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Unwirksamkeit einer Grunddienstbarkeit zu Gunsten des Nachbargrundstückes

LG Frankenthal – Az.: 2 O 35/12 – Urteil vom 04.07.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistungen i. H. v. 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 14.950,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerinnen machen die Unwirksamkeit einer Grunddienstbarkeit geltend. Sie sind Miteigentümerinnen des im Grundbuch von Ort unter Bl. XXXX eingetragenen Grundstücks Flurstücknummer XXX/XX, an der Straße, Ort, welches mit zwei Einfamilienhäusern bebaut ist. Die Beklagten sind Miteigentümer des östlich angrenzenden Flurstückes Nummer YYY/YY. Im Grundbuch des Hausgrundstückes der Klägerinnen ist in der 2. Abt. unter lfd. Nr. 1 eine Grunddienstbarkeit zu Gunsten des Nachbargrundstückes der Beklagten seit 17. September 1997 mit der Beschreibung „Bebauungsverbot, Einhaltung eines Grenzabstandes, Baubeschränkung, Überbaurecht“ eingetragen. Bewilligt und eingeräumt wurde die Grunddienstbarkeit noch von dem Beklagten zu 1 selbst, der seinerzeit Eigentümer des damals noch unbebauten Grundstückes der Klägerinnen war. Die entsprechende notarielle Urkunde vom 18. August 1997 enthält für die Beschreibung der Grunddienstbarkeit folgenden Text:

Herr Beklagter 1 beschränkt hiermit in seiner Eigenschaft als derzeitiger Eigentümer des Grundstücks Fl. St. XXX/XX das Eigentum an dem genannten Grundstück dahingehend, dass der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Fl. St. XXX/XX jegliche Nutzung, insbesondere die Bebauung des 3,50 m breiten Streifens (Ausübungsbereich der Dienstbarkeit) im Osten des belasteten Grundstücks entlang der Grenze (vgl. die beigefügte Planskizze) zum Nachbargrundstück Fl. St. YYY/YY zu unterlassen hat. Des Weiteren hat der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Fl. St. XXX/XX jede Bebauung des östlichen Grundstücksteils zu unterlassen, die keine Grenzbebauung ist, d. h. falls der Eigentümer des Grundstücks Fl. St. XXX/XX eine Bebauung beabsichtigt, muss die durch vorliegende Grunddienstbarkeit vereinbarte Grenzlinie im Abstand von 3,50 m zur Grenze zwischen Fl. St. XXX/XX und YYY/YY bebaut werden. Die Grenzwand darf keine Fenster beinhalten. Die Grenzbebauung darf nicht intensiver sein als in den dieser Urkunde als weitere Anlage beigefügten Plänen eingezeichnet, d. h. mehr als zwei freistehende Einfamilienhäuser dürfen auf die Grenze nicht gebaut werden, insbesondere keine weiteren Grenzbefestigungen, keine breiteren oder höheren Bauwerke, keine andere Dachneigung, überhaupt nichts, was die Belichtung und Belüftung des Nachbargrundstückes Fl. St. YYY/YY stärker beeinträchtigen könnte, als dies durch die Bauwerke der Fall sein wird, welche nach den der Anlage beigefügten Planung vorgesehen sind.

Der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Fl. St. XXX/XX hat jede Bebauung des Grenzstreifens mit einer Breite von 3,50 m durch den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Fl. St. YYY/YY zu dulden, soweit die baurechtliche Nutzung möglich ist. Insbesondere hat der jeweilige Eigentümer von Fl. St. XXX/XX die dort bereits eingelassenen Regenwassertanks samt Pumpe, Filter, etc. zu dulden.

