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Grundstückskaufvertrag – Rücktritt wegen Nichtzahlung der Grunderwerbssteuer durch Käufer

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 5 U 55/18 – Urteil vom 28.03.2019

Auf die Berufung der Beklagten werden das am 4. Juli 2018 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az. 11 O 352/17, abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 299.000 €

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Nachdem sie den Rücktritt von dem am 3. August 2016 mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag erklärt hat, verlangt die Klägerin Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises die Herausgabe der verkauften Grundstücke A …1 und A … 2 in B…/OT … . Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Rücktrittserklärung vom 17. Februar 2017 habe den zuvor geschlossenen notariellen Grundstückskaufvertrag wirksam beseitigt. Dem stehe nicht entgegen, dass in den Schreiben eine falsche Urkundenrollennummer angegeben worden sei. Es sei auch nicht gemäß § 323 Abs. 1 BGB geboten gewesen, vor Erklärung des Rücktritts erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung, nämlich zur Zahlung der Grunderwerbssteuer, zu bestimmen. Seien, wie hier, im Vertrag ausdrücklich die Voraussetzungen geregelt, die zum Rücktritt berechtigten, könne nicht unterstellt werden, dass auch noch die Voraussetzungen nach § 323 BGB maßgeblich sein sollen. Voraussetzung für den Rücktritt sei allein, dass der Verkäufer für die gesetzlichen Verbindlichkeiten, insbesondere die Grunderwerbssteuer, in Anspruch genommen werde. Dies sei hier der Fall. Besondere Umstände für eine erforderliche Fristsetzung seien nicht ersichtlich (BGH V ZR 141/80). Eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten sei nicht erkennbar. Die Klägerin sei an einer unproblematischen Vertragsabwicklung interessiert gewesen, insbesondere habe sie bei Zweifeln an der Solvenz des Geschäftspartners die Möglichkeit haben sollen, den Vertrag schnell rückabzuwickeln. Die Rücktrittserklärung sei auch nicht nach §§ 53, 57 Abs. 4 BbgKVerf unwirksam. Die Rücktrittserklärung vom 17. Februar 2017 sei nicht deswegen unwirksam gewesen, weil sie nur vom Bereichsleiter Liegenschaftsmanagement abgegeben worden sei. Gemäß § 57 Abs. 4 BbgKVerf bedürfe ein Geschäft, das ein für ein bestimmtes Geschäft oder einen Kreis von Geschäften ausdrücklich Bevollmächtigter abschließe, nicht der Form des § 57 Abs. 2 BbgKVerf. Diesen Anforderungen genüge die von der Oberbürgermeisterin und dem Bürgermeister unterzeichnete schriftliche Vollmacht vom … Mai 2012. Danach sei Herr L…, der Leiter des Liegenschaftsamtes, bevollmächtigt gewesen, bei An- und Verkäufen von Liegenschaften für das Zustandekommen des schuldrechtlichen Vertrages und den Eigentumsübergang an die Stadt alle erforderlichen Willenserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen. Diese Vollmacht umfasse als actus contrarius auch den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Gegen das ihr am 6. Juli 2018 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 27. Juli 2018 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Berufung, die sie, nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, mit am 8. August 2018 eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Das Landgericht übersehe bei seiner Entscheidung, dass eine Vollmacht nach § 57 Abs. 4 BbgKVerf nur bestehe, wenn sie „ausdrücklich“ zu einem Geschäft berechtige. Es sei gerade nicht festgestellt worden, dass die vorliegende Vollmacht die Erklärung eines Rücktritts in diesem Sinn ausdrücklich erfasse. Der Vertrag enthalte zudem keine Frist, innerhalb derer das Rücktrittsrecht ausgeübt werden müsse. Im Übrigen müsse auch eine interessengerechte Auslegung zu dem Ergebnis kommen, dass der Rücktritt nicht ohne eine vorherige Fristsetzung habe erfolgen dürfen. Das Landgericht berücksichtige auch nicht, dass die Grunderwerbssteuer durch sie bezahlt worden sei, bevor die Frist, innerhalb der die Klägerin vom Finanzamt zur Zahlung aufgefordert worden sei, abgelaufen gewesen sei.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 4. Juli 2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az. 11 O 352/17, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf diese und Wiederholung ihres Vorbringens.

