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Ausschließung des Grundstückseigentümers im Wege des Aufgebotsverfahrens

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 161/20 – Beschluss vom 19.05.2021

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beteiligten zurückgewiesen.

Geschäftswert: 4.277,25 €

Gründe

I.

Als Eigentümer der im Rubrum näher bezeichneten Flurstücke sind insgesamt vierzehn Angehörige der Familien D… … und … eingetragen, darunter Johann Jacob …, der verstorbene Urgroßvater des Beteiligten. Bei dem Flurstück 211 handelt es sich um ein Waldstück, das Flurstück 212 wird als Verkehrsfläche genutzt.

Der Beteiligte hat seine Mutter Johanna …, die Enkelin des Johann Jacob …, beerbt. Als Erben der Linie D… kommen Heinz Wilhelm … und Petra … in Betracht, die hinsichtlich des Grundbesitzes keine eigenen Ansprüche geltend machen.

Seit der Anlegung des Loseblattgrundbuchs am 15. November 1971 ist eine Grundbuchberichtigung weder hinsichtlich Johann Jacob …, noch hinsichtlich der übrigen Eigentümer erfolgt.

Mit notarieller Urkunde des Notars … vom 27. Dezember 2018 hat der Beteiligte im Wege des Aufgebotsverfahrens die Ausschließung der Eigentümer des im Rubrum bezeichneten Grundstücks beantragt. Er macht geltend, er betrachte den Grundbesitz als seit Generationen im Familienbesitz befindliches Eigentum. Seine Eltern seien der Auffassung gewesen, dass der Grundbesitz zu ihrem, von ihren Großeltern ererbten Eigentum gehöre. Sie hätten deshalb beabsichtigt, diesen im Wege der Erbfolge an ihn weiterzugeben.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2019 teilte die Stadt Geldern mit, es gebe zahlreiche Nachkommen der zurzeit noch im Grundbuch eingetragenen Eigentümer. Sie beantrage, das als Verkehrsfläche ausgebaute Flurstück 212 dem Eigentum der Stadt zuzuschreiben.

Mit Schreiben vom 14. November 2019 beantragte die Stadt … im Wege des Aufgebotsverfahrens, die im Grundbuch eingetragenen Eigentümer des im Rubrum bezeichneten Grundbesitzes, die nachweislich verstorben seien, auszuschließen. Beide Flurstücke seien seit 30 Jahren im Eigenbesitz der Stadt … Die Waldfläche auf dem Flurstück 211 sei in den letzten Jahren immer wieder durch den Bauhof der Stadt … gepflegt worden, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Bei dem Flurstück 212 handele es sich um eine öffentliche Verkehrsfläche.

Der Beteiligte ist dem entgegengetreten. Er hat vorgetragen, gem. § 927 Abs. 1 S. 3 BGB sei es für das Aufgebotsverfahren unerheblich, ob sämtliche Erben ermittelt werden konnten oder unbekannt seien. Der Umstand, dass es sich bei dem Flurstück 212 um eine Verkehrsfläche handele, sei nicht ausreichend, um einen Eigenbesitz der Stadt Geldern glaubhaft zu machen. Hinsichtlich des Waldstücks habe sich die Tätigkeit der Stadt auf die „Freihaltung des Lichtraumprofils an Straßen“ beschränkt.

Mit Beschluss vom 10. Juni 2020 hat das Amtsgericht den Antrag des Beteiligten zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, der Beteiligte habe nicht glaubhaft gemacht, dass sich das Grundstück seit 30 Jahren in seinem Eigenbesitz befunden habe. Die vorliegende eidesstattliche Versicherung werde als Bekräftigung des Sachvortrags des Beteiligten gesehen. Eine absolute Richtigkeitsgewähr komme ihr nicht zu. Belege über die Zahlung von Grundbesitzabgaben könnten nicht beigebracht werden, weil der Einheitswert des Grundbesitzes auf 0,00 € festgesetzt worden sei. Die Erklärung der Erben der Linie Dams beinhalte lediglich, dass von dortiger Seite keine Eigentumsansprüche geltend gemacht würden. Sie sage jedoch nichts über den Eigenbesitz des Beteiligten aus. Erschüttert werde die Glaubhaftmachung des Eigenbesitzes durch die Erklärung der Stadt …, nach der es sich bei dem Flurstück 211 um eine Waldfläche handele, welche zur Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht vom Bauhof der Stadt … gepflegt worden sei, und bei dem Flurstück 212 um eine Verkehrsfläche. Zwar habe die Stadt Geldern den Eigenbesitz – nachdem sie am 5. März 2019 über das Aufgebotsverfahren in Kenntnis gesetzt worden sei – erst am 14. November 2019 vorgetragen und ihrerseits einen Aufgebotsantrag gestellt. Vorliegend sei jedoch nicht das Ausschließungsbegehren der Stadt Geldern, sondern der Aufgebotsantrag des Beteiligten zu beurteilen, der seinen Eigenbesitz nicht hinreichend glaubhaft gemacht habe.

