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Testamentsvollstrecker – Recht zur Bestimmung durch Urkundsnotar – Unwirksamkeit

OLG Stuttgart – Az.: 8 W 112/12 – Beschluss vom 29.03.2012

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Z. 2 wird der Beschluss des Notariats Aalen I – Nachlassgericht – vom 9. Februar 2012, Az. I NG 247/2010, abgeändert:

Der Antrag der Beteiligten Z. 4 vom 9. November 2011 auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses wird

zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 694.337,77 €

Gründe

I.

Der Erblasser hat in § 9 des vor dem Beteiligten Z. 5 notariell beurkundeten Testaments vom 29. Juli 2005 Testamentsvollstreckung angeordnet und bestimmt, dass der Testamentsvollstrecker durch den beurkundenden Notar, ersatzweise durch das zuständige Nachlassgericht zu ernennen ist, sofern er nicht selbst noch einen Testamentsvollstrecker benannt hat.

Aufgrund dessen bestimmte der Urkundsnotar die Beteiligte Z. 4, die ehemalige Rechtsanwältin des Erblassers, als Testamentsvollstreckerin. Ihre Annahmeerklärung ging am 23. Februar 2011 beim Nachlassgericht ein, das mit Beschluss vom 1. März 2011 den Eingang bestätigte.

In Kenntnis des von der Beteiligten Z. 2 gestellten Antrags auf Entlassung der Testamentsvollstreckerin beantragte diese mit notarieller Urkunde des Notariats Aalen I vom 9. November 2011 die Erteilung eines Zeugnisses über ihre Ernennung zum Testamentsvollstrecker.

Dem Antrag wurde mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 9. Februar 2012 entsprochen. Seine sofortige Wirksamkeit und die Erteilung des Zeugnisses wurden jedoch bis zur Rechtskraft der Entscheidung zurückgestellt, nachdem diese dem erklärten Willen der Beschwerdeführerin widerspricht.

Gegen den am 11./13. Februar 2012 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte Z. 2 am 1. März 2012 Beschwerde eingelegt, der der Notar nicht abgeholfen hat. Er hat die Akten mit Beschluss vom 22. März 2012 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt und zugleich darauf hingewiesen, dass über den Antrag auf Testamentsvollstrecker-entlassung erst nach dem Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung in der gegenständlichen Beschwerdesache entschieden werde.

Zur Sachverhaltsdarstellung im einzelnen wird verwiesen auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten, den angefochtenen Beschluss und den übrigen Akteninhalt.

II.

1.

Die befristete Beschwerde der Beteiligten Z. 2 ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Ihre Beschwerdeberechtigung ergibt sich aus § 59 Abs. 1 FamFG. Durch die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses für die Antragstellerin wird sie als Miterbin in ihrer Verfügungsbefugnis bezüglich des Nachlasses (§ 2211 Abs. 1 BGB) beschränkt. Der erforderliche Beschwerdewert (§ 61 Abs. 1 FamFG: über 600 €) ist gegeben und das Rechtsmittel wurde innerhalb der gesetzlichen Frist des § 63 Abs. 1 FamFG in der vorgeschriebenen Form (§ 64 Abs. 2 FamFG) beim Notariat (§ 64 Abs. 1 FamFG) eingelegt.

2.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Einem Testamentsvollstrecker hat das Nachlassgericht auf Antrag ein Zeugnis über die Ernennung zu erteilen (§ 2368 BGB).

In diesem Rahmen entscheidet das Notariat nur mittelbar über die Wirksamkeit der Testamentsvollstreckerernennung (Mayer in Mayer/Bonefeld/Wälzholz/Weidlich/Vassel-Knauf, 3. Aufl. 2011, Testamentsvollstreckung, Anm. II. „Bestimmung durch einen Dritten“, Rn. 11, m.w.N.).

Allein entscheidungserheblich ist insoweit die zwischen den Beteiligten bereits erstinstanzlich diskutierte Rechtsfrage, ob die vom Erblasser in dem notariellen Testament vom 29. Juli 2005 dem Urkundsnotar überlassene Bestimmung der Person des Testamentsvollstreckers gemäß § 7 Nr. 1 BeurkG unwirksam ist mit der Folge der Teilnichtigkeit der diesbezüglichen Anordnung (§§ 2197 Abs. 1, 2198 Abs. 1 S. 1, 125 S. 1, 134 BGB).

