Familiäre Bindungen vs. Rechtliche Rahmenbedingungen: Warum das OLG Koblenz einen Adoptionsantrag abgelehnt hat
In einem bemerkenswerten Fall hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Adoptionsantrags durch das Amtsgericht Montabaur zurückgewiesen. Im Kern ging es um die Adoption von Volljährigen durch ihre Tante. Die Annehmende, eine kinderlose Geschäftsführerin im Familienunternehmen, wollte ihre Neffen als Kinder adoptieren. Beide Parteien hatten eine enge, familiäre Beziehung und lebten sogar unter einem Dach, bis die Neffen auszogen. Das rechtliche Hauptproblem lag in der Frage, ob die Adoption „sittlich gerechtfertigt“ sei, insbesondere da die Annehmende vermögend ist und steuerliche Vorteile im Raum standen.
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Übersicht
Die Rolle der „Sittlichen Rechtfertigung“
Das Familiengericht und später das OLG Koblenz stellten fest, dass die Adoption nicht sittlich gerechtfertigt sei. Die Beteiligten argumentierten, dass die Volljährigenadoption weniger strenge Anforderungen stelle und die enge Verbundenheit zwischen ihnen ausreiche. Das Gericht sah dies anders. Es betonte, dass ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis nicht nur durch räumliche Nähe oder familiäre Bindungen entsteht. Die Annehmende hatte zwar eine enge Beziehung zu ihren Neffen, aber diese war nicht gleichwertig mit der Beziehung zu ihren leiblichen Eltern.
Steuerliche Motivation als Hürde
Ein weiterer kritischer Punkt war die Vermutung einer steuerrechtlichen Motivation hinter der Adoption. Die Annehmende ist vermögend und Geschäftsführerin im Familienunternehmen. Das Gericht sah in den Vermögensverhältnissen der Annehmenden einen Grund, die Adoption als primär steuerlich motiviert anzusehen. Obwohl die Beteiligten dies bestritten, konnte das Gericht keine anderen überzeugenden Gründe für die Adoption finden.
Mehrfache Eltern-Kind-Verhältnisse im deutschen Recht
Das deutsche Adoptionsrecht erlaubt keine mehrfachen Eltern-Kind-Verhältnisse. Selbst wenn die Anzunehmenden zu ihren leiblichen Eltern und der Annehmenden gleichermaßen gute Beziehungen haben, können sie rechtlich nur einen Vater und eine Mutter haben. Dieses Prinzip wurde auch im Urteil hervorgehoben und diente als weiterer Grund für die Ablehnung des Adoptionsantrags.
Die Grenzen der familiären Verbundenheit
Die Annehmende und die Anzunehmenden hatten zwar eine enge familiäre Bindung, aber das Gericht stellte klar, dass dies nicht ausreicht, um die rechtlichen Anforderungen für eine Adoption zu erfüllen. Selbst gemeinsame Aktivitäten und die Einbeziehung der Annehmenden in Entscheidungen über den schulischen und beruflichen Werdegang der Anzunehmenden reichten nicht aus, um ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis zu begründen.
Das Urteil des OLG Koblenz zeigt, dass familiäre Bindungen allein nicht ausreichen, um die rechtlichen Hürden für eine Adoption zu überwinden. Es betont die Notwendigkeit einer „sittlichen Rechtfertigung“ und stellt klare Grenzen für das, was im Rahmen des deutschen Adoptionsrechts möglich ist.
Das vorliegende Urteil
OLG Koblenz – Az.: 7 UF 516/19 – Beschluss vom 19.12.2019
1. Die Beschwerde der Anzunehmenden und der Annehmenden gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Montabaur vom 21. Juni 2019 Az.: 21 F 139/18 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beschwerdeführer als Gesamtschuldner.
3. Der Verfahrenswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Anzunehmenden sind die Neffen der Annehmenden. Die Annehmende ist die ältere Schwester ihrer Mutter.
