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Grundbuchverfahren – im Zwangsversteigerungs­verfahren festgesetzter Verkehrswert

OLG Naumburg – Az.: 12 Wx 51/16 – Beschluss vom 28.02.2017

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Beschluss des Grundbuchamts des Amtsgerichts Wittenberg vom 17. März 2016 wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 32,00 €.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1) hat mit Beschluss des Amtsgerichts Wittenberg – Vollstreckungsgericht – vom 20. Mai 2015 (13 K 134/13) den Zuschlag für das im Grundbuch von P. Blatt 14 eingetragene Flurstück 172 der Flur 12 erhalten mit dem Höchstgebot von 10.950,00 €. Zuvor hatte das Vollstreckungsgericht auf der Grundlage des zum Stichtag 6. Mai 2014 eingeholten gerichtlichen Gutachtens vom 28. Mai 2014 einen Verkehrswert für dieses Grundstück in Höhe von 21.900,00 € festgesetzt.

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 18. Februar 2016 hat der Beteiligte zu 1) dieses Grundstück für einen Kaufpreis in Höhe von 10.000,00 € an den Beteiligten zu 2) veräußert. Unter dem 8. März 2016 hat der Verfahrensbevollmächtigte Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufers beantragt. Dem hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts Wittenberg am 17. März 2016 entsprochen und mit Beschluss vom gleichen Tage unter Zulassung der Beschwerde den Streitwert auf 21.900,00 € festgesetzt. Bei dem der Gebührenberechnung zugrunde gelegten Wert handele es sich um den im Zuschlagsbeschluss des Zwangsversteigerungsverfahrens durch einen amtlich bestellten Gutachter ermittelten Verkehrswert. Eine Minderung um ca. die Hälfte des Wertes auf 10.000,00 € sei eher unwahrscheinlich. Dem ist der Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 20. April 2016 entgegen getreten unter Hinweis auf Kommentarliteratur, wonach für den Wert allein die Ersteigerungssumme bzw. die spätere Veräußerungssumme maßgeblich sei. Nachdem das Grundbuchamt seinerseits auf Kommentarliteratur verwiesen hatte, hat der Verfahrensbevollmächtigte für die Beteiligten zu 1) und 2) unter dem 27. Juni 2016 Beschwerde erhoben mit der Begründung, dass sich der Verkehrswert im Regelfall nach dem Kaufpreis richte, hier 10.000,00 €. Die Feststellungen eines Gutachters seien unbeachtlich, wenn der von dem Sachverständigen festgestellte Wert tatsächlich auf dem Markt nicht zu erzielen sei. Dies bestätige sich sowohl bei der Ersteigerungssumme als auch bei der späteren Veräußerungssumme. Die Bezirksrevisorin ist der Beschwerde am 7. September 2016 entgegen getreten. Mit Beschluss vom 15. September 2016 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts Wittenberg der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist – nach Zulassung durch das Amtsgericht – zulässig, insbesondere statthaft und fristgerecht (§ 83 GKG). Über sie hat der Einzelrichter des Senats zu entscheiden (§§ 83 Abs. 1 Satz 5, 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG). Allerdings ist sie in der Sache nicht begründet.

Das Grundbuchamt hat den Gebührenstreitwert für das Geschäft der Eintragung einer Auflassungsvormerkung zutreffend auf 21.900,00 € festgesetzt. Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 GNotKG ist Geschäftswert einer sonstigen Vormerkung – hierunter fällt insbesondere die hier in Rede stehende Auflassungsvormerkung im Sinne des § 883 BGB (z.B. Sikora, in: Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl., Rdn. 22 ff. zu § 45 GNotKG) – der Wert des vorgemerkten Rechts, hier des Eigentums an dem Grundstück. Dessen Wert richtet sich im Zusammenhang mit einem Grundstückskauf nach §§ 46, 47 GNotKG. Danach wird der Wert der Sache, auch von Grundbesitz, durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach ihrer Beschaffenheit unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände bei der Veräußerung zu erzielen wäre (§ 46 Abs. 1 GNotKG). Er ist in erster Linie nach dem vereinbarten Kaufpreis zu bemessen (§ 47 Satz 1 GNotKG). Danach beliefe sich der Wert auf der Grundlage des Kaufvertrages vom 18. Februar 2016 auf 10.000,00 €.