Dagegen wendet sich der Beteiligte mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, er habe jegliche Bemühungen angestellt, die öffentlichen Lasten des Grundbesitzes zu tragen. Dass das zuständige Finanzamt aufgrund der verhältnismäßig geringen Größe des Grundbesitzes eine Änderung des Einheitswertes wohl auch künftig nicht in Betracht ziehe, dürfe nicht zu seinen Lasten gewertet werden. Heinz Wilhelm … und Petra … hätten vor dem Hintergrund, dass sie den in der notariellen Urkunde vom 27. Dezember 2018 genannten Gründen zustimmten, auf die Geltendmachung ihres Eigenbesitzes verzichtet. Ergänzend legt er Schreiben des Heinz Wilhelm … und der Petra … vom 25. Juni 2020 vor, in denen diese bestätigen, dass der 30jährige Eigenbesitz des Beteiligten nach ihrer Auffassung bestehe. Die Behauptungen des Eigenbesitzes der Stadt Geldern seien in keiner Weise auf ihre Richtigkeit und Glaubwürdigkeit überprüft und auch nicht gegen die Argumente des Beteiligten abgewogen worden. Dies erwecke den Anschein, dass bei der Entscheidung des Gerichts nicht der gesamte Verfahrensinhalt berücksichtigt worden sei. Eine solche Verfahrensweise stehe der Schaffung von Rechtssicherheit entgegen, weil danach jeder Antragsteller eines Aufgebotsverfahrens fürchten müsste, dass sein begründeter Rechtsanspruch durch die unbegründete Behauptung des Eigenbesitzes anderer Personen oder Behörden vereitelt werden könnte, was zur Folge hätte, dass in gleichgelagerten Fällen die Eigentumsverhältnisse an Grundstücken nie abschließend geklärt werden könnten und der Grundbesitz dauerhaft herrenlos bliebe.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch weiteren Beschluss vom 17. August 2020 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

In der Sache hat sie keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für ein Aufgebotsverfahren nach §§ 927 Abs. 1 BGB, 442 ff. FamFG nicht vorliegen.

Der Beteiligte hat nicht dargelegt, dass sich das Grundstück seit 30 Jahren in seinem Eigenbesitz, bzw. dem seiner Rechtsvorgänger, befindet, §§ 927 Abs. 1, 943 BGB.

Dass möglicherweise weitere Erben der im Grundbuch eingetragenen Eigentümer Mitbesitz nach §§ 857, 866 BGB erworben haben, steht der Feststellung des 30jährigen Eigenbesitzes des Beteiligten nach § 927 BGB zunächst nicht entgegen. Denn der in § 857 BGB geregelte Besitzerwerb führt nicht zum Übergang der Sachherrschaft auf den Erben, sondern lediglich zu dessen Nachfolge in die an die Sachherrschaft des Erblassers geknüpfte Besitzstellung, die dieser zur Zeit des Erbfalls innehatte. § 927 BGB macht deshalb den Ausschluss des Eigentümers nicht davon abhängig, dass dieser nicht mehr Eigenbesitzer ist. Denn bei der Schaffung dieser Norm war gerade an den Fall gedacht, dass jemand als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, aber seit Jahren verstorben und dass die Verwirklichung eines Anspruchs des Besitzers auf Auflassung gegen die unbekannten oder nicht auffindbaren Erben schwierig sei (OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Februar 2017, 8 W 2496/16 – zitiert nach juris; OLG Bamberg NJW 1966, 1413).

Der Beteiligte hat jedoch zu seinem Eigenbesitz, bzw. dem seiner Rechtsvorgänger, nicht ausreichend vorgetragen. Eigenbesitzer (§ 872 BGB) ist, wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt mit dem Willen, sie wie eine ihm gehörende zu beherrschen (J. Weber, in: beck-online GROSSKOMMENTAR, Stand: 1. Februar 2021, § 927 Rn. 6). Hierzu bedarf es einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Kundgabe des Eigenbesitzwillens, die sich bei Grundstücken nach der Art der Bewirtschaftung richtet. Erforderlich ist eine Bewirtschaftungshandlung, die den Beginn einer auf Dauer angelegten Sachherrschaft kennzeichnen muss (OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. Januar 2011, 20 W 137/10, BeckRS 2011, 18928; Gutzeit, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, § 854 Rn. 41). Dass die Eltern des Beteiligten der Auffassung gewesen seien, der Grundbesitz gehöre zu ihrem, von ihren Großeltern ererbten Eigentum, ist insoweit nicht ausreichend. Es wäre vielmehr substantiierter Vortrag dazu erforderlich, wie der Eigenbesitz an dem Grundstück in den letzten 30 Jahren konkret ausgeübt worden ist (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. August 2017, 12 Wx 45/17 – zitiert nach juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Februar 2017, 8 W 2496/16 – zitiert nach juris). Es ist jedoch nicht erkennbar, dass und in welcher Weise der Beteiligte und seine Rechtsvorgänger das Grundstück – etwa durch Nutzung oder Unterhaltung – als eigenes behandelt hätten. Das gilt insbesondere hinsichtlich des Flurstücks 212, bei dem es sich um eine öffentliche Verkehrsfläche handelt (vgl. zum Fall einer optisch nicht vom Bürgersteig zu unterscheidenden Parzelle: Senat NJW-RR 2018, 463). Aber auch in Bezug auf das Waldstück (Flurstück 211) sind keine Bewirtschaftungshandlungen, z.B. Maßnahmen zu dessen Erhalt oder die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht, vorgetragen.

Angesichts dessen kommt es auf die eidesstattliche Versicherung des Beteiligten sowie die Schreiben der mutmaßlichen Erben der Familie D…, Heinz Wilhelm … und Petra …, nicht an, weil diese ebenso allgemein gehalten sind wie der Vortrag des Beteiligten und lediglich abstrakt den Eigenbesitz bestätigen. Offen bleiben kann auch, ob die Stadt Geldern ihren 30jährigen Eigenbesitz hinreichend dargelegt hat, weil dies nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist.

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 84 FamFG.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 61 Abs. 1 S. 1, 36 Abs. 1 GNotKG.

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