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Volljährigenadoption – intakte Beziehung zur leiblichen Mutter

OLG Karlsruhe – Az.: 18 UF 60/21 – Beschluss vom 17.05.2022

1. Die Beschwerde der Annehmenden gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Freiburg vom 15.03.2021 wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass auch der Antrag des Anzunehmenden auf Annahme als Kind der Annehmenden zurückgewiesen wird.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 187.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die von den Antragstellern begehrte Volljährigenadoption des Anzunehmenden durch die Annehmende.

Der am … geborene Anzunehmende ist der Neffe und das Patenkind der am … geborenen Annehmenden.

Die Annehmende war mit dem am … verstorbenen … verheiratet. Aus dieser Ehe sind die beiden Kinder …, geboren am …, und …, geboren am …, hervorgegangen. Zu ihrer Tochter … besteht seit etwa 35 Jahren kein persönlicher Kontakt mehr. Die Verbindung zu ihrem Sohn … ist seit dem 01.03.2010 infolge einer Auseinandersetzung am 80. Geburtstag des Ehemannes der Annehmenden abgebrochen. Mit gemeinschaftlichem Ehegattentestament vom 11.06.2015 setzten sich die Eheleute wechselseitig zu unbeschränkten Alleinerben und den Anzunehmenden zum Schlusserben des Längerlebenden ein.

Der Anzunehmende unterhielt seit früher Kindheit regelmäßigen Kontakt mit der Annehmenden und ihrem verstorbenen Ehemann. Die Beziehungen intensivierten sich nach dem Tod des Vaters des Anzunehmenden in dessen zwölften Lebensjahr. Die Mutter des Annehmenden lebt seit 2015 in einer eigenen Wohnung im Haus der Annehmenden.

Am 24.08.2020 beantragten die Annehmende und der Anzunehmende, die Annahme als Kind des Anzunehmenden durch die Annehmende zu beschließen. Zur Begründung führten sie aus, dass zwischen ihnen seit rund 15 Jahren ein Eltern-Kind-Verhältnis bestehe. Die Ehefrau des Anzunehmenden hat der beantragten Annahme ihres Ehemannes ausdrücklich zugestimmt.

Das Amtsgericht hat die Annehmende und den Anzunehmenden am 09.02.2021 persönlich angehört. Den leiblichen Kindern der Annehmenden wurde rechtliches Gehör gewährt. Sie treten der Adoption entgegen.

Mit Beschluss vom 15.03.2021 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Freiburg den Antrag der Annehmenden auf Annahme des Anzunehmenden als Kind zurückgewiesen.

Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass dahinstehen könne, ob die Annahme mit Blick auf ein zwischen den Antragstellern entstandenes Eltern-Kind-Verhältnis sittlich gerechtfertigt sei, da der Volljährigenadoption jedenfalls überwiegende Interessen der leiblichen Kinder der Annehmenden gemäß § 1769 BGB entgegenstünden. Dies gelte insbesondere für die materiellen Interessen des leiblichen Kindes …, dessen Pflichtteilsanspruch durch die beantragte Volljährigenadoption in Höhe von etwa 62.500 € verkürzt würde, was nach Abwägung aller weiteren Umstände nicht gerechtfertigt sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen in der amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen diese ihr am 25.03.2021 zugestellte Entscheidung wendet sich die Annehmende mit ihrer am selben Tag beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde vom 26.04.2021 (Montag).

Zur Begründung macht sie geltend, dass eine Änderung der Erb- und Pflichtteilsquote alleine nicht zu einer unangemessenen Beeinträchtigung des leiblichen Kindes führen könne, was sich schon aus dem Umstand ergebe, dass das Gesetz die Adoption durch nicht kinderlose Annehmende ausdrücklich erlaube. Im Übrigen werde der Vermögensbestand der Annehmenden nicht notwendig derjenige bei ihrem Tod sein. Jedenfalls sei im Rahmen der Abwägung auch der Steuervorteil zu berücksichtigen, den der Anzunehmende durch die Adoption erlangen würde. Das Amtsgericht vergleiche zu Unrecht nur die rein quantitative Dauer der Beziehung zwischen der Annehmenden und ihrem leiblichen Sohn einerseits und dem Anzunehmenden andererseits. Tatsächlich komme der Lebenszeit und Dauer einer Lebensspanne im hohen Alter ein anderes Gewicht zu als in der Jugend und der mittleren Lebensphase. Die Annehmende habe sehr unter dem Zerwürfnis mit ihrem leiblichen Sohn gelitten und sei hierdurch vereinsamt. Das Ehegattentestament sei dennoch erst 2005 geändert worden. Wegen der Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 15.06.2021 Bezug genommen.

