KG Berlin – Az.: 22 W 50/21 – Beschluss vom 24.09.2021
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 01. März 2021 sowie die Löschungsankündigung vom 20. Januar 2021 aufgehoben.
Das Löschungsverfahren wird eingestellt.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1) ist seit dem Jahr 1991 im Vereinsregister des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Der Vorstand des Beteiligten zu 1) iSd. § 26 BGB besteht aus dem Vorsitzenden, bis zu zwei Stellvertretern und dem Schatzmeister. Vertreten wird der Beteiligte zu 1) gerichtlich und außergerichtlich durch jedes Vorstandsmitglied allein.
Seit dem September 2020 war der Beteiligte zu 2) als Vorsitzender des Vorstandes im Vereinsregister eingetragen. Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes ist Herr T, Schatzmeister Herr S.
Mit notariell beglaubigtem Schreiben vom 04. Dezember 2020 an das Vereinsregister (Bl. II/48 d. A.) „beantragten“ die Herren T und S, handelnd für den Beteiligten zu 1), „das Ausscheiden des [Beteiligten zu 2)] im Vereinsregister zu vermerken.“ Dabei beriefen sie sich auf ein von ihnen unterzeichnetes Schreiben nebst „Nachtrag“ an das Vereinsregister (Bl. II/41 f. d. A.), in dem die Rede davon war, dass der Beteiligte zu 2) im Rahmen einer Vorstandssitzung am 18. November 2020 zunächst gegenüber den beiden Herren mündlich seinen Rücktritt als Vorstand erklärt habe. Sodann habe der Beteiligte zu 2) eine schriftliche Rücktrittserklärung unterzeichnet und die beiden Herren auf einer Kopie unterschreiben lassen. Danach habe er dieses Dokument wieder an sich genommen und dessen Herausgabe an die Herren davon abhängig gemacht, dass von ihm behauptete Forderungen beglichen würden.
Am 16. Dezember 2020 wurde im Vereinsregister unter der laufenden Nr. 6 eingetragen, dass der Beteiligte zu 2) nicht mehr Vorsitzender sei.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2021 an das Vereinsregister (Bl. I/54 d. A.) teilte der Beteiligte zu 2) mit, er sei weder als Vorsitzender noch als Vorstand zurückgetreten. Im Folgenden widersprach er auch im Übrigen der Sachverhaltsdarstellung der Herren T und S.
Unter Berufung auf das Schreiben des Beteiligten zu 2) teilte das Vereinsregister dem Beteiligten zu 1) mit, es sei beabsichtigt, „die Amtslöschung der Eintragung Nr. 6 im Vereinsregister betreffend die Löschung des Vorsitzenden [Beteiligter zu 2)] durchzuführen“ (Bl. II/55 d. A.). Den vom Beteiligten zu 1) hiergegen innerhalb der vom Amtsgericht gesetzten Frist erhobenen Widerspruch hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 01. März 2021 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1).
Nachdem der Beteiligte zu 1) Protokolle von zwei Mitgliederversammlungen aus dem März 2021 eingereicht und angemeldet hatte, dass der Beteiligte zu 2) abgewählt und Frau Dr. P zur Vorsitzenden des Vorstandes gewählt worden sei, hat das Amtsgericht die Anmeldung antragsgemäß vollzogen und Frau Dr. P als Vorsitzende des Vorstandes eingetragen.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss vom 01. März 2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit Beschluss vom 09. April 2021 zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig. Sie ist nach §§ 395 Abs. 3, 393 Abs. 3 Satz 2 FamFG statthaft sowie gemäß §§ 63, 64 FamFG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Beteiligte zu 1) ist nach § 59 Abs.1 FamFG, nach dem sich hier die Beschwerdebefugnis richtet (vgl. Müther in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 3. Aufl., § 393 Rn. 10), beschwerdebefugt, da sein Widerspruch gegen die Löschung zurückgewiesen worden ist; zudem ist er durch die Löschungsankündigung auch unmittelbar beeinträchtigt, da die vom Amtsgericht angekündigte „Löschung der Löschung“ zur Folge hätte, dass im Vereinsregister ein Vorstandsmitglied verlautbart würde, das nach Ansicht des Beteiligten zu 1) dem Vorstand nicht mehr angehört (vgl. zur Beschwerdeberechtigung etwa Heinemann in: Keidel, FamFG, 20. Aufl., § 393 Rn. 26, § 395 Rn. 43). Des Erreichens eines Beschwerdewertes bedarf es nicht, weil es sich um eine Vereinsangelegenheit handelt und damit um eine nicht um eine vermögensrechtliche Angelegenheit im Sinne des § 61 Abs. 1 FamFG (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 05. Juli 2021 – 22 W 1044/20, n. v.).