Die Annehmende ist ledig und kinderlos und war nach dem Abschluss ihrer Schulausbildung zunächst als Kaufmännische Angestellte, seit 1968 als Geschäftsführerin im Familienunternehmen, der …[G] OHG, tätig. Sie bewohnt heute noch eine Wohnung in der …[Y]straße 38 in …[Z] in dem Haus, in dem auch die Eltern der Anzunehmenden leben.
Die Beteiligten haben also bis zum Auszug der Anzunehmenden aus dem Elternhaus unter einem Dach zusammengelebt. Dementsprechend waren die Anzunehmenden während ihrer Kindheit auch sehr häufig im Haushalt der Annehmenden, die ihnen dort z. B. einen eigenen Adventskalender bereitgestellt hat. Bekam die Annehmende Besuch, so brachten die Besucher häufig Aufmerksamkeiten für ihre Neffen mit. Soweit die Eltern verhindert waren, fuhr sie diese zum Sport, insbesondere zum Fußballtraining oder betreute sie bei den Hausaufgaben.
Die Anzunehmenden haben nach ihren Angaben zu ihrer Tante ein vergleichbar gutes Verhältnis wie zu ihren leiblichen Eltern. Sie sehen sie heute noch ein bis zweimal wöchentlich und unterstützen sie im Bedarfsfall, z. B. während ihrer schweren Herzerkrankung im Frühjahr 2018.
Mit notarieller Urkunde vom 31. August 2018, Urkundsregisternr. 1196/2018 des Notars …[B] mit dem Amtssitz in …[X] haben die Beteiligten übereinstimmend beantragt, beim zuständigen Familiengericht auszusprechen, dass die Annehmende die Anzunehmenden als Kind annimmt, wobei sich die Wirkung der jeweiligen Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Volljährigen richten sollen und die Annehmenden künftig den Familiennamen …[S-G] führen wollen.
Die jeweiligen Ehefrauen der Anzunehmenden haben der beabsichtigten Annahme zugestimmt. Auch die mittlerweile volljährige Tochter des Anzunehmenden …[CS], …[ES], hat der beabsichtigten Annahme als Kind zugestimmt.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 21. Juni 2019 hat das Familiengericht den Adoptionsantrag abgewiesen, da der Ausspruch der Annahme als Kind vorliegend nicht sittlich gerechtfertigt sei. Aufgrund der Vermögensverhältnisse der Annehmenden sei primär von einer steuerrechtlichen Motivation der Beteiligten auszugehen.
Gegen den ihnen am 27. Juni 2019 zugestellten Beschluss haben die Annehmende sowie die Anzunehmenden mit gemeinsamen Schreiben vom 10. Juli 2019 Beschwerde eingelegt. Dieses Schreiben ist am 12. Juli 2019 beim Familiengericht eingegangen. Mit Schriftsatz vom 26. August 2019 hat der beurkundende Notar für die Beteiligten die Beschwerde begründet. Diese Beschwerdebegründung ist am 2. September 2019 beim Familiengericht eingegangen.
Die Beteiligten verweisen darauf, dass im Unterschied zur allgemeinen Minderjährigenadoption die Volljährigenadoption weniger strenge Anforderungen aufstelle. Der sittlichen Rechtfertigung der Volljährigenadoption stehe es nicht entgegen, dass die Anzunehmenden auch zu ihren leiblichen Eltern noch eine gute Beziehung unterhielten oder gar noch bei diesen lebten. Zwischen den Beteiligten bestehe eine enge Verbundenheit, wie man sie normalerweise nur zwischen Eltern und Kindern finde. Für die in der Begründung des Familiengerichts in den Vordergrund gestellten erbschaftssteuerrechtlichen Erwägungen gebe es in den von den Beteiligten abgegebenen Stellungnahmen keinerlei Anhaltspunkte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zu den Akten gereichten Stellungnahmen und ergänzenden Unterlagen sowie auf das Protokoll der persönlichen Anhörung vor dem Familiengericht am 11. März 2019 Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 58 f., 197 FamFG statthafte und zulässige Beschwerde der Beteiligten ist in der Sache nicht begründet. Zu Recht hat das Familiengericht angenommen, dass für die beantragte Annahme als Kind die sittliche Rechtfertigung im Sinne des § 1767 Abs. 1 BGB fehlt.
