OLG Frankfurt – Az.: 20 W 162/21 – Beschluss vom 22.11.2021
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
An dem im Eigentum der Beteiligten zu 2 stehenden Grundbesitz in der jetzigen Straße1 in Stadt1, früher bestehend aus mehreren Grundstücken, die heute in einem Grundstück zusammengefasst sind, wurde der Beteiligten zu 1, damals noch als A GmbH, ein Erbbaurecht auf die Dauer von 21 Jahren bestellt, das am 16.06.1999 im Grundbuch eingetragen wurde. Am 09.06.2020 wurde eine Verlängerung der „Dauer“ bzw. „Laufzeit“ des Erbbaurechts bis 16.06.2025 eingetragen. Der Verkehrswert des Grundstücks nebst der darauf errichteten Bauwerke beträgt 4.772.000 €, der jährliche Erbbauzins 286.320 €.
Das Grundbuchamt hat den „Geschäftswert“ (gemeint: für die Eintragung) mit Beschluss vom 10.05.2021 gemäß § 79 GNotKG auf 1.431.600 € festgesetzt (Bl. 183 f. d.A.). Es hat sich dabei auf § 52 Abs. 2 GNotKG gestützt und für die Verlängerung um fünf Jahre den fünffachen jährlichen Erbbauzins zugrunde gelegt. Der Wertvergleich gemäß § 43 GNotKG finde nicht statt, da es sich nicht um eine Neubestellung des Erbbaurechts handele.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 4 mit der Beschwerde vom 14.05.2021, mit der sie eine Wertfestsetzung auf 3.817.600 € anstrebt, also auf 80 % des Grundstückswerts gemäß § 49 Abs. 2 GNotKG. Sie meint, die Berechnungsgrundlage für ein bestehendes Erbbaurecht ergebe sich aus § 49 Abs. 2 GNotKG, wobei dem Umstand, dass es sich nicht um eine Neueintragung handele, durch die gegenüber der 1,0-Gebühr der Nr. 14121 GNotKG-KV auf 0,5 reduzierte Eintragungsgebühr der Nr. 14130 GNotKG-KV Rechnung getragen werde. § 49 GNotKG enthalte keine Ausnahmeregelung dahingehend, dass für den Fall der Verlängerung der Laufzeit der Wert nach dem Erbbauzins zu berechnen sei.
Die Beteiligten zu 1 bis 3 verteidigen den angegriffenen Beschluss. Nur die Verlängerung eines Erbbaurechts nach Zeitablauf sei kostenrechtlich als Neubestellung im Sinne des § 43 GNotKG zu bewerten, bei einer – wie hier – Verlängerung vor Zeitablauf handele es sich hingegen um eine Veränderung, für die nur der Wert der Veränderung maßgeblich sei. Dieser bestimme sich nach § 52 GNotKG.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 04.08.2021 nicht abgeholfen (Bl. 188 d.A.).
Der Einzelrichter hat das Verfahren mit Beschluss vom heutigen Tag gemäß §§ 81 Abs. 6 Satz 2, 83 Abs. 1 Satz 5 GNotKG wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat in seiner im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 GNotKG statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200 € übersteigt. Die Frist des § 83 Abs. 1 Satz 3 GNotKG ist gewahrt. Die Staatskasse ist auch beschwerdeberechtigt, jedenfalls dann, wenn sie, wie hier, eine Erhöhung des Geschäftswerts anstrebt (allg.M.; vgl. Fackelmann, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 83 Rn. 16; Jäckel, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 83 GNotKG Rn. 7 f.; v.Selle, in: BeckOK Kostenrecht, 35. Edit., Std. 01.10.2021, § 83 GNotKG Rn. 18).
2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das Grundbuchamt hat den Geschäftswert zutreffend gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 GNotKG auf 1.431.600 € festgesetzt. Diese Summe entspricht dem für den Zeitraum der Verlängerung anfallenden Erbbauzins.
a) Die Frage, wie der Geschäftswert für die Eintragung der Verlängerung der Laufzeit eines Erbbaurechts zu bemessen ist, ist im Schrifttum freilich umstritten. Veröffentlichte Entscheidungen hierzu liegen, soweit ersichtlich, nicht vor.
