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Wohnungsgrundbuchverfahren – unzulässige Eintragung eines Miteigentumsanteils

OLG München – Az.: 34 Wx 306/16 – Beschluss vom 22.12.2016

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Augsburg – Grundbuchamt – vom 13. Juli 2016 aufgehoben.

Gründe

I.

Im Teileigentumsgrundbuch sind die Beteiligten zu 1 bis 3 in Erbengemeinschaft für einen 86,54/1.000 Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichneten gewerblich genutzten Räumen eingetragen. Wegen des Gegenstands und des Inhalts des Sondereigentums ist auf die Bewilligung vom 17.2.1983 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben am 23.6.2016 unter Vorlage einer Ergänzungsbescheinigung vom 22.3. 2016 zur Abgeschlossenheitsbescheinigung, welche „hinsichtlich der Nutzungsänderung der Gewerbeeinheit mit Ziffer 1 im Erdgeschoss zu einer Wohnungseinheit“ die erste Bescheinigung abändert, und unter Bezugnahme auf die Teilungserklärung vom 17.2.1983 die Berichtigung des Grundbuchs dergestalt beantragt, dass das derzeit angelegte Teileigentumsgrundbuchblatt in ein Wohnungseigentumsgrundbuchblatt gemäß dem Wortlaut der Teilungserklärung umgeschrieben wird. Das Grundbuch sei insoweit falsch. Die Zweckbestimmung als Wohnung sei im vorliegenden Fall in der Teilungserklärung als rechtsgeschäftliche und rechtsgestaltende Erklärung des aufteilenden Eigentümers enthalten. Ungeachtet der erteilten Abgeschlossenheitsbescheinigung, die davon abweichend die Einheit Nr. 1 ohne nachvollziehbaren Grund als gewerbliche Räume ausweise, hätte sich das Grundbuchamt nicht ohne nachträgliche Beseitigung eines etwa damit verbundenen Widerspruchs allein auf die Abgeschlossenheitsbescheinigung stützen dürfen.

Das Grundbuchamt hat am 13.7.2016 folgende fristsetzende Zwischenverfügung erlassen:

Für die Grundbuchberichtigung bzw. die Änderung der Teilungserklärung sei die Zustimmung sämtlicher Eigentümer der Wohnanlage in der Form des § 29 GBO erforderlich. Bei der fraglichen Einheit sei durchaus Teileigentum entstanden. Die Teilungserklärung vom 17.2.1983 habe die Räume zwar als Wohnung deklariert und der Rechtspfleger habe – ob bewusst oder versehentlich sei heute nicht mehr nachvollziehbar – bei Anlage der Grundbuchblätter die Einheit Nr. 1 entsprechend der Abgeschlossenheitsbescheinigung als gewerbliche Räume vorgetragen. An dem Grundbuchvortrag habe sich 33 Jahre lang niemand gestoßen. In späteren Urkunden sei die Einheit stets als gewerblich genutzte Räumlichkeit bezeichnet worden. Schon allein dies spreche neben der Abgeschlossenheitsbescheinigung dafür, dass es sich bei der Einheit um keine Wohnung handele. Es liege somit kein Fall einer Grundbuchberichtigung infolge Unrichtigkeit des Grundbuchs vor. Die Nutzungsänderung könne nur mit Zustimmung aller Eigentümer der Wohnanlage vorgenommen werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der notariell vertretenen Beteiligten. Das Grundbuch sei falsch und ungeachtet des lange zurückliegenden Eintragungsvorgangs von Amts wegen zu berichtigen, weil die Teilungserklärung für die Räumlichkeit eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter (“Wohnung“) enthalte.

Das Grundbuchamt hat mit formloser Verfügung nicht abgeholfen und die Grundakten zur Beschwerdeentscheidung vorgelegt.

II.

Das Rechtsmittel ist erfolgreich.

