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Bestimmung des Geschäftswerts in Grundbuchsachen – Berechnungsgrundlagen

Wertbestimmung bei Immobilien – Ein Präzedenzfall durch das OLG München

Der Fall beschäftigt sich mit dem komplexen Thema der Wertbestimmung von Grundstücken und Gebäuden und stützt sich dabei auf ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München. Dieses befasste sich mit der Festlegung des Geschäftswertes in Grundbuchangelegenheiten und wie dieser Wert ermittelt werden sollte. Die Hauptfrage, die dieses Urteil zu beantworten versuchte, war, welche Faktoren bei der Wertberechnung zu berücksichtigen sind und ob sie allgemeingültig angewendet werden können.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 34 Wx 316/20 >>>

Die Streitigkeit um den Geschäftswert

Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Bestimmung des Geschäftswertes einer Schule, die auf einem bestimmten Grundstück stand. Es gab eine Diskrepanz zwischen dem vom Bezirksrevisor festgesetzten Wert und dem tatsächlichen Verkehrswert der Immobilie. Dies wurde durch einen Sicherheitsabschlag von 25 % und einen weiteren Abschlag von 20 % aufgrund der eingeschränkten Verkehrsfähigkeit verursacht. Zudem wurde auch der Gebäudewert auf der Grundlage des Brandversicherungswerts unter Berücksichtigung weiterer Abschläge festgelegt.

Beteiligte und ihre Argumente

Die Beteiligten hinterfragten die Berechnungsmethoden des Bezirksrevisors und behaupteten, dass die gesetzgeberisch vorgegebenen Kriterien zur Bestimmung des Verkehrswerts nicht berücksichtigt wurden. Sie bemängelten, dass die für Steuererhebungszwecke festgesetzten Werte nicht berücksichtigt wurden und behaupteten, dass ein noch deutlich geringerer Wert erzielt werden würde, wenn man den Kaufpreis des angrenzenden Grundstücks aus dem Jahr 2015 als Grundlage nähme.

Das Urteil und seine Implikationen

Das Gericht entschied, dass der Wert einer Sache gemäß § 46 Abs. 1 GNotKG durch den Verkehrswert bestimmt wird. Dabei handelt es sich um den Preis, der im normalen Geschäftsverkehr unter Berücksichtigung aller Umstände, die den Wert beeinflussen, erzielt werden könnte. Es wurde festgestellt, dass die Beteiligten vor Erlass der Entscheidung in die Lage versetzt werden müssen, die Wertberechnung nachvollziehen zu können, um eventuelle Einwendungen vorbringen zu können. Hierfür müssen ihnen die Berechnungsgrundlagen mitgeteilt werden.

Die Auswirkungen des Urteils

Dieses Urteil hat wichtige Implikationen für die Bestimmung des Geschäftswertes in Grundbuchsachen. Es legt nahe, dass nicht nur der Wert des Grundstücks, sondern auch andere Faktoren wie die Verkehrsfähigkeit des Gebäudes bei der Wertbestimmung eine Rolle spielen sollten. Dies könnte dazu beitragen, in zukünftigen Fällen mehr Transparenz und Klarheit zu schaffen, indem es sicherstellt, dass alle relevanten Informationen in die Entscheidungsfindung einfließen.


Das vorliegende Urteil

OLG München – Az.: 34 Wx 316/20 – Beschluss vom 06.08.2020

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten hin wird der Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt – Grundbuchamt – vom 29. April 2020 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung über den festzusetzenden Geschäftswert an das Amtsgericht Ingolstadt – Grundbuchamt – zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligte wendet sich gegen die Festsetzung des Geschäftswerts in einer Grundbuchsache.

Mit Vertrag vom 11.6.2014 übertrug der X. e.V. im Wege der Ausgliederung sein gesamtes Vermögen, darunter die drei verfahrensgegenständlichen FlSt.e mit den Nrn. (…)/71, (…)/34 und (…)/78, der Beteiligten, einer gemeinnützigen GmbH, die dort ein heilpädagogisches Zentrum betreibt. Am 30.7.2018 wurde die Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch beantragt. Der Vollzug erfolgte am 7.11.2019. Der Festsetzung der Grunderwerbsteuer legte das Finanzamt einen Gesamtwert von 4.084.500,- € zugrunde. Am FlSt. (…)/34 ist eine Auflassungsvormerkung zur Sicherung eines Wiederkaufsrechts der Stadt X. eingetragen sowie an sämtlichen FlSt.en jeweils Grundschulden in unterschiedlicher Höhe; der Gesamtbetrag beläuft sich auf über 13 Mio. €. In die Einbringungs-/Spaltungsbilanz zum 31.12.2013 sind die Grundstücke mit einem Buchwert von 813.250,53 € und die Gebäude samt Außenanlagen mit einem Buchwert von 881.614,94 € eingestellt. Der Großteil der Gebäude wurde 1997 fertiggestellt. Ihr Brandversicherungswert 1914 beläuft sich auf 983.500,- DM. 2015 erwarb die Beteiligte von der Stadt X. ein weiteres, angrenzendes Grundstück, auf dem sich eine Kinderkrippe befindet, zu einem Preis von 75,- €/qm. Für die benachbarten Wohngebiete war zum 31.12.2016 ein Bodenrichtwert von 850,- €/qm festgesetzt.