1.
Der Senat entscheidet hier nach § 68 Abs. 2 S. 3 FamFG ohne mündliche Verhandlung, da hiervon zusätzlichen Erkenntnissen nicht zu erwarten sind. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, die Entwicklung ihrer persönlichen Beziehungen untereinander ausführlich darzustellen. Dies ist mit den von ihnen zu den Akten gereichten Lebensläufen, in dem Anhörungstermin vom 11. März 2019 und zuletzt mit der vorgelegten Beschwerdebegründung geschehen. Die mittlerweile volljährige Tochter des Annehmenden …[CS], …[ES], hatte sich zwar erstinstanzlich nicht geäußert, hat jedoch im Beschwerdeverfahren am 20. Oktober 2019 eine schriftliche Stellungnahme abgegeben.
2.
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Anzunehmenden als Kinder der Annehmenden nach den §§ 1767 f. BGB liegen hier nicht vor.
Zwar liegt die nach § 1767 Abs. 2 S. 2 BGB erforderliche Zustimmung der jeweiligen Ehegatten der Annehmenden vor und es kann auch nicht festgestellt werden, dass der beabsichtigten Annahme überwiegende Interessen der Kinder der Annehmenden im Sinne des § 1769 BGB entgegenstehen. Jedoch ist der Ausspruch der Annahme als Kind hier sittlich nicht gerechtfertigt.
Sittlich gerechtfertigt ist die Volljährigenadoption insbesondere dann, wenn zwischen den Beteiligten bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist. Ein derartiges Eltern-Kind-Verhältnis lässt sich aus den Ausführungen der Beteiligten nicht ableiten.
Vielmehr ist das Verhältnis der Anzunehmenden zu ihrer Tante, der Annehmenden, geprägt durch die räumliche Nähe und das gleichfalls gute Verhältnis der Anzunehmenden zu ihren Eltern sowie der Annehmenden zu ihrer jüngeren Schwester. Das deutsche Adoptionsrecht sieht jedoch keine mehrfachen nebeneinander bestehenden Eltern-Kind-Verhältnisse vor, wie am Beispiel der Stiefkindadoption deutlich wird. Hier kann der neue Ehepartner eines leiblichen Elternteils die Kinder aus dessen früherer Beziehung nur adoptieren, wenn gleichzeitig die Bindung zum anderen leiblichen Elternteil gekappt wird. Selbst wenn beide Elternteile wiederverheiratet sind und die Kinder zu den jeweiligen neuen Partnern der Eltern gute und innige Beziehungen haben, können sie vor dem Gesetz doch nur einen Vater und eine Mutter haben.
Dass die Neffen, die im gleichen Haus lebende Tante häufig spontan besucht haben, die Tante sie im Falle der Verhinderung der Eltern beaufsichtigt und mit ihnen gelegentlich Hausaufgaben gemacht hat oder sie im Falle der Verhinderung der Mutter zum Fußballtraining gefahren hat, begründet noch kein Eltern-Kind-Verhältnis, das dem zwischen den Anzunehmenden und ihren leiblichen Eltern vergleichbar wäre oder dieses gar verdrängt. Entsprechendes gilt für den unerfüllten Kinderwunsch der Annehmenden.
Dementsprechend erklärt der Anzunehmende …[AS] in seiner Stellungnahme auch, dass seine Tante für ihn immer noch neben seinen leiblichen Eltern eine Anlaufstelle für Fragen aus dem Alltag sei. Schon diese Aussage macht deutlich, dass die intensive verwandtschaftliche Beziehung der Beteiligten nicht anstelle der normalen Eltern-Kind-Beziehung getreten ist, sondern zusätzlich – neben dieser – besteht.