1. Gegen die ergangene Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 GBO) ist die Beschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO der statthafte Rechtsbehelf (Demharter GBO 30. Aufl. § 71 Rn. 1). Das Rechtsmittel ist vom Notar, der die zur Eintragung erforderliche Erklärung beglaubigt hat, mittels Beschwerdeschrift eingelegt. Dieser gilt nach § 15 Abs. 2 GBO als ermächtigt, nicht nur den Antrag beim Grundbuchamt zu stellen, sondern auch gegen die ergangene Entscheidung für die Antragsberechtigten Beschwerde einzulegen (Demharter § 15 Rn. 20). Erklärt er sich nicht, für welchen der Antragsberechtigten das Rechtsmittel ergriffen wird, sind als Beschwerdeführer alle Antragsberechtigten anzusehen (Demharter 3 15 Rn. 20). Dies sind hier die drei Beteiligten, die als Mitglieder einer Erbengemeinschaft Eigentümer des Grundbesitzes sind.

Auch wenn die Entscheidung über die Nichtabhilfe formell mangelhaft ist (vgl. OLG Celle Rpfleger 2011, 278; Demharter § 75 Rn. 11 und 13) – sie beschränkt sich auf eine Bezugnahme und wurde den Beteiligten nicht bekannt gegeben -, ist es dem Senat nicht verwehrt, sogleich zu entscheiden (OLG Celle a. a. O.).

2. Die Beschwerde ist begründet. Für die begehrte Eintragung ist die Zustimmung sämtlicher Eigentümer der Wohnanlage – einschließlich von Vormerkungsberechtigten – in der Form des § 29 GBO nicht erforderlich.

a) Der Ausgangspunkt des Grundbuchamts ist zutreffend: die Qualifikation eines Raumeigentums als Wohnungs- oder Teileigentum (§ 1 Abs. 2 bzw. Abs. 3 WEG) hat Vereinbarungscharakter im Sinne von § 5 Abs. 4, § 10 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 WEG (BGH FGPrax 2015, 101 Rn. 10; BGH NJW-RR 2012, 1036 Rn. 9; zuletzt Senat vom 11.11.2016, 34 Wx 264/16 juris; KG RNotZ 2013, 428 mit Anm. Rapp; OLG Frankfurt MittBayNot 2015, 474) mit der Folge, dass für eine Umwandlung grundsätzlich die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer (und der dinglich Berechtigten, soweit deren Rechtsstellung beeinträchtigt wird) erforderlich ist (BGH FGPrax 2015, 101 Rn. 12; Demharter Anhang zu § 3 Rn. 95; Rapp RNotZ 2013, 430).

b) Um eine Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum handelt es sich vorliegend aber nicht.

aa) Die nach § 8 WEG vorgenommene Teilung durch den Eigentümer bestimmte für die gegenständliche Einheit Nr. 1 die Verbindung des Miteigentumsanteils mit dem Sondereigentum an einer Wohnung im Erdgeschoß (ursprünglich mit Keller, nach dem Nachtrag vom 17.8.1983 ohne den bezeichneten Kellerraum). Anhaltspunkte für eine Nutzung der Räume zu anderen als zu Wohnzwecken finden sich in der Teilungserklärung nicht. Diese teilt durchwegs in „Wohnungen“ auf (II.); beantragt ist auch die Anlegung entsprechender „Wohnungsgrundbücher“ (V. 1.). Lediglich der ursprüngliche Beschrieb für das ungeteilte Eigentum gibt einen Hinweis darauf, dass das vorhandene Gebäude Räume aufwies, die nicht zum Wohnen bestimmt waren (“Wohnhaus mit Laden“). Aus der in der Bauzeichnung (Aufteilungsplan) nicht enthaltenen – auch nicht gebotenen (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WEG), vielmehr rechtlich überflüssigen (vgl. BGH ZMR 2013, 452; 2010, 461) – Funktionsbezeichnung der mit derselben Nummer (1) gekennzeichneten Räume lässt sich nichts schließen, was der Eintragungsbewilligung nach § 7 Abs. 3 WEG widerspräche.

