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Grundbucheintragungsverfahren – Zurückweisung eines Antrags bei fehlender Eintragungsbewilligung

OLG München – Az.: 34 Wx 169/11 – Beschluss vom 25.08.2011

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird die (weitere) Zwischenverfügung des Amtsgerichts München vom 24. Februar 2011 aufgehoben, soweit mit dieser unter Fristsetzung die Vorlage von – neuen – Bewilligungen beteiligter Wohnungseigentümer verlangt wird.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 4 bilden eine Gemeinschaft von Wohnungs- und Teileigentümern. Im 3. Nachtrag vom 1.7.2008 zur Teilungserklärung wird die Gemeinschaftsordnung (u.a.) dahin abgeändert, dass das als Teileigentum eingetragene Sondereigentum des Beteiligten zu 1 (Lager) künftig ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden soll. Der beurkundende Notar hat dazu am 28.10.2010 dem Grundbuchamt den Nachtrag nebst Aufteilungsplan und Abgeschlossenheitsbescheinigung (Änderungsbescheinigung) mitsamt den notariell beglaubigten Unterschriften der Wohnungseigentümer, auch die unter dem Datum vom 10.2.2010 beglaubigten Unterschriften der Beteiligten zu 3 und 4, einem Ehepaar, zum Vollzug vorgelegt. Die Unterschriften der Beteiligten zu 3 und 4 befinden sich auf einem gesonderten, nicht mit Aktenzeichen oder einem sonstigen Zuordnungsmerkmal versehenen Blatt (mittig handschriftlich bezeichnet mit der Blattzahl „3“) unter der ebenfalls handschriftlichen Orts- und Datumsangabe („M., den 10. Februar 2010“) an erster Stelle. Es folgen, versehen mit anderen Daten, sechs weitere Unterschriften von Miteigentümern. Vor dem Vollzug gingen beim Grundbuchamt Schreiben des Notars mit einem beigehefteten Schreiben der Beteiligten zu 3 und 4 vom 18.11.2010 an diesen ein. Die Beteiligten zu 3 und 4 machen dort geltend, die von ihnen geleisteten Unterschriften hätten eine anderweitige Abänderung (4. Nachtrag zur Teilungserklärung) betroffen.

Das Grundbuchamt hat daraufhin, soweit hier erheblich, mit Zwischenverfügung vom 27.1.2011 um Vorlage einer Erklärung des beurkundenden Notars dahingehend gebeten, dass die Unterschriftsbeglaubigung ordnungsgemäß erfolgt sei, keine Anhaltspunkte für eine Anfechtbarkeit bekannt seien und dass der Eintragungsantrag ausdrücklich aufrecht erhalten werde.

Die schriftliche Erklärung des Notars vom 7.2.2011 lautet folgendermaßen:

Hinsichtlich des Einspruchs der Ehegatten H. ist uns bekannt, dass die Ehegatten H. die Erklärung nicht unterschreiben wollten, sondern einen weiteren, nicht vollzugsfähigen, Nachtrag zur Teilungserklärung. Wie die Unterschrift unter den aus ihrer Sicht falschen Nachtrag geraten ist, lässt sich nicht mehr aufklären. Obwohl die Unterschriften aus Platzgründen auf einem anderen Blatt geleistet wurden, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass im Notariat die Blätter vertauscht wurden. Derzeit halte ich es für eher wahrscheinlich, dass die Ehegatten H. die falsche Erklärung unterschrieben haben.

Schließlich erließ das Grundbuchamt am 24.2.2011 folgende weitere Zwischenverfügung:

Zum 3. Nachtrag zur Teilungserklärung sei eine weitere – neue – Bewilligung der Beteiligten zu 3 und 4 in der Form des § 29 GBO vorzulegen. Es bestehe nach der Stellungnahme vom 7.2.2011 auch im Notariat über die Unterschriftsleistung der Beteiligten zu 3 und 4 Unklarheit. Eine Vertauschung der Unterschriftsblätter werde zwar ausgeschlossen, jedoch werde es für wahrscheinlich gehalten, dass eine falsche Erklärung unterschrieben worden sei, die Beteiligten zu 3 und 4 in Wahrheit einen weiteren, dem Notariat vorliegenden Nachtrag hätten unterschreiben wollen. Damit bestätige sich deren Einspruchsschreiben. Es scheine ein Irrtum bei der Unterschriftsleistung und damit ein Anfechtungsgrund vorzuliegen; das Schreiben vom 18.11.2010 könne als Anfechtungserklärung ausgelegt werden, was zur Unwirksamkeit der Unterschriftsleistung führe.

