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Notarieller Grundstückskaufvertrag – getrennte Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung

Oberlandesgericht Thüringen – Az.: 4 W 23/19 – Beschluss vom 22.04.2020

1. Die Beschwerde der Antragsteller vom 12.12.2018 gegen den Beschluss des Landgerichts Gera vom 08.11.2018, Az. 6 OH 14/17, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 770,82 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen eine Notarkostenrechnung des Antragsgegners.

Die Antragsteller kauften durch einen notariellen Grundstückskaufvertrag vom 12.07.2013 (Urkundenrolle Nr. L-…/… des Notars L) von einer M GmbH & Co. KG eine noch herauszumessende Teilfläche eines Grundstücks in W zu einem vorläufigen Kaufpreis von 138.230,00 €. Dem Kaufvertrag war als Anlage ein Lageplan beigefügt, in den die verkaufte Teilfläche eingezeichnet war. Die Größe war mit „ca. 601 qm“ angegeben. Der vorläufige Kaufpreis war auf der Grundlage eines Quadratmeterpreises von 230,00 € ermittelt worden. Die Teilfläche erhielt später die Flurstücksnummer …/… der Flur … .

Der Antragsgegner beurkundete etwa eineinhalb Jahr später, nämlich am 02.12.2014, für die Antragsteller in der Urkundenrolle Nr. W-…/… eine sog. Messungsanerkennung sowie die Auflassung. Die Grundstücksvermessung hatte ergeben, dass das Grundstück sechs Quadratmeter größer war als vermutet. Deshalb wurde in der Urkunde eine Nachzahlung von 1.380,00 EUR vereinbart (6 x 230,00 €). Ferner stellte der Antragsgegner eine notarielle Bescheinigung über die vertretungsberechtigten Personen der M aus.

Am 03.12.2014 erteilte der Antragsgegner den Antragstellern für seine notarielle Amtstätigkeit eine Gebührennote wie folgt:

Wertvorschrift Wert/€ Gebühr/€

– 21101 Beurkundungsverfahren §§ 97, 46 500.000,00 467,50

– 21100 Beurkundungsverfahren §§ 97, 47 1.380,00 120,00

– 25200 Vertretungsbescheinigung M KG 30,00

– 32011 Auslage  Grundbucheinsicht 8,00

– 32001 Dokumentenpauschale (s/w) 8,10

– 32005 Post- und  Telekommunikationspauschale 14,15

Gebührensumme: 647,75

32014 19 % Mehrwertsteuer 123,07

Rechnungsbetrag: 770,82

Die Kostenrechnung enthielt eine Erläuterung, dass es sich bei den Nummern um diejenigen aus dem Kostenverzeichnis, Anlage 1 zum Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG), handele.

Mit einem Schreiben vom 01.01.2015 (Bl. 40) monierten die Antragsteller, der Geschäftswert von 500.000,00 € sei unzutreffend, maßgeblich sei der Grundstückskaufpreis von 139.610,00 €. Ferner machten sie geltend, die Gebühren für das Vertretungsattest in Höhe von 30,00 € seien unberechtigt, da ein solches Attest nicht erforderlich gewesen sei. Das Grundbuchamt benötige dieses nicht, sondern entnehme die Vertretungsberechtigung dem Handelsregister.

Mit ihrem Kostenprüfungsantrag wiederholen die Antragsteller diese Einwände und machen weiter geltend, der Antragsgegner habe die Verbraucherschutzfrist nicht eingehalten. Die getrennte Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung stelle eine unrichtige Sachbehandlung dar und habe unnötige Mehrkosten verursacht. Die Festsetzung des Geschäftswerts von 500.000,00 € sei verfahrensfehlerhaft ohne vorherigen Anhörung der Antragsteller erfolgt. Der Geschäftswert könne auf höchstens den Betrag der im Zeitpunkt der Beurkundung aufgewendeten Grundstücks- und Baukosten in Höhe von 404.876,35 € festgesetzt werden, wie er sich aus einer vorgelegten Aufstellung ergebe (Bl. 31, 45).

Der Antragsgegner verteidigt seine Kostenrechnung.

 

Das Landgericht hat nach vorherigen Einholung einer Stellungnahme der Ländernotarkasse und Anhörung des Landgerichtspräsidenten den Kostenprüfungsantrag durch Beschluss vom 08.11.2018 zurückgewiesen und eine Berechtigung der angesetzten Gebühren bejaht. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.

