OLG Köln – Az.: 2 VA (Not) 8/18 – Urteil vom 26.11.2018
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der getroffenen Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Befreiung eines Notars von seiner beruflichen Schweigepflicht.
Der Kläger ist ein Sohn aus der ersten Ehe des am 9.5.1927 geborenen und am 7.1.2016 verstorbenen Herrn A B (nachfolgend: Erblasser). Dieser setzte in einem von dem Notar C in D beurkundeten Ehegattentestament vom 21.8.2012 gemeinsam mit seiner im Jahre 2015 verstorbenen zweiten Ehefrau E B die Kinder aus der zweiten Ehe zu Erben des Letztversterbenden ein. Wegen der Einzelheiten der letztwilligen Verfügung wird auf Bl. 13 ff. des Verwaltungsvorgangs 2045 E – 42.75 (VV) verwiesen.
Aufgrund der Testamentseröffnung am 4.2.2016 (37 IV 584/12 Amtsgericht Bocholt) erfuhr der Kläger von seiner Enterbung. Mit Schreiben vom 1.8.2017 (Bl. 1 ff. VV) beantragte er bei dem Beklagten, den Notar gemäß § 18 Abs. 2 BNotO von seiner Schweigepflicht zu entbinden, nachdem dieser eine Einsichtnahme in seine Urkundensammlung verweigert hatte und auch die Westfälische Notarkammer mitgeteilt hatte, dass der Notar dazu nicht berechtigt sei. Zur Begründung führte der Kläger aus, dass es für seine Enterbung keinen nachvollziehbaren Grund gebe, angesichts des äußeren Erscheinungsbildes des Testaments, nämlich der Verbindung der Urkunde, der Beschaffenheit des Papiers und des Textbildes, Zweifel an einem dahingehenden Willen des Erblassers bestünden und zu deren Verifizierung ein Vergleich zwischen dem beim Nachlassgericht eingereichten Original und der im Notariat verbliebenen Kopie des Testaments ermöglicht werden müsse. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das Schreiben des Klägers vom 1.8.2017 verwiesen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 9.8.2017 (Bl. 37 f. VV) mit der Begründung ab, dass die beantragte Befreiung nicht im mutmaßlichen oder ausdrücklich geäußerten Interesse des Verstorbenen liege sowie die vom Kläger aufgezeigten „Indizien“ einer möglichen Manipulation nicht aussagekräftig seien und eine Verfälschung nicht belegen könnten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den genannten Bescheid verwiesen. Dagegen erhob der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 25.9.2017 (Bl. 39 ff. VV) und eigenem Schreiben vom 26.9.2017 (Bl. 43 ff. VV) Einwände, indem die Ausführungen zu den aus seiner Sicht bestehenden Verdachtsmomenten wiederholt, vertieft und ergänzt wurden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Schreiben Bezug genommen. Diese Einwände wies der Beklagte im Nichtabhilfebescheid vom 5.10.2017 (Bl. 51 ff. VV), auf den ebenfalls verwiesen wird, zurück und berichtete mit Schreiben vom selben Tag an den Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm. Auf dessen Aufforderung und nach weiteren Einwänden des Klägers mit Schreiben vom 2.11.2017 (Bl. 61 f. VV) teilte der Beklagte mit Schreiben vom 14.11.2017 (Bl. 63 ff. VV) die Rechtsmittelmöglichkeiten mit, nämlich eine Klage zum Notarsenat gegen den Bescheid vom 9.8.2017 – mangels Rechtsbehelfsbelehrung – binnen Jahresfrist gemäß § 58 VwGO.
Diese Klage hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22.5.2018 erhoben, mit der er seine bereits im Verwaltungsverfahren vorgebrachte Argumentation wiederholt, vertieft und ergänzt. Der Kläger bekräftigt seine Behauptung, dass es aus Sicht der Kinder aus erster Ehe des Erblassers unvorstellbar sei, dass diese lediglich den Pflichtteil erhalten sollten, zumal insbesondere zu der Tochter F G ein enges und vertrauensvolles Verhältnis bestanden habe. Zur Überprüfung des deshalb bestehenden Verdachts von Unregelmäßigkeiten bedürfe es der beantragten Einsicht in die Unterlagen des Notars.
