OLG München – Az.: 34 Wx 30/12 – Beschluss vom 26.09.2012
Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen – Grundbuchamt – vom 13. Januar 2012 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Im Grundbuch war die Beteiligte zu 1, ein Kraftwerksunternehmen in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft, als Eigentümerin (u.a.) des Grundstücks xxx (Landwirtschaftsfläche, Gebäude- und Freifläche) eingetragen. Das Grundstück wurde zerlegt (Flst xxx: Gebäude- und Freifläche; Flst xxx: Landwirtschaftsfläche). Das Grundstück Flst xxx wurde sodann am 16.12.2011 an den Beteiligten zu 2, den Komplementär der Beteiligten zu 1, aufgelassen und mit dem Vollzug der Auflassung die Aufhebung der Vereinigung beider Flurstücke beantragt. Demgemäß wurde es am 29.3.2012 auf ein neues Grundbuchblatt übertragen; zugleich wurde der Beteiligte zu 2 als Eigentümer eingetragen.
Der Beteiligte zu 2 hat mit anwaltlichem Schreiben vom 16.11.2011 die Löschung der im Grundbuch in der Zweiten Abteilung (Nr. 1) vorgetragenen und am 14.11.1911 eingetragenen Forst- und Weiderechte für die auf einem anderen Grundbuchblatt näher bezeichneten Berechtigten beantragt. Er hat dies für das Grundstück Flst xxx damit begründet, dass es mit einem Wohnhaus bebaut und umzäunt sei und er bereits 1995 an die Weidegenossenschaft eine von deren Vorstand bestätigte Ablöse bezahlt habe. Das dingliche Recht sei nur noch eine „leere Hülse“. Grunddienstbarkeiten, die als solche nicht mehr ausgeübt werden könnten, seien von Amts wegen zu löschen.
Mit Zwischenverfügung vom 13.1.2012 hat das Grundbuchamt die fehlenden Löschungsbewilligungen der Forst- und Weideberechtigten bzw. ihrer Rechtsnachfolger beanstandet. Soweit die Forst- und Weiderechte als subjektiv dingliche Rechte beim berechtigten Anwesen gebucht seien, sei weiterhin auch die Bewilligung der Drittberechtigten erforderlich. Im Fall einer Löschungsbewilligung durch die Gemeinschaft bzw. Vereinigung (Rechtlerverband) sei weiter der Nachweis der entsprechenden Vertretungsberechtigung bzw. einer Vollmacht jeweils in der Form des § 29 GBO vorzulegen.
Das Grundbuchamt vertritt die Auffassung, bei den Belastungen handle es sich um dingliche Rechte auf wiederkehrende Entnahme oder wiederkehrende Lieferung von Walderzeugnissen sowie Heim- und Almweiderechte. Für diese Art von Rechten käme nur eine Löschung nach § 84 Abs. 2 Buchst. b GBO in Betracht, wenn sie aus tatsächlichen Gründen nicht mehr ausgeübt werden könnten. Eine objektive oder dauerhafte Unmöglichkeit der Ausübung sei jedoch nicht gegeben. Bebauung und Umzäunung machten die Ausübung der Rechte nicht dauerhaft und für alle Zukunft unmöglich, da der Berechtigte gerade deswegen die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verlangen könne.
Was die Ablöse angehe, sei nicht feststellbar, inwieweit sämtliche eingetragenen Berechtigten und deren Rechtsnachfolger ordnungsgemäß durch den Verband vertreten würden. Etwaige frühere Vollmachten seien mittlerweile durch diverse Erbgänge und Veräußerungen nicht mehr aktuell. Auch dürften wohl nicht sämtliche eingetragenen Berechtigten und deren Rechtsnachfolger Mitglieder der Vereinigungen sein.
Demnach seien Löschungsbewilligungen bzw. eine Pfandfreigabe von sämtlichen Berechtigten (bzw. deren Rechtsnachfolgern) in jeweils notariell beglaubigter Form erforderlich, bei Buchung als subjektiv dingliche Rechte ferner noch die Bewilligung der Drittberechtigten. Eine Abschreibung (nach § 1026 BGB) scheide aus.
Eine „Freiveräußerungsklausel“, die die Freigabeerklärungen der Berechtigten überflüssig machen würden, liege dem Amtsgericht lediglich als unbeglaubigte Kopie vor.