Der Beschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller am 15.11.2018 zugestellt worden. Diese haben mit Schriftsatz vom 12.12.2018, eingegangen am selben Tag, Beschwerde eingelegt und zur Begründung einen weiteren Schriftsatz angekündigt. Auf telefonischen Hinweis, dass bislang kein Begründungsschriftsatz eingegangen sei, haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller erklärt, dass man hiermit fernmündlich die bisherigen Einwände wiederhole und insbesondere den von der Ländernotarkasse befürworteten ermäßigten Geschäftswert für zutreffend halte.

Der Antragsgegner hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 17.01.2019 nicht abgeholfen und sie dem Thüringer Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Landgerichts eingelegt worden (§§ 129 Abs. 1, 130 Abs. 3 S. 1 GNotKG i.V.m. § 63 Abs. 1, 3, 64 Abs. 2 FamFG).

Das Gesetz verlangt keine Begründung der Beschwerde (Sikora, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 129 Rn. 11). Dies ergibt sich aus § 130 Abs. 3 S. 1 GNotKG in Verbindung mit § 65 Abs. 1 FamFG (Sikora, a.a.O.). Es handelt sich um eine Soll-Vorschrift. Eine fehlende Begründung führt nicht zur Unzulässigkeit der Beschwerde (Fischer, in: MünchKomm-FamFG, 3. Aufl. 2018, § 65 Rn. 5). Soweit die Antragsteller keinen förmlichen Beschwerdeantrag gestellt haben, war ein solcher ebenfalls entbehrlich. Das Gesetz verlangt nicht, dass ein bestimmter Sachantrag gestellt wird (Wudy, in: Leipziger Gerichts- und Notarkostenkommentar, 2. Aufl. 2016, § 129 Rn. 17). Bei Fehlen einer Beschwerdebegründung oder eines Beschwerdeantrags gilt die Entscheidung als insgesamt angefochten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Dezember 2010 – II-7 UF 182/10 , NJW-RR 2011, 808-809, Rn. 16; Holzwarth, a.a.O.). Das Beschwerdegericht hat in diesem Fall den bisherigen Sach- und Streitstand zugrunde zu legen (Kräft, in: Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 65 Rn. 2). Soweit die Beschwerde im vorliegenden Fall fernmündlich begründet worden ist, war dies ausnahmsweise zulässig. Denn die Antragsteller wiederholen damit lediglich ihren erstinstanzlichen Vortrag. Auch ihr Einwand, es sei der von der Ländernotarkasse befürwortete ermäßigte Geschäftswert zu berücksichtigen, ist bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht worden (Schriftsatz vom 09.01.2018, Bl. 59 ff.). Die Beschwerde ist auch ohne Begründung dahin auszulegen, dass sie sich auf den erstinstanzlichen Vortrag bezieht (Holzwarth, FamRZ 2011, 933 ff., 943). Eine mündliche oder fernmündliche Begründung dient insoweit der Klarstellung und ist daher zulässig (Fischer, in: MünchKomm-FamFG, 3. Aufl. 2018, § 65 Rn. 8; Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 25 Rn. 13).

Das Rechtsschutzbegehren ist dahin auszulegen, dass eine Aufhebung, hilfsweise Ermäßigung der Kostenrechnung beantragt wird.

Da bereits das Landgericht eine Stellungnahme der Ländernotarkasse eingeholt hat, bedarf es keiner erneuten Einholung durch den Senat (Wudy, in: Leipziger Kommentar zum GNotKG, 2. Aufl. 2016, § 129 Rn. 38).

2.

Die Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Denn die Kostenrechnung des Antragsgegners vom 03.12.2014 ist rechtmäßig.

a.

Der Antragsgegner hat den Geschäftswert zutreffend im Wege der Schätzung auf 500.000,00 € bemessen. Eine Herabsetzung auf den von der Ländernotarkasse befürworteten ermäßigten Geschäftswert von 404.876,35 € scheidet aus. Deren Bericht befasst sich nicht mit der Bindungswirkung einer Schätzung.

Die Schätzung entsprach der Vorschrift des § 95 Satz 2 GNotKG, wonach der Notar den Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen hat, wenn die Beteiligten ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen.

Im vorliegenden Fall ist die Schätzung zwar verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil der Antragsgegner versäumt hat, die Antragsteller vorher zu hören. Zu einer solchen Anhörung war er verpflichtet, bevor er eine Schätzung vornahm (Hey’l, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 95 Rn. 5; Heit/Genske, in: Leipziger Kommentar zum GNotKG, 2. Aufl. 2016, § 95 Rn. 8; Greipl, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, GNotKG § 95 Rn. 4).