bb) Unrichtig ist hingegen die gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG erteilte Bescheinigung vom 7.2.1983, die die Abgeschlossenheit der mit Nr. 1 bezeichneten, nicht zu Wohnzwecken dienenden (gewerblich genutzten) Räume nach § 3 Abs. 2 WEG bestätigt. Weil das Ausstattungserfordernis von Teileigentum einerseits, Wohnungseigentum andererseits, unterschiedlich ist (vgl. Nrn. 4 und 5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 und § 32 Abs. 2 Nr. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes vom 19.3.1974, BAnz. Nr. 58 vom 23.3.1974; OLG Düsseldorf FGPrax 1998, 12; Rapp RNotZ 2013, 429/431), hätte die seinerzeitige Eintragung nicht vorgenommen werden dürfen (vgl. § 3 Abs. 2 WEG). Der Mangel berührt aber die wirksame Entstehung von Sondereigentum nicht (vgl. BGHZ 110, 36/40; Schneider in Riecke/Schmid WEG 4. Aufl. § 3 Rn. 62 und 63a).

c) Eine Berichtigung im Antragsverfahren nach § 22 GBO scheidet aus; vielmehr geht es um eine unzulässige Eintragung i. S. v. § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO.

aa) Die Eintragung des Miteigentumsanteils im (Teileigentums-)Grundbuch als mit dem Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden gewerblich genutzten Räumen (§ 1 Abs. 3 WEG) verbunden steht im Widerspruch zur Teilungserklärung, welche das Sondereigentum als Wohnungseigentum (§ 1 Abs. 2 WEG) bestimmt. Eine Auflösung dieser Widersprüchlichkeit, etwa durch Auslegung, ist nicht möglich, weil sich ein geltungsfähiger Sinn in der einen oder anderen Richtung nicht ermitteln lässt (vgl. BayObLGZ 1998, 39/43). Angelehnt an die vom Senat gebilligte Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts handelt es sich bei dem Eintrag des Sondereigentums als „gewerblich genutzte Räume“ um eine im Grundbuch eintragungsfähige Bestimmung (a. a. O.; ebenso Meikel/Morvilius GBO 11. Aufl. Einl B Rn. 207; siehe auch Bärmann/Armbrüster WEG 13. Aufl. § 1 Rn. 33), die nicht nur als Unrichtigkeit tatsächlicher Art – etwa einer fehlerhaften Angabe zur Nutzungsart eines Grundstücks – durch Richtigstellung von Amts wegen beseitigt werden kann (so aber Schneider in Riecke/Schmid § 7 Rn. 192; Hügel/Kral GBO WEG Rn. 123; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 2872c; Timme/Kral WEG 2. Aufl. § 7 Rn. 102; Bärmann/Armbrüster § 1 Rn. 32; § 7 Rn. 50; wohl auch von Oefele in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. AT V Rn. 233). Eine eintragungsfähige Bestimmung, die zu der ebenfalls nach § 7 Abs. 3 WEG zum Grundbuchinhalt gewordenen Eintragungsbewilligung in einem unlöslichen Widerspruch steht, ist aber inhaltlich unzulässig (Hügel/Holzer § 53 Rn. 69 mit 81) und steht nicht unter dem öffentlichen Glauben (BayObLG a. a. O.; ferner BayObLGZ 1997, 233/237). Die Eintragung ist nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO als inhaltlich unzulässig zu löschen.

bb) Wegen des dabei zu beachtenden Verfahrens und der Notwendigkeit, den ursprünglichen Antrag sodann neu zu verbescheiden, nimmt der Senat auf die Ausführungen des Bayerischen Oberstern Landesgerichts in dessen Entscheidung vom 13.2.1998 (BayObLGZ 1998, 39/43 f. unter II. 2. b) Bezug. Zu beachten ist darüber hinaus, dass im Verfahren der Amtslöschung den übrigen Wohnungs- und Teileigentümern sowie dinglich Berechtigten Gehör zu gewähren ist (Demharter § 53 Rn. 57; Hügel/Holzer § 53 Rn. 86).

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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