Liegt allerdings der Kaufpreis unter dem Verkehrswert, so ist der Verkehrswert maßgebend (§ 47 Satz 3 GNotKG). Um dem mit § 47 Satz 1 GNotKG verfolgten Vereinfachungszweck Rechnung zu tragen, ist der Wert der Sache – also der Verkehrswert – (nur) dann festzustellen, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Kaufpreis nicht annähernd so hoch ist wie der sich aus § 47 Satz 1 GNotKG ergebende Wert (OLG München, Beschluss vom 8. September 2016, 34 Wx 64/16, zitiert nach Juris). Nach diesen Grundsätzen ist gemäß § 47 Satz 3 GNotKG ein im Zeitpunkt der Eintragung der Auflassungsvormerkung im März 2016 bestehender Verkehrswert zugrunde zu legen, der höher ist als der Kaufpreis. Ein solch höherer Verkehrswert – 21.900,00 € – ist hier festzustellen. Ein im Zwangsversteigerungsverfahren festgesetzter Verkehrswert kann nämlich bei einem alsbaldigen Weiterverkauf (ca. ein bis zwei Jahre) als Grundlage für eine Geschäftswertbestimmung dienen (z. B. Tiedtke, in: Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl., Rdn. 5 zu § 47 GNotKG; Rohs/Wedewer, GNotKG, Loseblattsammlung Stand Dezember 2016, Rdn. 11 zu § 46 GNotKG). Insofern hat das Grundbuchamt zutreffend den im Zwangsversteigerungsverfahren vor dem Vollstreckungsgericht des Amtsgerichts Wittenberg 13 K 134/13 ermittelten und festgesetzten und nachfolgend im Grundbuchverfahren im Zusammenhang mit der Umschreibung des Eigentums auf den Ersteher, den Beteiligten zu 1), am 30. Juli 2015 zutreffend angewendeten Verkehrswert von 21.900,00 € auch für die aktuelle Grundbucheintragung zugrunde gelegt. Es ist nämlich nicht zu beanstanden, dass das Grundbuchamt von dem Verkehrswert des Grundstücks ausgegangen ist, den eine im Zwangsversteigerungsverfahren bestellte Gutachterin zum Stichtag 6. Mai 2014 angegeben hatte. Es spricht nichts dagegen, ein nach den allgemein anerkannten Bewertungsgrundsätzen erstelltes und auf ausreichenden tatsächlichen Grundlagen beruhendes Gutachten auch im Rahmen des Grundbuchverfahrens zu verwenden. Die inzwischen einhellige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte hält grundsätzlich den gemäß § 74a Abs. 5 ZVG vom Vollstreckungsgericht festgesetzten Verkehrswert für maßgeblich und das Meistgebot (hier allerdings nur 10.950,00 €) allenfalls dann, wenn es über dem Verkehrswert liegt (z.B. OLG Düsseldorf, RPfleger 2002, 592; BeckRS 2006, 03254; KG, KGR Berlin, 2006, 783; RPfleger 2009, 532; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. Juli 2004, 20 W 62/04, zitiert nach Juris; BayObLG, RPfleger 2002, 382; OLG Saarbrücken, FGPrax 2011, 38; OLG Karlsruhe, JurBüro 2016, 256; Hey’l, in: Korintenberg, a.a.O., Rdn. 24 zu KV Nr. 14110). Soweit in der Literatur zum Teil die Auffassung vertreten wird, dass bei einem Erwerb im Zwangsversteigerungsverfahren das Meistgebot den Geschäftswert bestimme, nicht der nach § 74a ZVG festgesetzte Wert (Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl., Rdn. 13 zu Nr. 14110 KVfG, allerdings unter Berufung auf ältere Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des OLG Düsseldorf, die mittlerweile ihre Auffassung revidiert haben), teilt der Senat diese Ansicht nicht. Die Verkehrswertfestsetzung beruht auf einem Sachverständigengutachten, das in aller Regel sowohl die gängigen Bewertungsmethoden als auch die jeweilige Marktlage berücksichtigt. Der Zuschlag in einer Zwangsversteigerung hingegen erfolgt häufig unter Wert, weil der bestmögliche Zeitpunkt für einen Verkauf nicht abgewartet werden kann und die Bieter sich bewusst zurückhalten, um die Zwangslage, die der eines Notverkaufs ähnlich ist, bestmöglich ausnützen zu können (z. B. OLG Saarbrücken, FGPrax 2011, 38 mit weiterer Begründung).