Dieser Verfahrensfehler wurde jedoch geheilt. Denn der Antragsgegner hat die Anhörung zeitnah mit Schreiben vom 16.01.2015 (Bl. 13 d.A.) nachgeholt und sich bereit erklärt, seine Kostenrechnung zu ändern. Einem Notar steht insoweit das Recht zu, einen Ermessensfehler zu korrigieren (BGH Beschluss vom 23.10.2008, V ZB 89/08, JurBüro 2009, 152 ff., Rn. 11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.2018, 10 W 29/18, JurBüro 2019, 35, Rn. 5). Die Mitwirkungspflicht aus § 95 GNotKG, sachdienliche Angaben zur Ermittlung des Geschäftswerts zu machen, besteht unabhängig vom Rechtsstandpunkt der Antragsteller. Sie endet nicht mit Erteilung der Kostennote (Hey’l, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 95 Rn. 4 a.E.; Diehn, in: Bormann u.a., GNotKG, 3. Aufl. 2019, § 95 Rn. 6). Es ist zwar gesetzlich nicht geregelt, wie lange sich ein Notar bezüglich der Erfüllung der Mitwirkungspflicht gedulden muss, bevor er eine Schätzung vornehmen darf (Hey’l, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 95 Rn. 5). Als durchschnittliche Frist dürfte aber ein Zeitraum von drei Monaten meist angemessen sein (Hey’l, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 95 Rn. 5). Im vorliegenden Fall haben die Antragsteller trotz des Hinweises des Antragsgegners auf ihre Mitwirkungspflicht im Schreiben vom 16.01.2015 eine Aufstellung der Baukosten erst zwei Jahre später, nämlich erstmals im vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz vom 10.05.2017 vorgelegt (Bl. 27 ff., 31, 45). So lange brauchte der Antragsgegner nicht zu warten, bevor er eine Schätzung vornahm. Aus dem Verhalten der Antragsteller ist ferner zu schließen, dass eine Anhörung vor Erteilung der Kostenrechnung zu keinem Erfolg geführt hätte. Die Antragsteller behaupten nicht, dass sie im Falle rechtzeitiger Anhörung vor Erteilung der Kostenrechnung ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen wären.

Die Schätzung des Geschäftswerts auf 500.000,00 € erscheint nicht als offensichtlich unbillig. Immerhin hat sich der Antragsgegner an der unstreitig bestehenden Grundschuld in Höhe von 400.000 €, dem geschätzten Einsatz von Eigenmitteln des Bauherrn und den Angaben des Veräußerers zum Bautenstand orientiert. Dieser hatte das aufgelassene Grundstück mit Bauwerk anlässlich der Aufgabe des ihm eingeräumten Wiederkaufsrechts unmittelbar vor der Beurkundung besichtigt. Außerdem haben die Vertragsbeteiligten in Ziffer III.5. der Urkunde vom 02.12.2014 erklärt: „Auf die Eintragung der Vormerkung gemäß Abschnitt VIII der Vorurkunde (Wiederkaufsrecht) wird nunmehr beidseitig verzichtet, da der Erwerber nach Angabe die Bauverpflichtung erfüllt hat.“ Daraus folgt, dass der Antragsgegner annehmen durfte, das Bauvorhaben sei fertiggestellt und das Grundstück dadurch aufgewertet.

Bei der Beurkundung der Auflassung eines Grundstücks ist der ursprüngliche Kaufpreis als anzunehmender Verkehrswert des Grundstücks dann nicht mehr maßgebend, wenn sich der Verkehrswert des Grundstücks in der Zwischenzeit erhöht hat, etwa – wie hier – infolge einer vorgenommenen Bebauung (§§ 46 Abs. 1, 96 GNotKG). Nach diesen Vorschriften kommt es auf den Verkehrswert im Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühren an. Maßgebend sind alle den Preis beeinflussenden Umstände (§ 46 Abs. 1 GNotKG). Belastungen werden nach dem sog. Bruttoprinzip grundsätzlich nicht abgezogen (§ 38 GNotKG). Ein Ausnahmefall liegt hier nicht vor (vgl. die Aufzählung der Ausnahmevorschriften bei Heinemann, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, GNotKG § 38 Rn. 13). Das frühere Bewertungsprivileg aus § 20 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 KostO, wonach beim Kauf eines Grundstücks eine für Rechnung des Erwerbers vorgenommene Bebauung bei der Ermittlung des Verkehrswerts außer Betracht blieb, ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in das GNotKG übernommen worden (OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.06.2014, 5 W 32/14, NotBZ 2014, 391 m.w.N.; Tiedtke, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 47 Rn. 50 f.; Heinze, in: Leipziger Kommentar zum GNotKG, 2. Aufl. 2016, § 47 Rn. 6; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 8. Aufl. 2017, Rn. 4450).

