OLG Stuttgart – Az.: 8 W 431/19 – Beschluss vom 06.07.2021
Beschwerde der Beteiligten Ziff. 2 wird der Zurückweisungsbeschluss des Amtsgerichts Heilbronn – Grundbuchamt – vom 15.12.2017, Az. HBNO 25 GRG 566/2017, aufgehoben.
Das Amtsgericht Heilbronn – Grundbuchamt – wird angewiesen, gegen die am 12.07.2017 erfolgte Eintragung der Umwidmung des Sondereigentums an der im Aufteilungsplan mit Nr. 12 bezeichneten Teileigentumseinheit (Lagerraum) in Wohnungseigentum (Grundbuch von Heilbronn Nr. 33109, Bestandsverzeichnis lfd. Nrn. 1,4) zugunsten der Beteiligten Ziff. 2 (jeweilige Eigentümer der in den Blättern Nr. 33101 bis 33108 eingetragenen Raumeigentumseinheiten) einen Amtswiderspruch einzutragen.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Beteiligte Ziff. 1 ist Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft … in Heilbronn, deren übrige Mitglieder die Beteiligten Ziff. 2 sind. Diese gliedert sich in zwei Gebäude, nämlich das Gebäude .., in dem sich die Wohnungseigentumseinheiten der übrigen Eigentümer befinden, und das Gebäude … a bzw. …/1 mit – ausschließlich – dem Sondereigentum des Beteiligten Ziff. 1. Dieser wurde am 17.09.2012 als Eigentümer im Grundbuch von Heilbronn, Blatt 33.109 Wohnungsgrundbuch, eingetragen. Dabei war der Grundbesitz im Bestandsverzeichnis unter laufender Nummer 1 mit folgendem Beschrieb verzeichnet:
200/1200 Miteigentumsanteil an dem Grundstück
NO 6112 VN 94/19 Flst. 4359/7 … Gebäude- und Freifläche 5 a 33 m²
verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 12 bezeichneten Teileigentumseinheit ((Lagerraum)).
Für jeden Miteigentumsanteil ist ein besonderes Grundbuch angelegt (Nr. 33.101 bis Nr. 33.109 je BV Nr. 1).
Der hier eingetragene Miteigentumsanteil ist durch die zu den anderen Miteigentumsanteilen gehörenden Sondereigentumsrechte beschränkt.
Wegen Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums wird auf die Bewilligung vom 12. April 1973 (GA. 15271/1 ff.) Bezug genommen.
Aus Heft Nr. 15.279 Abt. I Nr. 1 hierher übertragen.
Eingetragen am 19. Juli 1973.
Auf dem Grundstücksteil … a bzw. …/1 (Sondereigentum des Beteiligten Ziff. 1) stand damals eine fensterlose Scheune.
Die Teilungserklärung vom 12.04.1973 (UR-Nr. 431/73 K des Notars … in Stuttgart), enthält unter anderem folgende Regelungen:
§ 2
….
Wir erklären hiermit gegenüber dem Grundbuchamt, daß bezüglich des in § 1 näher bezeichneten Grundstücks verbunden werden:
….
9. Ein Miteigentumsanteil von 200/1.200 mit dem Sondereigentum (Teileigentum) an Geb. … a … (Lagerraum), im Aufteilungsplan mit Ziffer 12 bezeichnet.
§ 3
….
XVIII
Teileigentum
Für Teileigentum gelten die vorstehenden Bestimmungen über das Wohnungseigentum entsprechend.
Der jeweilige Eigentümer des in § 2 unter Ziffer 9 bezeichneten Teileigentumsrechts (Aufteilungsplan Nr. 12) hat kein Recht zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums in Geb. … …. Die jeweiligen Inhaber der in § 1 unter Ziffer 1 bis 8 bezeichneten Wohnungseigentumsrechte haben kein Recht zur Nutzung der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile von Geb. … a …,
Die Instandhaltung und die Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt:
….
b) hinsichtlich Geb. … a … dem jeweiligen Inhaber des in § 2 Ziffer 9 bezeichneten Teileigentumsrechts.
