OLG Hamm – Az.: 15 W 306/20 – Beschluss vom 24.09.2021
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die von beiden Beteiligten gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster eingelegten Beschwerden bleiben ohne Erfolg.
1.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Landgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss zu Recht die vom Beteiligten zu 1) insgesamt beanstandete Kostenberechnung des Beteiligten zu 2) vom 20. Mai 2019 nur im Hinblick auf die Bestimmung des Geschäftswertes der Vollzugsgebühr zugunsten des Beteiligten zu 1) abgeändert (vgl. insoweit im Einzelnen nachfolgend zu 2.) und im Übrigen den Antrag des Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1), zu deren Begründung er lediglich – ohne weitere Ausführungen – auf seinen Sachvortrag in erster Instanz Bezug nimmt, führt zu keinem anderen Ergebnis.
a)
Die Kostenberechnung entspricht den zwingenden gesetzlichen Formerfordernissen des § 19 Abs.1, Abs.2 GNotKG.
Der Umstand, dass der Beteiligte zu 2) nur die zweiseitige Kostenberechnung als solche unterzeichnet hat, nicht aber auch die darin in Bezug genommene erläuternde Darstellung der Wertberechnung, steht der Wirksamkeit der Kostenberechnung nicht entgegen. Zwar muss die in § 19 Abs.1 S.1 GNotKG gesetzlich zwingend vorgeschriebene Unterschrift des Notars die Kostenberechnung – einschließlich der Rechtsbehelfsbelehrung – räumlich abschließen (vgl. Korintenberg/Tiedtke, 21. Aufl. 2020 Rn. 22, GNotKG § 19 Rn. 22), weil der Notar uneingeschränkt die umfassende Verantwortung für den Inhalt der Kostenberechnung übernimmt. Die eigentliche Kostenberechnung enthält vor der Unterschrift des Beteiligten zu 2) sämtliche Angaben, die von § 19 Abs.2 GNotKG zwingend vorgeschrieben sind und deren Fehlen eine Kostenberechnung gemäß § 19 Abs.4 GNotKG unwirksam machen würde. Insbesondere ist den Anforderung des § 19 Abs.2 Nr.3 GNotKG genügt, denn insoweit reicht die Angabe des Betrages des Geschäftswertes. Weitere Angaben über den bloßen Betrag hinaus verlangt § 19 Abs.2 Nr.3 GNotKG nicht. Vielmehr verhält sich hierüber § 19 Abs.3 Nr.2, Nr.3 GNotKG (vgl. auch Korintenberg/Tiedtke, a.a.O. Rn.30). Anders als § 19 Abs.2 GNotKG enthält § 19 Abs.3 GNotKG jedoch keine Muss-Vorschriften, deren Nichtbeachtung zwingend gemäß § 19 Abs.4 GNotKG die Unwirksamkeit zur Folge hat, sondern lediglich Soll-Vorschriften.
Die vom Beteiligten zu 2) nicht unterzeichnete Anlage zur Wertberechnung enthält ausschließlich Angaben, die von § 19 Abs.2 GNotKG nicht zwingend verlangt werden. Unter Berücksichtigung der differenzierenden Bestimmung des § 19 GNotKG mit zwingenden Formvorschriften in den Absätzen 1 und 2 einerseits und lediglich Sollvorschriften in Absatz 3 andererseits erachtet der Senat eine Notarkostenberechnung, deren Unterschrift alle zwingend erforderlichen Angaben vollständig abdeckt, für formell wirksam. Der Senat teilt die Bewertung des Landgerichts, dass es nicht angemessen ist, eine solche Kostenberechnung wegen fehlender Unterzeichnung auch der darüber hinausgehenden Angaben von vornherein als formell unwirksam anzusehen (vergleiche auch Macht in: Schneider/Volpert/Fölsch, gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, § 19 GNotKG Rn. 50). Das gilt insbesondere in dem vorliegenden Fall, in dem der Beteiligte zu 2) in der in der Kostenberechnung – die die Anforderungen des § 19 Abs.2 GNotKG erfüllt – in Bezug genommenen Anlage in sehr ausführlicher, weit über das von §§ 19 Abs.3 Nr.2, Nr. 3 GNotKG angenommene Maß hinausgehender Art und Weise Erläuterungen zu den angesetzten Geschäftswerten vorgenommen hat.