Damit sei die Wirksamkeit der Beurkundung in Frage gestellt. Das Grundbuchamt könne nicht mehr eintragen, da es nicht wissentlich zur Grundbuchunrichtigkeit beitragen dürfe. Eine Heilung komme nur durch eine erneute Unterschriftsleistung der Beteiligten zu 3 und 4 in Betracht. Hierfür werde zur Behebung Frist gesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 22.3.2011. Diese wird im Wesentlichen folgendermaßen begründet:

Unabhängig von den näheren Umständen der Unterschriftsleistung bestehe kein Eintragungshindernis. Die Beweislast dafür, dass das Grundbuch unrichtig würde, liege beim Grundbuchamt, bloße Zweifel an der Richtigkeit der Eintragung reichten nicht aus. In der Zwischenverfügung würden jedoch lediglich solche Zweifel dargelegt.

Das Grundbuch würde nur dann unrichtig, wenn die Beteiligten zu 3 und 4 ihre Erklärung wirksam angefochten hätten. Bei einer nicht teilbaren mehrseitigen Vereinbarung müsse jedoch gegenüber allen anderen Vertragsbeteiligten angefochten werden. Von Erklärungen der Beteiligten zu 3 und 4 gegenüber anderen Miteigentümern sei aber nichts bekannt; Erklärungen dem Notar gegenüber könnten diese nicht ersetzen, weil dieser zur Entgegennahme nicht bevollmächtigt gewesen sei.

Die Anfechtung hätte auch unverzüglich stattfinden müssen. Dies sei bereits beim Schreiben der Beteiligten vom 18.11.2010 als eine Reaktion auf die am 27.10.2010 versandten Urkundsabschriften fraglich. Jedenfalls eine spätere Anfechtung sei fristgemäß nicht mehr möglich gewesen.

Der Senat hat den Beteiligten zu 3 und 4 im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Diese vertreten nach wie vor die Auffassung, ihre Unterschriften seien im Notariat der falschen Erklärung zugeordnet worden. Der beurkundende Notar hat dazu erklärt, auch wenn zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung die maßgeblichen Urkunden noch nicht mit einem Siegelfaden geheftet gewesen seien, sondern nur lose mit einer Büroklammer verbunden, und diese Verbindung aufgehoben worden sein könne, so stelle er sie aber unmittelbar nach Unterschriftsleistung wieder her. Er halte es für ausgeschlossen, dass die Büroklammer gleichzeitig bei beiden Nachträgen entfernt gewesen sei.

II.

Die namens des Beteiligten zu 1 notariell eingelegte Beschwerde (§ 18 Abs. 1, § 71 Abs. 1, § 15 Abs. 2 GBO) gegen die Zwischenverfügung ist nach der FGG-Reform weiterhin statthaft (vgl. OLG Hamm MittBayNot 2011, 299/300) und auch im Übrigen zulässig. Der Beteiligte zu 1 gehört als einer der Wohnungseigentümer zum Kreis der antrags- und beschwerdeberechtigten Personen. Inhaltlich richtet sich die Beschwerde nach dem Verständnis des Senats allein gegen das vom Grundbuchamt in der weiteren Zwischenverfügung vom 24.2.2011 beanstandete Vollzugshindernis der fehlenden Bewilligung durch die Beteiligten zu 3 und 4.

1. In der Sache hat das Rechtsmittel – vorläufigen – Erfolg. Denn eine Zwischenverfügung darf verfahrensrechtlich nur ergehen, wenn einem Eintragungsantrag ein Hindernis entgegen steht, welches der Antragsteller rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung beheben kann (BayObLGZ 1990, 6/8; OLG Hamm MittBayNot 2011, 299/300; Demharter GBO 27. Aufl. § 18 Rn. 8; siehe auch die Rechtspr. des Senats, z.B. Beschluss vom 10.3.2011, 34 Wx 55/11 = RNotZ 2011, 223). Die fehlende Bewilligung eines unmittelbar Betroffenen – hier: von Wohnungseigentümern – ist ein nicht behebbares Verfahrenshindernis (Demharter § 18 Rn. 12) und hätte, ausgehend vom Standpunkt des Grundbuchamts, die sofortige Zurückweisung des Eintragungsantrags bedingt.

2. Damit ist für den Senat der Beschwerdegegenstand erschöpft. Zur Rechtslage wird für das weitere Verfahren jedoch noch angemerkt:

a) Die Qualifikation einer Einheit als Wohnungseigentum oder Teileigentum hat Vereinbarungscharakter gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG; eine Umwandlung kann nur einstimmig durch Änderung dieser Vereinbarung herbeigeführt werden (BayObLG MittBayNot 1998, 254). Bei einer Änderungsvereinbarung kann die Umwandlung in das Grundbuch eingetragen werden. Diese bedarf nicht der Form der Auflassung. Für die Grundbucheintragung genügt die einseitige Bewilligung gemäß §§ 19, 29 GBO, die indessen von allen Eigentümern zu erklären ist (BayObLG DNotZ 1998, 379/381; zu allem z.B. Rapp in Beck’sches Notar-Handbuch 5. Aufl. A III Rn. 110 m.w.N.). Das Grundbuchamt verlangt demnach zu Recht die Bewilligung durch die Beteiligten zu 3 und 4 und deren Nachweis in öffentlich beglaubigter Form des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO.