Auch alle sonstigen Verwaltungskosten sind, soweit sie unterscheidbar sind, auf die Wohnungseigentumsrechte einerseits und das Teileigentum andererseits aufzuteilen und entsprechend zu tragen.
XIX.
Der jeweilige Eigentümer des in § 2 Ziffer 9 bezeichneten Teileigentumsrechts ist berechtigt, beliebige bauliche Veränderungen an Geb. … a … vornehmen zu lassen, auch soweit hierdurch gemeinschaftliches Eigentum betroffen bzw. verändert wird. Das Erfordernis der jeweiligen baurechtlichen Zulässigkeit der Baumaßnahmen bleibt unberührt.
Im Jahr 2013 hat der Beteiligte Ziff. 1 die fensterlose Scheune auf Grundstücksteil … a, die sein Teileigentum darstellte, abgerissen und damit begonnen, dort ein Wohngebäude zu errichten, in dem er inzwischen wohnt. Zwischen dem Beteiligten Ziff. 1 und den übrigen Eigentümern war die veränderte Umgestaltung und veränderte Nutzung durch den Beteiligten Ziff. 1 von Anfang an streitig, eine einvernehmliche Lösung hierüber ist auch in den folgenden Jahren bis heute nicht zustande gekommen.
Mit Urkunde des Notars a.D. Wolf-Dieter G. als amtlich bestelltem Vertreter des Notars Gerhard K. in Heilbronn (UR 1936/2017) vom 31.05.2017 hat der Beteiligte Ziff. 1 unter diesbezüglicher Änderung der Teilungserklärung als Eigentümer des Teileigentums dessen Umwandlung in Wohnungseigentum bewilligt und die entsprechende Eintragung im Grundbuch unter Bildung eines Wohnungsgrundbuchs aus dem Teileigentumsgrundbuch beantragt.
Das Amtsgericht Heilbronn – Grundbuchamt – hat am 12.07.2017 den ursprünglichen Beschrieb unter laufender Nummer 1 im Bestandsverzeichnis gelöscht und folgenden neuen Beschrieb im Grundbuch eingetragen:
200/1200 Miteigentumsanteil an dem Grundstück
NO 6112 Flst. 4359/7 … … Gebäude- und Freifläche 5 a 33 m²
verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 12 bezeichneten Wohneinheit (sämtliche Räume im Wohnhaus … …/1 nebst Garage).
Für jeden Miteigentumsanteil ist ein besonderes Grundbuch angelegt (Nr. 33.101 bis Nr. 33.109 je BV Nr. 1).
Der hier eingetragene Miteigentumsanteil ist durch die zu den anderen Miteigentumsanteilen gehörenden Sondereigentumsrechte beschränkt.
Weiter ist im Bestandsverzeichnis zu lfd. Nr. 1, 4 eingetragen:
Der Inhalt des Sondereigentums ist geändert. Bei dem in Grundbuch von Heilbronn Blatt 33109 gebuchten Sondereigentum handelt es sich nunmehr um Wohnungseigentum. Bezug: Bewilligung vom 31.05.2017 (Notar … in Heilbronn, UR 1936/2017). Eingetragen am 12.07.2017.
Mit Schreiben an das Amtsgericht Heilbronn – Grundbuchamt – vom 15.07.2017 hat ein Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft, … …, unter Hinweis auf die Eintragungsbekanntmachung „Einspruch“ eingelegt und zur Begründung ausgeführt, eine Änderung des Sondereigentums GB 33109 in Wohnungseigentum sei nur unter Zustimmung aller Miteigentümer zulässig.
Mit Schriftsatz an das Grundbuchamt vom 24.07.2017 haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten Ziff. 2 im Namen von … und im Namen der weiteren Wohnungseigentümer beantragt, einen Amtswiderspruch gegen die Eintragung der Umwidmung einzutragen. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Teilungserklärung die Einheit des Beteiligten Ziff. 1 als Teileigentum bezeichne und die Einwilligung sämtlicher übriger Wohnungseigentümer erforderlich sei, um dieses Teileigentum umzuwidmen.
