OLG München – Az.: 34 Wx 408/21 – Beschluss vom 13.12.2021
In der Wohnungs- und Teileigentumsgrundbuchsache erlässt das Oberlandesgericht München – 34. Zivilsenat – am 13.12.2021 folgenden Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 27. September 2021 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligte begehrt die Löschung einer Zwangssicherungshypothek.
Am 7.11.2018 beantragte eine anwaltlich vertretene Gläubigerin der Beteiligten beim Grundbuchamt die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek zu 13.228,52 Euro am Wohnungseigentum der Beteiligten. Beigefügt war die mit der Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 16.10.2018, nach dem die Beteiligte an die Titelgläubigerin einen Betrag in Höhe der beantragten Zwangshypothek zu zahlen hatte. Laut der auf den Festsetzungsbeschluss gesetzten gerichtlichen Zustellungsbescheinigung war der Beschluss am 18.10.2018 der Beteiligten zugestellt worden. Das Grundbuchamt trug die Zwangssicherungshypothek am 8.11.2018 ein.
Am 15.3.2019 legte die Beteiligte beim Grundbuchamt eine von ihr abgegebene und notariell beglaubigte Löschungsbewilligung hinsichtlich der Zwangssicherungshypothek vor mit dem Antrag, letztere zu löschen. Sie fügte eine beglaubigte Abschrift eines amtsgerichtlichen Beschlusses vom 12.3.2019 bei. Danach hatte die Rechtspflegerin den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.10.2018 aufgehoben mit der Begründung, die Aufhebung sei aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich, weil gegen den dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugrunde liegenden Streitwertbeschluss Beschwerde eingelegt worden sei.
Das Grundbuchamt beanstandete mit Zwischenverfügung vom 18.3.2019, dass der als Löschungsgrundlage eingereichte Beschluss des Amtsgerichts vom 12.3.2019 keinen Rechtskraftvermerk enthalte. Auf die Beschwerde der Beteiligten hin hob der Senat mit Beschluss vom 23.5.2019, 34 Wx 255/19 (FGPrax 2019, 164), die Zwischenverfügung auf, da das angenommene Eintragungshindernis nicht bestehe. Erforderlich sei lediglich der Nachweis, dass die Zwangssicherungshypothek nach materiellem Recht gemäß § 868 Abs. 1 ZPO, § 1177 Abs. 1 BGB zur Eigentümergrundschuld geworden und die Beteiligte daher befugt sei, die Löschung zu bewilligen. Voraussetzung für den gesetzlich angeordneten Erwerb des Grundpfandrechts durch den Eigentümer wiederum sei, dass die Entscheidung, mit der der Schuldtitel – hier der Kostenfestsetzungsbeschluss – aufgehoben werde, ihrerseits vollstreckbar sei. Ohne Bindungswirkung wies der Senat weiter darauf hin, dass der Übergang des Grundpfandrechts auf die Beteiligte aus vollstreckungsrechtlichen Gründen durch Vorlage einer Ausfertigung der gerichtlichen Aufhebungsentscheidung geführt werden könne.
Mit neuerlicher Zwischenverfügung vom 4.6.2019 gab das Grundbuchamt Gelegenheit zur Einreichung einer Ausfertigung des Beschlusses vom 12.3.2019. Da dies nicht geschah, wies es den Antrag mit Beschluss vom 16.7.2019 zurück.
Mit Telefax vom 17.4.2020 beantragte die Beteiligte erneut die Löschung der Zwangssicherungshypothek. Die erforderliche Bewilligung liege seit 15.3.2019 vor. Auch sei der Zwangsversteigerungsvermerk mittlerweile gelöscht. Einem Hinweis des Landgerichts im Kostenfestsetzungsverfahren zufolge hätte die Löschung der Zwangssicherungshypothek ebenfalls längst erfolgen müssen.
Das Grundbuchamt erklärte mit Zwischenverfügung vom 28.5.2020 wiederum, dass eine Ausfertigung des Beschlusses, mit dem der Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben worden sei, eingereicht werden müsse. Da dies weiterhin nicht geschah, wies das Grundbuchamt auch den neuerlichen Antrag mit Beschluss vom 27.9.2021 zurück.