b)
Im Hinblick auf die in der Kostenberechnung abgerechnete Gebühr gemäß KV Nr. 24102 GNotKG für den Pfandfreigabeantrag sowie den hierfür angesetzten Geschäftswert und für die Rechnungsposition gemäß KV 32015 GNotKG für verauslagte Kosten sind Ansatzpunkte für Beanstandungen nicht ersichtlich. Vom Beteiligten zu 1) sind auch insoweit zu keinem Zeitpunkt konkrete Angriffspunkte vorgebracht worden.
c)
Die Vollzugsgebühr gemäß KV 22110 GNotKG ist dem Grunde nach berechtigt. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angegriffenen Beschluss Bezug.
d)
Hinsichtlich der Höhe der Vollzugsgebühr ist über die vom Landgericht vorgenommene Herabsetzung im Hinblick auf das insoweit zutreffend mit eingestellte Vorkaufsrecht für das Erbbaurecht (s. zu dieser im Einzelnen nachfolgend zu 2.) keine weitere Reduzierung der Höhe des Geschäftswertes vorzunehmen. Auch insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angegriffenen Beschluss zu § 112 S.1 GNotKG.
e)
Schließlich hat das Landgericht zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen einen Fall unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 Abs.1 S.1 GNotKG verneint.
Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 21 Abs.1 S.1 GNotKG kann allgemein nur im Falle eines offen zutage tretenden Verstoßes gegen eindeutige gesetzliche Normen bzw. eines offensichtlichen Versehens bejaht werden (vgl. nur allgemein Korintenberg/Tiedtke, a.a.O., § 21 Rn. 1b), Rn.39). Hervorzuheben ist, dass Notaren aufgrund ihrer Unabhängigkeit weite Ermessensspielräume bei der Beurteilung der zur Auswahl stehenden Gestaltungsmöglichkeiten zukommen (vgl. OLG München FGPrax 2006, 42). Es ist nicht Zweck des § 21 Abs.1 S.1 GNotKG, nach Abschluss des Verfahrens das notarielle Ermessen sachlich zu überprüfen, sondern nur bei Evidenzfehlern Kostengerechtigkeit herzustellen. Demzufolge ist grundsätzlich auch im Hinblick auf die notarielle Pflicht zur kostengünstigen Vertragsgestaltung eine restriktive Auslegung der Vorschrift geboten.
Diese Grundsätze sind vom Landgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend erkannt und angewendet worden. Insbesondere teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass die einheitliche Beurkundung mehrerer Beurkundungsgegenstände im vorliegenden Fall insgesamt aus sachlichen Aspekten angemessen war und nicht unter dem Aspekt der dann höheren Vollzugsgebühr als offen zutage tretender Verstoß gegen gesetzliche Normen bewertet werden kann.
2.
Die vom Beteiligten zu 2) auf Weisung seiner vorgesetzten Dienstbehörde eingelegte Beschwerde (§ 130 Abs.2 S.1 GNotKG) ist ebenfalls statthaft und auch im Übrigen zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Das Landgericht hat in dem angegriffenen Beschluss zu Recht ausgeführt, dass im Rahmen der Bestimmung des Geschäftswertes für die Vollzugsgebühr bei der Bemessung des darin einzustellenden Geschäftswertes für die Einräumung eines Vorkaufsrechts am Erbbaurecht eine etwaige zukünftige Bebauung grundsätzlich nicht werterhöhend zu berücksichtigen ist. Lediglich ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts hierzu in dem angegriffenen Beschluss merkt der Senat noch Folgendes an:
Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 GNotKG ist der Wert eines Ankaufs- oder eines sonstigen Erwerbs- oder Veräußerungsrechts der Wert des Gegenstands, auf den sich das Recht bezieht; gemäß Satz 2 der Vorschrift beträgt der Wert eines Vorkaufs- oder Wiederkaufsrechts die Hälfte des Werts nach Satz 1. Maßgeblich für die Bemessung des Wertes eines Vorkaufsrechtes ist daher der Wert des Erbbaurechts selbst. Der Wert des Erbbaurechts richtet sich nach § 49 Abs.2 GNotKG; ausgenommen ist lediglich der Fall der Erbbaurechtsbestellung, in dem gemäß § 43 GNotKG eine Vergleichsberechnung unter Berücksichtigung des Erbbauzinses nach Maßgabe des § 52 Abs.2 GnotKG vorzunehmen ist.
