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Auslegung einer Erklärung als Schubladenvollmacht – Löschung Erwerbsvormerkung

Im Zentrum der rechtlichen Betrachtung steht die Frage nach der Gültigkeit und Reichweite einer sogenannten Schubladenvollmacht im Zusammenhang mit der Löschung einer Erwerbsvormerkung im Grundbuch. Eine solche Vollmacht wird in der Regel im Rahmen eines Bauträgervertrags erteilt und soll unter bestimmten Voraussetzungen die Löschung der Vormerkung ermöglichen. Dabei ist zu klären, inwiefern die Bedingungen für die Ausübung der Vollmacht das Außenverhältnis, also die Rechtswirkung gegenüber Dritten, insbesondere dem Grundbuchamt, beeinflussen.

Die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis bei der Vollmachtserklärung spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Das rechtliche Problem dreht sich um die Interpretation der Vollmacht und die Frage, ob und inwieweit die im Vertrag festgelegten Bedingungen für die Ausübung der Vollmacht von einem Gericht oder Grundbuchamt überprüft und als bindend angesehen werden müssen. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob eine solche Vollmacht unter einer aufschiebenden Bedingung steht und inwiefern dies den Nachweis der Vertretungsmacht im Grundbuchverfahren beeinflusst.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 19 W 29/23 (Wx)  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Oberlandesgericht Karlsruhe hebt den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim auf, welcher die Löschung einer Erwerbsvormerkung zurückgewiesen hatte. Der Kern des Urteils befasst sich mit der Gültigkeit und Auslegung einer Schubladenvollmacht im Kontext eines Bauträgervertrags und deren Einfluss auf das Grundbuchrecht.

Zentrale Punkte des Urteils:

  1. Aufhebung des Amtsgerichtsbeschlusses: Das OLG Karlsruhe hebt die Entscheidung des Amtsgerichts Mannheim auf, die einen Antrag auf Löschung einer Erwerbsvormerkung zurückgewiesen hatte.
  2. Bedeutung der Schubladenvollmacht: Die Relevanz einer im Rahmen eines Bauträgervertrags erteilten Schubladenvollmacht steht im Mittelpunkt des Urteils.
  3. Voraussetzungen für Vollmachtsgebrauch: Die Vollmacht wurde unter spezifischen Voraussetzungen erteilt, deren Eintritt das Grundbuchamt nicht als nachgewiesen ansah.
  4. Unterscheidung von Innen- und Außenverhältnis: Das Gericht diskutiert, ob die Vollmacht im Innenverhältnis (zwischen Vertragsparteien) oder im Außenverhältnis (gegenüber Dritten, hier dem Grundbuchamt) wirksam ist.
  5. Auslegung der Vollmacht: Es wird betont, dass die Auslegung der Vollmacht zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führen muss, wobei der Bestand der Vollmacht nachgewiesen sein muss.
  6. Rechtliche Gehör: Das Gericht weist darauf hin, dass dem betroffenen Käufer rechtliches Gehör zu gewähren ist, bevor eine Löschung im Grundbuch erfolgt.
  7. Kein Vollmachtmissbrauch ersichtlich: Es gibt keine Anhaltspunkte, die auf einen Missbrauch der Vollmacht hindeuten.
  8. Keine Gerichtskosten für erfolgreiche Beschwerde: Für die erfolgreiche Beschwerde werden keine Gerichtskosten erhoben, und es gibt keine Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Schubladenvollmacht und Erwerbsvormerkung: Ein juristisches Tauziehen

In einem bemerkenswerten Fall, der vor dem OLG Karlsruhe verhandelt wurde, ging es um die Auslegung einer Schubladenvollmacht im Kontext der Löschung einer Erwerbsvormerkung. Der Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein zwischen dem Beteiligten S. als Käufer und der G. GmbH & Co. KG als Verkäuferin geschlossener Bauträgervertrag vom 14.06.2022. In diesem Vertrag bewilligte und beantragte die Verkäuferin als Grundstückseigentümerin zur Sicherung des Käuferanspruchs auf Übertragung des Eigentums eine Vormerkung gemäß § 883 BGB. Für die vereinfachte Lastenfreistellung des Vertragsobjekts erteilte der Käufer der Verkäuferin eine Vollmacht zur Abgabe aller zur Löschung der Vormerkung erforderlichen Erklärungen und Anträge.