Das Beschwerdegericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 23.02.2022 darauf hingewiesen, dass eine intakte Beziehung des Anzunehmenden zu seinen leiblichen Eltern geeignet ist, Zweifel am Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen den Adoptionsbeteiligten zu begründen. Daraufhin hat die Annehmende unter Bezugnahme eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG Stuttgart vom 15.01.2019 – 17 UF 87/18) weiter zur Rechtslage Stellung genommen und insbesondere darauf hingewiesen, dass die sittliche Rechtfertigung der Adoption nicht per se ausgeschlossen sei, wenn der Anzunehmende gute Beziehungen zu seinen leiblichen Eltern unterhalte. Stehe, wie dies vorliegend der Fall sei, ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen den Adoptionsbeteiligten bereits fest, komme dem Verhältnis des Anzunehmenden zu seinen leiblichen Eltern keine entscheidende Bedeutung zu. Bezüglich der weiteren rechtlichen Ausführungen wird auf den Schriftsatz vom 26.04.2022 verwiesen.

Das Beschwerdegericht hat die Annehmende und den Anzunehmenden am 10.05.2022 persönlich angehört. Die Kinder der Annehmenden haben ergänzend schriftlich Stellung genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes, des Vorbringens der Beteiligten und des Verfahrensgangs wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Annehmenden ist unbegründet.

Der Adoptionsantrag ist zwar zulässig. Insoweit kann auf die überzeugenden Ausführungen des Amtsgerichts verwiesen werden, die sich das Beschwerdegericht nach Prüfung zu eigen macht.

Die Voraussetzungen für eine Annahme des Anzunehmenden als Kind durch die Annehmende liegen indes nicht vor.

1. Gemäß § 1767 Abs. 1 BGB kann ein Volljähriger als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist.

a) Die sittliche Rechtfertigung ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist, § 1767 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB. In diesem Fall wird die sittliche Rechtfertigung der angestrebten Volljährigenadoption nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift unwiderlegbar vermutet. Die Adoptionsbeteiligten haben sich nach der in § 1767 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB enthaltenen gesetzlichen Wertung mit der tatsächlichen Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses die rechtliche Verfestigung ihrer Beziehung durch die Adoption „verdient“, ohne dass es noch einer weitergehenden Prüfung bedarf, welcher konkrete Einzelzweck mit der Adoption verfolgt werden soll (BGH vom 25.08.2021 – XII ZB 442/18, juris Rn. 30).

