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Zweifel an Geschäftsfähigkeit des Erklärenden bei falscher Schreibweise des eigenen Vornamens

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 2 Wx 64/22 – Beschluss vom 27.01.2023

Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung vom 30.11.2022 wird auf Kosten der Beschwerdeführer zurückgewiesen.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Im Grundbuch von X Blatt … des Amtsgerichts Y sind Herr S1 (im Folgenden: Erblasser) sowie die Antragstellerin und Beteiligte zu 2 zu je 1/2 als Miteigentümer eingetragen. Die Beteiligte zu 2 wurde am …1933 geboren.

Am 24.11.2022 haben die Antragsteller die Löschung eines Rechtes, die Schließung des Erbbaugrundbuches und die Eintragung einer Eigentumsvormerkung gemäß § 7 des (beigefügten) Vertrages beantragt. Dem Antrag beigefügt war ein Grundstückskaufvertrag vom 23.11.2022 (UVZ-Nr. … des Notars Z aus X). Ausweislich dieses Vertrages veräußern die Antragsteller und Beteiligten zu 1-4 (zugleich Erben des Erblassers) das verfahrensgegenständliche Grundstück, wobei die Beteiligte zu 2 durch ihren Sohn, den Beteiligten zu 1, vertreten wurde. Ebenfalls beigefügt war die Generalvollmacht mit Betreuungsverfügung vom 10.05.2022 (UVZ-Nr. … des Notars Z aus X), mit der die Beteiligte zu 2 den Beteiligten zu 1 umfassend bevollmächtigt hat. Am Ende der Urkunde befindet sich an der Stelle über der Unterschrift des Notars folgendes handschriftliches Schriftbild: Zunächst sind schwach ein „S“ sowie einige unleserliche Striche dahinter zu erkennen. Danach ist der Nachname der Beteiligten zu lesen und dahinter die Buchstabenfolge „Eran“. Zur Errichtung der Vollmachtsurkunde hatte sich der Notar in die Pflegeeinrichtung begeben, in der die Beteiligten zu 2 wohnt.

Nach einem ersten Hinweis des Grundbuchamtes vom 30.11.2022, in dem Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2 geäußert wurden, nahm der Notar dahingehend Stellung, dass die Beteiligte zu 2 nach seiner Einschätzung zwar etwas aufgeregt, aber absolut klar und im Bilde gewesen sei, er habe mit ihr eingehend über die beabsichtigte Erteilung einer Generalvollmacht gesprochen. Aufgrund ihrer körperlichen Gebrechlichkeit und latenten Aufgeregtheit sei sie nicht in der Lage gewesen, ihre Unterschrift flüssig unter die Urkunde zu setzen. Daher würde auch das nicht identifizierbare Schriftzeichen herrühren.

Mit der angegriffenen Zwischenverfügung vom 02.12.2022 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts Y den Antragstellern aufgegeben, die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2 zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen. Das Grundbuchamt habe begründete Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2 zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung. Die nicht eindeutig identifizierbaren Schriftzeichen vor der Unterschrift der Beteiligten würden für sich allein betrachtet nicht zwingend auf eine Geschäftsunfähigkeit hindeuten. Ein im eigenen Vornamen enthaltener Schreibfehler in Form eines Buchstabendrehers („Eran“ statt „Erna“) würde hingegen erhebliche Zweifel an der Geschäftsfähigkeit begründen, da er regelmäßig auf eine starke Einschränkung im Bereich der geistigen Funktionen zurückzuführen sei. Die vom Notar angeführte Aufgeregtheit der Beteiligten zu 2 als Ursache überzeuge nicht. Selbst wenn der Schreibfehler selbst hierauf zurückzuführen sein möge, bliebe unerklärt, weshalb der Fehler von der Beteiligten offensichtlich unbemerkt und unkorrigiert geblieben sei. An die Überzeugung des Notars, bei dem bei Beurkundung keine Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2 aufgekommen seien, sei das Grundbuchamt nicht gebunden.