II.

Die zulässige (§§ 517, 519, 520 ZPO) Berufung hat Erfolg und führt unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zur Abweisung der Klage.

Eine hinreichende Vollmacht des Bereichsleiters Liegenschaftsmanagement der Klägerin zur Erklärung des Rücktritts am 17. Februar 2017 unterstellt, ist dieser entgegen der Auffassung des Landgerichts gleichwohl unwirksam, weil es an einer vorangegangenen erfolglosen angemessenen Fristsetzung zur Leistung (Zahlung der Grunderwerbssteuer) fehlte.

Die Vertragsparteien hatten unter Ziffer 9 S. 1 des Kaufvertrags vom 3. August 2016 – deklaratorisch – bestimmt, dass ihnen die gesetzlichen Rücktrittsrechte zustehen. In S. 2 vereinbarten sie zusätzlich ein Rücktrittsrecht des Verkäufers für den Fall, dass er für gesetzliche Verbindlichkeiten des Käufers, insbesondere die Grunderwerbssteuer, in Anspruch genommen wird.

Es ist bereits zweifelhaft, Ziffer 9 S. 2 des Kaufvertrages in der Weise auszulegen, dass bereits die bloße Geltendmachung eines Dritten wegen gesetzlicher Verbindlichkeiten gegenüber dem Verkäufer – nach dem Wortlaut des Vertrages sogar ohne Prüfung, ob der Anspruch berechtigt geltend gemacht wird – als Rücktrittsgrund ausreichen soll. Vom Wortlaut ebenfalls noch erfasst und näherliegend wäre eine Auslegung dahingehend, dass der Rücktrittsgrund erst dann eingreifen soll, wenn die Verkäuferin tatsächlich wegen solcher Verbindlichkeiten in Anspruch genommen worden ist. Bei einem solchen Verständnis der Vereinbarung läge ein Rücktrittsgrund nicht vor, weil die Beklagte die ausstehenden Grundsteuern an das Finanzamt gezahlt hat.

Versteht man die Regelung im Sinne der Klägerin dahingehend, dass bereits die bloße Geltendmachung des Anspruchs genügt, lagen im Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts dessen Voraussetzungen ebenfalls nicht vor, weil in diesem Fall jedenfalls eine vorherige Fristsetzung zur Zahlung erforderlich gewesen wäre. Beide Regelungen innerhalb eines Absatzes des Kaufvertrags, nämlich der Hinweis auf die Geltung der gesetzlichen Rücktrittsrechte und das Bestehen eines Rücktrittsrechts der Verkäuferin für den Fall, dass sie für gesetzliche Verbindlichkeiten des Käufers in Anspruch genommen wird, führen bei einer an Sinn und Zweck sowie Treu und Glauben orientierten Auslegung zu dem Ergebnis, dass durch Ziffer 9 S. 2 des Vertrages das gesetzliche Rücktrittsrecht klarstellend um einen weiteren Rücktrittsgrund erweitert werden sollte, für dessen Ausübung die Regelungen für das gesetzliche Rücktrittsrecht entsprechend gelten sollen.

Für eine Auslegung der vereinbarten Regelungen zum Rücktritt ist zunächst die gesetzliche Ausgangslage zu beachten. Die Vorschrift des § 323 BGB normiert in ihrem Absatz 1 ein gesetzliches Rücktrittsrecht für den Fall, dass bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Haupt- oder Nebenleistung nicht oder nicht vertragsgemäß erfüllt und regelt weiter in Absatz 1 (angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung) und den weiteren Absätzen 2 bis 6 unter welchen Voraussetzungen das Rücktrittsrecht ausgeübt werden kann oder ausnahmsweise nicht ausgeübt werden darf.