Gegen die am 13.1.2012 zugestellte Zwischenverfügung richtet sich die Beschwerde. Es sei unmöglich, 465 Berechtigte zur formgerechten Abgabe einer Löschungsbewilligung zu bewegen. Mittels Ortsbesichtigung könne sich das Amtsgericht davon überzeugen, dass sich das Grundstück in einem Baugebiet befinde, selbst eingezäunt und bebaut sei und das Forstrecht nur noch eine „leere Hülse“ darstelle. Das Amtsgericht hätte zudem prüfen müssen, ob und inwieweit ein Unschädlichkeitszeugnis hätte erteilt werden können.
Schließlich wird auf die vom Grundbuchamt angesprochene Freiveräußerungsklausel („Konstatierung“ vom 18.12.1911) hingewiesen.
Das Amtsgericht hat nicht abgeholfen.
II.
Die Zwischenverfügung ist – aus formellen Gründen – aufzuheben.
1. Das Rechtsmittel ist als Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Zwischenverfügung (§ 71 Abs. 1 i.V.m. § 18 Abs. 1 GBO) zulässig. Die Beteiligte zu 1 ist insbesondere (noch) beschwerdeberechtigt. Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob sie im ersten Rechtszug wirksam Anträge gestellt hat (vgl. BayObLGZ 1980, 37/40; Demharter GBO 28. Aufl. § 71 Rn. 63). Sie ist Eigentümerin eines der betroffenen Grundstücke das mit Rechten in Abteilung II belastet ist. Ihre Antragsberechtigung ergibt sich insoweit aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO.
Nichts anderes ergibt sich hinsichtlich des Beteiligten zu 2, der nun – im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts – Eigentümer des Grundstücks Flst xxx ist. Auch er wäre, jedenfalls jetzt, berechtigt, einen Antrag auf Löschung der Forst- und Weiderechte zu stellen (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO).
2. Aus formellen Gründen kann die Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO keinen Bestand haben.
Zwischenverfügungen sind ein Mittel, um der beantragten Eintragung dem nach dem Eingang des Antrags sich bestimmenden Rang zu sichern, der bei sofortiger Zurückweisung nicht gewahrt bliebe. Eine Zwischenverfügung ist daher nicht zulässig, wenn der Mangel des Antrags nicht mit rückwirkender Kraft geheilt werden kann; denn andernfalls erhielte die beantragte Eintragung einen Rang, der ihr nicht gebührt; in diesem Fall ist der Antrag sofort zurückzuweisen (st. Rspr. des Senats; vgl. Demharter § 18 Rn. 8 m.w.N.; aus der Rechtsprechung BayObLG NJW-RR 1991, 465; OLG Schleswig FGPrax 2010, 282; OLG Köln FGPrax 2010, 14; OLG Düsseldorf Rpfleger 2012, 520). Das gilt für die fehlende Berichtigungsbewilligung nicht anders als für eine rechtsändernde Bewilligung (BayObLG MittBayNot 1995, 42; OLG Düsseldorf aaO.).
3. In der Sache ist – ohne Bindungswirkung für das Grundbuchamt – anzumerken:
a) Die Voraussetzungen des § 22 GBO – Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit – liegen nicht vor. An die Führung des Nachweises sind strenge Anforderungen zu stellen; ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Vielmehr hat der Antragsteller alle Möglichkeiten auszuräumen, die der Richtigkeit der begehrten (neuen) Eintragung entgegenstehen würden (etwa BayObLG Rpfleger 1992, 19; OLG Düsseldorf Rpfleger 2012, 520 f.; Demharter § 22 Rn. 37). Ganz entfernte Möglichkeiten brauchen aber nicht widerlegt zu werden (BayObLG 1995, 416). Sind alte Forstberechtigungen im Grundbuch eingetragen, muss die behauptete Unrichtigkeit ebenso nachgewiesen werden, und zwar unabhängig davon, ob die Eintragung am Gutglaubensschutz des Grundbuchs teilnimmt oder nicht (siehe BayObLGZ 1972, 267).
(1) Die vorgelegte – unbeglaubigte – Ablösebestätigung vom 17.1.1995 belegt nach diesen – strengen – Maßstäben die Unrichtigkeit nicht. Das Grundbuchamt führt zutreffend an, dass nicht bewiesen ist, inwieweit die eingetragenen Berechtigten und deren Rechtsnachfolger ordnungsgemäß vertreten sind.
(2) Eine Abschreibung nach § 1026 BGB kann schon deshalb nicht vorgenommen werden, weil die Ausübung der Rechte nicht auf einem bestimmten Teil der belasteten Grundstücke beschränkt ist.