Hiergegen hat die Beteiligte mit Telefax vom 5.10.2021 wiederum Beschwerde eingelegt. Die Voraussetzungen für die Eintragung der Zwangssicherungshypothek hätten nicht vorgelegen. Die Forderung sei nicht berechtigt gewesen, was der gegnerische Anwalt gewusst habe. Dieser habe sie auch nicht im Vorfeld über die angebliche Forderung ordnungsgemäß in Kenntnis gesetzt. Als die durch die fehlerhaften Handlungen des Grundbuchamts Geschädigten seien sie nicht in der Position, Eintragungshindernisse zu beheben. Sie seien für die Eintragung nicht verantwortlich.
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 11.11.2021 nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Verfahrensgegenstand ist der Antrag auf Löschung der Zwangssicherungshypothek vom 17.4.2020, der ursprünglich auf die Bewilligung vom 15.3.2019 gestützt war. Dass die Beteiligte in der Beschwerde diesen Antrag nun auch damit begründet, die Forderung sei nicht berechtigt gewesen und die Voraussetzungen für die Eintragung hätten nicht vorgelegen, mithin sich auf eine angebliche anfängliche Unrichtigkeit der Eintragung, die unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgt sei, beruft, stellt keinen zusätzlichen Antrag dar und führt somit nicht zu einer Erweiterung oder sonstigen Veränderung des Verfahrensgegenstands (vgl. Demharter GBO 32. Aufl. § 74 Rn. 6).
2. Das Rechtsmittel ist zulässig.
Soweit die Beteiligte sich gegen die Zurückweisung ihres auf die Löschungsbewilligung gestützten Antrags wendet, ist die unbeschränkte Beschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO statthaft. Soweit sie mittlerweile auch eine angebliche anfängliche Unrichtigkeit der Eintragung, die unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgt sei, behauptet, ist die beschränkte Beschwerde mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 71 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO statthaft.
3. Das Rechtsmittel bleibt in der Sache aber unter beiden Aspekten ohne Erfolg.
a) Aufgrund einer Bewilligung der Beteiligten nach § 19 GBO kann die Zwangshypothek gelöscht werden, wenn nachgewiesen ist, dass entgegen der gesetzlichen Vermutungswirkung nach § 891 BGB nicht die als Berechtigte eingetragene Gläubigerin, sondern die Beteiligte Inhaberin des Rechts ist. Erforderlich ist deshalb der Nachweis, dass die Zwangssicherungshypothek nach materiellem Recht gemäß § 868 Abs. 1 ZPO, § 1177 Abs. 1 BGB zur Eigentümergrundschuld geworden und die Beteiligte daher befugt ist, die Löschung zu bewilligen. Denn die Löschung muss vom wahren Berechtigten bewilligt werden (BGH NJW-RR 2006, 888; Demharter § 27 Rn. 20).
aa) Gemäß § 868 Abs. 1 Alt. 1 ZPO erwirbt der Grundstückseigentümer die Zwangshypothek dann, wenn durch eine vollstreckbare Entscheidung die zu vollstreckende Entscheidung aufgehoben wird. Danach ist Voraussetzung für den gesetzlich angeordneten Erwerb des Grundpfandrechts durch den Eigentümer, dass die Entscheidung, mit der der Schuldtitel – hier der Kostenfestsetzungsbeschluss – aufgehoben wird, ihrerseits vollstreckbar ist.
Die Beteiligte hat eine gerichtliche Entscheidung in beglaubigter Abschrift vorgelegt, wonach der im Verfahren nach §§ 103 ff. ZPO ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben wurde. Die Aufhebung ergibt sich unmittelbar aus dem Tenor des Beschlusses und betrifft den die Eintragungsgrundlage bildenden Festsetzungsbeschluss selbst (vgl. Senat vom 23.5.2019, 34 Wx 255/19 = FGPrax 2019, 164/165; OLG Köln FGPrax 2008, 193/194; OLG Brandenburg Rpfleger 2001, 487; BeckOK ZPO/Riedel 42. Edition § 868 Rn. 2; Flockenhaus in Musielak/Voit ZPO 18. Aufl. § 868 Rn. 3).