b) Bleibt im Grundbuchverfahren eine Tatsache ungeklärt, trägt nach herrschender Meinung der Antragsteller die Feststellungslast für die Ordnungsmäßigkeit der Eintragungsbewilligung, während dem Grundbuchamt der Nachweis obliegt, dass durch den Vollzug der Bewilligung das Grundbuch unrichtig würde; bloße Zweifel hindern die Eintragung insoweit nicht (BayObLGZ 1967, 13/16 ff.; 1986, 81/84; siehe auch Wolfsteiner DNotZ 1987, 67/75 ff. und 82; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn. 209 a).

c) Nach diesen vom Senat geteilten Grundsätzen gilt hier Folgendes:

(1) Geht man von der Variante aus, dass die Beteiligten zu 3 und 4 versehentlich die 3. statt, wie gewollt, die 4. Änderungserklärung unterschrieben haben, läge insoweit materiellrechtlich ein Irrtum vor, der zur Anfechtung nach § 119 BGB berechtigen würde. Denn die Beteiligten zu 3 und 4 hätten eine Erklärung abgegeben, die sie mit diesem Inhalt überhaupt nicht abgeben wollten. Insoweit weist die Beschwerde zu Recht darauf hin, dass die Feststellungslast beim Grundbuchamt liegt. Für die Annahme einer wirksamen Anfechtung fehlt es indessen an einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Die Beteiligten zu 3 und 4 haben vielmehr stets erklärt, sie hätten die Unterschrift für eine anderweitig zu beurkundende Erklärung abgegeben, nicht hingegen für die vorgelegte. Anfechtungsgegner ist gemäß § 143 Abs. 1 und 2 BGB der andere Teil, bei mehrseitigen Verträgen und Verträgen gesellschaftsrechtlicher Art sind dies alle übrigen Beteiligten (vgl. Palandt/Ellenberger BGB 70. Aufl. § 143 Rn. 5 m.w.N.). Für die Abgabe von entsprechenden Erklärungen bestehen hier jedoch keine Anhaltspunkte. Erst recht nicht kann in diesem Fall das Vorliegen der erforderlichen und als solcher nicht anfechtbaren Bewilligung (§ 19 GBO; siehe BayObLG ZfIR 2003, 682) angezweifelt werden.

(2) Das Grundbuchamt kann indessen weitere Nachweise verlangen oder mangels Nachweisen den Antrag zurückweisen, wenn ihm aus den Eintragungsunterlagen selbst oder durch anderweitige Umstände, wie etwa eingegangene sonstige Schriftstücke, auch wenn sie nicht in der Form des § 29 GBO abgefasst sind, Tatsachen bekannt werden, die den Beweiswert der Eintragungsunterlagen erschüttern. Davon ist hier das Grundbuchamt zu Recht ausgegangen. Die Stellungnahmen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren würden zu keiner anderen Bewertung führen, wenn der Senat in der Sache zu entscheiden hätte.

Der beurkundende Notar hat unter dem 7.2.2011 mitgeteilt, es sei bekannt, dass die Beteiligten zu 3 und 4 die Erklärung nicht hätten unterschreiben wollen, sondern einen weiteren, nicht vollzugsfähigen Nachtrag zur Teilungserklärung; es sei nicht mehr aufklärbar, wie die Unterschrift unter den aus ihrer Sicht falschen Nachtrag geraten sei. Dies reicht in Verbindung mit den Erklärungen der Beteiligten zu 3 und 4 aus, um die maßgebliche Eintragungsunterlage zu erschüttern. Es mag sein, dass es eher wahrscheinlich ist, die Beteiligten zu 3 und 4 hätten die falsche Erklärung unterschrieben. Dafür spricht die weitere Stellungnahme des Notars vom 12.7.2011. Jedoch liegt die Erklärung vom 7.2.2011 zeitnäher am Beurkundungsvorgang als diejenige vom 12.7.2011. Letztere arbeitet im Wesentlichen mit Rückschlüssen, wohingegen die erste Stellungnahme darauf hinausläuft, dass sich der Vorgang nicht mehr aufklären lässt. Unter diesen Umständen ist es gerechtfertigt, in Würdigung der tatsächlichen Umstände, auch der durchaus nachvollziehbaren und in sich widerspruchsfreien Stellungnahmen der Beteiligten zu 3 und 4, die begehrte Grundbucheintragung ohne neuerliche Bewilligung zu versagen.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Beschwerdeverfahren ist frei von gerichtlichen Gebühren (§ 131 Abs. 3 KostO). Es erscheint im Verhältnis der Beteiligten untereinander auch nicht angezeigt, eine Kostenerstattung anzuordnen.

 

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