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Voraussetzungen Amtswiderspruch gegen Zwangshypothek

OLG München – Az.: 34 Wx 324/17 – Beschluss vom 05.10.2017

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 19. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1 ist im Grundbuch als Eigentümerin von Grundbesitz eingetragen. Am 23.12.2016 beantragten die anwaltlich vertretenen Beteiligten zu 2 und 3 die Eintragung unter sich gleichrangiger Zwangshypotheken über jeweils 25.000 € zu ihren Gunsten. Sie übergaben vollstreckbare Ausfertigungen der notariellen Urkunde vom 5.7.2012 samt Nachtrag vom 16.8.2012 über die Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils und die laut Nachtragsurkunde mit 50.000 € bezifferte und von der Beteiligten zu 1 nach Ablauf einer dreimonatigen Stundungsfrist je hälftig an die Beteiligten zu 2 und 3 zu leistende Kaufpreisrestschuld. Zu den laut notarieller Vollstreckungsklausel vom 22.8.2016 bzw. 27.10.2016 zu Gunsten des Beteiligten zu 2 bzw. zu 3 jeweils wegen eines Teilbetrags von 25.000,00 € erteilten Ausfertigungen wurden die Postübergabeurkunden des Gerichtsvollziehers, verbunden jeweils mit einer Postzustellungsurkunde, vorgelegt. Danach wurde eine beglaubigte Abschrift der jeweiligen Urkunde am 14.11.2016 der Postanstalt zum Zweck der Zustellung übergeben und am 16.11.2016 unter der im Adressfeld angegebenen Anschrift in Unterschleißheim in den „zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt“, weil „die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich war“.

Das Grundbuchamt nahm die Eintragungen am 30.12.2016 vor (Abt. II/7 und II/8).

Mit Schreiben vom 5.5.2017 legte die Beteiligte zu 1 unter Angabe einer Adresse in München gegen die Eintragungen „Rechtsmittel (Widerspruch)“ ein mit dem Antrag, die Zwangshypotheken zu löschen. Zur Begründung führte sie aus, ihr seien die Urkunden nicht ordnungsgemäß an ihrer Meldeadresse zugestellt worden. Vom Inhalt habe sie keine Kenntnis, nachdem ihr an der Zustelladresse wohnhafter Vater die Urkunden an die Gerichtsvollzieherin zurückgesandt habe.

Diese Eingabe hat das Grundbuchamt als Antrag auf Löschung behandelt, den es mit Beschluss vom 19.5.2017 zurückgewiesen hat mit der Begründung, die Zustellung sei durch die Zustellungsurkunden nachgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit der Beschwerde, mit der sie den Löschungsantrag wiederholt. Aus dem Adressfeld der Zustellungsurkunden ergebe sich, dass die Zustellung nicht an ihrer Melde- und Wohnadresse erfolgt sei. Hierdurch habe sie Rechtsnachteile erlitten. Außerdem würden die für die Gläubiger eingetragenen Ansprüche nicht den laut Urkunde vollstreckbaren Ansprüchen entsprechen.

Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.

Vor dem Beschwerdesenat hat die Beteiligte zu 1 auf die gerichtlich erteilten Hinweise am Rechtsmittel festgehalten und geltend gemacht, dass das Grundbuch durch die Eintragungen unrichtig geworden sei. Das Grundbuchamt habe auch gesetzliche Vorschriften verletzt, denn die zutreffende Wohnadresse ergebe sich aus der notariellen (Nachtrags-)Urkunde. Dass in der Haupturkunde eine abweichende Postanschrift angegeben sei, sei in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Mangels Zustellung hätten die Voraussetzungen für den Beginn der Zwangsvollstreckung nicht vorgelegen.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Gegen die Eintragung einer Zwangshypothek kann sich der betroffene Eigentümer in zweierlei Weise zur Wehr setzen: Er kann unmittelbar gegen die Eintragung nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 1 GBO vorgehen mit dem Ziel, einen Widerspruch eintragen oder aber die Eintragung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit löschen zu lassen (Demharter GBO 30. Aufl. § 71 Rn. 49 und 51); er kann aber auch gegen die eingetragene Hypothek mit einem Antrag auf Löschung wegen Unrichtigkeit (§ 22 GBO) vorgehen. Wird dieser Antrag abgewiesen, kann ein hiergegen gerichtetes Rechtsmittel bei behaupteter anfänglicher Unrichtigkeit allerdings nach herrschender Ansicht ebenfalls nur zur Eintragung eines Amtswiderspruchs oder zur Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit führen (vgl. § 53 Abs. 1 GBO; Senat vom 2.2.2016, 34 Wx 20/16, juris; OLG Hamm FGPrax 2012, 54; kritisch Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 150 f.).

