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Vorsorgevollmacht mit „Prozesshandlungen aller Art“ – dingliche Zwangsvollstreckungsunterwerfung

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 W 33/12 – 15 – Beschluss vom 27.02.2012

Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Saarländisches Grundbuchamt – Saarbrücken vom 12.1.2012 wird aufgehoben.

Das Amtsgericht – Saarländische Grundbuchamt – Saarbrücken wird angewiesen, über den Eintragungsantrag vom 4.1.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Gründe

I.

Der Antragsteller zu 1) erwarb mit Urkunde des Notars L. in V. (Urk. R. Nr. …/2012) das im Grundbuch von V. Blatt 8303 eingetragene Grundstück Flur … Nr. …/… von dem Beschwerdeführer, der durch seine Tochter vertreten wurde. Der Beschwerdeführer erteilte in dieser Urkunde dem Antragsteller zu 1) Vollmacht zur Belastung des Grundeigentums mit Grundpfandrechten sowie dazu, den jeweiligen Grundeigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung aus solchen Grundpfandrechten zu unterwerfen. Seiner Tochter hatte der Beschwerdeführer unter dem 4.10.2009 schriftlich eine – notariell beglaubigte – Vorsorgevollmacht erteilt, nach der sie – unter anderem – zur Verwaltung seines Vermögens, zur Vornahme aller hierbei anfallenden Rechtshandlungen, zur Verfügung über jegliche Vermögensgegenstände sowie zu Prozesshandlungen aller Art berechtigt sein sollte.

Die Antragsteller beantragten daraufhin mit Urkunde vom 4.1.2012 – Urk. R. Nr. …/2012 des Notars L. in V. – die Eintragung einer Grundschuld in Höhe von 55.000 € zugunsten der Antragstellerin zu 3) sowie die dingliche Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung.

Mit Zwischenverfügung vom 12.1.2012 hat das Amtsgericht – Saarländisches Grundbuchamt – Saarbrücken entschieden, der Eintragung der dinglichen Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung stehe das Hindernis fehlender Bevollmächtigung entgegen. Die Bevollmächtigung der Tochter des Beschwerdeführers umfasse eine derartige Erklärung nicht.

Dem dagegen durch den beurkundenden Notar im Namen des Beschwerdeführers eingelegten Rechtsmittel hat das Amtsgericht – Saarländisches Grundbuchamt – Saarbrücken nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1.

Die Beschwerde ist nach § 71 Abs. 1 GBO an sich statthaft und nach § 73 GBO formgerecht eingelegt worden.

Der Beschwerdeführer ist beschwerdeberechtigt. Beschwerdeberechtigt ist jeder, dessen Rechtsstellung durch die Entscheidung des Grundbuchamts unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt ist.

Das ist zunächst jeder Antragsteller, dessen Begehren nicht oder nicht vollständig entsprochen wird. Der Eintragungsantrag vom 5.1.2012 benennt zwar den Beschwerdeführer, der als Eigentümer antragsberechtigt wäre, nicht ausdrücklich als Antragsteller. In einem solchen Fall gilt ein Antrag aber als im Namen aller Antragsberechtigten gestellt (BayOblG NJW-RR 1993, 530). Schon daraus folgt die Beschwerdeberechtigung des Rechtsmittelführers.

Selbst wenn man dies anders – und den Beschwerdeführer nicht als Antragsteller – sähe, wäre der Beschwerdeführer nicht gehindert, gegen die angegriffene Zwischenverfügung Rechtsmittel einzulegen. Beschwerdeberechtigt ist im Grundbuchverfahren nämlich jeder, der antragsberechtigt ist. Dass ein Beschwerdeführer den zurückgewiesenen Antrag nicht selbst gestellt hat, steht der Beschwerdeberechtigung nicht entgegen (BGH Beschl.v. 10.6.1990 – V ZB 12/98 – NJW 1998, 3347).

2.

Die Zwischenverfügung ist rechtsfehlerhaft. Das Amtsgericht – Saarländisches Grundbuchamt – hat zu Unrecht Zweifel an einer Bevollmächtigung des Antragstellers zu 1) als des Erwerbers des Grundstücks zur dinglichen Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung aus der für die Antragstellerin zu 2) zu bestellenden Grundschuld geäußert. Solche Zweifel bestehen nicht.

a.