In die Bemessung des Wertes eines Erbbaurechts fließt somit gemäß § 49 Abs.2 GNotKG nur eine bereits vorhandene, nicht aber eine erst in Zukunft zu errichtende oder zu erwartende Bebauung ein. Eine künftige Bebauung bleibt unberücksichtigt, wie auch ein Vergleich mit der gesetzlichen Bestimmung des § 42 Abs.1 S.2 GNotKG zeigt (vgl. BeckOK KostR/Gordon, 32. Ed. 1.9.2020, GNotKG § 49 Rn. 7; OLG München MDR 2021, 228). Der Gesetzgeber des GNotKG hatte die Frage der Berücksichtigung erst künftiger Bebauung im Rahmen der Bewertung im Blick und hat sich bei der Bewertung des Erbbaurechts gegen deren Miteinbeziehung entschieden.
Selbst wenn eine Verpflichtung zur künftigen Bebauung besteht, bleibt dies für die Wertbemessung des Erbbaurechts außer Betracht, weil eine solche Verpflichtung nach § 2 Nr.1 ErbbauRG bereits Inhalt des Erbbaurechts selbst ist (Bormann/Diehn/Sommerfeldt/Diehn, 3. Aufl. 2019, GNotKG § 49 Rn. 7).
Der Gesetzgeber hat mit § 49 Abs. 2 GNotKG in bewusster Abkehr von der Regelung in der Vorgängervorschrift in § 21 KostO eine Bewertungsvorschrift geschaffen, die immer dann gelten soll, wenn der Wert des Erbbaurechts für die Ermittlung des Geschäftswerts eine Rolle spielt (BT-Drucks. 17/11471 neu S. 170). Diese Vorschrift ist deshalb auch dann heranzuziehen, wenn der Wert des Erbbaurechts nach § 51 Abs. 1 Satz 2 GNotKG der maßgebliche Bezugswert ist, aus dem sich der Wert des Vorkaufsrechts ableitet. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es somit für die Wertbestimmung darauf an, ob bereits in dem nach § 59 S. 1 GNotKG maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung Bauwerke auf dem Erbbaugrundstück errichtet waren (vgl. OLG München a.a.O.). Danach ist die Berücksichtigung einer erst künftigen Bebauung grundsätzlich nicht vorgesehen. Dass bei der Wertberechnung gemäß § 59 S.1 GNotKG auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist, schließt es zwar nicht von vornherein aus, dass in diesem Zeitpunkt bereits hinreichend sicher absehbare, wertrelevante Entwicklungen mit bedacht werden können (vgl. BayObLGZ 1975, 450,456). Hier jedoch steht der Wortlaut des § 49 Abs.2 GNotKG der Berücksichtigung einer noch nicht vorhandenen Bebauung grundsätzlich entgegen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers entgegen dem klaren Wortlaut des § 49 Abs. 2 GNotKG neben dem Wert bereits errichteter Bauwerke auch der Wert noch zu erstellender Bauwerke dann den Wert des Erbbaurechts bestimmen soll, wenn dieser Wert als Bezugswert für das Vorkaufsrecht am Erbbaurecht von Bedeutung ist, ergeben sich weder aus § 51 Abs. 1 Satz 2 GNotKG noch aus den Gesetzesmaterialien. Im Übrigen wäre es nach Auffassung des Senats widersprüchlich, wenn ein erst noch zu errichtendes Bauwerk in die Wertbemessung zwar nicht des Erbbaurechts, jedoch eines Vorkaufsrechts am Erbbaurecht einfließen würde. Dann könnte in vielen Fällen das Vorkaufsrecht an einem Erbbaurecht trotz der Begrenzung des § 51 Abs.1 S.2 GNotKG rasch einen – deutlich – höheren Wert als das Erbbaurecht selbst haben. Nach § 59 S.1 GNotKG kommt es für die Wertbemessung jedoch auf den Bestellungszeitpunkt, nicht auf den Ausübungszeitpunkt an.
