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Mithaftvermerk nach § 48 GBO – isolierte Löschung

OLG Frankfurt – Az.: 20 W 168/21 – Beschluss vom 22.02.2022

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 830.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten waren zu je ¼ als Eigentümer des Grundstücks Straße1 in Stadt1 im Grundbuch eingetragen. Eingetragen waren außerdem drei Grundschulden zugunsten der Bank1 Stadt2 über 76.000 €, 664.000 € und 90.000 €, jeweils mit Zinsen.

Die Beteiligten errichteten auf dem Grundstück zwei Doppelhaushälften. Sie teilten das Grundstück gemäß § 8 WEG in zwei Wohnungseigentumseinheiten, als deren Eigentümer zu je ¼ sie am 29.09.2020 in die neu angelegten Wohnungsgrundbücher (Bl. … und …) eingetragen wurden. Die drei Grundschulden wurden in die Wohnungsgrundbücher übertragen und jeweils mit einem Mithaftvermerk versehen.

Am 16.03.2021 schlossen die Beteiligten einen notariellen „Aufteilungsvertrag“ (UR-Nr. … des Notars A in Stadt1; in Akte, nicht paginiert). Darin vereinbarten sie die Übertragung der Wohnung Bl. … auf die Beteiligten zu 3 und 4 zu je ½ und der Wohnung Bl. … auf die Beteiligten zu 1 und 2 zu je ½ und erklärten jeweils die Auflassung. Sie bewilligten und beantragten die Eintragung in das Grundbuch. Weiterhin bewilligten und beantragten sie die Löschung der Mithaftvermerke „bei allen Grundschulden und allen Grundbuchblättern unter Fortbestand der Grundschulden ansonsten“.

Die Bank1 Stadt2 stimmte mit Schreiben vom 31.05.2021 der Aufhebung der Mithaftvermerke zu und bewilligte deren Löschung (in Akte; nicht paginiert).

Das Grundbuchamt wies mit Verfügungen vom 24.06.2021 und 08.07.2021 darauf hin, dass die Löschung der Mithaftvermerke nicht möglich sei (in Akte; nicht paginiert). Mit notariellem Schriftsatz vom 29.07.2021 legten die Beteiligten Beschwerde gegen die „Zwischenverfügung“ vom 24.06.2021 ein (in Akte; nicht paginiert).

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 03.08.2021 den Antrag auf Löschung der Mithaftvermerke zurückgewiesen (in Akte; nicht paginiert). Bei dem Mithaftvermerk handele es sich gemäß § 48 GBO um eine von Amts wegen vorzunehmende Eintragung. Werde der Mithaftvermerk ohne Veränderung des Rechts gelöscht, werde das Grundbuch unrichtig, so dass der Vermerk von Amts wegen wieder eingetragen werden müsse. Bei Löschung des Vermerks könnte das einheitliche Gesamtrecht in der Hand gutgläubiger Erwerber in mehrere Einzelrechte je von der Höhe des Gesamtrechts verwandelt werden.

Gegen den Beschluss vom 03.08.2021 haben die Beteiligten mit notariellem Schriftsatz vom 09.08.2021 Beschwerde eingelegt (in Akte; nicht paginiert). Das Grundbuchamt hat die Akten dem Senat vorgelegt, ohne eine Abhilfeentscheidung zu treffen.

Mit notariellem Schriftsatz vom 02.09.2021 haben die Beteiligten die Beschwerde begründet und die Aufhebung der „Zwischenverfügungen“ vom 24.06.2021 und 08.07.2021 und des Beschlusses vom 03.08.2021 verlangt. Das Grundbuchamt solle angewiesen werden, den Antrag auf Eigentumsumschreibung und den Antrag auf Löschung der Mithaftvermerke nicht mit der Begründung zu verweigern, die Löschung der Mithaftvermerke sei nicht möglich.

Die Zurückweisung der Grundbuchanträge sei bereits verfahrensfehlerhaft. Das Grundbuchamt habe nach der Beschwerde gegen die „Zwischenverfügung“ nicht sogleich die Anträge zurückweisen dürfen, wodurch es eine vorherige Entscheidung des Beschwerdegerichts über die „Zwischenverfügung“ verhindert habe.