Aus der Stellungnahme des Anzunehmenden …[CS] geht ebenfalls nicht hervor, dass die Beziehung zwischen ihm und der Annehmenden der zwischen ihm und seinen Eltern völlig gleichwertig ist. Vielmehr lassen sich die von ihm berichteten gemeinsamen Aktivitäten schon durch das enge räumliche Zusammenleben mit seinen leiblichen Eltern in einem gemeinsamen Haus erklären. Dieses führte zwangsläufig zu gemeinsamen alltäglichen Tätigkeiten und Unternehmungen, wie dem gemeinsamen Mittagstisch, oder der Unterstützung der Eltern bei der Betreuung und Versorgung der Kinder.
Dass die Patentante in Entscheidungen über den schulischen und beruflichen Werdegang der Anzunehmenden mit einbezogen wurde, bestätigt zwar die enge familiäre Verbundenheit, ist jedoch für die Annahme eines echten Eltern-Kind-Verhältnisses ebenfalls noch nicht ausreichend.
Auch das gegenwärtige Verhältnis der Beteiligten, bei dem die Anzunehmenden die Annehmende im Alltag unterstützen und etwa zum Arzt fahren, mit ihr einkaufen oder essen gehen, reicht für die Annahme eines Eltern-Kind-Verhältnisses nicht aus, da derartige Gefälligkeiten für ein Eltern-Kind-Verhältnis nicht charakteristisch sind. Es gibt Kinder, die ihre Eltern in dieser Hinsicht wenig oder überhaupt nicht unterstützen. Umgekehrt gibt es aber mitunter gute Nachbarn oder Freunde, die solche Hilfestellungen übernehmen.
Genauso wenig genügt der gemeinsame Wunsch, dass auch im höheren Alter der Tante jemand da ist, der ihr hilft und sich um sie kümmert, zur Rechtfertigung der Adoption, denn diesem Ansinnen könnte auch durch die Erteilung einer Vorsorgevollmacht oder den Abschluss eines Altenteilvertrages mit Betreuungs- und Versorgungsverpflichtung Rechnung getragen werden.
Die Äußerungen der Beteiligten anlässlich ihrer persönlichen Anhörung im Termin vom 11. März 2019 lassen ebenfalls nicht den Schluss auf das Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu.
Die Annehmende hat nicht etwa anstelle der leiblichen Eltern die Neffen versorgt und erzogen, sondern ist hier lediglich ergänzend neben den Eltern tätig geworden. Aus ihren Angaben lässt sich dabei ableiten, dass der Schwerpunkt der Erziehung und Versorgung der Kinder durchaus weiterhin bei den leiblichen Eltern lag. Sie hat zwar nach ihren Angaben mit den Neffen häufiger Hausaufgaben gemacht oder sie auch zum Sport gefahren sowie an Familienfeiern teilgenommen. Aber auch dies erklärt sich bereits aus dem engen räumlichen Zusammenleben der Beteiligten unter einem Dach sowie aus der engen Beziehung der Annehmenden zu ihrer jüngeren Schwester, der Mutter der Anzunehmenden. Hier hat die Annehmende, da die Großmutter der Anzunehmenden verstorben ist, als die Annehmende 18 und die Mutter der Anzunehmenden 9 Jahre alt war, letztlich gegenüber der Mutter der Anzunehmenden die Mutterrolle übernommen.
Der Anzunehmende …[CS] hat in dem Termin bestätigt, dass es von Kindesbeinen an sehr viel Kontakt mit der Annehmenden gab. Damals habe sie ihn unterstützt, heute sei es umgekehrt. Das Verhältnis zu seinen Eltern beschreibt er weiterhin als einwandfrei. Er berichtet, das früher Mahlzeiten oft gemeinsam mit seinen Eltern und der Annehmenden eingenommen wurden.