Die Rolle des Notars in der Schubladenvollmacht

Der Kern dieser Vollmacht lag darin, dass sie erst ausgeübt werden durfte, wenn bestimmte, im Vertrag festgelegte Voraussetzungen erfüllt waren. Diese beinhalteten unter anderem den Rücktritt des Verkäufers vom Kaufvertrag aufgrund von Zahlungsverzug des Käufers und die Zustellung eines entsprechenden Schreibens an den Käufer durch den Notar. Die Bedeutung des Notars in diesem Verfahren war zentral, da die Vollmacht ausdrücklich vorsah, dass von ihr nur vor dem amtierenden Notar Gebrauch gemacht werden durfte.

Konflikt um die Löschungsbewilligung

Am 17.01.2023 beantragte der Notar die Löschung der Vormerkung, nachdem die Verkäuferin nach wirksamem Rücktritt vom Kaufvertrag die Löschungsbewilligung und den entsprechenden Antrag vorgelegt hatte. Das Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt meldete Bedenken an, da die Vertretungsmacht der Verkäuferin bei Abgabe der Löschungsbewilligung nicht nachgewiesen worden sei. Der Notar entgegnete, dass die Vollmachtklauseln im Vertrag nur das Innenverhältnis beträfen und die fraglichen Voraussetzungen sich einem Nachweis durch öffentliche Urkunden entzögen. Er argumentierte, dass bei einer Auslegung der Vollmacht als einschränkend im Außenverhältnis, diese praktisch kaum jemals Gebrauch finden könnte.

Entscheidung des OLG Karlsruhe: Ein Sieg für die Schubladenvollmacht

Das OLG Karlsruhe stellte in seinem Beschluss vom 29.09.2023 fest, dass die Beschwerde des Antragstellers Erfolg hatte. Das Gericht argumentierte, dass der Käufer die Verkäuferin vertraglich zur Löschungsbewilligung ermächtigt hatte und die damit verbundenen Voraussetzungen lediglich das Innenverhältnis betrafen. Die Auslegung ergab, dass die Vollmacht im Außenverhältnis unbeschränkt war und die Beschränkungen nur intern zwischen den Vertragsparteien Geltung hatten. Demnach war das Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt nicht berechtigt, den Antrag auf Löschung der Erwerbsvormerkung aus den genannten Gründen zurückzuweisen.

Dieser Fall demonstriert die Komplexität juristischer Auslegungen im Bereich des Immobilienrechts und die Bedeutung von Vollmachten im Grundbuchverfahren. Er zeigt, wieentscheidend die genaue Formulierung und die Einbindung eines Notars bei der Erteilung von Vollmachten sein können und dass die Auslegung von Vertragsklauseln entscheidend für die Durchsetzung rechtlicher Ansprüche ist.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist der Unterschied zwischen einer Schubladenvollmacht und einer einfachen Vollmacht?

Eine Vollmacht ist eine Willenserklärung, durch die eine Person (der Vollmachtgeber) einer anderen Person (dem Bevollmächtigten) das Recht überträgt, in ihrem Namen bestimmte Handlungen vorzunehmen. Der Umfang der Vollmacht kann variieren, von der Erteilung der Befugnis für ein spezifisches Geschäft (Einzelvollmacht) bis hin zur Erteilung der Befugnis für alle Geschäfte (Generalvollmacht).

Eine Schubladenvollmacht ist eine spezielle Art von Vollmacht, die vom Vollmachtgeber erstellt, aber nicht sofort dem Bevollmächtigten ausgehändigt wird. Stattdessen wird sie „in der Schublade“ aufbewahrt und nur dann ausgehändigt, wenn der Vollmachtgeber nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Dies kann beispielsweise bei Krankheit oder Geschäftsunfähigkeit der Fall sein. Die Schubladenvollmacht ermöglicht es dem Bevollmächtigten, die Angelegenheiten des Vollmachtgebers zu regeln, wenn dieser dazu nicht mehr in der Lage ist.