Im Ausgangspunkt zutreffend macht die angegriffene Zwischenverfügung das Vorliegen einer wirksamen Vollmacht zur dinglichen Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung durch den Erwerber des Grundstücks – den Antragsteller zu 1) – abhängig von der wirksamen Erteilung einer darauf bezogenen Vertretungsmacht durch den Beschwerdeführer als Veräußerer des Grundstücks.

b.

Richtig ist weiter, dass eine Belastungsvollmacht durch den Veräußerer eines Grundstücks zugunsten seines Erwerbers diesen nicht notwendigerweise dazu ermächtigt, eine dingliche Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung aus den vollmachtsgemäß bestellten Belastungen zu erklären.

Denn die Berechtigung zur Abgabe einer solchen Erklärung muss sich hinreichend bestimmt aus der konkret erteilten Vollmacht ergeben. Daher trifft es grundsätzlich zu, dass der Erteilung von Vertretungsmacht zur Bestellung von Grundpfandrechten – ohne weitere Hinweise auf ihre vollstreckungsrechtliche Durchsetzung – die Bevollmächtigung zur dinglichen Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung nicht entnommen werden kann (OLG Brandenburg Beschl. v. 27.11.2007 – 5 Wx 9/07 – juris; LG Saarbrücken Beschl. v. 7.11.2007 – 5 T 516/07).

c.

Darum geht es indessen nicht.

Grundlage der Bestellung einer Grundschuld über 55.000 € und der dinglichen Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung mit der notariellen Urkunde vom 4.1.2012 durch den Antragsteller zu 1) als Grundstückserwerber ist dessen – sowohl die Belastung des Grundstücks als auch die Unterwerfungserklärung umfassende – Bevollmächtigung in dem Veräußerungsvertrag vom 5.1.2012. Die ihn im Namen des Beschwerdeführers abschließende Vertreterin war aber durch die notariell beglaubigte Vorsorgevollmacht vom 2.11.2009 nicht nur zur Veräußerung des Grundstücks und zur Belastung des Grundeigentums bevollmächtigt. Vielmehr war ihr nahezu umfassend Vertretungsmacht für den Beschwerdeführer erteilt worden.

Allerdings zählt die dingliche Erklärung der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung nicht zu den Verfügungsgeschäften. Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung überträgt oder ändert kein Recht, sie belastet es nicht und hebt es nicht auf. Vielmehr verschafft sie dem Begünstigten die Möglichkeit, ein Recht ohne vorheriges Erwirken eines gerichtlichen Titels durchzusetzen. Sie stellt daher – nach allgemeiner Ansicht – eine prozessuale Willenserklärung (außerhalb eines Rechtsstreits) dar (BGH Urt. v. 1.2.1985 – V ZR 244/83 NJW 1985, 2423; Beschl. v. 29.5.2008 V ZB 6/08 NJW 2008, 3363; Beschl. v. 17.4.2008 V ZB 146/07 NJW 2008, 2266; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, 70.Aufl., § 800 Rdn. 4; MünchKommZPO/Wolfsteiner, 3.Aufl., § 794 Rdn. 145 ff.).

Zu „Prozesshandlungen aller Art“, zu denen prozessuale Willenserklärungen zählen, ermächtigt aber die durch den Beschwerdeführer seiner Tochter erteilte Vorsorgevollmacht ausdrücklich. Darüber hinaus zeigt die Aufzählung der im Rahmen der Vermögenssorge und der Vertretung vor Gericht der Tochter des Beschwerdeführers erteilten Befugnisse, dass mit der Vorsorgevollmacht inhaltlich so umfassend wie rechtlich möglich Handlungsermächtigungen gewährt werden sollten, um ein Tätigwerden der Vertreterin im Interesse des Vollmachtgebers ohne seine weitere, unter Umständen nur durch Erwirken betreuungsgerichtlicher Maßnahmen mögliche Inanspruchnahme zu erlauben. Anders als in den Fällen, in denen lediglich eine beschränkte Belastungsvollmacht erteilt wird, deren Erweiterung auf die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung zu rechtfertigen ist, geht es folglich um eine im Wesentlichen unbeschränkte vermögensrechtliche Handlungsvollmacht, für deren Beschränkung Anhaltspunkte in der Vorsorgevollmacht vorhanden sein müssten. Sie fehlen im konkreten Fall.

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