Der Anzunehmende …[AS] berichtet ebenfalls von sehr engen familiären Beziehungen zwischen seinen Eltern, seiner Tante, die dazu führten, das beispielsweise alle Familienfeste zusammen gefeiert wurden. Auch heute noch bestehe zwischen seinen Eltern und seiner Tante ein gutes Verhältnis. Das Verhältnis zwischen ihm und seinen Eltern sei ebenfalls einwandfrei. Letztlich ergibt sich aus seinen Ausführungen nicht, dass die Beziehung zur Annehmenden anstelle oder gleichwertig neben der Beziehung zu seiner leiblichen Mutter steht, sondern lediglich, dass die Tante von frühster Kindheit an in seinem Leben präsent war und hier nach wie vor inniger Kontakt besteht.
Das Vorhandensein einer eigenen intakten Familie mit Kindern bzw. Eltern spricht grundsätzlich gegen das Bestehen oder Entstehen eines echten Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen Erwachsenen. Das hat weniger etwas mit dem „Respekt vor einer langen natürlichen Eltern-Kind-Beziehung“ zu tun (OLG Stuttgart FamRZ 2015, 592 Rn. 6 und OLG Bremen FamRZ 2017, 722 Rn. 8), als mit der Erfahrung, dass derjenige, der bereits in einer intakten Familie lebt,
im Zweifel zu anderen Erwachsenen trotz bestehender Nähebeziehung kein echtes Eltern-Kind-Verhältnis aufbauen wird (Staudinger-Helms, BGB Neubearbeitung 2019, § 1767 BGB Rn. 26 m. umfassenden w. Nachw.). Selbst eine Unterstützung des Adoptionsantrags durch die leiblichen Eltern lässt nicht unbedingt einen Rückschluss auf besonders innige Beziehungen zwischen Annehmendem und Anzunehmendem zu, sondern kann ebensogut dem Umstand geschuldet sein, dass man seinem Kind die angestrebten vermögenswerten Vorteile (gesetzliches Erbrecht, niedrigere Erbschaftssteuer) nicht verbauen möchte (Staudinger-Helms, BGB Neubearbeitung 2019, § 1767 BGB Rn. 27). Entscheidend kann letztlich nur aus dem äußeren Erscheinungsbild der Beziehungen geschlossen werden, ob ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, wobei das Gericht sich weitgehend an den Angaben der Beteiligten wird orientieren müssen. Ein nach wie vor intaktes Eltern-Kind-Verhältnis zu den leiblichen Eltern schließt dabei im Regelfall das Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen Annehmenden und Anzunehmenden aus (OLG Nürnberg MDR 2014, 1151 Rn. 26; OLG Stuttgart FamRZ 2015, 592 = DNotZ 2015, 855 Rn. 6-7; OLG Bremen FamRZ 2017, 722 Rn. 8; MüKo-Maurer, BGB 8. Aufl. 2020 § 1767 Rn. 31-32).
Handelt es sich bei dem Annehmenden bereits um einen Verwandten des Anzunehmenden, so verlangt die Rechtsprechung eine besondere intensive Ausprägung der ohnehin vorhandenen familiären Beziehungen. Sind beispielsweise die leiblichen Eltern bereits verstorben, so ist es denkbar, dass die kinderlose Tante im Leben ihrer Nichten deren Stellung einnimmt (OLG Hamm FamRZ 2013, 557 Rn. 25). Auch kann die Adoption des Neffen durch seinen Onkel ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn er bereits im Kindesalter zu diesem engere Beziehungen gepflegt hat als zu seinem leiblichen Vater (OLG München FamRZ 2017, 1238). Ebenso kann die Adoption durch eine Tante gerechtfertigt sein, wenn das Verhältnis der Anzunehmenden zu deren leiblichen Eltern in der Vergangenheit nicht ungetrübt war und die Tante eine besondere Stellung im Leben der Anzunehmenden eingenommen hat und in für die Entwicklung der Anzunehmenden bedeutsamen Bereichen, in denen ihre leiblichen Eltern ihr nicht die nötige Unterstützung geben konnten oder wollten, für diese da war (OLG Stuttgart NJW 2019, 1385 Rn. 49).