Durch Beschluss vom 15.12.2017 hat das Amtsgericht Heilbronn – Grundbuchamt – die Anträge der Beteiligten Ziff. 2 auf Eintragung eines Amtswiderspruchs kostenpflichtig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Gesetzesverletzung liege nicht vor. Nach der maßgeblichen Teilungserklärung vom 12.04.1973 sei der Inhaber des Teileigentumsrechts (Blatt 33109) berechtigt, beliebige bauliche Veränderungen vornehmen zu lassen, auch soweit hierdurch gemeinschaftliches Eigentum betroffen beziehungsweise verändert werde. Die Auslegung dieser weitest möglichen Regelung habe ergeben, dass damit eine Mitwirkung aller Wohnungseigentümer nicht erforderlich gewesen sei. Auch sei als weitere Voraussetzung ein Aufteilungsplan mit Abgeschlossenheitsbescheinigung vorgelegt worden. Da eine rechtlich vertretbare Auslegung der Teilungserklärung vom 12.04.1973 vorgenommen worden sei, seien die Voraussetzungen zur Eintragung eines Amtswiderspruchs nicht gegeben.
Gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 15.12.2017 wenden sich die Beteiligten Ziff. 2 mit ihrer Beschwerde vom 02.12.2019. Sie verweist auf einen zwischenzeitlich ergangenen Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 20.11.2019 (Az. 2 S 47/18), in welchem den übrigen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Anspruch gegen den Beteiligten Ziff. 1 auf Unterlassung der Wohnnutzung zugesprochen wurde. Das Landgericht hat in dieser Entscheidung ausgeführt, nach den Vorgaben der Teilungserklärung sei die Nutzung des Teileigentums des Beteiligten Ziff. 1 zu Wohnzwecken unzulässig. Die Nutzung zu Wohnzwecken sei auch nicht ausnahmsweise deshalb zulässig, weil sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr störe als die zulässige. Dies sei nicht der Fall, die Nutzung zu Wohnzwecken führe typischerweise zu einer wesentlich intensiveren und störenderen Nutzung als diejenige zu Lagerzwecken. In einer weiteren Entscheidung vom 18.06.2020 hat das Landgericht Stuttgart (Az. 2 S 16/20) auch einen Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung abgelehnt.
Auf eine Nichtzulassungsbeschwerde des Beteiligten Ziff. 1 hat der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 29.10.2020 die Revision gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 20.11.2019 (Az. 2 S 47/18) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
Das Amtsgericht Heilbronn – Grundbuchamt – hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde der Beteiligten Ziff. 2 hat in der Sache Erfolg.
1.
Die nicht an die Einhaltung einer Frist gebundene Beschwerde ist gemäß §§ 71, 73 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der begehrte Amtswiderspruch richtet sich gegen die im Grundbuch verlautbarte Rechtsstellung des Beteiligten Ziff. 1 als Eigentümer bezüglich des Inhalts seines im Bestandsverzeichnis eingetragenen Eigentums.
2.
Die Eintragung eines Amtswiderspruchs setzt gemäß § 53 Abs. 1 GBO voraus, dass die beanstandete Eintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgt ist und das Grundbuch durch die Eintragung unrichtig geworden ist. Dabei muss die Gesetzesverletzung feststehen, die Unrichtigkeit des Grundbuchs hingegen nur glaubhaft sein (Demharter, Grundbuchordnung, 32. Auflage 2021, § 53 GBO, Rdnr. 28 m.w.N.). Es muss sich um eine Eintragung handeln, an welche sich ein gutgläubiger Erwerb anschließen kann (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, Rdnr. 404). Dies ist bezüglich der Eintragung im Bestandsverzeichnis zur Bezeichnung der mit dem Miteigentumsanteil verbundenen Rechte gegeben (vgl. OLG Frankfurt ZWE 2015, 320).
Die Eintragung des Widerspruchs ist von Amts wegen vorzunehmen; ein Antrag hat nur die Bedeutung einer Anregung (Demharter, a.a.O., § 53 GBO, Rdnr. 15). Der Amtswiderspruch muss als Mindestinhalt den Widerspruchsberechtigten und den Berichtigungsgegenstand bezeichnen. Berechtigter des Widerspruchs ist derjenige, dem der Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB zusteht (Bauer in: Bauer/Schaub, Grundbuchordnung, 4. Auflage 2018, § 53 GBO, Rdnr. 52 m.w.N.).