Vertreten werden im Grundsatz drei Positionen.
aa) Nach einer Ansicht ist § 43 GNotKG, der seinem Wortlaut nach die Bestellung eines Erbbaurechts regelt, auch auf die Verlängerung eines Erbbaurechts anzuwenden (so Diehn, in: BeckOK Kostenrecht, 35. Edit., Std. 01.10.2021, § 43 GNotKG Rn. 10; anders aber ders. aaO. Rn. 6 und in Bormann/Diehn/ Sommerfeldt, GNotKG, 4. Aufl. 2021, § 49 Rn. 6, s.u.). Danach wäre abzustellen auf den höheren Wert des nach § 52 GNotKG errechneten Werts des Erbbauzinses und des nach § 49 Abs. 2 GNotKG errechneten Werts des Erbbaurechts. Im vorliegenden Fall wäre dies der letztere Wert.
bb) Nach einer zweiten Ansicht gilt § 49 Abs. 2 GNotKG unmittelbar (so Uhl, in: BeckOK aaO., § 49 GNotKG Rn. 18; Wilsch, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, KV Vorb 1.4 Rn. 19). Auf diese Ansicht stützt sich die Beschwerde. Sie würde im vorliegenden Fall zum selben Ergebnis wie die vorstehend geschilderte Ansicht führen.
cc) Nach einer dritten Ansicht findet § 52 Abs. 2 GNotKG unmittelbar Anwendung (Diehn, in: BeckOK aaO. Rn. 6; ders., in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt aaO., § 49 Rn. 6 [anders aber ders., in: BeckOK aaO. Rn. 10, s.o.]; Pfeiffer, in: Bormann/ Diehn/Sommerfeldt aaO., § 43 Rn. 3; Graf Wolffskeel v. Reichenberg, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 4 Rn. 206). Dieser Ansicht ist das Grundbuchamt in der angegriffenen Entscheidung gefolgt. Sie führt zum Ansatz des auf den Verlängerungszeitraum entfallenden Erbbauzinses.
b) Die letztere Ansicht ist zutreffend.
aa) § 43 GNotKG findet auf die Verlängerung eines Erbbaurechts keine Anwendung. Bei der Verlängerung handelt es sich nicht um eine Bestellung im Sinne der Vorschrift. Zwar mag eine Verlängerung noch als besondere Form der Bestellung verstanden werden und damit vom Wortsinn umfasst sein. Nach Sinn und Zweck einer Verlängerung handelt es sich dabei jedoch um etwas qualitativ anderes als eine Neubestellung, auch ist der Aufwand für alle, die damit befasst sind, deutlich reduziert. Bei einer kurzen Verlängerung ergäbe sich nach dieser Ansicht auch die offenbar unangemessene Folge, dass derselbe Geschäftswert wie für die ursprüngliche Bestellung des Erbbaurechts erneut anzusetzen wäre.
Hieran ändert sich nichts dadurch, dass, wie die Beschwerde an sich zutreffend geltend macht, Nr. 14130 GNotKG-KV für die Eintragung einer „Veränderung“ nur eine 0,5-Gebühr vorsieht gegenüber der 1,0-Gebühr in Nr. 14121 GNotKG-KV für die Neueintragung. Die pauschale Halbierung bildet den Unterschied zwischen Neubestellung und Verlängerung nicht angemessen ab, zumal diese Vorschriften auch nicht speziell für das Erbbaurecht gelten.
bb) Aus derselben Überlegung heraus scheidet auch die unmittelbare Anwendung des § 49 Abs. 2 GNotKG aus. Der „Wert des Erbbaurechts“, auf den dort als Maßstab abgestellt wird, bildet den grundsätzlichen Unterschied zwischen einer Neubestellung und einer Verlängerung nicht ab.
cc) Dagegen wird die Anwendung des § 52 Abs. 2 GNotKG der Sachlage gerecht, indem die Vorschrift die gebotene Unterscheidung zwischen Neubestellung und Verlängerung gewährleistet und überdies eine Differenzierung nach der Dauer der Verlängerung erlaubt. Die Vorschrift des § 52 GNotKG ist auf das Erbbaurecht auch ihrem Wortlaut nach ohne weiteres anwendbar (vgl. Schwarz, in: Korintenberg aaO., § 52 Rn. 28). Das Erbbaurecht als Recht, auf oder unter der Oberfläche eines Grundstücks ein Bauwerk zu haben (§ 1 Abs. 1 ErbbauG), ist ein Recht auf dauernde Nutzung (§ 52 Abs. 1 GNotKG). Soweit dies unter Verweis auf § 43 GNotKG in Abrede gestellt wird (Lutz/Mattes, in: BeckOK aaO. § 52 Rn. 2), ist dem entgegenzuhalten, dass § 43 GNotKG gerade keine abschließende Regelung des Erbbaurechts enthält, sondern nur eine Regelung der Bestellung des Erbbaurechts, wie oben ausgeführt. Nur in diesem Fall ist die Vorschrift als Spezialregelung vorrangig.
3. Kostenentscheidung und Wertfestsetzung entfallen wegen § 83 Abs. 3 GNotKG.