Das Grundbuchamt hat die Eingabe der Beteiligten zu 1 in vertretbarer Weise als (neuen) Löschungsantrag behandelt, gegen dessen Zurückweisung das Rechtsmittel der Beschwerde jedenfalls nach § 71 Abs. 2 GBO statthaft ist. Auch sonst erweist sich die Beschwerde als zulässig (§ 73 GBO).

2. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.

a) Der Ausnahmefall, dass die Löschung der Zwangshypothek nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO verlangt werden kann, weil die Eintragung einen unzulässigen Inhalt hat und somit ein gutgläubiger Erwerb ausscheidet, liegt nicht vor, denn Zwangshypotheken mit dem hier verlautbarten Inhalt sieht das Gesetz vor (§§ 866, 867 ZPO).

b) Die Eintragung eines Amtswiderspruchs wegen des behaupteten Fehlens von Vollstreckungsvoraussetzungen kann die Beteiligte zu 1 nicht verlangen, weil das Grundbuchamt bei seiner Eintragungstätigkeit keine gesetzlichen Vorschriften verletzt hat.

Die Eintragung eines Amtswiderspruchs setzt gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO voraus, dass das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Dabei müssen die Gesetzesverletzung feststehen und die Unrichtigkeit des Grundbuchs glaubhaft sein (Senat vom 15.4.2016, 34 Wx 37/16 = Rpfleger 2016, 556; Demharter § 53 Rn. 20, 25 und 28; Hügel/Holzer § 53 Rn. 15, 25 und 32).

aa) Die Eintragung erfolgte nach Maßgabe der §§ 866, 867 ZPO, §§ 13, 28 GBO auf Grund wirksamer Eintragungsanträge der anwaltlich vertretenen Gläubiger unter Beigabe eines geeigneten Titels. Die mit dem Nachtrag verbundene notarielle Urkunde, in der sich die Beteiligte zu 1 der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, ist über einen bezifferten Zahlungsanspruch errichtet, der grundsätzlich einer vergleichsweisen Regelung zugänglich ist (vgl. §§ 704, 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO).

bb) Die Pflicht, den Inhalt des Vollstreckungstitels darauf zu überprüfen, ob er nach Art und Höhe die beantragte Vollstreckungsmaßnahme zu tragen geeignet ist, hat das Grundbuchamt nicht verletzt. Gemäß Nachtragsurkunde wurde ein konkret bezifferter Kaufpreisteil von 50.000 € auf die Dauer von drei Monaten ab Beurkundungsdatum gestundet und war bei Fälligkeit je zur Hälfte an die beiden Verkäufer zu leisten. Die zugunsten des jeweiligen Gläubigers eingetragenen Hypotheken von je 25.000 € stimmen daher mit den Vollstreckungsforderungen laut Titel überein. Der Stundungszeitraum war im Eintragungszeitpunkt abgelaufen (§ 751 Abs. 1 ZPO).

cc) Vollstreckungsklauseln zugunsten der betreibenden Gläubiger (§§ 725, 750 Abs. 1 Satz 1, 797 Abs. 2 ZPO) lagen vor.

dd) Soweit die Beteiligte zu 1 behauptet, die Titel seien nicht an ihre Melde-/Wohnadresse zugestellt worden, ist ein Gesetzesverstoß des Grundbuchamts nicht dargetan und auch nicht ersichtlich.

Zwar darf gemäß § 750 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn der Titel bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Auch erstreckt sich die Prüfungspflicht des bei Eintragung von Zwangshypotheken als Vollstreckungsorgan tätigen Grundbuchamts auf das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen (Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 2168).