Im Gegensatz dazu wird eine einfache Vollmacht in der Regel sofort nach ihrer Erstellung dem Bevollmächtigten ausgehändigt und ermöglicht es diesem, bestimmte, in der Vollmacht definierte Handlungen im Namen des Vollmachtgebers vorzunehmen.

Es ist zu beachten, dass sowohl die Schubladenvollmacht als auch die einfache Vollmacht jederzeit vom Vollmachtgeber widerrufen werden können, es sei denn, es handelt sich um eine unwiderrufliche Vollmacht.


Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 19 W 29/23 (Wx) – Beschluss vom 29.09.2023

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 06.04.2023, Az. MAN012 GRG 306 12023 (…) aufgehoben.

2. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den beschwerdegegenständlichen Antrag nicht aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.

Gründe

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung des Antrags vom 30.01.2023 auf Löschung einer Erwerbsvormerkung.

Der Beteiligte S. schloss als Käufer mit der G. GmbH & Co. KG als Verkäuferin am 14.06.2022 einen Bauträgervertrag. Darin bewilligte und beantragte die Verkäuferin als Eigentümerin des fraglichen Grundstücks zur Sicherung des käuferseitigen Anspruchs auf Übertragung des Eigentums an dem Vertragsobjekt eine Vormerkung gemäß § 883 BGB (vgl. § 3). Zur vereinfachten Lastenfreistellung des Vertragsobjekts erteilte der Käufer zugleich der Verkäuferin – unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB – die Vollmacht, alle zur Löschung der bewilligten Auflassungsvormerkung erforderlichen Erklärungen und Anträge abzugeben (vgl. ebenso § 3); weiter heißt es dort wörtlich:

„Von dieser Vollmacht kann nur vor dem amtierenden Notar, Vertreter oder Amtsnachfolger Gebrauch gemacht werden und erst dann, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

a. Der Verkäufer hat dem Notar schriftlich mitgeteilt, dass er von dem vertragsgegenständlichen Kaufvertrag wegen Zahlungsverzuges des Käufers zurückgetreten ist;

b. der Notar hat dem Käufer Durchschrift dieses Schreibens mit Einschreiben/Rückschein an die in diesem Vertrag genannte Anschrift unter Hinweis auf die hier getroffene Regelung zugestellt; der Notar wies den Käufer in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dieser (Käufer) im eigenen Interesse jeden Wechsel seiner Anschrift dem Notar unverzüglich mitteilen sollte, da den Notar insofern keine Nachforschungspflichten treffen;

c. der Käufer hat nicht innerhalb von vier Wochen nach Zugang des vorgenannten Schreibens,

> entweder die Zahlung des geschuldeten Kaufpreises bzw. der vom Verkäufer angeforderten Beträge nachgewiesen,

> oder Gründe dargelegt, die der Kaufpreisfälligkeit entgegenstehen oder Zurückbehaltungsrechte begründen,

> oder dargelegt, dass Zahlungen erfolgt sind, es sei denn der Verkäufer hat dem Notar die Rückzahlung der genannten Beträge an den Käufer bzw. an das den Kaufpreis finanzierende Kreditinstitut nachgewiesen.“

Mit Datum vom 13.07.2022 legte der Notar dem Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt diesen Bauträgervertrag – als Urkunde UVZ-Nr. xxx – vor und stellte einen Eintragungsantrag nach § 15 GBO in Bezug auf die Erwerbsvormerkung. Anschließend gelangte die Vormerkung zur Eintragung.

Mit Datum vom 17.01.2023 wurde die Löschung der Vormerkung beantragt. Der Notar legte dem Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt eine Löschungsbewilligung nebst -antrag von Seiten der Verkäuferin vor. Nach wirksamem Rücktritt vom schuldrechtlichen Teil des Bauträgervertrages bewilligte und beantragte diese aufgrund der ihr erteilten Vollmacht in dem Bauträgervertrag vom 14.06.2022 namentlich die Löschung der in Rede stehenden Vormerkung im Grundbuch auf ihre Kosten. Der Notar stellte einen dementsprechenden Eintragungsantrag nach § 15 GBO.