Hiergegen haben die Beteiligten am 19.12.2022 Beschwerde eingelegt. Die Beteiligte zu 2 habe lediglich einfache Volksschulbildung und sich Zeit ihres Lebens kaum um schriftliche Dinge gekümmert. Infolge eines körperlichen Gebrechens habe sie schon sehr lange Zeit keine schriftlichen Dinge mehr erledigt.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 23.12.2022 nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 20.01.2023 hat der die Beteiligten vertretende Notar eine Stellungnahme des Deutschen Notarinstituts vom 20.01.2023 eingereicht. Auf den Inhalt wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Grundbuchamt hat den Antragstellern und Beteiligten zu 1-4 zu Recht mit der angegriffenen Zwischenverfügung aufgegeben, die Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2 auszuräumen.

Das Grundbuchamt hat die Geschäftsfähigkeit der Erklärenden zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung (hier: der Vollmacht) selbständig zu prüfen (OLG Hamm, Beschluss vom 5. November 2014 – I-15 W 452/14 –, Rn. 3, juris; Demharter GBO, 32. Aufl., § 20 Rn. 38.2). Dabei hat es vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit Volljähriger auszugehen (Meikel GBO, 12. Aufl., § 29 Rn. 134; OLG Hamm aaO).

Ergeben sich jedoch auf Tatsachen gegründete Zweifel an der Geschäftsfähigkeit, ist dem durch Zwischenverfügung nachzugehen und dem Antragsteller aufzugeben, die Zweifel etwa durch Vorlage ärztlicher Bescheinigungen auszuräumen (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 9 W 526/11 –, Rn. 12, juris; Meikel, aaO, Rn. 135: ärztliches Gutachten; Demharter, aaO, § 18 Rn. 3: ärztliches Zeugnis; OLG München, Beschluss vom 29. August 2019 – 34 Wx 18/19 –, Rn. 17, juris). An die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit durch den beurkundenden Notar ist das Grundbuchamt nicht gebunden (OLG Hamm, Beschluss vom 5. November 2014 – I-15 W 452/14 –, Rn. 3, juris).

Vorliegend hat das Grundbuchamt zu Recht Zweifel an der Geschäftsfähigkeit geäußert, die auf der Unterschrift der Beteiligten zu 2 unter der Vollmachtsurkunde gründen. Dass die Beteiligte zu 2 ausweislich des Schriftbildes zusammen mit der Mitteilung des beurkundenden Notars offensichtlich ein zweites Mal zur Unterschrift ansetzen musste, ist dabei mit der mangelnden Übung der Beteiligten zu 2, ihrem hohen Alter sowie ihrer allgemeinen Gebrechlichkeit zu erklären und erlaubt für sich genommen keinen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2. Die Tatsache jedoch, dass die Beteiligte zu 2 ihren aus vier Buchstaben bestehenden Vornamen nicht fehlerfrei geschrieben und dies entweder nicht bemerkt hat oder trotz eines Bemerkens so hingenommen hat, weckt doch erhebliche Zweifel. Dies gilt auch, wenn man das sehr hohe Alter der Beteiligten zu 2 und ihre mangelnde Übung beim Schreiben sowie ihre körperlichen Gebrechen in Rechnung stellt. Es handelt sich nicht um einen bloßen Schreibfehler im Sinne einer motorischen Fehlleistung. Vielmehr wurden die Buchstaben für sich genommen richtig und gut leserlich geschrieben, jedoch stimmt die Reihenfolge der Buchstaben beim Vornamen nicht. Selbst wenn man ein Vertauschen der Buchstaben beim eigenen Vornamen noch für nachvollziehbar hielte, ist die Tatsache, dass der Fehler nicht korrigiert wurde, nur noch schwerlich zu erklären. Jedenfalls begründet dies einen so erheblichen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2, dass nicht mehr vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden kann.

Zum weiteren Verfahren merkt der Senat an, dass die Zweifel an der Geschäftsfähigkeit auch auf andere Weise als durch ein ärztliches Gutachten ausgeräumt werden können. Beispielsweise kann auch eine (fundierte und aussagekräftige) ärztliche Bescheinigung (Demharter, aaO, § 18 Rn. 3: ärztliches Zeugnis) hierzu geeignet sein. Erforderlich ist auch nicht, dass der volle Nachweis der Geschäftsfähigkeit erbracht wird, lediglich die bestehenden Zweifel sind auszuräumen (Demharter, aaO, § 20 Rn. 38.2, § 18 Rn. 3; Meikel, aaO, Rn. 135 mwN).

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 61 Abs. 1, 36 Abs. 3 GNotKG.

 

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