2.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat auch in der Sache Erfolg, da die Voraussetzungen einer Amtslöschung der unter lfd. Nr. 6 des Registerblatts vorgenommenen Eintragung nicht vorliegen.
a) Nach § 395 Abs. 1 S. 1 kann eine Eintragung von Amts wegen gelöscht werden, wenn sie wegen Fehlens einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig ist.
aa) Voraussetzung für das Vorliegen einer Unzulässigkeit nach § 395 FamFG, der auch in Vereinsregistersachen gilt (vgl. nur Heinemann in: Keidel, FamFG, 20. Aufl., § 395 Rdnr. 3), sind Tatsachen, die ohne vernünftigen Zweifel zu der Überzeugung führen, dass die erfolgte Eintragung zum Zeitpunkt der Beurteilung unzutreffend ist (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Mai 2020 – 22 W 73/14 –, juris, Rn. 14; Senat, Beschluss vom 20. Juli 2020 – 22 W 8/20 –, juris, Rn. 9; Heinemann in Keidel, aaO; § 395 FamFG, Rn. 11; Müther in Bork/Jacoby/Schwab, aaO., § 395 FamFG, Rn. 14.1). Dabei ist das Gericht im Rahmen des registerrechtlichen Amtsermittlungsgrundsatzes nicht verpflichtet, von sich aus verwickelte Rechtsverhältnisse oder zweifelhafte Rechtsfragen zu klären (BGH, Beschluss vom 24. April 2012 – II ZB 8/10 –, Rn. 18, juris; Beschluss vom 21. Juni 2011 – II ZB 15/10 –, Rn. 10, juris). Außerhalb einer rechtlich und tatsächlich völlig eindeutigen Löschungslage kann es den Beteiligten überlassen werden, eine von ihnen gleichwohl für möglich gehaltene Klärung auf dem Prozessweg, etwa durch eine Feststellungsklage, herbeizuführen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Februar 2010 – I-3 Wx 11/10 –, Rn. 18, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 12. Oktober 1979 – BReg 2 Z 37/79 –, Rn. 19, juris).
bb) Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine Eintragung unzulässig und damit zu löschen ist, das Moment der Löschung (Krafka in: MüKoFamFG, 3. Aufl., § 395 Rn. 8; Heinemann in: Keidel, aaO., § 395 Rn. 13).
cc) Die Löschung steht im Ermessen des Gerichts. Im Rahmen der Ermessensabwägung ist zu berücksichtigen, dass das Löschungsverfahren ein selbstständig ausgestaltetes Verfahren darstellt, das nicht dazu dient, Fehler des Anmeldeverfahrens zu korrigieren. Vielmehr kommt der Eintragung ein besonderer Bestandsschutz zu; es gilt der Grundsatz der Erhaltung der Eintragung (vgl. etwa Müther in: Bork/Jacoby/Schwab, aaO., § 395 FamFG, Rn. 14.2).
dd) Unter Anwendung dieser Grundsätze kommt vorliegend eine Löschung der unter lfd. Nr. 6 des Registerblatts vorgenommenen Eintragung nicht in Betracht, denn es liegen keine Tatsachen vor, die ohne vernünftigen Zweifel zu der Überzeugung führen, dass die erfolgte Eintragung zum jetzigen Zeitpunkt unzutreffend ist.