Insoweit meldete das Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt mit Datum vom 07.02.2023 im Zuge einer Zwischenverfügung Bedenken an. Die Vertretungsmacht der Verkäuferin bei Abgabe der Löschungsbewilligung sei dem Grundbuchamt nicht nachgewiesen worden. Die im fraglichen Vertrag erteilte Vollmacht sei unter der Bedingung des Eintritts der dort genannten Voraussetzungen erteilt worden. Der Eintritt dieser Voraussetzungen sei dem Grundbuchamt nicht nachgewiesen. Ein Nachweis in der Form des § 29 GBO werde ohnehin als nicht möglich erachtet. Zur Löschung der Vormerkung bedürfe es somit der Löschungsbewilligung des Käufers oder eines ebendies ersetzenden Urteils (§§ 19, 29 GBO).

Diesen Bedenken trat der Notar mit Schreiben vom 17.03.2023 entgegen. Die im Bauträgervertrag vereinbarten Vollmachtklauseln beträfen nicht das Außenverhältnis, sondern allein das Innenverhältnis. Dies folge aus einer Auslegung des Vertrages. Die fraglichen Voraussetzungen bezögen sich auf Umstände, die sich einem Nachweis durch öffentliche Urkunden (§ 29 GBO) von vornherein entzögen. Gelangte man zu einer Einschränkung im Außenverhältnis, hätten die Beteiligten eine Vollmacht erteilt, von der praktisch kaum jemals Gebrauch gemacht werden könnte. Wenn sich der Nachweis eines (wirksamen) Rücktritts ausnahmsweise in Form des § 29 GBO führen ließe, wäre die Vollmacht bedeutungslos. Denn aufgrund ihrer Akzessorietät wäre die Vormerkung eines Rücktritts kraft Gesetzes gegenstandslos geworden und somit mittels Unrichtigkeitsnachweises (§ 22 GBO) löschbar. Vor diesem Hintergrund gehe der übereinstimmende Wille der Parteien dahin, dass das Vorliegen der fraglichen Voraussetzungen nur vom Notar zu prüfen sei. Anderenfalls ergäbe auch die Beschränkung der Vollmacht auf den amtierenden Notar kaum Sinn.

In der Folge erging der beschwerdegegenständliche Zurückweisungsbeschluss vom 06.04.2023; der Antrag vom 30.01.2023 auf Löschung der eingetragenen Erwerbsvormerkung wurde vom Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt kostenpflichtig zurückgewiesen. Dem Vollzug stehe ein Hindernis entgegen. Dieses Hindernis bestehe darin, dass die Vertretungsmacht des Verkäufers bei Abgabe der Löschungsbewilligung dem Grundbuchamt nicht nachgewiesen worden sei. Die im Bauträgervertrag gemäß § 3 erteilte Vollmacht sei unter der Bedingung des Eintritts bestimmter Voraussetzungen erteilt worden. Im Falle einer solchen Beschränkung sei festzustellen, ob es sich um eine Beschränkung im Außenverhältnis oder lediglich um eine im Innenverhältnis geltende Verwendungsabrede handele. Diese Frage sei im Wege der Auslegung zu beantworten, wobei im Zweifel bei mehreren Möglichkeiten der geringere Vollmachtumfang anzunehmen sei. Im vorliegenden Fall sei bei der Erteilung der Vollmacht ausdrücklich bestimmt worden, dass von ihr nur bei Vorliegen näher bezeichneter Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden könne. Ausdrücklich sei die Rede von „Können“ und nicht lediglich von „Dürfen“. Die gewählte Formulierung lasse daher keine an den Notar gerichtete Anweisung erkennen, die Bewilligung nur unter bestimmten Voraussetzungen zu beurkunden. Vielmehr sei das Vorliegen der nachfolgenden Bedingungen neben dem Gebrauch vor dem beurkundenden Notar, als kumulativ zu erfüllende Voraussetzung genannt. Bei dieser Sachlage sei von einer das Außenverhältnis betreffenden Bedingung auszugehen. Allein das Argument, dass die Vollmacht damit zur Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Grundbuchamt unbrauchbar sei, genüge nicht, um eine nur interne Anweisung zu begründen. Mithin sei die Vollmacht unter einer aufschiebenden Bedingung erteilt, sodass der Bedingungseintritt in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden müsse; ebendies sei vorliegend weder geschehen noch möglich.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 06.04.2023.

