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Grundbuch – Voreintragung der Erbengemeinschaft bei Auseinandersetzung

OLG Köln – Az.: I-2 Wx 246/17 – Beschluss vom 22.11.2017

Auf die Beschwerde der Beteiligten vom 20.10.2017 wird der am 07.09.2017 erlassene Beschluss des Amtsgerichts – Grundbuchamtes – Heinsberg vom 06.09.2017, WF-1369-1, aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag der Beteiligten auf Grundbuchberichtigung vom 03.08.2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Gründe

I.

Als Eigentümer des im Grundbuch des im Rubrum bezeichneten Grundbesitzes ist der am 26.07.2016 verstorbene M. U. (im Folgenden: Erblasser) eingetragen. Der Erblasser hatte am 28.04.2015 ein notarielles Testament – UR.Nr. …/200. des Notars U2 in J – errichtet, in dem er die Beteiligten zu 1) und 2) als Erben zu gleichen Teilen eingesetzt hat. In der notariellen Urkunde vom 14.06.2017 – UR.Nr. …/20.. des Notars Dr. Q in J – haben die Beteiligten vereinbart, dass der Beteiligte zu 2) mit sofortiger Wirkung aus der Erbengemeinschaft nach dem Erblasser ausscheidet (Bl. 5 ff. d.A.).

Mit Schriftsatz vom 03.08.2017 haben die Beteiligten beantragt, im Wege der Grundbuchberichtigung den Beteiligten zu 1) als Eigentümer des im Rubrum bezeichneten Grundbesitzes einzutragen (Bl. 4 ff. d.A.). Mit Schriftsatz vom 25.08.2017 haben die Beteiligten klar gestellt, dass sie die unmittelbare Umschreibung auf den Beteiligten zu 1) ohne Zwischeneintragung der Erbengemeinschaft beantragen.

Durch am 07.09.2017 erlassenen Beschluss vom 06.09.2017 hat das Grundbuchamt den Berichtigungsantrag der Beteiligten zurückgewiesen, da auf die gemäß § 39 GBO vorgeschriebene Voreintragung nicht verzichtet werden könne und eine Ausnahme gemäß § 40 GBO nicht vorliege. Eine Abschichtung stelle keine Übertragung im Sinne von § 40 GBO dar.

Gegen diesen den Beteiligten am 12.09.2012 zugestellten Beschluss haben diese mit am 24.10.2017 beim Amtsgericht Heinsberg eingegangenen Schriftsatz vom 20.10.2017, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, Beschwerde eingelegt (Bl. 45 ff. d.A.). Das Grundbuchamt hat der Beschwerde durch Beschluss vom 30.10.2017 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 50 ff. d.A.).

II.

Die nach §§ 71 Abs. 1, 73 Abs. 2 GBO zulässige Beschwerde der beiden Beteiligten hat auch in der Sache Erfolg.

Die in dem am 07.09.2017 erlassenen Beschluss des Grundbuchamtes aufgeführten Gründe stehen der unmittelbaren Eintragung des Beteiligten zu 1) nach dem Erblasser im Wege der Berichtigung des Grundbuchs nicht entgegen. Einer Voreintragung der Erbengemeinschaft bedarf es im vorliegenden Fall nicht.

Nach § 39 Abs. 1 GBO soll eine Eintragung nur erfolgen, wenn die Person, deren Recht durch die Eintragung betroffen ist, als der Berechtigte eingetragen ist. Von dem Voreintragungsgrundsatz ordnet allerdings § 40 Abs. 1 GBO dann eine Ausnahme an, wenn die Person, deren Recht durch eine Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten ist und die Übertragung oder Aufhebung eines Rechts eingetragen werden soll. Vollzieht sich die Rechtsänderung jedoch – z.B. durch Erbteilsübertragung gemäß § 2033 Abs. 1 BGB oder wie im vorliegenden Fall durch eine sogenannte Abschichtung (zu deren Zulässigkeit BGH NJW 1998, 1557 f.) – außerhalb des Grundbuchs, liegt keine „Übertragung“ im Sinne des § 40 Abs. 1 GBO vor. Nach hergebrachter und verbreiteter Auffassung bedarf es deshalb ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift auch dann der Voreintragung der Erbengemeinschaft, wenn nach erfolgter Erbteilsübertragung oder Abschichtung nur noch ein Erbe verbleibt (vgl. hierzu etwa BayObLG, NJW-RR 1995, 272; OLG Hamm; OLGR 1999, 27; Demharter, Grundbuchordnung, 30. Aufl. 2016, § 40 Rn. 3; Meikel/Böttcher, Grundbuchordnung, 11. Aufl. 2014, § 40 Rn. 6; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 142; Bestelmeyer, Rpfleger 2008, 552, 563). Demgegenüber wird von einer im Vordringen befindlichen Auffassung eine entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO auf Fälle der vorliegenden Art befürwortet (so etwa OLG Nürnberg, Rpfleger 2014, 12; LG Nürnberg-Fürth, Rpfleger 2007, 657; stillschweigend vorausgesetzt auch von OLG Zweibrücken, Rpfleger 2013, 57 = ZEV 2012, 416 und OLG München, Rpfleger 2006, 288 f.; ebenso Simon, Rpfleger 2007, 659 und Rpfleger 2014, 14; Bauer/v.Oefele, Grundbuchordnung, 3. Aufl. 2013, § 40 Rn. 9). Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