Die Landesjustizkasse hat der Kostenrechnung vom 11.11.2019 für die Eigentumsumschreibung und die Katasterfortführung einen Geschäftswert von 11.914.840,- € zugrunde gelegt. Hiergegen hat die Beteiligte mit Schriftsatz vom 3.12.2019 Erinnerung erhoben.

Der Bezirksrevisor hat daraufhin am 4.3.2020 beantragt, den Geschäftswert auf 18.112.337,20 € festzusetzen. Der Bodenrichtwert in der unmittelbaren Umgebung des gegenständlichen Grundbesitzes betrage 850,- €/qm. Ausgehend von einem stets gebotenen Sicherheitsabschlag von 25 % und einem weiteren Abschlag von 20 % wegen der eingeschränkten Verkehrsfähigkeit errechne sich ein reiner Bodenwert von 8.588.910,- €. Der Gebäudewert sei auf der Grundlage des Brandversicherungswerts unter Berücksichtigung eines allgemeinen Abschlags von 20 % und eines weiteren Abschlags von 20 % aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine Schule handle, bei Annahme eines Baujahrs 2006 mit 9.523.427,20 € anzusetzen.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 10.3.2020 das Verfahren zur Festsetzung des Geschäftswerts eingeleitet. Auf die Stellungnahme der Beteiligten vom 9.4.2020 hin, mit der u.a. die fehlende Nachvollziehbarkeit der Berechnung des Gebäudewerts gerügt wurde, hat der Bezirksrevisor sodann am 20.4.2020 erklärt, es sei ein Gesamtgeschäftswert von 16.880.208,40 € anzunehmen. Nunmehr ausgehend von einem Baujahr 1997 ergebe sich auf der Grundlage des Brandversicherungswerts einschließlich des generellen Sicherheitsabschlags ein Gebäudewert von 10.364.123,- €. Hiervon sei ein weiterer besonderer Abschlag von 20 % vorzunehmen. Etwaigen Abnutzungen sei durch die Anwendung der pauschalierten Abschläge bereits Rechnung getragen.

Mit Beschluss vom 29.4.2020 hat das Grundbuchamt unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des Bezirksrevisors den Geschäftswert auf 16.880.208,40 € festgesetzt.

Hiergegen hat die Beteiligte mit Anwaltsschriftsatz vom 28.5.2020 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Geschäftswert auf 4.084.500,- € herabzusetzen. Sie verweist auf die Buchwerte. Der nach § 46 Abs. 1 GNotKG zu treffenden Ermessensentscheidung habe der Gesetzgeber Grenzen gesetzt und Kriterien für die Bestimmung des Verkehrswerts vorgegeben. Die Nichtberücksichtigung von für Zwecke der Steuererhebung festgesetzten Werten lasse sich nicht begründen. Würde man den Preis für den Kauf des angrenzenden Grundstücks 2015 zugrunde legen, würde sich ein noch deutlich geringerer Wert ergeben. Der Abschlag von 20 % wegen eingeschränkter Verkehrsfähigkeit sei offensichtlich zu niedrig. Der Bezirksrevisor habe seine Berechnungsgrundlagen nicht nachvollziehbar angegeben.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 15.7.2020 nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache zumindest vorläufig Erfolg.