(3) Eine sogenannten Freiveräußerungsklausel, die bei Forstberechtigungen grundsätzlich in Betracht zu ziehen ist (BayObLGZ 1972, 267), ist im Grundbuch nicht eingetragen. Die Frage, ob sie im Weg der Grundbuchberichtigung (§ 22 GBO) eingetragen und die Berechtigungen sodann unter erleichterten Voraussetzungen gelöscht werden könnten, stellt sich hier nicht. Dies würde im Übrigen den Nachweis voraussetzen, dass eine solche Beschränkung der Berechtigungen schon immer besteht. Die dem Grundbuchamt vorliegende „Konstatierung“ vom 18.12.1911 ist für einen derartigen Nachweis schon deshalb nicht ausreichend, weil sie dem Grundbuchamt nicht in der Form des § 29 GBO vorliegt.
b) Eine Löschung der Forst- und Weiderechte kommt grundsätzlich nach Art. 1 Unschädlichkeitszeugnisgesetz (UnschZG; BayRS IV, 582) in Betracht, wenn Teilflächen eines belasteten Grundstücks veräußert werden. Dann wird das Trennstück ohne Einwilligung der Berechtigten von den Belastungen frei, wenn von dem Amtsgericht, bei welchem das Grundbuch für das Grundstück geführt wird, festgestellt ist, dass die Veräußerung für die Berechtigten unschädlich ist. Anwendungsbereich des Unschädlichkeitszeugnisses ist entsprechend der Vorbehaltsnorm in Art. 120 Abs. 1 EGBGB die Veräußerung des belasteten Grundbesitzes. Maßgeblich ist die Änderung der rechtlichen Zuordnung von (Teil-) Flächen, gerade hierfür soll das Unschädlichkeitszeugnis als Ersatz für die sonst notwendige Bewilligung Betroffener erteilt werden. Nicht anwendbar ist hingegen das Gesetz etwa bei bloßen Abschreibungen von Fremdflächen im eigenen Besitz (vgl. Kirchmayer Rpfleger 2004, 203 f.). Denn für Löschungen außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 120 EGBGB fehlt eine rechtliche Grundlage.
Deshalb ist hier für das Grundstück Flst xxx schon offensichtlich die Anwendbarkeit der Regeln über das Unschädlichkeitszeugnis ausgeschlossen, weil eine Veränderung in der eigentumsrechtlichen Zuordnung nicht stattgefunden hat. Hinsichtlich des Grundstücks Flst xxx ist die eigentumsrechtliche Zuordnung abgeschlossen, ohne dass der für das Unschädlichkeitszeugnis notwendige Antrag (Art. 4) gestellt und das Zeugnis erteilt wurde. Nach eigentumsrechtlicher Neuzuordnung fehlt eine Grundlage, das Gesetz noch anzuwenden. Zudem hat der Erwerber gemäß der Auflassungsurkunde das Grundstück mit den eingetragenen Belastungen ausdrücklich übernommen.
c) Bei den eingetragenen Belastungen handelt es sich um Forst- und Weiderechte, die sich ihrerseits entweder als Grunddienstbarkeit oder Reallast darstellen. Deren Löschung als gegenstandslos setzt nach § 84 Abs. 2 Buchst. b GBO voraus, dass das Recht, auf das sich die Eintragung bezieht, aus tatsächlichen Gründen dauernd nicht ausgeübt werden kann. Damit sind Fälle gemeint, in denen die Rechtsausübung wegen eines andauernden widrigen Zustands des belasteten Grundstücks unmöglich ist, und dies auch nur dann, wenn der Berechtigte die ausübungshindernden Grundstücksveränderungen hinnehmen muss, er also kraft seines dinglichen Rechts keinen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes mehr hat (BayObLGZ 1986, 218/221). Für die Löschung von Forst- und Weiderechten wird eine derartige Möglichkeit in der Literatur erörtert, etwa bei völliger Überbauung eines Grundstücks (Kohler in Bauer/von Oefele GBO 2. Aufl. § 84 Rn. 16; Peter BWNotZ 1983, 49/50 f.). Das Grundbuchamt hat inzident im Rahmen der Zwischenverfügung die Voraussetzungen für eine Löschung von Amts wegen verneint. Der Senat hat dies schon deshalb nicht zu beurteilen, weil die Entscheidung des Grundbuchamts, ein Verfahren zur Löschung gegenstandsloser Eintragungen von Amts wegen (nicht) durchzuführen, in dessen Ermessen steht und nicht mit dem Rechtsmittel der Beschwerde angreifbar ist (vgl. § 85 Abs. 2 GBO; dazu Demharter § 85 Rn. 6 einerseits; Hügel/Zeiser GBO 2. Aufl. § 85 Rn. 13 andererseits zur strittigen Frage der Zulässigkeit einer Rechtspflegererinnerung).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.