Der in § 39 GBO niedergelegte Grundsatz der Voreintragung soll dem Grundbuchamt die Legitimationsprüfung bei nachfolgenden Eintragungen erleichtern und den eingetragenen Berechtigten dagegen sichern, dass ein anderer über das Recht verfügt. Daneben hat es nach verbreitetem Verständnis auch den Zweck, den Rechtsstand des Grundbuchs und seine Änderungen nicht nur im Endziel zutreffend anzugeben, sondern ihn auch in allen seinen Entwicklungsstufen klar und verständlich wiederzugeben (vgl. Demharter, GBO, 30. Aufl. 2016, § 39 Rn. 1 m.w.N.). Hiervon wird allerdings im Falle des § 40 Abs. 1 GBO abgewichen. Überträgt ein Erbe ein Grundstück weiter, bedarf es der Voreintragung gem. § 40 Abs. 1 GBO nicht. Aus dem Grundbuch (Abt. I Spalte 4) ergibt sich dann nur, dass der Rechtserwerb durch Erbfolge und Auflassung erfolgt ist; der Erbe ist dem Grundbuch nicht zu entnehmen. Nichts anderes gilt, wenn alle Mitglieder einer Erbengemeinschaft („der Erbe“) das Grundstück im Wege der Auseinandersetzung gem. §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1, 2040 Abs. 1 BGB an einen Dritten oder einen der Erben übertragen (Demharter, GBO, 30. Aufl. 2016, § 40 Rn. 3). Eine Voreintragung der Erbengemeinschaft unterbleibt auch in diesem Fall.

Es ist indes kein Grund ersichtlich, warum der Fall, in dem ein oder mehrere Erben durch Erbteilsübertragung oder Abschichtungsvereinbarung aus einer Erbengemeinschaft ausscheiden und nur ein Mitglied der Erbengemeinschaft als Erbe verbleibt, der folglich Alleineigentümer vorhandener Nachlassgrundstücke wird, nur deshalb anders beurteilt werden soll, weil sich der Rechtserwerb nicht durch Übertragung des Grundstücks, sondern außerhalb des Grundbuchs vollzieht. Die Prüfung der Legitimation der Bewilligenden ist in diesem Fall in gleicher Weise möglich wie bei einer Übertragung durch den Alleinerben oder eine Erbengemeinschaft; es macht keinen Unterschied, ob der vorzulegende Erbschein bzw. das eröffnete notarielle Testament eine Person oder mehrere Personen nennt und sie alle die Bewilligung erklärt haben. Die Grundbuchkontinuität wird zwar durch eine unmittelbare Eintragung des Letzterwerbers nicht gewahrt, doch hielt sie der Gesetzgeber in den Fällen des § 40 GBO ohnehin ausnahmsweise für entbehrlich. Ein schützenswertes Interesse der beteiligten Erben, zwischenzeitlich eingetragen zu werden, ist ebenfalls nicht erkennbar. Besondere Schwierigkeiten beim Lesen des Grundbuchs oder ein unverständlicher Grundbuchstand werden auch nicht erzeugt (zum Vorstehenden: LG Nürnberg-Fürth, Rpfleger 2007, 657 ff.). Denn es macht keinen Unterschied, ob im Grundbuch in Abt. I Spalte 4 „Erbschein vom … und Auflassung vom …“ eingetragen wird (direkter Anwendungsfall des § 40 Abs. 1 GBO) oder „Erbschein vom … und Erbteilsübertragung vom …“ oder „Erbschein vom … und Abschichtungsvereinbarung vom …“ (ebenso: Ruhwinkel, Anm. zu OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.09.2013, 15 W 1799/13, MittBayNot 2014, 336 ff.). Die – analoge – Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO scheidet auch nicht deshalb aus, weil im Fall einer Erbteilsübertragung oder Abschichtungsvereinbarung die Eintragung des neuen Eigentümers nur berichtigenden Charakter besitzt. Denn die Gründe, die für die Entbehrlichkeit der Voreintragung im Falle einer unmittelbaren Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO sprechen, greifen auch in einem Fall einer berichtigenden Eintragung ein (ebenso: OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.09.2013 – 15 W 1799/13, Rpfleger 2014, 12-14 = MittBayNot 2014, 335, 336). Zudem fallen grundsätzlich auch berichtigende Eintragungen in den Anwendungsbereich des § 40 Abs. 1 GBO (Demharter, GBO, 30. Aufl. 2016, § 40 Rn. 16, 17).

III.

Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil keiner der Beteiligten durch die Entscheidung beschwert ist.

Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 5.000,00 €

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