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Wirksame Grundstücksauflassung bedarf qualifizierter Vollstreckungsklausel

Eigentumsübertragung und Grundbuch: OLG Rostock korrigiert Amtsgericht und stärkt Schuldnerschutz

Die jüngste Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Rostock wirft ein Schlaglicht auf die komplexen rechtlichen Fragestellungen rund um Grundbucheinträge und Eigentumsübertragungen. Im Kern ging es um die Richtigkeit einer Eigentümereintragung im Grundbuch, die auf einer vorherigen gerichtlichen Verurteilung basierte. Die weitere Beteiligte, die ursprüngliche Eigentümerin des Grundstücks, hatte gegen die neue Eintragung Beschwerde eingelegt. Sie argumentierte, dass die Übertragung des Eigentums nur gegen eine Gegenleistung von 544.280 EUR erfolgen sollte, die jedoch nicht erbracht wurde. Das Amtsgericht Rostock wies die Beschwerde zurück, woraufhin das OLG Rostock eingeschritten ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 W 69/23  >>>

Vollstreckbare Ausfertigung und Grundbuchamt

Das Amtsgericht hatte die Beschwerde der weiteren Beteiligten abgewiesen, da es der Ansicht war, dass die Eintragung im Grundbuch rechtmäßig sei. Es argumentierte, dass das Grundbuchamt nicht dazu verpflichtet sei, die Gegenleistung bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung zu prüfen. Diese Aufgabe obliege allein dem Vollstreckungsorgan. Das OLG Rostock sah dies jedoch anders und betonte die Bedeutung der vollstreckbaren Ausfertigung für die Richtigkeit der Grundbucheintragung.

Schuldnerschutz und Fiktionswirkung

Das OLG Rostock stellte klar, dass die Fiktionswirkung des § 894 ZPO nur dann eintritt, wenn eine vollstreckbare Ausfertigung nach den Vorschriften der §§ 726, 730 ZPO erteilt wurde. In diesem Fall war jedoch nur eine einfache Vollstreckungsklausel erteilt worden, die nicht ausreicht, um die Fiktionswirkung zu bewirken. Das Gericht betonte, dass der Schuldnerschutz in solchen Fällen nicht ausgehöhlt werden dürfe.

Eintragung eines Amtswiderspruchs

Das OLG Rostock wies das Amtsgericht an, einen Amtswiderspruch zugunsten der weiteren Beteiligten im Grundbuch einzutragen. Ein solcher Amtswiderspruch ist gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 GBO einzutragen, wenn das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Das Gericht fand, dass diese Voraussetzungen in diesem Fall erfüllt waren.

Kosten und notwendige Aufwendungen

Abschließend entschied das OLG Rostock, dass keine Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren erhoben werden und notwendige Aufwendungen nicht zu erstatten sind. Die Entscheidung beruhte auf § 81 FamFG und stellte klar, dass die Beschwerde nur teilweise erfolgreich war, weshalb die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten gegeneinander aufzuheben sind.


Das vorliegende Urteil

OLG Rostock – Az.: 3 W 69/23 – Beschluss vom 26.07.2023

1. Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten wird das Amtsgericht Rostock – Grundbuchamt – unter Aufhebung des Beschlusses vom 24.05.2023 angewiesen, gegen die Richtigkeit der Eigentümereintragung im vorbenannten Grundbuch einen Amtswiderspruch zugunsten der weiteren Beteiligten einzutragen.

Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; notwendige Aufwendungen sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Mit Urteil des Oberlandesgerichts vom 14.10.2021 (3 U 75/20) wurde die vormals als Eigentümerin eingetragene weitere Beteiligte rechtskräftig u. a. zur Erklärung der Auflassung hinsichtlich des im Rubrum bezeichneten Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung von 544.280,00 EUR verurteilt. Nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Bundesgerichtshof beantragte die nunmehr eingetragene Eigentümerin beim Oberlandesgericht die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils. Diese wurde ihr von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts gem. §§ 724, 725 ZPO am 20.01.0023 erteilt.