Nach Eintragung der Grunddienstbarkeit veräußerte der Beklagte zu 1 das Grundstück an einen Bauträger, der wiederum an die Klägerinnen veräußerte und sich ihnen gegenüber verpflichtete, die später gebauten Einfamilienhäuser zu errichten. Spätestens seit Abnahme und Übergabe des Bauvorhabens ist der in der notariellen Urkunde bezeichnete 3,5 m breite Streifen im Osten des Grundstückes der Klägerinnen (Ausübungsbereich der Dienstbarkeit) durch einen Metallzaun vom Grundstück der Klägerinnen abgetrennt und der Nutzung des Nachbargrundstückes zugewiesen. Auf dem Grundstücksstreifen haben die Beklagten u. a. eine befestigte Fläche zum Abstellen von Fahrzeugen errichtet, einen Regenwassertank samt Pumpe und Filter erstellt und den Streifen im Übrigen gärtnerisch genutzt.

Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Grunddienstbarkeit sei rechtsunwirksam, da nach dem Text der notariellen Urkunde und dem Inhalt der Grunddienstbarkeit, den diese im Wege der Auslegung, insbesondere des vorangegangenen und jetzigen Verhaltens der Beklagten erhalte, entgegen § 1018 BGB die Klägerinnen als Eigentümerinnen von jeglicher Nutzung des Grundstücksstreifens von 3,5 m ausgeschlossen sein sollten und umgekehrt der jeweilige Eigentümer des Nachbargrundstückes Fl. St. YYY/YY zur Nutzung des besagten Streifens berechtigt sein sollte, wie es ihm beliebt.

Die Klägerinnen beantragen,

1. Festzustellen, dass sie im Grundbuch von Ort Bl. für Fl. St. XXX/XX (Straße) in der 2. Abt. unter lfd. Nr. 1 eingetragene Grunddienstbarkeit zu Gunsten des Nachbargrundstückes Fl. St. YYY/YY unwirksam ist,

2. die Beklagten zu verurteilen, die Grundstücksfläche, auf die sich die Grunddienstbarkeit gem. Klageantrag Ziff. 1 erstreckt, an die Klägerinnen herauszugeben,

3. hilfsweise (zu Klageantrag Ziff. 2) die Beklagten zu verurteilen, den im östlichen Teil des Grundstückes Fl. St. XXX/XX unmittelbar an der Grenze zum Grundstück Fl. St. YYY/YY befindlichen, 3,5 m breiten Grundstücksstreifen, auf dem sich die im Grundbuch von Ludwigshafen- Maudach Bl. für Fl. St. XXX/XX in der 2. Abt. unter lfd. Nr. 1 eingetragene Grunddienstbarkeit gem. nachstehendem Lageplan (Bl. 79 d. A.) erstreckt, an die Klägerinnen herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie sind hierzu der Auffassung, die Grunddienstbarkeit sei wirksam, insbesondere könnten die Beklagten das Gesamtgrundstück, wie es § 1018 BGB vorsähe, deshalb nur in einzelnen Beziehungen nutzen, da lediglich ein Teil des Grundstückes (Ausübungsbereich der Dienstbarkeit) den Beklagten zur Nutzung freistehe. Ursprünglich habe der Beklagte zu 1 das Grundstück ohne den 3,5 m breiten Grundstücksteil zum Verkauf angeboten. Um jedoch eine möglichst intensive Bebauung zu erzielen, habe der Bauträger vorgeschlagen, dass der Beklagte zu 1 das komplette Grundstück (ohne Abtrennung des Streifens) verkaufe, dass jedoch vorab wegen der Einhaltung des Grenzabstandes durch das Bauwerk, die Grunddienstbarkeit eingetragen werden sollte. Deshalb seien die Klägerinnen auch bei ihrem Ankauf darauf hingewiesen worden, dass nur aufgrund dieser Umstände die Bebauung direkt am Grundstücksstreifen möglich sei. Tatsächlich nutzten deshalb die Klägerinnen den Streifen, auf den sich die Dienstbarkeit beziehe, zumindest als Abstandsfläche. Ihr Verhalten verstoße gegen Treu und Glauben.