Dass man diejenigen Personen adoptieren möchte, von denen man sich Beistand erhofft und die man daher als Erben vorgesehen hat, liegt in der Natur der Sache, belegt aber noch nicht eine Eltern-Kind-ähnliche Qualität der persönlichen Nähebeziehung (Staudinger-Helms, BGB Neubearbeitung 2019, § 1767 BGB Rn. 34).
Der Wunsch der Annehmenden, sich für die jetzt im Alter gewährte Unterstützung und Hilfeleistung seitens der Neffen erkenntlich zu zeigen, rechtfertigt den Ausspruch der Adoption ebenso wenig, wie deren Wunsch, jetzt im Alter für die Tante da zu sein und ihr die in der Kindheit erfahrene Unterstützung zurückzugeben. Diesen Bedürfnissen der Beteiligten könnte bereits durch die Erteilung einer Vorsorgevollmacht bzw. entsprechende erbvertragliche Regelungen oder die Überschreibung für Vermögenswerte – wie in der Vergangenheit ein Baugrundstück zugunsten des Anzunehmenden …[CS] – Rechnung getragen werden. Dass darüber hinaus, bei gleichwohl
intaktem Verhältnis aller Beteiligten zu den leiblichen Eltern der Anzunehmenden auf den Ausspruch der Adoption solch ein gesteigerter Wert gelegt wird, erklärt sich auch für den Senat aus der Vermögenssituation der Beteiligten. Die Annehmende verfügt nach ihren Angaben über beträchtliches Immobilienvermögen (vgl. Bl. 34 d. A.), etwaige Gesellschaftsanteile an der Jakob Rudolf Gilles OHG sind dabei noch nicht einmal mit aufgeführt. Ein Kind, auch ein adoptiertes, könnte im Falle des Erbfalls als Erbe deutlich höhere Freibeträge in Anspruch nehmen, als ein Neffe. Damit handelt es sich bei der beantragten Adoption nicht nur um eine Bestätigung des zweifelsohne sehr engen verwandtschaftlichen Verhältnisses zwischen den Beteiligten und ihrer familiären Verbundenheit, sondern letztlich auch um eine erbschaftssteuerrechtlich sehr vorteilhafte Gestaltung. Auch wenn die Beteiligten beteuern, dass dies für ihre Entscheidung, die Adoption zu beantragen, keine Bedeutung gehabt habe, kann bei der Frage, ob die Annahme als Kind vorliegend sittlich gerechtfertigt ist, jedoch nicht außer Betracht bleiben, das hierdurch dem Staat Steuereinnahmen in beträchtlicher Höhe entgehen würden (vgl. Staudinger-Helms, BGB Neubearbeitung 2019, § 1767 BGB Rn. 41).
Zweifel an der sittlichen Rechtfertigung gehen zu Lasten der Antragsteller (OLG Nürnberg MDR 2014, 1151 Rn. 18; OLG Köln StAZ 2012, 88 Rn. 5; Staudinger-Helms, BGB Neubearbeitung 2019, § 1767 BGB Rn. 37 m. w. Nachw.) Kann nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden, dass die Annahme als Kind sittlich gerechtfertigt ist, so hat daher der Ausspruch der Adoption zu unterbleiben. Danach hat hier, wo zwar einerseits eine enge persönliche Verbundenheit zwischen den Beteiligten besteht, andererseits die Beziehung zwischen den Anzunehmenden und der Annehmenden jedoch nicht an die Stelle der Beziehung zwischen den Anzunehmenden und ihren leiblichen Eltern getreten ist, sondern lediglich daneben steht, der Ausspruch der Adoption zu unterbleiben.
III.
Dementsprechend war die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 84 FamFG zurückzuweisen.
Die gesamtschuldnerische Haftung der Beteiligten ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 100 Abs. 2 ZPO.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 40, 42 Abs. 3 FamGKG (Auffangwert). Entgegen der Auffassung des Familiengerichts kann hier nicht auf das Barvermögen der Annehmenden abgestellt werden, da der Ausspruch der beantragten Adoption nur mittelbare vermögensrechtliche Auswirkungen (günstigerer Erbschaftssteuersatz) hätte.