Da der Antragsgegner den Verkehrswert zutreffend nach § 95 GNotKG geschätzt hat, kann diese Schätzung nicht mehr nachträglich korrigiert werden, auch wenn sich nunmehr andere Beträge ergeben. Eine ermessensfehlerfreie Wertbestimmung ist bindend (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.2018, 10 W 29/18, JurBüro 2019, 35; KG Beschluss vom 02.05.2018, 9 W 76/16; Heit/Genske, in: Leipziger Kommentar zum GNotKG, 2. Aufl. 2016, § 95 Rn. 14; Hey’l, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 95 Rn. 9; Diehn, in: Bormann u.a., GNotKG, 3. Aufl. 2019, § 95 Rn. 12). Der Antragsgegner durfte auf die Richtigkeit seiner Schätzung vertrauen, nachdem sich die Antragsteller mehr als ein Jahr lang trotz Hinweises nicht zu den Baukosten geäußert hatten. Dieses Vertrauen ist schutzwürdig, da der Antragsgegner seiner Hinweispflicht zeitnah nach Erteilung seiner Kostenrechnung nachgekommen war, die Antragsteller aber ihre gesetzliche Mitwirkungspflicht aus § 95 GNotKG verletzt haben. Die Antragsteller standen nicht schutzlos. Sie haben lediglich von ihrem Schutzrecht nicht Gebrauch gemacht und die Baukostenaufstellung verspätet vorgelegt.

Es war nicht erforderlich, in der Kostenrechnung anzugeben, dass der Geschäftswert auf einer Schätzung nach § 95 GNotKG beruhte. Denn § 19 GNotKG schreibt dies nicht vor und erklärt § 95 GNotKG auch nicht für zitierpflichtig.

b.

Die getrennte Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung stellte keine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 21 GNotKG dar, die zu einer unberechtigten Kostenerhebung geführt hätte.

Hierbei kann dahinstehen, ob der Antragsgegner als Notar am Zustandekommen des Kaufvertrags, der Anlass zu einer gleichzeitigen Beurkundung der Auflassung hätte geben können, überhaupt mitgewirkt hat oder ob nicht vielmehr Notar L diesen Vertrag alleine beurkundet hat. Im letzteren Fall würde eine Pflichtverletzung des Antragsgegners schon deshalb ausscheiden, weil im Notarhaftungsrecht grundsätzlich keine Sozietätshaftung besteht (Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 8. Aufl. 2016, § 19 Rn. 15; Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 4. Aufl. 2018, Rn. 2361).

Es ist zwar richtig, dass ein Kaufvertrag und eine Auflassung nach § 925a BGB grundsätzlich nicht getrennt beurkundet werden sollen. Diese Vorschrift will aber nur verhindern, dass die Vertragspartner sich auf eine Beurkundung der Auflassung beschränken, um über die Heilungsregelung des § 311b Abs. 1 S. 2 BGB die Beurkundungskosten für den Kaufvertrag zu sparen (Artz, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 925a Rn. 1). Darum geht es im vorliegenden Fall nicht. Denn der Kaufvertrag war bereits eineinhalb Jahre vor der Auflassung beurkundet worden.

Zwar wäre es möglich gewesen, die Auflassung im Grundstückskaufvertrag mitzubeurkunden (Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 11. Aufl. 2016, Rn. 1512; Krauß, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 1 Rn. 608). Für den grundbuchamtlichen Vollzug hätte aber eine Ergänzungsurkunde nach § 29 GBO errichtet werden müssen, in der das Grundstück vermessungsgenau bezeichnet wird (Krauß, a.a.O.). Denn hier geht es um den Verkauf einer noch nicht vermessenen Teilfläche. Insoweit war zwar der Abschluss eines Grundstückskaufvertrags möglich, da diesem ein Lageplan mit hinreichender Beschreibung der Teilfläche beigefügt war. Dadurch war der Kaufgegenstand ausreichend festgelegt (Krüger/Hertel, a.a.O., Rn. 1513).