In der Folge half das Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt der Beschwerde mit Beschluss vom 19.04.2023 nicht ab. Dabei führte es wiederum aus, dass die Vertretungsmacht des Verkäufers bei Abgabe der Löschungsbewilligung dem Grundbuchamt nicht nachgewiesen worden sei.

Wegen des weiteren Beschwerdevorbringens und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben.

Die Beschwerde ist statthaft; gegen die angefochtene Entscheidung ist das Rechtsmittel der unbefristeten Beschwerde gegeben, § 71 Abs. 1 GBO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPfIG. Auch ist die Beschwerde in der Form des § 73 Abs. 1, 2 GBO eingelegt worden. Die Beschwerdeberechtigung folgt daraus, dass die angefochtene Entscheidung des Grundbuchamtes die Interessen der Eigentümerin beeinträchtigt (vgl. dazu eingehend BeckOK GBO/Kramer, 50. Ed. 01.08.2023, GBO § 71 Rn. 12, 177ff m.w.N.); die Vollmacht des Notars wird gemäß § 15 Abs. 2 GBO vermutet.

2. Das Rechtsmittel ist in der Sache begründet. Das Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt durfte den Antrag vom 30.01.2023 auf Löschung der eingetragenen Erwerbsvormerkung nicht aus den genannten Gründen zurückzuweisen.

Ein Anspruch auf Löschung ergibt sich hier im Grundsatz aus § 19 GBO. Hiernach erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen ist. So liegt der Fall hier, nachdem die Verkäuferin die Bewilligung stellvertretend für den Käufer durch den Notar erklärte.

Vorliegend hat der Käufer die Verkäuferin vorweg im Wege einer sog. Schubladenvollmacht vertraglich dazu ermächtigt, die Löschung der Erwerbsvormerkung zu beantragen. Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass im Zusammenhang mit der Vollmacht vertraglich näher bezeichnete Voraussetzungen definiert werden. Vor allem mit Rücksicht auf die Interesslange der Parteien ist insoweit von auf das Innenverhältnis bezogenen Ausübungsbeschränkungen auszugehen; die in § 3 Nr. 1 des Bauträgervertrags enthaltenen Beschränkungen entfalten im gegebenen Außenverhältnis demgemäß keine Wirkung. Die dort vertraglich vorgesehene Notarbindung ist ebenfalls gewahrt. Anhaltspunkte für einen Vollmachtmissbrauch sind derzeit ebenfalls nicht ersichtlich. Nach allgemeinen Grundsätzen wäre dem Beteiligten von Seiten des Grundbuchamts vor der Löschung des fraglichen Rechts noch rechtliches Gehör zu gewähren.

Dieses Ergebnis und das ihm zugrundeliegende Auslegungsergebnis in Gestalt einer Ausübungsbeschränkung im Innenverhältnis folgen im Einzelnen aus den nachstehenden Erwägungen:

a) Im Grundbuchverfahren ist die Abgabe der Bewilligung durch einen Vertreter zulässig. Dabei ist es nicht notwendig, dass die Bewilligung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erklärt wird; vielmehr ist es ausreichend, wenn sich dies aus den Umständen ergibt. Die von einem Vertreter abgegebene Bewilligung kann im Eintragungsverfahren nur dann verwendet werden, wenn der Bestand der Vollmacht in dem für den Grundbuchvollzug maßgeblichen Zeitpunkt nachgewiesen ist.

Bestehen – wie letztlich hier – Zweifel an dem Umfang einer Vollmacht, so ist diese nach den für die Auslegung von Grundbucherklärungen geltenden Grundsätzen auszulegen. Wegen des das Grundbuchverfahren beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatzes kommt die Auslegung nur insoweit in Betracht, als sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt. Dabei gilt § 133 BGB entsprechend; dies allerdings nur mit den Einschränkungen, die sich aus den Besonderheiten des Grundbuchverfahrens im Hinblick auf die Sicherheit des Grundbuchverkehrs ergeben. Bei der Auslegung kann daher nur auf den Wortlaut und den Sinn der Erklärung abgestellt werden, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt. Obwohl die Ansicht des beurkundenden Notars in diesem Zusammenhang regelmäßig einen wichtigen Anhaltspunkt darstellt, muss das Grundbuchamt die Wirksamkeit der Vollmacht sowie den Umfang der Vertretungsmacht von Amts wegen selbständig prüfen.

