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Grundbuch – Einsichtsrecht der Presse

OLG Dresden – Az.: 17 W 117/21 – Beschluss vom 23.02.2021

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz – Grundbuchamt – vom 19.02.2021 – Gz.: xxx – abgeändert.

2. Wert des Beschwerdeverfahrens: 5.000,00 €

Gründe

I.

Die Beteiligte verlegt die Tageszeitung „xxx“. Sie bat das Grundbuchamt Chemnitz um eine offizielle Bestätigung, dass die Firma XY als Eigentümerin im Grundbuch für das Grundstück … Straße … in yyy verzeichnet sei, und ggf. von wann bis wann, insbesondere ob seit 1998. Auf dem betreffenden Grundstück hätten bis 2011 Treffen der rechtsextremen Grupppierung xyz stattgefunden, wie sich aus einer Information des Innenministeriums ergebe. Die Geschäftsführer der Firma XY beabsichtigten, eine prestigeträchtige Immobilie in A1, das xxx, zu kaufen. Das Thema spiele in der Öffentlichkeit aktuell eine große Rolle.

Die beim Grundbuchamt tätige Urkundsbeamtin lehnte die Grundbucheinsicht am 10.02.2021 ab. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Beschwerdeführerin blieb erfolglos. Die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt wies den Antrag auf Auskunft und Bestätigung mit Beschluss vom 19.02.2021 zurück. Zwar könne ein öffentliches Interesse die Auskunft begründen; das Recht des Grundstückseigentümers auf informationelle Selbstbestimmung sei aber dagegen abzuwägen. Hier sei es möglich, dass den Eigentümern bzw. der Immobilie durch Dritte Schaden zugefügt werde. Der Schutz der Eigentümerdaten überwiege das Interesse der Antragstellerin.

Die Beteiligte legte gegen den Zurückweisungsbeschluss Beschwerde ein. Der Stadtrat von A1 habe aktuell über die Ausübung eines kommunalen Vorkaufsrechts im Zusammenhang mit der Veräußerung eines ehemaligen xxx zu entscheiden. Als Erwerbsinteressenten stünden die Brüder B1, von denen einer +++ sei, im Raum. Die Brüder seien zudem derzeitige oder vormalige Geschäftsführer der XY GmbH, von der es heiße, sie sei Eigentümerin des Grundstücks … Straße … in yyy. Dort wiederum habe sich zwischen 2007 und 2014 ein Treffpunkt für die rechtsextreme Organisation xyz befunden. Es sei zu befürchten, dass das weitläufige Gelände, das in A1 zum Verkauf stehe, von den Erwerbsinteressenten als Veranstaltungs- und Schulungszentrum für rechtsextreme Kräfte genutzt werde, wenn diese, wie eine Grundbucheinsicht verifizieren könne, bereits vormals „Quartiergeber“ solcher Kräfte gewesen seien. Dies sei eine Angelegenheit von unmittelbar kommunal-öffentlichem Belang.

II.

Die Beschwerde hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Sie ist zulässig.

Gegen die Versagung von Grundbucheinsicht durch den Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1 h RPflG) ist die Beschwerde statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 71 Abs. 1 GBO; § 12 Abs. 4 S. 2 GBO); sie ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere konnte die Beschwerde gemäß § 73 Abs. 1 GBO unmittelbar beim Oberlandesgericht als Beschwerdegericht eingelegt werden.

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des Grundbuchamtes dahin, dass der Antragstellerin der im Grundbuch verzeichnete Eigentümereintrag – wie aus der Beschlussformel ersichtlich – mitgeteilt wird.

Das Beschwerdegericht hält an den in seiner Entscheidung vom 13.05.2019 (Az.: 17 W 378/19) aufgestellten Grundsätzen fest. Danach gilt:

Nach § 12 Abs. 1 S. 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt.

a) Der Begriff des „berechtigten Interesses“ ist umfassender als derjenige des „rechtlichen Interesses“. Es genügt, dass der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt. Auch ein öffentliches Interesse kann in Betracht kommen. Zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen kann hiervon ausgehend auch der Presse ein Recht auf Einsicht zustehen.

b) Das in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbürgte Grundrecht auf Pressefreiheit vermittelt ein solches Recht auf Einsicht nur dann, wenn zum einen ein Informationsbeschaffungsinteresse dargelegt wird, und zum anderen das ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgte Recht der im Grundbuch Eingetragenen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) nicht entgegensteht.