Vollstreckbar sind Entscheidungen, wenn sie rechtskräftig oder kraft Gesetzes vollstreckbar sind, ferner wenn sie für vorläufig vollstreckbar erklärt wurden. Gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO findet die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen statt, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft ist. Dies betrifft insbesondere Beschlüsse, die somit kraft Gesetzes bereits vor Rechtskraft vollstreckbar sind (vgl. MüKo/Dörndorfer ZPO 6. Aufl. § 868 Rn. 2 i.V.m. § 775 Rn. 11). Dabei kommt es nicht darauf an und ist deshalb auch vorliegend nicht zu prüfen, ob im konkreten Fall ein Rechtsmittel gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass es sich um eine Entscheidung handelt, die nach Art und Inhalt abstrakt beschwerdefähig ist (Senat vom 23.5.2019, 34 Wx 255/19 = FGPrax 2019, 164/165; BeckOK ZPO/Hoffmann § 794 Rn. 35; MüKoZPO/Wolfsteiner § 794 Rn. 126; Lackmann in Musielak/Voit § 794 Rn. 44; Seiler in Thomas/Putzo ZPO 42. Aufl. § 794 Rn. 43). Das ist bei Beschlüssen, die im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nach §§ 103 ff. ZPO ergangen sind, der Fall, vgl. § 567 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung enthält die aufhebende Entscheidung. Eine gegen den Aufhebungsbeschluss eingelegte Beschwerde und damit die fehlende Rechtskraft der Entscheidung hindert die Vollstreckbarkeit nicht, weil nach § 570 Abs. 1 ZPO der sofortigen Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukommt und die Aussetzung der Vollziehung bis zur Rechtskraft im Aufhebungsbeschluss vom 12.3.2019 nicht angeordnet wurde (vgl. BGHZ 165, 96/102; BeckOK ZPO/Hoffmann § 794 Rn. 35; Zöller/Geimer ZPO 34. Aufl. § 794 Rn. 21). Die materiell-rechtliche Wirkung, die der Aufhebungsentscheidung in § 868 Abs. 1 ZPO kraft Gesetzes beigelegt ist, tritt mit dem Wirksamwerden der Entscheidung durch Zustellung gemäß § 329 Abs. 3 ZPO ein und hängt nicht von der Rechtskraft ab (Senat vom 23.5.2019, 34 Wx 255/19 = FGPrax 2019, 164/165). Selbst eine Aufhebung wiederum des Aufhebungsbeschlusses ändert hieran nichts, weil sie mangels Rückwirkung keinen Einfluss auf die durch die Zustellung des Beschlusses vom 12.3.2019 bereits bewirkte Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses hat (vgl. BGHZ 166, 74/79; MüKoZPO/Dörndorfer § 868 Rn. 19; Flockenhaus in Musielak/Voit § 868 Rn. 2; Seiler in Thomas/Putzo § 868 Rn. 2; Zöller/Seibel § 868 Rn. 3).
bb) Der Nachweis des Erwerbs der Zwangssicherungshypothek durch die Beteiligte aufgrund Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses ist durch Vorlage einer Ausfertigung des Aufhebungsbeschlusses vom 12.3.2019 zu führen. Die eingereichte beglaubigte Abschrift genügt nicht.