Hierbei kann auch von lediglich das Innenverhältnis betreffenden Beschränkungen auszugehen sein. Demnach liegt eine im Außenverhältnis umfassende Vertretungsmacht vor, die zwar gegenüber dem Grundbuchamt uneingeschränkt ist, im Innenverhältnis aber Beschränkungen unterliegt. In diesem Szenario sind dann vom Grundbuchamt im Grundsatz die Grenzen der Vollmachtausübung im Innenverhältnis von Vollmachtgeber und Handelndem nicht zu prüfen.

Anderes gilt, wo eine Vollmacht unter einer aufschiebenden Bedingung erteilt wurde; dort muss der Bedingungseintritt in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden.

Wenn die Auslegung nach diesen Grundsätzen zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, ist im Zweifel bei mehreren Möglichkeiten der geringere Vollmachtumfang anzunehmen (vgl. zum Ganzen BayObLG, Beschluss vom 21.03.1996 – 2 Z BR 11/96, MittBayNot 1996, 287, beck-online; Demharter, GBO, 33. Auflage 2023, § 19 Rn. 28, 75, 75a, BeckOK GBO/Otto, 50. Ed. 01.08.2023, GBO § 29 Rn. 91, 75ff; BeckOK GBO/Holzer, 50. Ed. 01.08.2023, GBO § 19 Rn. 98f jeweils m.w.N.).

b) Überträgt man diesen Maßstab auf den vorliegenden Fall, ist die Verkäuferin vom Käufer vorab im Wege einer sog. „Schubladenvollmacht“ – bzw. „Schubladenlöschungsbewilligung“ – vertraglich zur Löschungsbewilligung ermächtigt worden. Bei der insoweit gegebenen Interessenlage kommen die in Rede stehenden Beschränkungen gegenüber dem Grundbuchamt, d. h. im Außenverhältnis nicht zum Tragen. Diese Sicht der Dinge sieht sich von systematischen Überlegungen gestützt, während der Wortlaut des Vertrages keine zwingenden Schlussfolgerungen ermöglicht.

Im Einzelnen folgt dieses Auslegungsergebnis aus den nachstehenden Erwägungen:

aa) Der Wortlaut erlaubt keine zwingenden Schlüsse. Zwar ist in dem Vertrag davon die Rede, dass von der fraglichen Vollmacht nur unter näherbezeichneten Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden kann, eine Formulierung in Richtung eines rechtlichen Dürfens ist damit ersichtlich nicht gewählt worden. Indes kann auch die Annahme von nicht das Außenverhältnis betreffenden Einschränkungen mit der Vokabel „können“ sprachlich in Einklang gebracht werden. Im Übrigen wurde die fragliche Vollmacht ausweislich des Vertragstextes zunächst schlechterdings ohne Einschränkungen „hiermit erteilt“.

bb) In systematischer Hinsicht ist der Vollmachtgebrauch hiervon zu trennen. Die dahingehenden Beschränkungen finden sich in einem getrennten Absatz. Bei dieser Sachlage ist zwischen der unbeschränkten Erteilung und dem beschränkten Gebrauch zu differenzieren.

cc) Ohnedies ändert die sprachliche bzw. systematische Konstruktion der Vollmacht nichts an der Interessenlage der Vertragsparteien, welche das hier gefundene Auslegungsergebnis mit hinreichender Eindeutigkeit gebietet.

