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Zwangseintragungslöschungen – Umschreibungsanspruch des Grundbuchblatts

KG Berlin – Az.: 1 W 349/21, 1 W 350/21, 1 W 351/21 – Beschluss vom 05.04.2022

Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 15. Juli 2021 wird nach einem Wert von 5.000 € zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligte ist für die im Beschlusseingang genannten Wohnungseigentumsrechte seit 1990 bzw. 1992 als Eigentümer eingetragen. In Abt. II waren jeweils ein Vermerk über die Anordnung der Zwangsversteigerung (eingetragen 2003, gelöscht 2004), ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO (eingetragen 2013, gelöscht 2014) und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen (eingetragen 2014, gelöscht am 8. Dez. 2020) gebucht. Aus Abt. III sind eine Arresthypothek sowie eine Sicherungshypothek aus dem Jahr 2003 ersichtlich, die am 11. März 2021 gelöscht wurden.

Die Beteiligte hat unter dem 21. Juni 2021 beantragt, die Grundbuchblätter umzuschreiben, da die gelöschten Eintragungen kreditschädigend und diskriminierend seien. Die höchstens abzuwartende Dreijahresfrist (analog § 882e ZPO) habe mit der gerichtlichen Bestätigung ihres Insolvenzplans durch Beschluss vom … 2018 begonnen. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens sei durch Rechtsbehelfe eines ihrer Gläubiger verzögert worden. Das Grundbuchamt hat den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten (insbes. Bl. 31/1 bis 31/37 d.A. Blatt …) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 71 ff. GBO) jedoch nicht begründet. Das Grundbuchamt hat den Antrag zu Recht gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 GBO zurückgewiesen. Der Senat hat zu einem vergleichbaren Sachverhalt mit Beschluss vom 10. September 2019 – 1 W 122/19 – ausgeführt:

„a) Das Grundbuch ist dazu bestimmt, über die das Grundstück betreffenden Rechtsverhältnisse möglichst erschöpfend und zuverlässig Auskunft zu geben (BGH, NJW-RR 2017, 1162, 1163). Mit dem Grundbuch sollen auf sicherer Grundlage bestimmte und sichere Rechtsverhältnisse für unbewegliche Sachen geschaffen und erhalten werden (RGZ 145, 343, 354; 61, 374, 377; Demharter, GBO, 31. Aufl., Einleitung, Rdn. 1). Hierauf beruht der öffentliche Glaube des Grundbuchs und die Vermutung der Richtigkeit des Registerinhalts, §§ 891, 892, 893 BGB.

Der öffentliche Glaube beschränkt sich nicht nur auf positive Eintragungen, sondern auch auf Löschungen, vgl. § 891 Abs. 2 BGB. Das macht es erforderlich, auch gelöschte Eintragungen noch erkennen zu können (BGH, NJW 2019, 2541, 2542). Deshalb erfolgt die Löschung eines Grundpfandrechts regelmäßig durch Eintragung eines Löschungsvermerks, § 46 Abs. 1 GBO, in Spalte 10 der dritten Abteilung des Grundbuchs, § 11 Abs. 7 GBV. Außerdem sind die Eintragungen in Spalten 1 bis 7 rot zu unterstreichen, § 17 Abs. 2 S. 1 GBV. Im maschinell geführten Grundbuch können die Unterstreichungen schwarz dargestellt werden, § 91 S. 2 GBV. In dem Grundbuch darf nichts radiert und nichts unleserlich gemacht werden, § 21 Abs. 1 S. 2 GBV.

Dementsprechend hat das Grundbuchamt die … Löschungen … vollzogen. Hiergegen gibt es nichts zu erinnern und auch der Beteiligte wendet sich hiergegen nicht.

b) Der Beteiligte hat keinen Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchblattes.

aa) Nur ein unübersichtlich gewordenes Grundbuchblatt hat das Grundbuchamt – durch Anlegung eines neuen und Schließung des alten Blattes, § 30 GBV – umzuschreiben, § 28 S. 1 GBV. Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor und werden auch von dem Beteiligten nicht behauptet. … Es liegt auch kein Fall der fakultativen Umschreibung vor. Durch eine Umschreibung würde das Grundbuchblatt nicht wesentlich vereinfacht werden, § 28 S. 2 GBO.

bb) Die Regelungen in § 28 GBV können hier auch nicht entsprechend angewendet werden.

(1) Das kann allerdings der Fall sein, wenn einer Eintragung im Grundbuch ein Offenbarungsverbot entgegensteht (BGH, a.a.O., zu § 5 Abs. 1 TSG; OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 23, zu § 1758 BGB; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdn. 613b). Ein solches Verbot ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich.

(2) Darüber hinaus wird in der Literatur diskutiert, ob der Eigentümer die Umschreibung verlangen kann, wenn alte Zwangsversteigerungs- oder Insolvenzvermerke zwar längst gelöscht, aber trotzdem noch erkennbar sind und sich diskriminierend und kreditschädigend auswirken können (Keller, in: KEHE, GBO, 8. Aufl., § 28 GBV, Rdn. 3; Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2018, § 32, Rdn. 46f.; ders., in: BeckOK GBO, 2019, § 3, Rdn. 8; a.A.: Schneider, in: Meikel, GBV, 11. Aufl., § 28, Rdn. 9; Schöner/Stöber, a.a.O., Rdn. 613a; Demharter, a.a.O., § 3, Rdn. 12; Wilsch, FGPrax 2017, 102; Heinze, ZfIR 2013, 375, 376).