Auf den weiteren Streit des Umfangs der notariell verfügten Testamentsvollstreckung kommt es entsprechend den nachfolgenden Ausführungen nicht an.

Bestimmungsberechtigter Dritter im Sinne von § 2198 Abs. 1 S. 1 BGB konnte nach früher maßgeblicher Meinung (OLG Neustadt DNotZ 1951, 339) auch der das Testament beurkundende Notar sein. Durch das später eingeführte Beurkundungsgesetz vom 28. August 1969 ist es im Hinblick auf § 7 BeurkG zwischenzeitlich zu einer Ablehnung dieser Meinung gekommen. Dem Urkundsnotar darf in der Urkunde kein rechtlicher Vorteil eingeräumt werden. Der wirtschaftliche Vorteil spielt keine Rolle (Reimann Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 4. Auflage 2010, 2. Kapitel Rn. 135; Mayer, a.a.O., E. „Beurkundungsrechtliche Fragen, insbesondere zur Testamentsvollstreckerernennung“, Rn. 7; Zimmermann in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2010, § 2198 BGB Rn. 3; Mayer in Beck’scher Online-Kommentar BGB, Hrsg. Bamberger/Roth, Stand 1. Februar 2012, § 2198 Rn. 2; Reimann in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2003, § 2198 BGB Rn. 3; Reimann DNotZ 1994, 659; ZNotP 2000, 196 und 208; Schiemann in dem vorliegend erstellten Rechtsgutachten vom 15. November 2011; je m.w.N.).

Abzustellen ist allein darauf, ob das dem Urkundsnotar eingeräumte Bestimmungsrecht einen rechtlichen Vorteil im Sinne des § 7 BeurkG für ihn mit sich bringt.

Der unbestimmte Rechtsbegriff des „rechtlichen Vorteils“ beinhaltet ausschließlich eine Verbesserung der Rechtsposition, d.h. eine Erweiterung des Kreises seiner Rechte in irgendeiner Richtung zu seinem Vorteil oder eine Einschränkung bestehender Pflichten. Es ist nicht erforderlich, dass die Beteiligten die Absicht haben, einen rechtlichen Vorteil zu verschaffen. Es genügt, dass nach der objektiven Rechtslage aus dem Rechtsgeschäft ein Vorteil erwächst oder ein Recht abzuleiten ist. Auf eine wirtschaftliche Besserstellung kommt es nicht an. Der rechtliche Vorteil muss sich aber unmittelbar aus der in der Urkunde niedergelegten Willenserklärung ergeben und nicht erst als dessen Folge eintreten oder gar erst eintreten können (Lerch, Beurkundungsgesetz, 4. Aufl. 2011, § 7 BeurkG, Rn. 4 ff.; Winkler, Beurkundungsgesetz, 16. Aufl. 2008, § 7 BeurkG Rn. 3 ff.; je m.w.N.; zu dem Rechtsbegriff im Sinne des § 107 BGB: Schmitt in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 107 BGB Rn. 28 ff.; Knothe in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2011, § 107 BGB Rn. 2; Jauernig, BGB, 14. Auflage 2011, § 107 BGB Rn. 2; Wendtland in Beck’scher Online-Kommentar BGB, Hrsg. Bamberger/Roth, Stand 1. Februar 2012, § 107 BGB Rn. 8; je m.w.N.).

Ein rechtlicher Vorteil im Sinne von § 7 BeurkG ist dabei alles, was die Rechtsstellung des Notars verbessert (Reimann DNotZ 1994, 659, m.w.N.). Auch wenn das ihm eingeräumte Gestaltungsrecht lediglich als „verfahrensmäßiger“ rechtlicher Vorteil gewertet würde (Mayer, in Beck’scher Online-Kommentar BGB, a.a.O., § 2198 BGB Rn. 2 m.w.N.), so wäre dieser doch ausreichend, um die diesbezügliche Beurkundung gemäß § 7 BeurkG unwirksam werden zu lassen. Die durch das Bestimmungsrecht dem Urkundsnotar eingeräumte, ihm ansonsten nicht zustehende Rechtsposition erweitert seine Rechte und fällt deshalb unzweifelhaft unter den unbestimmten Rechtsbegriff des „rechtlichen Vorteils“. Dass er in Ausübung dieses Gestaltungsrecht sich unter Umständen auch wirtschaftliche Vorteile durch die entsprechende Auswahl der Person des Testamentsvollstreckers verschaffen kann, ist allerdings unerheblich.