3.
Die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruches sind im vorliegenden Fall gegeben.
Eine objektive Gesetzesverletzung im vorgenannten Sinne ist hier dadurch erfolgt, dass das Grundbuchamt die Änderung der Teilungserklärung dahingehend in das Grundbuch eingetragen hat, dass das ursprüngliche Teileigentum nunmehr als Wohnungseigentum ausgewiesen wird.
Die vom Amtsgericht zur Begründung der in Rede stehenden Eintragung herangezogene Regelung in § 3 XIX der Teilungserklärung vom 12.04.1973 kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass durch sie eine Umwandlung des Teileigentums in Wohnungseigentum allein durch den Beteiligten Ziff. 1 möglich war. Vielmehr gibt die genannte Regelung dem jeweiligen Inhaber der Teileigentumseinheit lediglich die Berechtigung, beliebige bauliche Veränderungen an Gebäude … a vornehmen zu lassen, auch soweit hierdurch gemeinschaftliches Eigentum betroffen beziehungsweise verändert werde. Die Teilungserklärung vom 12.04.1973 legt unter § 2 Ziff. 9 die betreffende Eigentumseinheit als „Sondereigentum (Teileigentum) an Gebäude … a … (Lagerraum)“ fest. Dem entspricht die ursprüngliche Eintragung im Bestandsverzeichnis. Die sich aus den gesetzlichen Definitionen in § 1 Abs. 2 und 3 WEG ergebende unterschiedliche Rechtsnatur von Wohnungseigentum und Teileigentum beinhaltet nach absolut herrschender Auffassung bereits mindestens eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter, die als Inhalt des Sondereigentums nach § 10 Abs. 2 WEG jedenfalls nur mit Zustimmung sämtlicher Eigentümer inhaltlich geändert und in das Grundbuch eingetragen werden kann (OLG Frankfurt ZWE 2015, 320 m.w.N.). Etwas anderes ergibt sich nicht schon daraus, dass – wie hier – eine Berechtigung eingeräumt wird, beliebige bauliche Veränderungen in dem betreffenden Bereich vornehmen zu lassen, auch soweit gemeinschaftliches Eigentum betroffen beziehungsweise verändert wird. Diese Berechtigung geht zwar in der Sache sehr weit (“beliebige ….“), beschränkt sich aber auf die Vornahme baulicher Veränderungen. Die Umwandlung von Teil- in Wohnungseigentum (und umgekehrt) bewirkt demgegenüber eine Inhaltsänderung des Sondereigentums im Sinne von §§ 873, 877 BGB bei allen Wohnungs- und Teileigentümern (OLG München ZWE 2017, 307). Sie stellt eine rechtliche Änderung des Bestimmungszwecks dar (OLG München ZWE 2017, 127; OLG München ZWE 2017, 307). Das diesbezügliche Zustimmungserfordernis ist durch die Regelung in § 3 XIX der Teilungserklärung vom 12.04.1973 nicht abbedungen. Eine Ermächtigung des wandlungswilligen Teileigentümers, die Umwandlung einseitig durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt zu bewirken, kann jener Regelung nicht entnommen werden.
Unerheblich ist im vorliegenden Rahmen die – vom Landgericht Stuttgart im Urteil vom 16.07.2020 (2 S 16/20) im Übrigen bereits ausführlich erörterte und verneinte – Frage eines etwaigen Anspruches des Beteiligten Ziff. 1 gegen die übrigen Eigentümer auf Änderung der Teilungserklärung. Für abschließende wertende Beurteilungen zu Kategorien wie Billigkeit und Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Intensität beider Nutzungsarten ist im Grundbuchverfahren auf Grund seiner Besonderheiten ohnehin kein Raum (vgl. Schöner/Stöber, a.a.O., Rdnr. 210 m.w.N.).
Durch die gesetzwidrig erfolgte Eintragung der Umwandlung des ursprünglichen Teileigentums in Wohnungseigentum ist das Grundbuch wegen der fehlenden Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer auch unrichtig geworden.
4.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, wie sich aus Nr. 19116 KV-GNotKG ergibt. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren auf § 81 FamFG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gemäß § 78 GBO liegen nicht vor.