1. Gemäß §§ 83 Abs. 1 Sätze 1 und 3 bis 5, 81 Abs. 5 Sätze 1, 2 und 4 GNotKG, § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FamFG ist die Beschwerde der Beteiligten gegen die Geschäftswertfestsetzung nach § 79 GNotKG zulässig eingelegt. Über sie entscheidet gemäß § 83 Abs. 1 Satz 5 GNotKG i.V.m. § 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG der Einzelrichter des Senats.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Der Wert einer Sache wird gemäß § 46 Abs. 1 GNotKG durch den Verkehrswert bestimmt, d.h. durch den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Sache unter Berücksichtigung aller ihn beeinflussenden Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Die Berechnung nach dem Brandversicherungswert ist zwar eine anerkannte Methode zur Ermittlung des Verkehrswerts eines Gebäudes (vgl. BayObLG Rpfleger 1976, 375; OLG München Rpfleger 2018, 511; Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt GNotKG 3. Aufl. § 46 Rn. 15; Korintenberg/Tiedtke GNotKG 21. Aufl. § 46 Rn. 61). Die Beteiligten müssen vor Erlass der Entscheidung aber in die Lage versetzt werden, die Wertberechnung nachvollziehen zu können, um schon im Festsetzungsverfahren eventuelle Einwendungen hiergegen vorbringen zu können. Dazu sind Ihnen die Grundlagen der Berechnung mitzuteilen. Auch ist letztere in der Entscheidung selbst darzustellen (OLG München Rpfleger 2018, 511). Dem genügt der vorliegende Beschluss nicht in vollem Umfang. Weder in den Gründen der Entscheidung noch in den dort in Bezug genommenen Stellungnahmen des Bezirksrevisors ist, vom Brandversicherungswert 1914 ausgehend, der Rechenweg zur Ermittlung des Gebäudewerts im Einzelnen dargestellt. Ebensowenig ist die dabei verwendete Richtzahl (vgl. Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt § 46 Rn. 15; Korintenberg/Tiedtke § 46 Rn. 61) angegeben. All dies wiegt umso schwerer, als die Beteiligte im Rahmen sowohl des Festsetzungs- als auch des Beschwerdeverfahrens auf den Mangel hingewiesen hat. Da die Geschäftswertfestsetzung einheitlich zu erfolgen hat, ist die angegriffene Entscheidung insgesamt aufzuheben.

III.

Für das weitere Verfahren weist der Senat – ohne Bindungswirkung – darauf hin, dass gegen die Festsetzung des Bodenwerts durch das Grundbuchamt bei vorläufiger Beurteilung auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten zumindest keine offensichtlichen Bedenken bestehen. Der Wert einer Sache wird gemäß § 46 Abs. 1 GNotKG durch den Verkehrswert bestimmt. Zur Bestimmung des Verkehrs- oder gemeinen Werts – vgl. § 9 BewG – von Grundstücken, sofern dieser nicht feststeht, stellt § 46 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 GNotKG Kriterien auf, und zwar in Abs. 2 sogenannte Hauptkriterien – „ist er zu bestimmen“ – und in Abs. 3 ergänzend sogenannte Hilfskriterien – „können auch herangezogen werden“ (Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt § 46 Rn. 9 und 25; Korintenberg/Tiedtke § 46 Rn. 9; a.A. wohl Kawell in Hartmann/Toussaint Kostenrecht 50. Aufl. § 46 GNotKG Rn. 3: Erweiterung der Kriterien des Abs. 2 durch diejenigen des Abs. 3). Lässt sich der Wert bereits anhand der Kriterien nach Abs. 2 bestimmen, bedarf es somit in der Regel eines Rückgriffs auf die in Abs. 3 angeführten Punkte nicht. Dies gilt insbesondere für die für Zwecke der Steuererhebung festgesetzten oder angemeldeten Beträge i.S.v. § 46 Abs. 3 Nr. 3 GNotKG (Korintenberg/Tiedtke § 46 Rn. 14), die die wahren Wertverhältnisse nicht immer zuverlässig wiedergeben (Kawell in Hartmann/Toussaint § 46 GNotKG Rn. 11). Diese Beträge dürfen in der Praxis der Grundbuchämter nicht die primäre und schon gar nicht die ausschließliche Erkenntnisquelle bilden (Senat vom 26.4.2017, 34 Wx 72/17 Kost = NJW-RR 2017, 1487/1488; Korintenberg/Tiedtke § 46 Rn. 14a). Dass das Grundbuchamt im vorliegenden Fall nicht die Wertfestsetzung des Finanzamts übernommen, sondern bei seiner Ermessensausübung die aktuellen Bodenrichtwerte in der Umgebung zugrunde gelegt hat, ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden. Auch die reduzierte Verkehrsfähigkeit der Gebäude und der Grundstücke insgesamt dürfte durch die vorgenommenen Abschläge angemessen berücksichtigt sein (vgl. Korintenberg/Tiedtke § 46 Rn. 73).

IV.

Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 83 Abs. 3 GNotKG nicht veranlasst.

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