Ein Eltern-Kind-Verhältnis im Sinne adoptionsrechtlicher Vorschriften wird geprägt durch ein soziales Familienband, welches nach seinem ganzen Inhalt dem durch die natürliche Abstammung geschaffenen Familienband ähneln soll. Ein Eltern-Kind-Verhältnis erfordert daher zunächst regelmäßig einen Altersabstand zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden, der einer natürlichen Generationenfolge zwischen Eltern und leiblichen Kindern entspricht (BGH, a.a.O. Rn. 31). Im Übrigen sind die an die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu stellenden Anforderungen im Rahmen der Volljährigenadoption nicht dieselben wie bei einer Minderjährigenadoption, weil sich die familiären Beziehungen auch in einem natürlichen Kindschaftsverhältnis im Laufe der Zeit lockern und andere Formen anzunehmen pflegen. Ein tatsächliches Zusammenleben von Eltern und erwachsenen Kindern ist daher nicht mehr Wesensmerkmal eines Eltern-Kind-Verhältnisses. Erforderlich ist aber eine dauernde seelisch-geistige Verbundenheit, wie sie zwischen leiblichen Eltern und Kindern auch nach deren Volljährigkeit bestehen bleibt, und die Bereitschaft zu gegenseitigem und uneigennützigen Beistand einschließt, wie ihn sich leibliche Eltern und Kinder üblicherweise leisten (BGH, a.a.O., Rn. 32). Das Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses muss sich in nachprüfbarerer Weise im äußeren Erscheinungsbild der Beziehungen zwischen den Adoptionsbeteiligten bewiesen haben. Im Rahmen der Gesamtwürdigung wird objektiven Indizien und äußeren Umständen, die für und gegen ein Eltern-Kind-Verhältnis sprechen, regelmäßig ein höheres Gewicht einzuräumen seien als den Äußerungen der Beteiligten über ihre subjektiven Empfindungen. Zweifel am Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses gehen zu Lasten der Adoptionsbeteiligten. Das Gericht darf solche Zweifel im Einzelfall auch darin begründet sehen, dass der Anzunehmende eine intakte Beziehung zu seinen leiblichen Eltern unterhält, denn obwohl das natürliche Kindschaftsverhältnis keine rechtliche Exklusivität für sich beanspruchen kann, entspricht es grundsätzlich keiner Lebenserfahrung, dass derjenige, der auf der Grundlage seiner in der Kindheit erfahrenen sozialen Prägung weiterhin durch ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis mit seinen leiblichen Eltern verbunden ist, eine Beziehung von vergleichbarer Qualität zu entfernteren Verwandten oder gar zu familienfremden Personen aufzubauen vermag (BGH, a.a.O., Rn. 33).

b) Lässt sich ein bereits bestehendes Eltern-Kind-Verhältnis zwischen den Adoptionsbeteiligten nicht feststellen, kommt eine Annahme nur noch dann in Betracht, wenn bei objektiver Betrachtung der bestehenden Bindungen und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen dem Annehmenden und dem Kind in Zukunft zu erwarten ist und darüber hinaus die Annahme mit Blick auf die mit der Adoption verfolgten Zwecke sittlich gerechtfertigt erscheint (BGH, a.a.O., Rn. 35). Zweifel am Vorliegen der als selbstständige und zusätzliche Adoptionsvoraussetzung erforderlichen sittlichen Rechtfertigung gehen zu Lasten der Adoptionsbeteiligten (BGH, a.a.O., Rn. 37, 41). Ergeben sich im Ergebnis der Ermittlungen sowohl Anhaltspunkte für familienbezogene Beweggründe als auch Anhaltspunkte für eine familienfremde Motivation, ist der Annahmeantrag abzulehnen, wenn sich das Gericht in der Gesamtwürdigung nicht davon überzeugen kann, dass das konkrete Adoptionsbegehren auch dann von den Beteiligten verfolgt worden wäre, wenn der im Raum stehende familienfremde Adoptionszweck mit der Annahme nicht erreicht werden könnte (BGH, a.a.O., Rn. 41).

2. Nach diesem rechtlichen Maßstab ist die beantragte Annahme nicht sittlich gerechtfertigt, weshalb der Antrag der Beteiligten schon aus diesem Grunde zurückzuweisen ist.

a) Dass ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen der Annehmenden und dem Anzunehmenden bereits entstanden ist, vermag das Gericht nicht festzustellen. Nach Gesamtwürdigung aller für und gegen ein Eltern-Kind-Verhältnis sprechender Indizien und Umstände verbleiben Zweifel am Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses, was zu Lasten der Adoptionsbeteiligten geht.

aa) Zwar entspricht der Altersunterschied zwischen den Adoptionsbeteiligten der natürlichen Generationenfolge.

Aufgrund der glaubhaften Angaben der Beteiligten im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung ist zudem festzustellen, dass zwischen den Beteiligten eine gute und enge verwandtschaftliche Beziehung besteht, die insbesondere durch die regelmäßigen, alle ein- bis zwei Wochen stattfindenden Besuche seiner Tante durch den Anzunehmenden sowie durch die regelmäßige Übernahme von Arbeiten in Haus und Garten der Annehmenden durch ihren Neffen geprägt ist. Dass die Fürsorge, die der Anzunehmende in vorbildlicher Weise seiner Tante angedeihen lässt, dabei nicht auf pekuniären Interessen beruht, ist schon daraus ersichtlich, dass er sehr deutlich und überzeugend zugesichert hat, sich unabhängig vom Ausgang des Verfahrens auch weiterhin um seine Tante kümmern zu wollen.