In der Sache sei die Frage, welche Voraussetzungen für die Aufhebung eines Mithaftvermerks bei Grundschulden bestünden, in der Rechtsprechung nicht explizit entschieden. Der Grund dafür sei wohl, dass sich die Frage aus der gesetzlichen Regelung der Grundschuld ohne weiteres beantworten lasse. Gemäß § 19 GBO erfolge eine Löschung im Grundbuch aufgrund einer Bewilligung desjenigen, dessen Recht von ihr betroffen werde. Demgemäß sei für die Aufhebung eines Gesamtgrundpfandrechts die Zustimmungserklärung des Grundpfandgläubigers erforderlich, aber auch ausreichend. Die Bank1 Stadt2 habe der Aufhebung der Mithaftvermerke ausdrücklich zugestimmt. Die Frage, ob Grundschulden, für die ursprünglich der Mithaftvermerk eingetragen war, nach „Auflösung“ des Mithaftvermerks als Einzelgrundschulden fortbestehen könnten, sei eine Frage des materiellen Rechts. Materielle Rechtsfragen seien im Rahmen des Grundbuchverfahrens nur eingeschränkt gerichtlich zu prüfen, die Befugnis des Gerichts im Grundbuchverfahren beschränke sich darauf, ob durch die beantragte Eintragung das Grundbuch offensichtlich unrichtig werde. Bei einer Gesamtgrundschuld könnten bei Aufhebung des Mithaftvermerks die Grundschulden in voller Höhe als Einzelrechte auf verschiedenen Grundstücken weiter fortbestehen.

Die Aufhebung der Gesamthaft sei aus sachlichen Gründen erforderlich. Die Eigentümer hätten mit der Bank1 Stadt2 vereinbart, dass das jeweils auf sie neu zu übertragende Wohnungseigentum künftig nur noch für die Verbindlichkeiten des jeweiligen neuen Eigentümers des Wohnungseigentums gegenüber der Gläubigerin hafte. Damit werde eine Einwendung der Eigentümer dagegen begründet, dass die Grundschuldgläubigerin gemäß §§ 1132, 1192 BGB einen der Wohnungseigentümer für die Verbindlichkeiten der Eigentümer des Wohnungseigentums in Anspruch nehme. Zur Vermeidung eventuell bestehender Risiken sei jedoch die Aufhebung der Mithaftvermerke erforderlich. Durch die Aufhebung der Mithaftvermerke werde die dingliche Rechtsfolge den schuldrechtlichen Vereinbarungen angepasst. Die Mithaftvermerke seien im Übrigen auch im Interesse der Grundschuldgläubigerin aufzuheben, da sonst bei Befriedigung aus der Grundschuld aus einem Wohnungseigentum gemäß § 1181 Abs. 2 BGB auch das andere Wohnungseigentum frei würde.

Die Begründung des Grundbuchamts für die Ablehnung des Antrags sei nicht nachvollziehbar. Es sei richtig, dass § 48 GBO den Antragsgrundsatz durchbreche, aber dies beziehe sich nur auf das ursprüngliche Eintragungsverfahren einer Gesamthaftung und sage nichts darüber aus, ob zu einem späteren Zeitpunkt die Gesamthaftung aufgrund übereinstimmender Erklärungen der Beteiligten wieder aufgehoben werden könne. Die Aufhebung des Mithaftvermerks habe auch mit einem gutgläubigen Erwerb nichts zu tun. Wenn der Mithaftvermerk aufgehoben werde, bestünden Einzelrechte, die naturgemäß auch gesondert übertragen werden könnten.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Dem Senat ist zur Entscheidung nur die Beschwerde gegen den Beschluss vom 03.08.2021 angefallen. Nur gegen diesen richtet sich die Beschwerde gemäß dem Schriftsatz vom 09.08.2021 und nur insoweit hat das Grundbuchamt die Akten dem Senat vorgelegt. Eine Vorlage wegen der Beschwerden gegen die von den Beteiligten als Zwischenverfügungen bezeichneten Verfügungen vom 24.06.2021 und 08.07.2021 ist nicht erfolgt. Mit der Zurückweisung des Eintragungsantrags ist hinsichtlich der vermeintlichen Zwischenverfügungen ohnehin Erledigung eingetreten (Demharter, GBO, 32. Aufl. 2021, § 71 Rn. 34).