Ersteres verlangt, dass der Antragsteller sein Rechercheinteresse in tatsächlicher Sicht hinreichend konkret ausführt. Das Informationsanliegen ist unter Darstellung des konkreten Bezugs zum jeweiligen Grundstück zu erläutern. Aus dem mitgeteilten Sachverhalt muss sich ergeben, dass die beantragte Grundbucheinsicht auf die Beschaffung journalistisch verwertbarer Informationen abzielt und daher als Teil der publizisitischen Vorbereitungstätigkeit dem Schutzbereich der Pressefreiheit zuzuordnen ist. Demgegenüber sind keine Erläuterungen zur Bewertung des Informationsinteresses zu verlangen. Einer solchen nämlich hat sich das Gericht wegen des Gebots staatlicher Inhaltsneutralität zu enthalten. Die Presse muss vielmehr nach publizistischen Kriterien entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht (BVerfG RPfleger 2001, 15 – in Juris Rn. 29 ff.; BVerfG AfP 2000, 566 – in Juris Rn. 5/6; OLG München FGPrax 2016, 204; OLG München NJW-RR 2017, 168).

Letzteres verlangt, dass die Interessen des Eigentümers und eine etwaige Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsschutzes einerseits und die presserechtlichen Interessen andererseits im Rahmen einer Angemessenheitsprüfung in einen Ausgleich gebracht und gegeneinander abgewogen werden. Dabei hat das Zugangsinteresse der Presse Vorrang, wenn es um Fragen geht, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen und wenn die Recherche der Aufbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung dient. Dabei ist zu respektieren, dass die Presse regelmäßig auch auf einen bloßen Verdacht hin recherchiert. Hierdurch werden die Interessen des Eigentümers nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt (BGH NJW-RR 2011, 1651; OLG München NJW-RR 2016, 1062; OLG Stuttgart ZD 2012, 431; OLG Düsseldorf NJW 2016, 89; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 17.07.2014 – Az.: 3 W 7/14).

c) Von diesen Maßstäben ausgehend, ist der Beteiligten die begehrte Auskunft – wie mit der Beschlussformel geschehen – zu erteilen.

Die Beteiligte hat ihr Informationsanliegen – bezogen auf das zur Immobilie … Straße … in yyy gehörende Grundbuch – dargestellt. Sie will eine Bestätigung der ihr bereits zum Eigentümereintrag vorliegenden, aber noch ungesicherten Informationen erhalten und darüber hinaus die Dauer der Eigentümerstellung näher in Erfahrung bringen. Von Bedeutung ist der Eigentümereintrag deshalb, weil die Geschäftsführer der Gesellschaft, die nach den ungesicherten Erkenntnissen der Beteiligten im Grundbuch als Eigentümerin genannt ist, aktuell eine in A1 gelegene Immobilie zu erwerben beabsichtigen, hinsichtlich der der Stadtrat über die Ausübung eines kommunalen Vorkaufsrechts zu befinden hat. Da das in yyy gelegene Grundstück in der Vergangenheit als Treffpunkt für eine aufgelöste rechtsextreme Organisation gedient haben soll, verspricht sich die Beteiligte von der Bestätigung der Eigentümerstellung der Gesellschaft die Beantwortung der Frage, wer die Immobilie für diese Treffen zur Verfügung gestellt hat, und damit Aufschluss über die „Quartiergeberin“.

Damit hat die Beteiligte ihr Rechercheanliegen und den Zusammenhang zum Anwesen … Straße … in yyy hinreichend konkret und nachvollziehbar dargelegt. Es geht um die Erlangung journalistisch verwertbarer Informationen; dem Stadtrat und der Öffentlichkeit sollen Zusammenhänge zwischen den Erwerbsinteressenten und dem Umgang mit einer Immobilie aufgezeigt werden, die im Eigentum einer von den Interessenten geführten Gesellschaft steht. Da Erkenntnisse hierzu für das Meinungsbild in der Öffentlichkeit von Bedeutung sein können, geht die Recherche der Antragstellerin auch die Allgemeinheit an. Andere – die Rechte der eingetragenen Gesellschaft weniger beeinträchtigende – Mittel, die die Beteiligte nutzen könnte, um die begehrte Bestätigung zu erhalten, sind nicht ersichtlich. Dass – wie das Grundbuchamt befürchtet – der Eigentümerin oder der Immobilie selbst Schaden durch Dritte zugefügt werden könne, wenn die Eigentümerstellung offengelegt werde, ist weder mit konkreten Tatsachen untersetzt noch sonst erkennbar. Im Übrigen überwiegt das Auskunftsinteresse der Antragstellerin vorliegend das Interesse der Eigentümerin, nicht als solche bestätigt zu werden.

d) Einer vorherigen Anhörung der Eigentümerin bedurfte es nicht. Ihre Interessen fanden im Rahmen der vorgenommenen Abwägung in abstrakt-genereller Weise Berücksichtigung (BVerfG RPfleger 2001, 15 – in Juris Rn. 34 ff.; OLG München NJW-RR 2017, 168 – in Juris Rn. 17; OLG Stuttgart aaO.).

III.

Eine Kostenentscheidung ist wegen des Erfolgs der Beschwerde nicht veranlasst. Die Festsetzung für den Wert des Beschwerdeverfahrens hat ihre Grundlage in § 61 Abs. 1, § 36 Abs. 3 GNotKG.

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