Im vorliegenden Fall rechtfertigen auch keine besonderen – feststehenden – Umstände ein Abweichen von dem festgesetzten Verkehrswert (21.900,00 €) nach unten. Das können erhebliche allgemein- oder gerichtsbekannte zwischenzeitliche Veränderungen des Grundstücksmarktes sein, aber auch Veränderungen des Bewertungsobjekts oder ein erheblich abweichender, zeitnah auf dem freien Markt erlöster Kaufpreis sein (BayObLG, RPfleger 2002, 382). Hier steht nur fest, dass innerhalb von weniger als zwei Jahren nach einer sachverständigen Begutachtung (zum Stichtag 6. Mai 2014) mit dem Verkehrswert von 21.900,00 € dann am 18. Februar 2016 ein Verkauf gegen einen Kaufpreis von nur 10.000,00 €, also in Höhe von gerade einmal 46 % des zuvor festgesetzten Verkehrswertes, stattgefunden hat. Dies vermag aber eine Abweichung von dem festgesetzten Verkehrswert nach unten nicht zu rechtfertigen (z.B. OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. Juli 2004, 20 W 62/04, zitiert nach Juris). Der Senat erkennt auch keine zwischenzeitlichen gravierenden Veränderungen des Grundstücksmarktes allgemein und auch nicht für die Region Wittenberg. Seitens der Beteiligten zu 1) und 2) ist hierzu und auch nichts dazu vorgetragen, aus welchem Grunde die gutachterlichen Feststellungen aus dem Mai 2014 nicht mehr zutreffend sein sollten. Dass das Wohnhaus im Innenbereich Schäden aufweisen würde, die von der Gutachterin, die das Gebäude nicht betreten konnte, nicht berücksichtigt werden konnten, wird von den Beteiligten zu 1) und 2) nicht ansatzweise vorgebracht. Ihre allgemeine Bemerkung, dass der von der Sachverständigen festgestellte Wert auf dem Markt nicht zu erzielen sei, vermag eine begründete Abweichung von den Berechnungen des von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen erstellten Verkehrswertgutachtens nicht zu ersetzen. Allein mit dem Gedanken, dass es dem Beteiligten zu 1) um Gewinnerzielung gegangen sein wird, dass er also für die Liegenschaft in P. den höchsten erzielbaren Kaufpreis vereinbart haben müsste, kann der um mehr als 50 % niedrigere Kaufpreis im Februar 2016 nicht erklärt werden. Der in den Kaufvertrag aufgenommene Kaufpreis von nur noch 10.000,00 € lässt nicht den Schluss darauf zu, dass zu einem höheren Preis kein Käufer gefunden worden wäre. Es ist theoretisch eine Vielzahl von anderen Gründen vorstellbar, sich auf einen Kaufpreis unterhalb des vor kurzem erst gutachterlich festgestellten Verkehrswertes zu einigen oder jedenfalls einen solchen abweichenden Kaufpreis in den Kaufvertrag aufzunehmen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 83 Abs. 3 GNotKG).

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