Aus den vorgenannten Gründen kann der Rechtsauffassung des Nachlassgerichts nicht gefolgt werden.

Die Entscheidung des OLG Neustadt in DNotZ 1951, 339, erging vor der Einführung des Beurkundungsgesetzes. Darauf gestützte Meinungen sind heute im Hinblick auf § 7 BeurkG überholt.

Die Entscheidungen des BGH vom 18. Dezember 1996, Az. IV ZB 9/96, veröffentlicht u.a. in NJW 1997, 946, sowie BGH NJW-RR 1987, 1090, und OLG Oldenburg NJW-RR 1990, 1350, sowie OLG Stuttgart/Senat Justiz 1989, 435, betreffen andere Sachverhalte.

Bei den ersten drei Entscheidungen ging es um die Frage, ob die notarielle Beurkundung einer testamentarischen Ernennung zum Testamentsvollstrecker gegen §§ 7, 27 BeurkG verstößt, weil ein Sozius des Notars Testamentsvollstrecker und der Notar – unter Umständen – an dessen Vergütung aufgrund entsprechender Vereinbarungen beteiligt ist. In der insoweit neuesten Entscheidung des BGH hat sich dieser der überwiegenden Meinung (vergleiche die dortigen Literaturnachweise) angeschlossen, dass die Ernennung eines Sozius im notariellen Testament zum Testamentsvollstrecker auch dann wirksam ist, wenn der beurkundende Notar an der zu erwartenden Testamentsvollstreckervergütung beteiligt ist, weil es in diesem Fall an einem rechtlichen Vorteil fehlt, der sich unmittelbar aus der in der Urkunde niedergelegten Willenserklärung ergibt. Denn die Beteiligung des beurkundenden Notars an der Testamentsvollstreckervergütung folgt allein aus der Gestaltung des Sozietätsverhältnisses, hängt also von den Vereinbarungen der Sozien im Einzelfall ab, die sich auch nach der Beurkundung des Testaments noch ändern können.

Die Entscheidung des Senats (Justiz 1989, 435) befasste sich mit dem Ersuchen des Erblassers an das Nachlassgericht, den Urkundsnotar nach Möglichkeit zum Testamentsvollstrecker zu berufen. Hier wurde abgestellt auf die Umgehungsmöglichkeit zu §§ 7, 27 BeurkG durch die Anordnung von Testamentsvollstreckung in der beurkundeten Verfügung und die Berufung des Urkundsnotars zum Testamentsvollstrecker in einem privatschriftlichen, häufig von ihm entworfenen Testament. Die hier zu entscheidende Problematik spielte bei der dortigen Fallkonstellation keine Rolle.

Nachdem die Einräumung des Bestimmungsrechts zu Gunsten des Urkundsnotars für diesen einen rechtlichen Vorteil bedeutet, ist die entsprechende Beurkundung der Willenserklärung des Erblassers in dem notariellen Testament vom 29. Juli 2005 gemäß § 7 Nr. 1 BeurkG unwirksam. Der Beteiligte Z. 5 war damit nicht berechtigt, die Antragstellerin als Testamentsvollstreckerin zu benennen.

Auf die Beschwerde der Beteiligten Z. 2 war deshalb unter Abänderung des Beschlusses des Nachlassgerichts vom 9. Februar 2012 der Antrag gemäß § 2368 BGB auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückzuweisen.

Auf die Problematik des Umfanges der angeordneten Testamentsvollstreckung kam es entsprechend den obigen Ausführungen nicht mehr entscheidungserheblich an.

3.

Die Gerichtsgebührenfreiheit ergibt sich aus § 131 Abs. 3 KostO.

Die Anordnung einer Kostenerstattung entsprach im Hinblick auf die bislang höchstrichterlich nicht entschiedene Rechtsfrage nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG nicht billigem Ermessen, so dass hiervon abgesehen wurde.

Bei der Festsetzung des Beschwerdewerts gemäß §§ 131 Abs. 4, 30 KostO wurden 10% des Reinnachlasses in Ansatz gebracht (Hartmann, Kostengesetze, 41. Auflage 2011, § 30 KostO Rn. 35 „Testamentsvollstreckung“, m.w.N.).

Nachdem auch über den Umfang der Testamentsvollstreckung gestritten wird, kam eine Reduzierung der Höhe des Reinnachlasses nicht in Betracht.

4.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 70 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FamFG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

 

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