Unter Vorlage dieser vollstreckbaren Ausfertigung samt Rechtskraftvermerk ließ die nunmehr eingetragene Eigentümerin bei ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 06.02.2023 die Auflassung unter Hinweis auf § 894 ZPO beurkunden und beantragte beim Amtsgericht die Eintragung der Eigentumsänderung. Am 05.04.2023 erfolgte die Eintragung der nunmehr eingetragenen Eigentümerin.

Nach Erhalt der Eintragungsnachricht hat die weitere Beteiligte mit Schriftsatz vom 28.04.2023 „Erinnerung“ gegen die Änderung der Eigentümereintragung eingelegt. Sie hat beantragt, „die Änderung unverzüglich rückgängig zu machen, bis die entsprechenden Voraussetzungen für die Änderungen im Grundbuch nachgeholt bzw. nachgewiesen sind“ und bis dahin „die Einsichtnahme in das Grundbuch vorläufig zu sperren. …“

Sie verweist darauf, dass ihre Verurteilung nur Zug um Zug gegen Zahlung von 544.280,00 EUR erfolgt sei. Eine Zahlung sei bei ihr jedoch nicht eingegangen. Daher sei davon auszugehen, dass die Grundbucheintragung ohne den erbrachten Nachweis der Gegenleistung vorgenommen worden sei.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 24.05.2023 den Antrag der weiteren Beteiligten zurückgewiesen. Eine Beschwerde gegen eine Eintragung sei gem. § 71 GBO unzulässig. Mit dem Ziel der Eintragung eines Widerspruchs sei sie zwar gem. § 71 Abs. 2 S. 2 GBO zulässig. Es fehlten jedoch die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs, denn das Grundbuchamt habe nicht unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen, durch die das Grundbuch unrichtig geworden sei.

Dem Grundbuchamt sei eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des Oberlandesgerichts mit Vollstreckungsklausel vorgelegt worden. Das Grundbuchamt habe dabei nicht zu prüfen, ob bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung die Gegenleistung erbracht worden sei. Dies geschehe allein im Klauselverfahren. Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 12.01.2012, VII ZB 71/09) obliege die Überprüfung der materiellen Richtigkeit der erteilten Vollstreckungsklausel auch nicht dem Vollstreckungsorgan. Seiner Nachprüfung unterliege es nur, ob eine Klausel vorhanden und ob sie ordnungsgemäß erteilt worden sei, nicht hingegen, ob sie erteilt werden dürfe.

Der Verfahrensbevollmächtigte der eingetragenen Eigentümerin hat mit Schreiben vom 02.07.2023 Stellung genommen und hält die Entscheidung des Amtsgerichts für zutreffend.

II.

Der Senat geht davon aus, dass die „Erinnerung“ als Beschwerde gegen die Änderung der Eigentümereintragung vom 05.04.2023 zu verstehen ist.

Mit dem Ziel der „Rückgängigmachung“ der Eigentumsumschreibung ist die Beschwerde unzulässig, denn § 71 Abs. 2 S. 1 GBO schließt die Beschwerde gegen Eintragungen aus, die – wie hier – unter dem Schutz des öffentlichen Glaubens stehen. In Übereinstimmung mit dem Amtsgericht geht der Senat aber davon aus, dass die Beschwerde hilfsweise gem. § 71 Abs. 2 S. 2 GBO auf die Eintragung eines Amtswiderspruchs gerichtet ist. Mit diesem beschränkten Ziel ist die Beschwerde zulässig und in der Sache auch begründet.

Ein Amtswiderspruch ist gem. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO einzutragen, wenn das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Die Gesetzesverletzung muss feststehen, die Unrichtigkeit des Grundbuchs dagegen nur glaubhaft sein. Diese Voraussetzungen sind hier entgegen der Auffassung des Amtsgerichts erfüllt. Die am 05.04.2023 erfolgte Eintragung der nunmehr eingetragenen Eigentümerin erfolgte unter Verstoß gegen § 20 GBO und hat zur Unrichtigkeit des Grundbuchs geführt, da es – bisher – an einer formgerechten Auflassung fehlt.