Wegen des Parteivorbringens im Einzelnen wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die im Jahr 1997 eingetragene Grunddienstbarkeit ist rechtswirksam, so dass den Klägerinnen weder ein Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit, noch der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe des betroffenen Grundstücksstreifens zusteht.

Gem. § 1018 BGB kann ein Grundstück zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstückes in der Weise belastet werden, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen nutzen darf oder dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechtes ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt (Grunddienstbarkeit).

Die Eintragung vom 17. September 1997 erfüllt unter Zugrundelegung des Inhaltes der notariellen Urkunde vom 18. August 1997 diese materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Grunddienstbarkeit. Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Klägerinnen, wonach die Grenzen einer möglichen Dienstbarkeit deshalb überschritten seien, weil vorliegend, auch unter Hinzuziehung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten und Verhaltensweisen der Beklagtenseite – abweichend von den gesetzlichen Möglichkeiten der genannten Vorschrift – zum einen ein völliger Ausschluss der Nutzung durch die Klägerinnen und zum anderen eine beliebige Nutzungsmöglichkeit durch die Beklagten festgeschrieben sei.

Zwar hat das Bayerische Oberlandesgericht entschieden (NDR 2003, 684), dass eine Dienstbarkeit, die das Recht einräumt, einen Teil eines Grundstückes für alle Zeiten in beliebiger Weise zu nutzen, inhaltlich unzulässig ist. Der Fall betraf jedoch eine notarielle Urkunde, in welcher ausdrücklich die Formulierung festgehalten war, dem jeweiligen Eigentümer des Nachbargrundstückes werde das Recht eingeräumt, diesen Teil „für alle Zeiten in beliebiger Weise zu benutzen und in die Umzäunung seines Grundstückes einzuschließen“. Die vorliegende notarielle Urkunde enthält jedoch eine derartige Formulierung nicht. Vielmehr ist dem jeweiligen Eigentümer (hier den Beklagten) des Nachbargrundstückes lediglich jede Bebauung des Grenzstreifens im Rahmen der baurechtlich zulässigen Nutzung erlaubt, und insbesondere das Unterhalten des dort bereits eingelassenen Regenwassertanks samt Pumpe, Filter, etc. Eine Grunddienstbarkeit mit diesem Inhalt ist rechtlich zulässig. Eine Grunddienstbarkeit mit einer Ausübungsbeschränkung auf einen Teil des Grundstückes ist nämlich auch dann zulässig, wenn sie – wie bei einer vollständigen Bebauung – eine Art der Nutzung gestattet, die den Grundstückseigentümer rein faktisch von jeder Mitbenutzung ausschließt (BGH NJW 1992, 1101; OLG Zweibrücken Rechtspfleger 1982, 98; Schöner/Stöber Grundbuchrecht Rn. 1130). Dies insbesondere auch deshalb, weil dem Grundstückseigentümer die volle Nutzung des nicht von der Ausübung betroffenen Grundstücksteiles verbleibt.

Dass den Klägerinnen im Falle der Bebauung und Nutzung gem. des Textes der notariellen Urkunde eine irgendwie geartete (Rest) Nutzungsmöglichkeit des Ausübungsbereiches der Grunddienstbarkeit nicht verbleibt, ist zwangsläufige Folge u. a. des nichtbegrenzten Bebauungsrechtes der Beklagten. Gegen eine Zulässigkeit bestehen deshalb keine Bedenken. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht allein die Tatsache, dass die Beklagten an der Grundstücksgrenze einen Metallzaun halten und Teile des Ausübungsbereiches gärtnerisch nutzen. Die zulässigen Nutzungsarten sind in der notariellen Urkunde eindeutig festgehalten. Für eine Auslegung allein im Hinblick auf gegenwärtig tatsächliche Nutzungsmethoden besteht dann kein Raum. Jedenfalls besteht wegen der wirksam durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Nutzungsbefugnis der Beklagten weder ein Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit derselben, noch ein Anspruch auf Herausgabe des betroffenen Grundstücksteiles.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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