Auch eine gleichzeitige Auflassung wäre insoweit möglich gewesen, da auch für diese eine solche Bezeichnung der Teilfläche ausreicht (Hügel, in: Hügel, GBO, 4. Aufl. 2020, § 20 Rn. 10; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 877). Anderes gilt für den grundbuchamtlichen Vollzug. Er setzt voraus, dass ein Veränderungsnachweis (auch: Fortführungsnachweis) nach § 2 Abs. 3 GBO existiert, der die amtlich vermessene Teilfläche als neues Flurstück ausweist und auf den das Grundbuchamt im elektronischen Rechtsverkehr zugreifen kann (Holzer, in: Hügel, GBO, 4. Aufl. 2020, § 2 Rn. 40; Hügel, in: Hügel, a.a.O., § 20 Rn. 11; Demharter, GBO, 31. Aufl. 2018, § 2 Rn. 24). Damit soll gewährleistet werden, dass das Grundbuch mit dem Liegenschaftskataster des Vermessungsamts übereinstimmt (Keller/Munzig, Grundbuchrecht, 8. Aufl. 2019, GBO § 2 Rn. 13). Weiter war für den grundbuchamtlichen Vollzug Voraussetzung, dass die neu vermessene Teilfläche mit der in der Auflassung bezeichneten „exakt übereinstimmte“ (Wilsch, in: Hügel, GBO, 4. Aufl. 2020, § 28 Rn. 107; Grziwotz, ZfIR 2016, 103 f.: „millimetergenaue Übereinstimmung“). Das war hier nicht der Fall, da die Vermessung eine Abweichung von sechs Quadratmetern ergeben hatte. Das Grundbuchamt hätte daher die Eintragung verweigern dürfen. In einem solchen Fall ist eine notarielle Identitätserklärung erforderlich, um zu bestätigen, dass die vermessene Teilfläche mit der aufgelassenen übereinstimmt (Hügel, in: Hügel, GBO, 4. Aufl. 2020, § 20 Rn. 11). Deshalb bedurfte es der Nachtragsurkunde vom 02.12.2014 (vgl. Hügel, a.a.O.). Die Messungsanerkennung ist eine Identitätserklärung (BGH, Beschluss vom 01. Oktober 2015, V ZB 181/14, DNotZ 2016, 115-119; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 28. Juni 1999, 1Z RR 170/98, BayObLGZ 1999, 183-191; OLG München, Beschluss vom 09. September 2014, 34 Wx 309/14, NotBZ 2015, 353-355).

Wegen der darüber hinaus in solchen Fällen bestehenden Gefahr, dass die Vermessung zu einer derart erheblichen Abweichung führt, dass das vermessene Grundstück nicht mehr mit dem aufgelassenen übereinstimmt, wird es in der Rechtsprechung und Literatur allgemein für ratsam gehalten, mit der Auflassung zuzuwarten, bis das Vermessungsergebnis und der Fortführungsnachweis vorliegen. Andernfalls müsste die Auflassung wiederholt werden, um wirksam zu sein (Waldner, Praktische Fragen des Grundstückskaufvertrages, 2003, Rn. 206; Hügel, in: Hügel, GBO, 4. Aufl. 2020, § 20 Rn. 11). Die Eintragung im Grundbuch könnte nach § 311b Abs. 1 S. 2 BGB allenfalls einen Formfehler des Kaufvertrags, nicht aber einen Formfehler der Auflassung heilen (Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 11. Aufl. 2016, Rn. 1515; Krauß, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 1 Rn. 608). Die Fachliteratur empfiehlt daher, im Falle des Verkaufs einer unvermessenen Teilfläche mit der Auflassung „unbedingt“ zuzuwarten, bis das Vermessungsergebnis vorliegt (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 878; Wilsch, in: Hügel, GBO, 4. Aufl. 2020, § 28 Rn. 108; Krauß, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 1 Rn. 609; Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 11. Aufl. 2016, Rn. 1516). In einem Zuwarten liegt keine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 21 GNotKG (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.05.2000, 10 W 35/00, MittRhNotK 2000, 261-262; Beschluss vom 13.03.1980, 10 W 121/79, DNotZ 1981, 74 ff.; LG Düsseldorf, Beschluss vom 19.06.2017, 19 T 55/16, JurBüro 2017, 595). Das Zuwarten stellt vielmehr eine richtige Sachbehandlung dar und entspricht der Verpflichtung des Notars, den sichersten Verfahrensweg zu beschreiten (Tiedtke, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 21 Rn. 22; Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 8. Aufl. 2016, § 14 Rn. 174).

c.