Bei dieser Prüfung waren für das Grundbuchamt jedoch keine Anzeichen für einen Zustellungsmangel erkennbar. Das Grundbuchamt durfte von einer wirksamen Zustellung an die im Titel bezeichnete Schuldnerin ausgehen, denn die zum Nachweis erfolgten Zustellungsurkunden erbringen als öffentliche Urkunden im Sinne von §§ 182 Abs. 1, 418 ZPO bis zum Beweis des Gegenteils (§ 418 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH WM 2011, 2017/2018; WM 2004, 2203/2204) den vollen Nachweis für die in ihnen bezeugten Tatsachen, mithin für die im Gerichtsvollzieherauftrag durch einen Postbediensteten vorgenommenen Zustellungen durch Einlegen in einen zur Wohnung der Zustelladressatin gehörenden Briefkasten oder sonstige Vorrichtung gemäß § 750 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO i. V. m. §§ 191, 192, 194, 180 ZPO. Der Umstand, dass die Zustelladresse nicht mit den in den notariellen Urkunden angegebenen Anschriften übereinstimmt, mindert den Beweiswert der Zustellungsurkunden nicht. Auch sonst ergaben sich aus dem Auseinanderfallen der Anschriften keine berechtigten Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der bescheinigten Zustellung. Schon in der Notarurkunde vom 5.7.2012 – allerdings nicht mehr in der Nachtragsurkunde vom 16.8.2012 – waren zwei verschiedene Anschriften angegeben. Vor allem aber lagen zwischen den Zeitpunkten der Beurkundung und der Zwangsvollstreckungsmaßnahme mehr als fünf Jahre. Dem Grundbuchamt, dem mit den Zustellungsurkunden eine gesetzesgemäße Zustellung nachgewiesen wurde, oblagen keine weiteren Prüfpflichten. Mithin hat das Grundbuchamt nicht gegen gesetzliche Pflichten verstoßen, als es die Eintragung nicht von weiteren Nachweisen für die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung – hier für den Umstand, dass die Beteiligte zu 1 an der Zustelladresse einen Wohnsitz unterhält – abhängig gemacht hat (vgl. auch OLG Nürnberg vom 15.3.2012, 15 W 300/12, juris).

ee) Auch im Übrigen sind keine Verstöße des Grundbuchamts gegen die ihm bei seiner Eintragungstätigkeit (somit am 30.12.2016) obliegenden Pflichten ersichtlich. Auf den Zeitpunkt, an dem der „Widerspruch“ der Beteiligten zu 1 beim Grundbuchamt eingegangen ist, kommt es aus Rechtsgründen nicht an. Unabhängig davon sind Pflichtverletzungen zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht ersichtlich, denn die Behandlung der Eingabe vom 5.5.2017 war – wie sich aus den Ausführungen unter 2. a) und b) ergibt – nicht zu beanstanden.

c) Es kommt somit nicht mehr darauf an, ob das Grundbuch, das trotz des behaupteten Zustellungsmangels eine Zwangshypothek verlautbart, derzeit unrichtig ist. Dass die Beteiligte zu 1 den Zustellungsmangel zwar behauptet, aber nicht glaubhaft gemacht hat (§ 31 FamFG), ist deshalb für die Entscheidung ebenfalls nicht mehr von Bedeutung.

3. Das mit der Beschwerde beanstandete Rechtsschutzdefizit besteht nicht.

Die Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 GBO dient allein dazu, Schadensersatzansprüchen gegen den Fiskus vorzubeugen, die aus einem Rechtsverlust durch gutgläubigen Erwerb aufgrund eines nach pflichtwidriger Eintragung unrichtigen Grundbuchs resultieren könnten.

Ausreichender Rechts- und Eigentumsschutz ist der Beteiligten zu 1 dadurch gewährleistet, dass sie wegen des behaupteten (allerdings heilbaren; vgl. Senat vom 15.4.2016, 34 Wx 34/16 = NJW 2016, 2815; BayObLG NJW-RR 2003, 1668/1669) Zustellungsmangels sowie des behaupteten Nichtbestehens der Vollstreckungsforderung – gegebenenfalls im Weg der einstweiligen Verfügung – die Eintragung eines Widerspruchs nach §§ 894, 899 Abs. 1 und Abs. 2 BGB gegen die nach ihrer Meinung derzeit unwirksamen Zwangshypotheken im gerichtlichen Verfahren gegen die Gläubiger betreiben kann (vgl. Thomas/Putzo ZPO 38. Aufl. § 867 Rn. 10 f.; Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 867 Rn. 40; Becker in Musielak/Voit ZPO 14. Aufl. § 867 Rn. 7). Dieser Rechtsbehelf setzt eine Gesetzesverletzung des Grundbuchamts nicht voraus.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Beteiligte zu 1 gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG die Verfahrenskosten als Antragstellerin zu tragen hat und außergerichtliche Kosten in der Beschwerdeinstanz nicht angefallen sind.

Einer Geschäftswertfestsetzung bedarf es nicht. Der Wert ergibt sich unmittelbar aus der Summe der beanstandeten Hypothekeneintragungen (§§ 79 Abs. 1 Satz 2, 53 Abs. 1 GNotKG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

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