§ 925 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass die Einigung „bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile“ vor einer zuständigen Stelle – also in der Regel vor einem Notar – erklärt wird. Das Erfordernis der „gleichzeitigen Anwesenheit beider Teile“ gilt allerdings nur eingeschränkt, wenn ein Vertragsteil – wie hier die weitere Beteiligte – zur Abgabe der Auflassungserklärung verurteilt worden ist. Dann genügt es im Ausgangspunkt, wenn im Anschluss an die nach § 894 ZPO als abgegeben fingierte Auflassungserklärung des Schuldners nur noch die Auflassungserklärung des Gläubigers beurkundet wird.

Allerdings ist allgemein anerkannt, dass es nicht mehr den Anforderungen des § 925 Abs. 1 S. 1 BGB genügt, wenn der Gläubiger eine einseitige Auflassungserklärung beurkunden lässt, bevor überhaupt eine damit korrespondierende Auflassungserklärung des Schuldners existiert, weil der Schuldner entweder noch gar nicht verurteilt worden ist oder bei gegebener Verurteilung die sonstigen Voraussetzungen für die Fiktionswirkung des § 894 ZPO noch nicht vorliegen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 13.12.2013, 15 W 322/13; Rpfleger 2014, S. 366 m.w.N.). Daraus folgt, dass im Falle einer Zug-um-Zug-Verurteilung die einseitige Auflassungserklärung des Gläubigers (form-) unwirksam ist, wenn zum Zeitpunkt der Erklärung des Gläubigers noch keine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils nach Maßgabe des § 894 S. 2 ZPO erteilt worden war (vgl. OLG Hamm, a.a.O., m.w.N.). So ist es hier. Die weitere Beteiligte ist dazu verurteilt worden, das verfahrensgegenständliche Grundstück an die nunmehr eingetragene Eigentümerin aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 544.280,00 EUR.

Im Zeitpunkt der Erklärung der Auflassung durch die nunmehr eingetragene Eigentümerin am 06.02.2023 gab es zwar schon eine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils. Erteilt worden war bis dahin aber nur eine einfache Vollstreckungsklausel der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 20.01.2023. Diese – einfache – Klausel mag wirksam sein und grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsorgans gestellt sein (vgl. BGH, Beschl. v. 12.01.2012, VII ZB 71/09, NJW-RR 2012, 1146). Darum geht es hier aber nicht, sondern um das Vorliegen der gem. § 894 ZPO fingierten Auflassungserklärung. Insofern reicht eine einfache Klausel jedoch nicht aus, um die Fiktionswirkung nach § 894 S. 2 ZPO zu bewirken. Denn § 894 S. 2 ZPO knüpft die Fiktionswirkung nach seinem eindeutigen Wortlaut zum Schutze des Schuldners ausdrücklich an die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung „nach den Vorschriften der §§ 726, 730 (ZPO)“, d. h. an die Erteilung einer ordnungsgemäßen qualifizierten Klausel nach § 726 durch den gem. § 20 Abs. 1 Nr. 12 RPflG zuständigen Rechtspfleger (vgl. OLG Hamm, a.a.O., m.w.N.; Meikel/Böttcher, GBO, 12. Aufl., § 20 Rn. 69 m.w.N.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 748). Würde man entgegen dem Gesetzeswortlaut bereits die Erteilung einer einfachen Vollstreckungsklausel durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle für den Eintritt der Fiktionswirkung genügen lassen, würde hierdurch der vom Gesetz bezweckte Schuldnerschutz ausgehöhlt, zumal im Falle des § 894 S. 2 ZPO die Vollstreckung schon mit der Klauselerteilung abgeschlossen ist, so dass dem Schuldner der Rechtsbehelf des § 732 ZPO gegen die Erteilung der Klausel nicht mehr zur Verfügung steht (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).

Nach alledem entsprach die bereits vor der Erteilung einer qualifizierten Klausel und somit verfrüht abgegebene einseitige Auflassungserklärung der nunmehr eingetragenen Eigentümerin vom 06.02.2023 nicht den Anforderungen des § 925 Abs. 1 S. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten sind trotz Verursachung der Grundbuchunrichtigkeit durch die eingetragene Eigentümerin gegeneinander aufzuheben, da die Beschwerde nur teilweise erfolgreich ist.

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