Weiter ist festzustellen, dass eine enge verwandtschaftliche Bindung bereits seit dem Kindesalter des Anzunehmenden besteht. Die Adoptionsbeteiligten haben insoweit übereinstimmend angegeben, dass der Anzunehmende nach dem Tod seines Vaters, als er zwölf Jahre alt war, regelmäßig seine Tante und ihren Ehemann in … besucht hat. Dabei hat der Anzunehmende anschaulich geschildert, dass der verstorbene Ehemann der Annehmenden für ihn in verschiedenen Fragen, beispielsweise den Beruf und den Führerschein betreffend, der erste Ansprechpartner war. Nach dem Tod des Ehemannes der Annehmenden hat der Anzunehmende sie zunehmend bei Behördengängen, Schriftverkehr sowie im Zusammenhang mit der Beerdigung unterstützt, wodurch das Verhältnis zwischen Neffen und Tante eine weitere Intensivierung erfahren hat.

bb) Zweifel am Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses ergeben sich allerdings aus der ungestörten und intakten Beziehung des Anzunehmenden zu seiner leiblichen Mutter. Gute Beziehungen zu den leiblichen Eltern stehen der Annahme eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden zwar nicht per se entgegen (OLG Stuttgart vom 15.01.2019 – 17 UF 87/18, juris Rn. 45), Sie sind aber geeignet, Zweifel am Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu begründen. Das natürliche Kindschaftsverhältnis kann zwar, wie sich aus § 1770 Abs. 2 BGB, wonach die Rechte und Pflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis des Angenommenen zu seinen Verwandten durch die Annahme grundsätzlich nicht berührt werden, ergibt, keine rechtliche Exklusivität für sich beanspruchen (BGH, a.a.O., Rn. 33). Es entspricht aber grundsätzlich keiner Lebenserfahrung, dass derjenige, der auf der Grundlage seiner in der Kindheit erfahrenen sozialen Prägung weiterhin durch ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis mit seinen leiblichen Eltern verbunden ist, eine Beziehung von vergleichbarer Qualität zu entfernteren Verwandten oder gar zur familienfremden Personen aufzubauen vermag (BGH, a.a.O., Rn. 33; Staudinger/Helms, BGB, 2019, § 1767 Rn. 26). Die Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses kommt daher regelmäßig schon dann nicht in Betracht, wenn eine ungestörte intakte Beziehung des Anzunehmenden zu mindestens einem leiblichen Elternteil besteht, soweit nicht dieser Elternteil Lebensgefährte oder Lebensgefährtin des Annehmenden ist (OLG Bremen vom 09.11.2016 – 4 UF 108/16, juris Rn. 8).

Anlass für derartige Zweifel sind im vorliegenden Fall gegeben. Der Anzunehmende unterhält eine stabile Beziehung zu seiner im selben Haus wie die Annehmende wohnhaften Mutter, die sich gleichfalls um die Annehmende kümmert. Eine durch das Verhältnis zur Annehmenden auszufüllende Lücke in den familiären Beziehungen des Anzunehmenden ist daher nicht vorhanden. Insbesondere ergibt diese sich nicht aus dem frühen Versterben seines Vaters in seinem zwölften Lebensjahr. Die Schilderungen des Anzunehmenden lassen zwar den Rückschluss zu, dass der verstorbene Ehemann der Annehmenden die vakant gewordene Vaterrolle jedenfalls teilweise ausgefüllt haben mag und der Anzunehmende und seine Mutter engen familiären Anschluss in der Familie der Annehmenden gefunden haben. Nicht ersichtlich ist hingegen, dass die Annehmende selbst diese Rolle übernommen hätte oder den Anzunehmenden selbst in besonderer Weise geprägt hätte. Auf Nachfrage hat sie vielmehr angegeben, dass die Erziehung des Anzunehmenden sowie schulische Fragen weiterhin seiner leiblichen Mutter vorbehalten geblieben seien. Der Anzunehmende hat auf Nachfrage angegeben, dass er mit der Annehmenden, wie jetzt auch, schon immer gut ausgekommen sei. Eine besondere Prägung oder eine über ein normales familiäres Verhältnis hinausgehende emotionale Verbundenheit ergibt sich hieraus nicht.

Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass aufgrund des Zusammenlebens der Annehmenden mit der leiblichen Mutter des Anzunehmenden nicht festgestellt werden kann, inwieweit eine eigenständige als Eltern-Kind-Verhältnis zu qualifizierende Beziehung zur Annehmenden besteht. So gelten die regelmäßigen Besuche des Anzunehmenden im Haus der Annehmenden sowohl seiner Tante als auch seiner leiblichen Mutter. Der übereinstimmenden Schilderungen der Adoptionsbeteiligten zufolge besucht er Mutter und Tante zusammen, wobei das gemeinsame Kaffeetrinken entweder in der Wohnung der Mutter oder in der Wohnung der Annehmenden stattfindet. Soweit die vom Anzunehmenden verrichteten Arbeiten in Haus und Garten unmittelbar der Annehmenden als Eigentümerin des Anwesens und allenfalls mittelbar seiner Mutter zugute kommen, sind diese für sich genommen nicht geeignet, eine als Eltern-Kind-Verhältnis zu qualifizierende seelisch-geistige Verbundenheit zu begründen.

Zusammenfassend ist zwar festzustellen, dass die persönlichen Beziehungen zwischen den Adoptionsbeteiligten denen zwischen nahen Verwandten entsprechenden und insbesondere der Anzunehmende sich in anerkennenswerter Weise um die Annehmende kümmert. Angesichts der stabilen Beziehung zu seiner leiblichen Mutter einerseits und der engen Bindung zwischen seiner Mutter und der Annehmenden andererseits, in die der Anzunehmende seit seiner Kindheit und erneut durch das Zusammenleben der Schwestern im Alter einbezogen wurde, reicht das zwischen den Adoptionsbeteiligten bestehende gute und mit regelmäßigen persönlichen Kontakten verbundene Verhältnis indes nicht aus, um eine familiäre Bindung in Form eines eigenständigen Mutter-Sohn-Verhältnisses festzustellen.

b) Eine Annahme kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen den Adoptionsbeteiligten in Zukunft zu erwarten wäre und darüber hinaus die Annahme mit Blick auf die mit der Adoption verfolgten Zwecke sittlich gerechtfertigt erschiene.

Die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses ist nicht zu erwarten. Anhaltspunkte für eine beabsichtigte weitere Intensivierung der bereits bestehenden familiären Beziehungen sind nicht ersichtlich. Der Anzunehmende hat glaubhaft versichert, auch weiter nach … zu seiner Tante fahren zu wollen. Die Annehmende hat angegeben, dass sie jemanden brauche, da ihre eigenen Kinder sich nicht um sie kümmern. Hieraus ergibt sich, dass ihr an einer Aufrechterhaltung der Beziehung zum Anzunehmenden sehr gelegen ist und die Beteiligten eine Aufrechterhaltung ihrer engen verwandtschaftlichen Beziehung beabsichtigen. Eine weitere Vertiefung steht hingegen nicht im Raum.

Schließlich ist auch nicht festzustellen, dass die Annahme, wobei es sich bei einem lediglich angebahnten Eltern-Kind-Verhältnis um eine selbstständige und zusätzlich Adoptionsvoraussetzung handelt (BGH, a.a.O., Rn. 37 ff.), sittlich gerechtfertigt wäre. Sittlich gerechtfertigt ist eine Annahme, wenn sie durch familienbezogene Gründe ausreichend legitimiert ist (BGH, a.a.O., Rn. 41). Vorliegend verfolgen die Adoptionsbeteiligten indes jedenfalls auch familienfremde Motive. Wie der Anzunehmende im Rahmen seiner Anhörung auf Frage mitgeteilt hat, geht es auch um das Finanzielle. Im vorliegenden Fall führte die Annahme nicht nur zu einer Ersparnis von Erbschaftssteuer durch den als Erben eingesetzten Anzunehmenden, sondern auch zu einer Verringerung der Pflichtteilsansprüche der leiblichen Kinder der Annehmenden. Auch das von der Annehmenden genannte Adoptionsmotiv, dass sie jemanden brauche, der sich um sie kümmert, vermag die sittliche Rechtfertigung der beantragten Annahme nicht zu begründen. Denn der Wunsch, den Anzunehmenden durch die Adoption stärker an sich zu binden, um dessen künftige Fürsorge zu sichern, stellt kein den Ausspruch der Adoption rechtfertigendes familienbezogenes Motiv dar (OLG Nürnberg vom 04.08.2014 – 9 UF 468/14, juris Rn. 27; OLG München vom 05.05.2009 – 31 Wx 017/09, juris Rn. 9). In der Gesamtbetrachtung spielen vorliegend neben der emotionalen Verbundenheit der Adoptionsbeteiligten insbesondere die finanziellen Aspekte eine so gewichtige Rolle, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Beteiligten das konkrete Adoptionsbegehren auch dann verfolgt hätten, wenn dieser familienfremde Adoptionszweck mit der Annahme nicht erreicht werden könnte. Unter diesen Umständen ist der Annahmeantrag abzulehnen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 41).

