegt.

(c) Aus der in § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungsentscheidung folgt aber, dass dem von dem Vermieter zugunsten eines Familienangehörigen bestellte dingliche Vorkaufsrecht Vorrang gegenüber dem gesetzlichen Vorkaufsrecht des Mieters zukommt.

(aa) Mit der Regelung des § 577 BGB wollte der Gesetzgeber der Gefahr der Verdrängung des Mieters aufgrund einer spekulativen Umwandlung von Wohnungen in Eigentumswohnungen begegnen (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 2007 – V ZR 269/06, NJW 2007, 2699 Rn. 9; BGH, Urteil vom 29. März 2006 – VIII ZR 250/05, BGHZ 167, 58 Rn. 16; BVerfG, NJW 2011, 1723 Rn. 21). Andererseits erschien ihm das Interesse des Vermieters, die Wohnung an eine bestimmte ihm nahestehende Person verkaufen zu können, vorrangig (vgl. BT-Drs. 12/3254, S. 40). Diesem gesetzgeberischen Regelungskonzept, mit dem – wie in § 577 BGB insgesamt (vgl. BVerfG, NJW 2011, 1723 Rn. 32) – die durch Art. 14 GG geschützten Grundrechtspositionen von Mieter und Vermieter in einen sachgerechten Ausgleich gebracht werden sollen, widerspräche es, wenn dem gesetzlichen Mietervorkaufsrecht im Verhältnis zu einem von dem Vermieter zugunsten eines Familienangehörigen bestellten dinglichen Vorkaufsrecht Vorrang eingeräumt würde.

(bb) Für einen solchen Vorrang besteht auch wertungsmäßig kein Grund, denn der Vermieter könnte das Grundstück oder Wohnungseigentum direkt an den Familienangehörigen verkaufen, ohne dass der Mieter zum Vorkauf berechtigt wäre. Gegenüber der Verdrängung durch einen Erwerber, der nach Eigentumsumschreibung das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs kündigt, ist der Mieter nach den §§ 573, 577 BGB im Verhältnis zu Familienangehörigen des Vermieters nicht geschützt.

(cc) Ein Vorrang des Mietervorkaufsrechts kann daher allenfalls in Fällen von Rechtsmissbräuchen in Betracht kommen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass nur zur Ausschaltung des Vorkaufsrechts des Mieters einer nach § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB privilegierten Person ein dingliches Vorkaufsrecht eingeräumt wird (vgl. zum rechtsmissbräuchlichen Verkauf an Familienangehörige Senat, Urteil vom 22. Juni 2007 – V ZR 269/06, NJW 2007, 2699 Rn. 9; zu anderen „Vereitelungsfällen“ Senat, Urteil vom 11. Oktober 1991 – V ZR 127/90, BGHZ 115, 335, 338 ff.). Dies wird der Eintragung eines Amtswiderspruchs aber schon wegen der Beweismittelbeschränkung im Grundbuchverfahren regelmäßig nicht entgegenstehen können und hier bestehen für einen Rechtsmissbrauch ohnehin keine Anhaltspunkte.

dd) Die Beteiligte zu 1 hat auch glaubhaft gemacht, dass sie das ihr zustehende dingliche Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt hat. Hiervon ist schon das Grundbuchamt ausgegangen, das meinte, das dingliche Vorkaufsrecht sei „zufolge Ausübung erloschen“. Auch das Beschwerdegericht hat insoweit keine Zweifel erkennen lassen. Da das dingliche Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 1 nach dem zuvor gesagten gegenüber dem gesetzlichen Vorkaufsrecht des Beteiligten zu 2 Vorrang genießt und nach § 1098 Abs. 2 i.V.m. § 883 Abs. 2, § 888 BGB die Wirkung einer Vormerkung hat, ist somit insgesamt glaubhaft, dass das Vorkaufsrecht noch besteht und das Grundbuch durch seine Löschung unrichtig geworden ist.

IV.

Im Ergebnis ist das Grundbuchamt daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anzuweisen, einen Widerspruch gegen die Löschung des Vorkaufsrechts der Beteiligten zu 1 in das Grundbuch einzutragen (§ 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 74 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 FamFG). Der Senat kann insoweit in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG).

V.

1. Eine Entscheidung über die Verpflichtung zum Tragen der Gerichtskosten ist nicht veranlasst (§ 25 Abs. 1 GNotKG). Von der Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten hat der Senat abgesehen (§ 81 FamFG).

2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 61 Abs. 1 Satz 1 i. V.m. § 51 Abs. 1 Satz 2 und § 36 Abs. 1 GNotKG. Das mit dem Rechtsmittel verfolgte wirtschaftliche Interesse an der Eintragung eines Widerspruchs gegen die Löschung des Vorkaufsrechts nimmt der Senat mit 1/5 des hälftigen Grundstückswerts an.

 

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