aaa) Dabei ist allgemein vorauszuschicken, dass falls der Käufer den Kaufpreis nicht (vollständig) bezahlt, der Verkäufer nach § 323 BGB vom Kaufvertrag zurücktreten und nach Maßgabe der §§ 280 ff BGB Schadenersatz verlangen kann. Infolge eines Rücktritts verliert der Käufer weiterhin seinen Übereignungsanspruch, § 346 Abs. 1 BGB. Seine Vormerkung wird dadurch zugleich materiell-rechtlich wirkungslos. Solange sie aber im Grundbuch eingetragen ist, hindert sie den Verkäufer faktisch an jeder weiteren Verfügung, § 883 Abs. 2 S. 1 BGB. Um die Vormerkung im Grundbuch zu löschen, müsste der Verkäufer gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 GBO die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachweisen. Dies kann ihm aber tatsächlich nur gelingen, wenn der Kaufvertrag in der Form des § 29 GBO einvernehmlich aufgehoben worden ist. Ansonsten benötigt er zur Berichtigung des Grundbuchs eine Bewilligung des Käufers (§§ 22 Abs. 1, 19 GBO). Den hierauf gerichteten Rechtsanspruch gemäß § 894 BGB gegen den – möglicherweise zahlungsunfähigen, nicht erreichbaren oder schlicht nicht-kooperationsbereiten – Käufer durchzusetzen, kann indes viel Zeit und Geld kosten. Vor diesem Hintergrund bietet das Instrument der sog. Schubladenvollmacht eine Lösung. Dabei wird zur vereinfachten Löschung vorweg eine Vollmacht zur Abgabe einer rein grundbuchrechtlichen Löschungsbewilligung erteilt. Dabei obliegt es der Prüfung des Notars, ob die festgelegten Voraussetzungen für die Vorlage der Löschungsbewilligung gegeben sind. Die so genannte „Schubladenlöschungsbewilligung“ soll damit sicherstellen, dass dann, wenn der Kaufvertrag wegen Rücktritts nicht zur Durchführung gelangt, die materiell-rechtlich nicht mehr bestehende Auflassungsvormerkung sogleich gelöscht werden kann (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 02.12.2010 – V ZB 174/10, BeckRS 2011, 2155 Rn. 14, beck-online, BeckNotar-HdB, § 1. Grundstückskauf Rn. 424, 425, beck-online, Weber, Anwendbarkeit des AGB-Rechts auf notarielle Vollzugsanweisungen: Klauseln zur Löschung der Auflassungsvormerkung, DNotZ 2016, 85ff, beck-online, Schöner/Stöber GrundbuchR, 16. Auflage 2020, Rn. 1537, beck-online; BeckOGK/Hertel, 15.04.2021, BGB § 894 Rn. 71).

bbb) Im vorliegenden Fall spiegelt sich diese charakteristische Ausrichtung der Vollmacht in der fraglichen Vertragsklausel wider:

(1) Wörtlich ist davon die Rede, dass dieser der Zweck einer vereinfachten Lastenfreistellung zukommt. Unter teleologischen Gesichtspunkten gebietet die Erreichung dieses Zwecks, keine das Außenverhältnis betreffende Beschränkungen anzunehmen; das Gegenteil ist zutreffend. Denn die fraglichen Einschränkungen haben Umstände zum Gegenstand, deren Nachweis durch öffentliche Urkunden (§ 29 GBO) regelmäßig unmöglich ist; der Vollmacht verbliebe in der Rechtspraxis bei einer anderen Sicht der Dinge infolge dessen kein sinnvoller Anwendungsbereich. Diese Konsequenz ist mit den Grundsätzen der Methodenlehre schwerlich in Einklang zu bringen. Unterdessen kann eine „vereinfachte Lastenfreistellung“ ohne Weiteres mit einer allein das Innenverhältnis betreffenden Vollmachtbeschränkung erreicht werden.

(2) Die Einbindung des Notars und die formulierten Voraussetzungen ermöglichen einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen und im Ergebnis ausgewogene Ergebnisse. Die Notarbindung als Wirksamkeitsvoraussetzung ist damit vom Grundbuchamt zu überprüfen, nicht aber die weiteren Vorgaben, die allein von diesem zu überwachen sind (vgl. BeckOK GBO/Otto, 50. Ed. 01.08.2023, GBO § 29 Rn. 91). Insoweit bleibt zu bemerken, dass bei der Annahme einer im Außenverhältnis relevanten Vollmachtbeschränkung der Einbindung des Notars schlechterdings kein Sinn beigemessen werden könnte.

dd) Schließlich rechtfertigt derzeit auch kein evidenter Vollmachtmissbrauch einen anderen Befund.