Es entspricht allgemeiner Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, dass im Falle des § 868 Abs. 1 Alt. 1 BGB der für eine Grundbuchberichtigung nach § 22 Abs. 1 GBO zu erbringende Nachweis des Wechsels der Rechtsinhaberschaft gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO durch eine Ausfertigung der Aufhebungsentscheidung zu führen ist (Senat vom 23.5.2019, 34 Wx 255/19 = FGPrax 2019, 164/165; OLG Köln FGPrax 2008, 193/195; BeckOK ZPO/Riedel § 868 Rn. 12; MüKoZPO/Dörndorfer § 868 Rn. 22; Flockenhaus in Musielak/Voit § 868 Rn. 6; Zöller/Seibel § 868 Rn. 3). Der Senat sieht keinen Grund, hiervon abzurücken. Denn § 868 Abs. 1 Alt. 1 ZPO knüpft an § 775 Nr. 1 ZPO an (BeckOK ZPO/Riedel § 868 Rn. 1; Seiler in Thomas/Putzo § 868 Rn. 1), der explizit die Vorlage einer Ausfertigung der Aufhebungsentscheidung verlangt. Etwas anderes folgt für den vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass hier keine Grundbuchberichtigung hinsichtlich der Rechtsinhaberschaft, sondern eine Löschung beantragt ist. Der Wechsel in der Rechtsinhaberschaft ist Voraussetzung für die Bewilligungsberechtigung der Beteiligten. Zwar ist für die Löschung eine berichtigende Voreintragung der Beteiligten nach § 39 Abs. 1 GBO nicht erforderlich (vgl. Senat vom 23.5.2019, 34 Wx 255/19 = FGPrax 2019, 164/165; OLG Schleswig FGPrax 2010, 280; Demharter § 39 Rn. 19). Dies hat jedoch allein verfahrensökonomische Gründe. Die Anforderungen an den Nachweis der Rechtsinhaberschaft zu reduzieren, besteht kein Anlass.
b) Auch die Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO ist nicht möglich, weil es bereits an einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften bei der Eintragung der Zwangssicherungshypothek durch das Grundbuchamt fehlt.
Wird das Grundbuchamt bei der Eintragung als Vollstreckungsorgan tätig, hat es grundsätzlich neben den grundbuchrechtlichen auch die vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen selbstständig zu prüfen (BGH NJW 2001, 3627; Senat vom 29.1.2009, 34 Wx 116/08 = FGPrax 2009, 103/104; BayObLG Rpfleger 1982, 466; MüKoZPO/Dörndorfer § 867 Rn. 5; Flockenhaus in Musielak/Voit § 867 Rn. 2; Seiler in Thomas/Putzo § 867 Rn. 2). Diese lagen hier sämtlich vor.
Die für die Eintragung der Sicherungshypothek gemäß § 19 GBO grundsätzlich erforderliche Bewilligung des Eigentümers wird durch einen vollstreckbaren Schuldtitel ersetzt (BayObLGZ 1975, 398/402; Demharter § 19 Rn. 9; MüKoZPO/Dörndorfer § 867 Rn. 20; Seiler in Thomas/Putzo § 867 Rn. 5). Ein solcher lag mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.10.2018 vor, vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Dass er später aufgehoben wurde, ändert nichts daran, dass im Zeitpunkt der Eintragung ein wirksamer Titel existierte. Der Kostenfestsetzungsbeschluss war auch mit der Vollstreckungsklausel nach §§ 724 f. ZPO versehen. Die gemäß § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche Zustellung des Titels an den Vollstreckungsschuldner ist ebenfalls erfolgt; die entsprechende Bescheinigung kann wie hier auf den Titel gesetzt werden (MüKoZPO/Häublein/Müller § 169 Rn. 1). Eine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit des Titels findet im Vollstreckungsverfahren nicht statt (BGH NJW 2001, 3627/3628; BeckOK ZPO/Ulrici § 750 Rn. 6; Lackmann in Musielak/Voit Vorb § 704 Rn. 14; Seiler in Thomas/Putzo Vorb § 704 Rn. 33; Zöller/Seibel Vorb §§ 704 – 945b Rn. 14).
III.
1. Einer gesonderten Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bedurfte es nicht, weil die Beteiligte diese gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG schon von Gesetzes wegen trägt.
2. Gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GNotKG konnte eine Festsetzung des Geschäftswerts unterbleiben, da dieser nach § 53 Abs. 1 GNotKG dem Nennbetrag des Grundpfandrechts entspricht.
3. Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO besteht nicht.