3. Da das Amtsgericht in seinem Beschlusstenor formal nur den Antrag der Annehmenden auf Annahme des Anzunehmenden zurückgewiesen hat, tatsächlich aber sowohl die Annehmende als auch der Anzunehmende mit notarieller Urkunde vom 24.08.2020 die Annahme beantragt haben, über beide Anträge nur einheitlich entschieden werden kann (OLG Bamberg vom 18.10.2011 – 2 UF 234/11, juris Rn. 10) und das Amtsgericht, wie sich aus den Gründen des Beschlusses ergibt, in der Sache ausdrücklich über beide Anträge entschieden hat („Der Antrag der Annehmenden und des Anzunehmenden auf die Aussprache der Volljährigenadoption ist zulässig, aber unbegründet“), ist klarzustellen, dass die Zurückweisung auch den Antrag des Anzunehmenden umfasst.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81 FamFG. Es besteht kein Anlass vom Grundsatz der Kostentragungspflicht des erfolglos gebliebenen Beschwerdeführers abzuweichen.

2. Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 40, 42 Abs. 2 FamGKG. In Adoptionssachen handelt es sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit, sodass § 42 Abs. 2 FamGKG anzuwenden ist (OLG Karlsruhe vom 13.01.2022 – 5 UF 39 / 21, juris Rn. 9). Danach ist der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Anzunehmende verfügt ihren eigenen Angaben zufolge über ein Vermögen in Höhe von etwa 750.000 €. Nachdem die begehrte Adoption nicht nur eine beachtliche Verringerung der Pflichtteilsansprüche der leiblichen Kinder der Annehmenden, sondern auch eine ganz erhebliche Erhöhung des Steuerfreibetrages zugunsten des Anzunehmenden zur Folge hätte, was angesichts des fortgeschrittenen Alters der am … geborenen Annehmenden nicht außer Betracht bleiben kann, erscheint es im vorliegenden Fall angemessen, ihr Vermögen mit einem Prozentsatz von 25 % anzusetzen (in diesem Sinne OLG Braunschweig vom 02.03.2021 – 1 WF 24/21, juris Rn. 11; OLG München vom 07.12.2020 – 16 UF 728/20, juris Rn. 50). Die hier gegebenen tatsächlichen Umstände sind mit dem der Entscheidung des fünften Senats (OLG Karlsruhe vom 13.01.2022 – 5 UF 39 / 21, juris Rn. 19) zugrunde liegenden Sachverhalt – dort war ein eventueller Erbgang noch nicht absehbar – nicht vergleichbar.

3. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG bestehen nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH vom 25.08.2021 – XII ZB 442/18, juris Rn. 29 ff.) hat erst kürzlich grundlegend dargelegt, welche Maßstäbe für die Feststellung des Bestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses anzulegen sind und insbesondere die zuvor uneinheitlich beurteilte Frage (vgl. Staudinger/Helms, BGB, 2019, § 1767 Rn. 26), welche Auswirkungen dem Vorhandensein einer eigenen intakten Familie beizumessen sind, dahingehend geklärt, dass das Gericht Zweifel am Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses im Einzelfall darin begründet sehen darf, dass der Anzunehmende eine intakte Beziehung zu seinen leiblichen Eltern unterhält.

 

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