(1) Zum einen ist unklar, ob der Beteiligte zu 2) am 18. November 2020 nicht doch sein Vorstandsamt durch mündliche Erklärung (vgl. zur Wirksamkeit einer mündlich erklärten Niederlegung des Vorstandsamtes vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 19. März 2015 – 20 W 327/14 –, Rn. 18, juris m. weit. Nachw.) niedergelegt und die Niederlegung gegenüber den beiden anderen Vorstandsmitgliedern T und S erklärt hat. Dann wäre die Eintragung unter der lfd. Nr. 6 des Registerblattes richtig und nicht zu löschen. Für eine wirksame Niederlegung spricht der Umstand, dass die beiden Mitglieder des Vorstandes T und S die eine Amtsniederlegung begründenden Umstände mehrfach detailliert schriftlich geschildert haben, so z. B. im „Nachtrag zum Brief vom 18.11.2020“ (Bl. II/42 f. d. A.) sowie im Schreiben vom 10. Februar 2021 (Bl. II/59 ff. d. A.). Zudem haben beide genannten Mitglieder des Vorstandes am 31. März 2021 bzw. am 01. April 2021 gegenüber dem Vereinsregister noch einmal versichert, dass der Beteiligte zu 2) am 18. November 2020 gegenüber ihnen erklärt habe, er trete als Vorstand zurück. Gegen eine Niederlegung spricht das Bestreiten des Beteiligten zu 2). Ohne Durchführung einer Beweisaufnahme ist damit nicht aufklärbar, ob der Beteiligte zu 2) am 18. November 2020 sein Vorstandsamt wirksam niedergelegt hat. Im Zuge einer solchen (umfangreichen) Beweisaufnahme wären wohl neben den Herren T und S sowie dem Beteiligten zu 2) zudem Frau M K und Herr J K sowie Frau Dr. P zu hören, die nach dem Vortrag des Beteiligten zu 1) im Schreiben vom 10. Februar 2021 noch am selben Tag vom „Rücktritt“ des Beteiligten zu 2) informiert worden sein sollen (vgl. S. 3 des genannten Schreibens, Bl. II/61 d. A.). Jedenfalls im vorliegenden Fall ist die Klärung dieser Tatsachenfragen aber nicht Aufgabe des Registergerichts im Rahmen eines Amtslöschungsverfahrens. Sollten die Beteiligten eine Entscheidung der Frage wünschen, ob am 18. November 2020 der Beteiligte zu 2) sein Vorstandsamt niedergelegt hat, müssen sie dies vor dem Prozessgericht, etwa durch eine Feststellungsklage, klären.
(2) Zum anderen könnte die Eintragung unter lfd. Nr. 6 (inzwischen) auch deswegen zutreffend und damit nicht zu löschen sein, da inzwischen eine neue Vorsitzende des Vorstandes gewählt worden ist.
(3) Damit liegt gerade keine rechtlich und tatsächlich völlig eindeutige Löschungslage vor, sodass eine Löschung der Eintragung von Amts wegen nicht zulässig ist. Damit ist sowohl der angegriffene Beschluss als auch die Löschungsankündigung des Amtsgerichts aufzuheben (vgl. Krafka in MüKoFamFG, aaO., § 393 Rn. 14) und das Löschungsverfahren einzustellen.
III.
1.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
a) Gerichtskosten fallen nicht an. Soweit gegen den einen Widerspruch gegen die Löschungsankündigung zurückweisenden Beschluss erfolgreich Beschwerde eingelegt wurde, entfallen sowohl die Gebühren für das Widerspruchs- als auch für das Rechtsmittelverfahren gemäß §§ 25 Abs. 1, 28 GNotKG. Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass erfolgreich gegen eine Gerichtsentscheidung eingelegte Rechtsmittel keine Kostenfolgen auslösen dürfen, so dass zumindest nach § 81 Abs. 1 S. 2 stets von einer Kostenerhebung abzusehen ist (vgl. Heinemann in: Keidel, aaO., 393 Rnrn. 31, 35).
b) Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten, über die gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG nach billigem Ermessen zu entscheiden ist, erscheint es sachgerecht, von der Anordnung einer Erstattung abzusehen. Es liegt keiner der in § 81 Abs. 2 FamFG geregelten Fälle vor, und die Anordnung der Erstattung erscheint auch sonst nicht geboten.
2.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG scheidet aus. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.