Die demgegenüber in der Literatur vielfach vertretene Auffassung, wonach für die Berechnung des Werts des Vorkaufsrechts am Erbbaurecht zumindest in der Regel auch eine künftige Bebauung zu berücksichtigen ist (vgl. u.a. Korintenberg/Sikora, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 43 Rn. 20; Korintenberg/Tiedtke, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 49 Rn. 21; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, GNotKG § 43 Rn. 34, 35, beck-online; weitere Nachweise bei OLG München a.a.O.), will §§ 51 Abs.1, 49 Abs.2, 59 S.1 GNotKG durch wertende Betrachtung im Hinblick auf Wesen und Zweck eine Erbbaurechts modifizieren. Zwar ist zutreffend, dass die Bestellung eines Erbbaurechts wesensgemäß auf eine u.U. auch erst künftig entstehende Bebauung ausgerichtet ist. Die gesetzgeberische Intention, eben diesen Umstand bei der Wertfestsetzung außer Betracht zu lassen, ist jedoch für die eindeutige Formulierung des Wortlauts des § 49 Abs.2 GNotKG ausschlaggebend gewesen (vgl. OLG München a.a.O.).
Für eine Korrektur gemäß § 51 Abs.3 GNotKG besteht – wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat – keine Veranlassung. Lediglich ergänzend merkt der Senat in diesem Zusammenhang noch folgende Gesichtspunkte an:
Vorliegend ist der Geschäftswert für das Vorkaufsrecht am Erbbaurecht nicht deswegen zu bestimmen, weil das Vorkaufsrecht selbst im Grundbuch eingetragen werden soll. Vielmehr handelt es sich um eine im Rahmen der Geschäftswertbemessung für eine Vollzugsgebühr gemäß § 112 S.1 GNotKG vorzunehmende Berechnung, die in der Sache nur eine Maßnahme zur Erreichung der Lastenfreiheit des Grundstücks betrifft. Angesichts dieses konkreten Zusammenhangs der Wertberechnung im vorliegenden Fall erscheint es von vornherein nur schwer vorstellbar, dass im Rahmen von Billigkeitserwägungen gemäß § 51 Abs.3 GNotKG eine erst zukünftige Bebauung werterhöhend zu berücksichtigen sein könnte. Zudem war im Mai 2019 die betroffene Grundstücksfläche noch für 18 Monate bis zum 10. November 2020 landwirtschaftlich verpachtet, so dass eine zeitnahe Bebauung ohnehin ausgeschlossen war. Auch für die Zeit nach Ende des Pachtvertrages war keineswegs sicher, dass überhaupt die vorgesehene Bebauung möglich sein würde. Nach den Vorbemerkungen im notariell beurkundeten Erbbaurechtsvertrag sind für die letztlich beabsichtigte Bebauung nicht nur zuvor die Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans, sondern zudem die Änderung sowohl des Flächennutzungs- als auch des Regionalplanes Voraussetzungen. Aus diesem Grund ist von vornherein aus Rechtsgründen unsicher, ob die an sich beabsichtigte Bebauung überhaupt realisierbar sein wird. Das fragliche Grundstück war im Mai 2019 zum Zeitpunkt des Anfalls der Vollzugsgebühr noch kein Bauland, und es konnte nicht als sicher angenommen werden, dass überhaupt und gegebenenfalls wann die – auf verschiedenen Ebenen – notwendigen planungsrechtlichen Grundlagen geschaffen sein würden.
3.
Es ist in der vorliegenden Verfahrenskonstellation ermessengerecht, für das Beschwerdeverfahren keine Gerichtskosten zu erheben, § 81 Abs.1 S.2 FamFG.
Wegen der Erfolglosigkeit beider Beschwerden ist es zudem angemessen, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht anzuordnen, § 81 Abs.1 FamFG).
Die Voraussetzungen der §§ 130 Abs.3 S.1 GNotKG, 70 Abs.2 S.1 FamFG für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.