Diese Ansicht hat sich in der obergerichtlichen Rechtsprechung hingegen nicht durchsetzen können (OLG Düsseldorf, FGPrax 2017, 100, 101; OLG Köln, FGPrax 2015, 249, 250; OLG Naumburg, FGPrax 2014, 54; OLG München, NJOZ 2014, 687; OLG Celle, FGPrax 2013, 146, 147; BayObLG, NJW-RR 1993, 475).

Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser einheitlichen Rechtsprechung abzuweichen. Auch der Beteiligte führt keine Gründe auf, die noch nicht von den genannten Oberlandesgerichten erwogen worden wären. Insbesondere sein (Grund-)Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 1 Abs. 1 und 2, 2 Abs. 1 GG, begründet keinen Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchblattes. Das Allgemeininteresse am Zweck des Grundbuchs, über gegenwärtige und vergangene Rechtsverhältnisse an dem Grundstück zuverlässig Auskunft zu geben, überwiegt das Interesse des Beteiligten, die beanstandeten Eintragungen unkenntlich zu machen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die von dem Beteiligten behaupteten diskriminierenden bzw. kreditschädigenden Wirkungen der erfolgten Eintragungen allenfalls gegenüber nachlässigen oder unerfahrenen Gläubigern beseitigt werden könnten. Denn bei Umschreibung des Grundbuchblattes ist in der Aufschrift des neuen Blattes auf das bisherige Blatt zu verweisen, § 30 Absatz 1 b) GBV. Ein umsichtiger und erfahrener Kreditgeber wird dies erkennen und sich allein mit der Vorlage eines aktuellen Grundbuchauszugs nicht begnügen (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., 102; OLG Köln, a.a.O.; OLG Naumburg, a.a.O., 55; zur Einsicht in geschlossene Grundbücher: Böttcher, in: Meikel, GBO, 11. Aufl., § 12, Rdn. 69).

(3) Ob ein Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchs ausnahmsweise dann gerechtfertigt sein kann, wenn eine Zwangseintragung zu Unrecht erfolgt ist und das Grundbuchamt dabei gesetzliche Vorschriften verletzt hat (OLG Jena, Beschluss vom 25. Januar 2013 – 9 W 581/12 – juris; OLG Frankfurt/Main, NJW 1988, 976, 977), kann dahinstehen. Dem Grundbuchamt sind solche Verfahrensfehler bei Eintragung der von dem Beteiligten beanstandeten Belastungen … nicht unterlaufen.“

So liegt es auch hier. Für eine analoge Anwendung von §§ 28 ff. GBV fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Es ist zudem nicht praktikabel, dem eingetragenen Eigentümer nach der Löschung von Zwangseintragungen (u.a. gemäß §§ 867, 932 ZPO, §§ 19, 146 ZVG, §§ 23 Abs. 3, 32 InsO) einen Anspruch auf Umschreibung zuzuerkennen. Zumindest die Löschung von Zwangshypotheken bei gleichbleibender Eigentümerstellung ist ein alltäglicher Vorgang. Die Umschreibung des Grundbuchblatts ist mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Sie ist neben dem Eigentümer und der Katasterbehörde auch den eingetragenen dinglichen Berechtigten bekannt zu geben (§ 39 GBV). Handelt es sich – wie hier – um Wohnungseigentum, ist die Übertragung zudem in den Bestandsverzeichnissen sämtlicher Sondereigentumseinheiten zu vermerken (§ 3 Abs. 1 lit. c, Abs. 5 WGV). Bei der vom Bundesgerichtshof, a.a.O., angewiesenen Umschreibung hat dies zu Eintragungen in 163 weiteren Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern geführt.

Träfe die Ansicht der Beschwerde zu, wären die verfahrensgegenständlichen Rechte bereits zum zweiten Mal auf andere Grundbuchblätter zu übertragen, wenn die Beteiligte schon nach der Löschung des Versteigerungsvermerks einen entsprechenden Antrag gestellt hätte. Es besteht auch kein Anlass, den Betroffenen eines Insolvenzvermerks bei der Umschreibung gegenüber Eigentümern zu privilegieren, die ihre Gläubiger nach der Buchung einer Zwangshypothek in der Einzelzwangsvollstreckung befriedigt haben. Der Zweck des Insolvenzplans (§§ 217 ff. InsO) nebst Schuldbefreiung (§ 227 InsO) ist keine Wohltat für den Gemeinschuldner, sondern die flexible und effektive Verwirklichung der Ziele nach § 1 InsO.

Aus § 46 GBO kann die Beteiligte nichts herleiten. Die Vorschrift stellt die Möglichkeiten auf, eine Löschung zu bewirken, wobei Abs. 2 hier nicht mehr in Betracht kommt. Welche Löschungsform im Einzelfall zu wählen ist, liegt zudem grundsätzlich im Ermessen des Grundbuchamts (Demharter, GBO, 32. Aufl., § 46 Rn. 2). Mögliche Vertragspartner der Beteiligten sind – anders als ein Notar (vgl. BGH, NJW-RR 2018, 1531 Rn. 32) – nicht zur Neutralität verpflichtet und könnten bei berechtigtem Interesse ggf. im Rahmen der Vertragsfreiheit für sich Schlüsse aus überholten Eintragungen zu ziehen. Hierüber sind Informationen in erster Linie dem Grundbuch zu entnehmen (§ 12 Abs. 1 GBO); einer Einsicht in die Grundakten (§ 46 GBV) kommt allenfalls ergänzende Bedeutung zu.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 und 2, § 36 Abs. 3 GNotKG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gemäß § 78 Abs. 2 S. 1 GBO vor.

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