2. Die so verstandene Beschwerde ist gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere sind die Beteiligten beschwerdeberechtigt. Beschwerdeberechtigt gegen die Ablehnung einer Eintragung im grundbuchrechtlichen Antragsverfahren ist, wer antragsberechtigt ist (BGH NJW 2014, 1179 Rn. 5). Die Antragsberechtigung der Beteiligten folgt hier aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO, da ihr Eigentum durch die Löschung der Mithaftvermerke betroffen wird.

3. Der Senat ist an einer Entscheidung nicht gehindert, obwohl das Grundbuchamt das nach § 75 GBO vorgeschriebene Abhilfeverfahren nicht durchgeführt hat. Das nach Vorlage befasste Beschwerdegericht ist auch bei unterbliebenem Abhilfeverfahren befugt, sogleich über das Rechtsmittel zu entscheiden (OLG Karlsruhe Rpfleger 2014, 313, 315; OLG München Rpfleger 2017, 205).

4. Die Beschwerde ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Grundbuchamt den Antrag auf Löschung der Mithaftvermerke zurückgewiesen.

a) Das Grundbuchamt war nicht deshalb an einer Entscheidung gehindert, weil über die Beschwerde vom 29.07.2021 gegen die vermeintliche Zwischenverfügung vom 24.06.2021 noch nicht entschieden worden war. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei der Verfügung vom 24.06.2021 tatsächlich um eine Zwischenverfügung handelt, kann das Grundbuchamt auch nach einer Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung den Eintragungsantrag zurückweisen, was, wie bereits oben erwähnt, hinsichtlich der Zwischenverfügung zur Erledigung führt.

b) Ein Mithaftvermerk nach § 48 GBO kann nicht auf der Grundlage einer entsprechenden Bewilligung isoliert gelöscht werden. Der vereinzelt im Schrifttum vertretenen abweichenden Meinung folgt der Senat nicht.

Sofern ein Recht, das mehrere Grundstücke belastet, hier eine Gesamtgrundschuld, durch mehrere voneinander unabhängige Rechte, hier Grundschulden, an den jeweiligen Grundstücken ersetzt werden soll, sind diese unter Löschung des bisherigen Rechts (hier Gesamtgrundschuld) als neue Rechte (hier Grundschulden) sämtlich neu einzutragen oder jedenfalls alle Grundstücke bis auf eines aus der Mithaftung zu lösen, was nach § 48 Abs. 2 GBO von Amts wegen einzutragen ist, und auf den aus der Mithaftung gelösten Grundstücken neue Rechte (hier Grundschulden) einzutragen.

Die isolierte Löschung des Mithaftvermerks würde dazu führen, dass das Grundbuch anstelle eines Rechts, das mehrere Grundstücke belastet (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GBO), nunmehr mehrere Rechte, die mehrere Grundstücke belasten, ausweisen würde. Im vorliegenden Fall würden auf diese Weise aus den bislang drei Grundschulden, die jeweils beide Wohnungen belasten, sechs Grundschulden, von denen drei die eine Wohnung und die anderen drei die andere Wohnung belasten würden. Eine Grundschuld entsteht aber gemäß § 873 Abs. 1 BGB durch Einigung und Eintragung. An einer Eintragung der neu entstandenen Grundschuld würde es jedoch fehlen, denn im Grundbuch stünde nur die frühere Grundschuld, die durch die neu entstandenen Grundschulden abgelöst werden müsste. Der Eintragung der früheren Grundschuld kann nicht durch Löschung des Mithaftvermerks ohne Änderung der Eintragung im Übrigen ein gänzlich neuer Rechtscharakter verliehen werden.

Der nicht weiter begründeten Gegenauffassung, wonach eine Neubestellung nicht erforderlich sein soll (Reetz, in: BeckOK GBO, 44. Edit., Std. 01.11.2021, § 48 Rn. 56; Wegmann, in: Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl. 2018, § 48 Rn. 51), vermag der Senat daher nicht zu folgen.

5. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich. Die Kostenhaftung der Beteiligten folgt bereits aus §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG. Zu einer abweichenden Entscheidung besteht keine Veranlassung.

6. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt nach § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GBO zur Fortbildung des Rechts, nachdem der Senat von einer im Schrifttum vertretenen Meinung abweicht.

7. Die Höhe des Geschäftswerts entspricht gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO der Summe der Nennbeträge der Grundschulden, nachdem sich diese durch die gewünschte Eintragung verdoppeln soll.

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