Die Ausstellung der Vertretungsbescheinigung stellt ebenfalls keine unrichtige Sachbehandlung dar. Zwar ergibt sich die Vertretungsmacht der Verkäuferin M_ KG auch aus dem elektronischen Handelsregister, das vom Grundbuchamt eingesehen werden kann (§ 32 Abs. 2 GBO). Deshalb könnte die Ausstellung einer Vertretungsbescheinigung „eindeutig überflüssig“ gewesen sein und somit eine unrichtige Sachbehandlung darstellen (vgl. Neie, in: Bormann u.a., GNotKG, 3. Aufl. 2019, § 21 Rn. 13). Gleichwohl handelt ein Notar nicht pflichtwidrig, wenn er eine Vertretungsbescheinigung nach § 21 Abs. 1 BNotO ausstellt und hierfür Zusatzgebühren in Rechnung stellt. Denn die Vertretungsbescheinigung schafft einen „Mehrwert“, indem sie bereits bei der Beurkundung für Klarheit über die vertretungsrechtliche Wirksamkeit sorgt (Wudy, in: Leipziger Kommentar zum GNotKG, 2. Aufl. 2016, § 21 Rn. 142; Tiedtke, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 21 Rn. 16; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 3640).

d.

Soweit die Antragsteller einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2a BeurkG geltend machen, wonach ein Notar einem Verbraucher vor der Beurkundung eine Überlegungsfrist von grundsätzlich zwei Wochen einzuräumen hat (sog. Regelfrist, Wartefrist oder Schutzfrist), ist auch dieser Einwand unter dem Gesichtspunkt einer Nichtberechtigung der Kostenerhebung wegen unrichtiger Sachbehandlung nach § 21 GNotKG zu prüfen (Wudy, in: Leipziger Kommentar zum GNotKG, 2. Aufl. 2016, § 127 Rn. 68). Eine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung des Notars (§ 19 Abs. 1 BNotO), die ebenfalls in Betracht käme (Wudy, a.a.O.), wird nicht geltend gemacht. Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2a BeurkG liegt nicht vor, da diese Vorschrift – wie der Antragsgegner und die Ländernotarkasse zu Recht ausgeführt haben – nur auf das Grundgeschäft (den Grundstückskaufvertrag) anzuwenden ist, nicht auf das vorliegend in Rede stehende Erfüllungs- oder Vollzugsgeschäft. Dies ergibt sich hinsichtlich § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 1 BeurkG aus einer teleologischen Reduktion, da diese Vorschrift nicht bezweckt, Erfüllungs- und Vollzugsvollmachten auszuschließen (Staudinger/Hertel, BGB, §§ 125-129/BeurkG, Neubearb. 2017, Rn. 523; Maaß, ZNotP 2004, 216 ff., 220). Hinsichtlich § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG ergibt es sich aus der dortigen Verweisung auf die Vorschrift des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB, die nur das Verpflichtungsgeschäft (Grundstückskaufvertrag) betrifft. Erfüllungs- und Vollzugsgeschäfte sind vom Verpflichtungsgeschäft zu unterscheiden und fallen nicht unter § 17 Abs. 2a BeurkG.

Abgesehen davon hat der Antragsgegner die Regelfrist unstreitig eingehalten und am 13.11.2014 einen Entwurf übersandt und sowohl Gelegenheit zur Stellungnahme als auch zur Teilnahme an der Beurkundung gegeben. Die Antragsteller haben davon keinen Gebrauch gemacht.

Soweit die Antragsteller eine unrichtige Sachbehandlung darauf stützen, dass die im Grundstückskaufvertrag erteilte Vollzugsvollmacht eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung nicht gedeckt habe, kann darauf eine Nichtberechtigung zur Kostenerhebung nicht gestützt werden. Denn der Antragsgegner hat hierfür keine Kosten berechnet. Die vorliegende Kostenrechnung betrifft nicht die Beurkundung des Grundgeschäfts, sondern des Vollzugsgeschäfts.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 130 Abs. 3 S. 1 GNotKG, 81 Abs. 1 S. 1, 84 FamFG.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof scheidet aus, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§§ 130 Abs. 3 S. 1 GNotKG, 70 Abs. 2 FamFG). Der Senat weicht nicht von einer höchstrichterlichen Entscheidung ab. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung für die Rechtsanwendung, noch erfordert sie eine Fortbildung des Rechts.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 55 Abs. 2 FamGKG.

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