Eine im Außenverhältnis unbeschränkte Vollmacht berechtigt den Vollmachtnehmer zwar nicht zur Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Grundbuchamt, die ihm durch eine interne Abrede mit dem Vollmachtgeber in derselben Urkunde untersagt sind, wenn evident ist, dass dem Vollmachtgeber durch die Erklärung ein Vermögensschaden entsteht (OLG München, Beschluss vom 13.6.2006 – 32 Wx 79/06, BeckRS 2006, 7754, beck-online). Von einer erteilten Löschungsvollmacht darf desgleichen der Notar dann keinen Gebrauch machen, wenn deren Wirksamkeit von einer Vertragspartei mit beachtlichen Gründen bestritten wird (BGH, Beschluss vom 01.10.2015 – V ZB 171/14, DNotZ 2016, 151, beck-online, Schöner/Stöber GrundbuchR, 16. Auflage 2020, Rn. 1537, beck-online).

Anhaltspunkte in diese Richtung sind gegenwärtig aber weder dargetan noch im Übrigen ersichtlich.

ee) Nach allgemeinen Grundsätzen ist indes dem beteiligten Käufer als Inhaber des fraglichen Rechts noch rechtliches Gehör zu gewähren.

Denn dem von der Eintragung Betroffenen ist nach Art. 103 Abs. 1 GG rechtliches Gehör zu gewähren. Ob rechtliches Gehör auch tatsächlich gewährt wurde, ist vor der Grundbucheintragung zu prüfen. Infolge dessen ist zu überwachen – regelmäßig etwa durch (förmliche) Zustellung oder Beifügung einer rückgabepflichtigen Empfangsbescheinigung – ob der Betroffene in den Besitz der Benachrichtigung mit dem für Geltendmachung etwaiger Einwendungen bestimmten Zeitraum gelangt ist. Die Gewährung rechtlichen Gehörs und damit auch die Ermittlung der Beteiligten obliegt dem Grundbuchamt (vgl. eingehend Schöner/Stöber GrundbuchR, Rn. 369b, beck-online m.w.N.).

In Ansehung der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) rechtfertigt auch das Vorliegen der sog. Schubladenvollmacht – und damit einhergehende teleologische Erwägungen – keine andere Bedeutung. Insoweit ist im Übrigen die verfahrensrechtliche Dimension von Grundrechten betroffen, während die fragliche Vertragsgestaltung eine Abrede zwischen Privatrechtssubjekten darstellt, welche ihrer Natur nach in ihrem Anwendungsbereich primär auf dieses Verhältnis beschränkt ist.

Infolge dessen wird im vorliegenden Fall im Hinblick auf den beteiligten Käufer eine Abfrage beim Einwohnermeldeamt in Betracht zu ziehen sein. Erforderlichenfalls wird eine öffentliche Zustellung tunlich sein, wobei insoweit entsprechend auf die §§ 185ff ZPO zurückgegriffen werden kann (vgl. i. A. BeckOK FamFG/Obermann, 47. Ed. 01.08.2023, FamFG § 41 Rn. 11). Sodann wird vom Grundbuchamt die Frage zu beantworten sein, ob eine käuferseitige Stellungnahme Anhaltspunkte in Richtung eines evidenten Vollmachtmissbrauchs im vorstehend dargestellten Sinne zutage brachte.

III.

1. Gerichtskosten für die erfolgreiche Beschwerde werden nach § 25 Absatz 1 GNotKG nicht erhoben. Eine Entscheidung, die notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen, kommt im Grundbuchbeschwerdeverfahren auch nicht bei Erfolg des Rechtsmittels in Betracht (BeckOK FamFG/Weber, 43. Edition, § 81 Rn. 4, beck-online).

2. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Absatz 2 Satz 1 GBO) liegen nicht vor. Der hiesigen Entscheidung liegt die Auslegung einer individuellen Vertragsklausel zugrunde, wobei insoweit auf das Verständnis der herrschenden Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden konnte.

 

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