Der Kläger beantragt,
1. den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 9.8.2017 aufzuheben,
2. den Beklagten zu verpflichten, den Notar C mit dem Amtssitz in D von seiner notariellen Schweigepflicht zu befreien zwecks Einsichtnahme in das notarielle Testament des Vaters des Klägers vom 21.8.2012, UR-Nr. 1xx/2012.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Klage bereits unzulässig sei, weil ihr das notwendige Rechtsschutzbedürfnis fehle. Selbst bei Erteilung einer Schweigepflichtentbindungserklärung nach § 18 Abs. 2 BNotO obliege die Entscheidung, die gewünschten Auskünfte zu erteilen, dem Notar, der dazu indes nicht bereit sei. Jedenfalls sei die Klage unbegründet, weil kein Anspruch des Klägers auf Erteilung der Befreiung bestehe. Im Rahmen der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung sei zu prüfen, ob der verstorbene Beteiligte, würde er noch leben, bei verständiger Würdigung der Sachlage die Befreiung erteilen würde. Hiervon sei vorliegend nicht auszugehen, da die Erbeinsetzung der Kinder aus zweiter Ehe in einem Ehegattentestament nicht ungewöhnlich sei und für den vom Kläger geäußerten Manipulationsverdacht keinerlei tragfähige Anhaltspunkte bestünden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.
II.
Die Klage, über die der Senat mit Zustimmung der Parteien ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111 b Abs. 1 Satz 1 BNotO), ist – jedenfalls – unbegründet.
1. Statthafter Rechtsbehelf ist eine Verpflichtungsklage gemäß §§ 111 ff. BNotO i.V.m. § 42 VwGO. Soweit in der früheren Rechtsprechung für gerichtliche Verfahren auf oder gegen die Erteilung von Schweigepflichtentbindungen nach § 18 Abs. 2 BNotO ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung als statthafter Rechtsbehelf angesehen wurde (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20.4.2009 – NotZ 23/08, in: NJW-RR 2009, 991; Senat, Beschluss vom 26.11.2008 – 2 X (Not) 29/08, abrufbar bei juris), betraf dies Fälle aus dem Zeitraum vor der zum 1.6.2008 in Kraft getretenen Gesetzesänderung. Weiterhin Geltung beansprucht allerdings die Feststellung in der Rechtsprechung zum früheren Recht, dass es sich sowohl bei der Befreiung eines Notars von der Verschwiegenheitspflicht als auch bei der ablehnenden Entscheidung über einen entsprechenden Antrag um einen Verwaltungsakt handelt (vgl. zu letzterem: BGH, Beschluss vom 10.3.2003 – NotZ 23/02, in: MDR 2003, 719).
Die danach statthafte Klage ist jedenfalls deshalb nicht wegen Versäumung einer etwaigen Frist (vgl. § 74 Abs. 2 VwGO) unzulässig, da der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 2.11.2017 auf die Klagemöglichkeit (binnen Jahresfrist) verwiesen hat, von der er dann auch mit Schriftsatz vom 22.5.2018 Gebrauch gemacht hat.
Auch gegen die Klagebefugnis bestehen keine Bedenken, weil der Kläger geltend macht, zur Durchsetzung seines Erachtens mangels wirksamer Enterbung bestehender Ansprüche bzw. zur Überprüfung eines entsprechenden Verdachts auf die begehrte Einsicht in die Urkundensammlung des Notars angewiesen zu sein. Für solche Fälle wurde auch nach früherer Fassung des § 111 BNotO, die in Absatz 1 Satz 2 vorsah, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in Bezug auf Verwaltungsakte nur darauf gestützt werden konnte, dass der Verwaltungsakt den Antragsteller in seinen Rechten beeinträchtige, weil er rechtswidrig sei, eine Antragsbefugnis von (potentiellen) Erben eines Urkundsbeteiligten bejaht (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10.3.2003 – NotZ 23/02, in: DNotZ 2003, 780 ff). Damit stehen das Antragsrecht in Bezug auf eine Befreiung des Notars von seiner Schweigepflicht nach Versterben eines Urkundsbeteiligten gemäß § 18 Abs. 2 BNotO und die Klagebefugnis des Klägers im Fall einer Antragsablehnung außer Frage.
Ob die Klage gleichwohl – wie der Beklagte meint – mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig ist, weil der Notar angesichts des bisherigen Ablaufs nicht bereit sein wird, die gewünschte Einsicht in seine Urkundensammlung zu gewähren, selbst wenn er von der Verschwiegenheitspflicht befreit würde (vgl. schon entsprechenden Hinweis in der Verfügung des Vorsitzenden vom 11.6.2018), kann im Ergebnis dahinstehen, da die Klage jedenfalls unbegründet ist.
2. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Befreiung des Notars C von der notariellen Schweigepflicht.
Die nach dem Tod des Urkundsbeteiligten der Aufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen obliegende Entscheidung über die Befreiung des Notars von der Verschwiegenheitspflicht hat sich danach auszurichten, ob der verstorbene Beteiligte, wenn er noch lebte, bei verständiger Würdigung der Sachlage die Befreiung erteilen würde oder ob unabhängig hiervon durch den Todesfall das Interesse an einer weiteren Geheimhaltung entfallen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10.3.2003 – NotZ 23/02, in: MDR 2003, 719 m.w.N.).
Nach diesen Beurteilungsmaßstäben, von denen auch der Kläger und die in seinem Schriftsatz vom 25.10.2018 zitierten Rechtsprechungs- und Literaturstellen ausgehen, ist die Entscheidung des Beklagten, die beantragte Befreiung nicht zu erteilen, nicht zu beanstanden:
Ein etwaiges Interesse des Vaters des Klägers an der Geheimhaltung seines letzten Willens, im Zusammenhang mit der Errichtung des Testaments und der dabei abgegebenen Erklärungen endete zwar notwendig mit Eintritt des Erbfalls (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 13.6.1977 – 2 VA (Not) 6/76, in: DNotZ 1978, 314 ff.).
Gleichwohl hat der Beklagte ermessensfehlerfrei ein für die nach § 18 Abs. 2 BNotO zu treffende Entscheidung maßgebliches Interesse der Urkundsbeteiligten an einer Einsichtnahme des Klägers in die Urkundensammlung des Notars und damit die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht verneint. Die Enttäuschung des Klägers über die testamentarischen Anordnungen seines Vaters ist zwar in gewisser Weise nachvollziehbar. Der Beklagte geht allerdings zutreffend davon aus, dass der Kläger keine überzeugende Begründung für seine Vermutung vorbringt, dass dies auf einer Manipulation der Urkunde beruht, weil zum einen die Erbeinsetzung der Kinder aus zweiter Ehe in einer Familienkonstellation wie der vorliegenden nicht unüblich sein dürfte und zum anderen die nach Auffassung des Klägers vorliegenden „Unregelmäßigkeiten“ im äußeren Erscheinungsbild der Urkunde jeweils isoliert betrachtet, aber auch in der Gesamtschau unbedenklich sind und keine tragfähige Grundlage für die vom Kläger gezogenen Schlussfolgerungen darstellen. Dass die Urkundsbeteiligten, zu denen im Übrigen nicht nur der Vater des Klägers, sondern auch dessen zweite Ehefrau gehörten, deren Interessen ebenfalls zu berücksichtigen sind, zur Überprüfung eines solchen vagen Verdachts dem Kläger eine Einsicht in die Urkundensammlung des Notars gestattet hätten, ist nicht ersichtlich.
Hinzu kommt, dass der Notar sich – wie bereits erwähnt – weigert, dem Kläger die gewünschten Auskünfte zu erteilen und/oder Einsicht in seine Unterlagen zu gewähren. Ein darauf gerichteter Rechtsanspruch des Klägers gegen den Notar bestünde auch bei einer etwaigen Befreiung gemäß § 18 Abs. 2 BNotO nicht, so dass dem Kläger selbst ein der Klage stattgebendes Urteil im Ergebnis nicht zum gewünschten Erfolg verhelfen würde. Darauf wurde bereits unmittelbar nach Eingang der Klage durch Verfügung des Vorsitzenden vom 11.6.2018 hingewiesen, ohne dass dagegen Einwände erhoben wurden.
Auf die der Schwester des Klägers erteilte Vorsorgevollmacht des Erblassers und die insoweit dem Kläger erteilte Untervollmacht kommt es für die im Rahmen des § 18 Abs. 2 BNotO maßgeblichen Fragen nicht an. Ob der Kläger darauf gestützt Einsicht in die Urkundensammlung des Notars verlangen könnte, ist auch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, worauf der Kläger ebenfalls bereits hingewiesen wurde, aber auch dagegen nichts Erhebliches vorgebracht hat.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 111 b BNotO i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 709 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen die Berufung gemäß §§ 111 b Abs. 1, 111 d BNotO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen ist, liegen nicht vor.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 111 g Abs. 1 BNotO, § 52 Abs. 2 GKG.