Durch Ziffer 9 S. 1 des Vertrages wird zunächst klargestellt, dass die gesetzlichen Rücktrittsvorschriften gelten sollen. Wenn S. 2 im unmittelbaren Anschluss daran als Rücktrittsgrund die Inanspruchnahme des Verkäufers für gesetzliche Verbindlichkeiten vorsieht, ohne insoweit die Geltung der gesetzlichen Regelungen zur Ausübung des Rücktritts auszuschließen oder die Voraussetzungen der Ausübung hinsichtlich dieses Rücktrittsgrundes näher zu regeln, so spricht dies dafür, dass auch insoweit die gesetzlichen Regelungen, die den Interessen des Rücktrittsberechtigen in angemessener Weise Rechnung tragen, ebenfalls gelten sollten.

Für ein solches Verständnis spricht weiter, dass bei einer anderen Auslegung nähere Bestimmungen für die Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts völlig fehlen würden und es widersprüchlich wäre, wenn bei nicht rechtzeitiger Zahlung des Kaufpreises vor der Erklärung eines Rücktritts eine Fristsetzung erforderlich wäre, bei der bloßen Geltendmachung eines Anspruchs eines Dritten wegen gesetzlicher Verbindlichkeiten, für die nach dem Vertrag die Beklagten aufzukommen hatte, der Rücktritt möglich sein soll, ohne der Beklagten zuvor die Gelegenheit gegeben zu haben, den Anspruch des Dritten zu erfüllen. Die Klägerin wird durch eine solche Auslegung auch nicht in ihren schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt, da es ihr zuzumuten ist, vor einer eigenen Zahlung zunächst der Beklagten als Käuferin eine kurze Frist zu setzen, um sodann nach Ablauf dieser Frist den Rücktritt zu erklären. Im konkreten Fall der Grunderwerbssteuer bestand auch nicht die Gefahr, dass eine Erstattung an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beklagten scheitert, weil diese im Zuge der Rückabwicklung des Vertrages nach erklärtem Rücktritt ohnehin durch das Finanzamt zurückerstattet würde.

Einer Beweisaufnahme zu der Behauptung der Klägerin, in Ziffer 9 S. 2 sei ein weiteres Rücktrittsrecht vereinbart worden, bedurfte es nicht, weil der Entscheidung des Senats die Annahme zugrunde liegt, dass ein solches vereinbart wurde. Dass über die Modalitäten der Ausübung des Rücktrittsrechts – sofortige Erklärung des Rücktritts nach einer ersten Zahlungsaufforderung eines Dritten für eine gesetzliche Verbindlichkeit – durch den Notar außerhalb der beurkundeten Hinweise ausdrücklich belehrt worden wäre, behauptet die Klägerin schon nicht. Davon abgesehen wäre die Klägerin auch dann nicht berechtigt gewesen, unmittelbar nach Erhalt der Zahlungsaufforderung durch das Finanzamt den Rücktritt vom Vertrag zu erklären, nachdem zuvor bereits der Kaufpreis, wenn auch abweichend von den vertraglichen Vereinbarungen, vollständig gezahlt worden war. Eine interessengerechte Vertragsauslegung müsste dann unabhängig von der Frage, ob die gesetzlichen Rücktrittsvorschriften auch insoweit gelten, zu dem Ergebnis kommen, dass die Klägerin erst zum Rücktritt berechtigt sein sollte, nachdem sie eine billigem Ermessen entsprechende Frist zur Zahlung gesetzt hatte (vgl. BGH NJW 1982, 1036).

Etwas anderes gilt im Ergebnis auch dann nicht, wenn man, wie die Klägerin dies meint, in der verspäteten Zahlung der Grunderwerbssteuer durch die Beklagte nicht die Verletzung einer Nebenleistungspflicht, sondern die Verletzung einer Nebenpflicht sehen will. Ein Festhalten am Vertrag wäre der Klägerin nur dann nicht mehr zuzumuten gewesen (§§ 241 Abs. 2, 324 BGB), wenn sie zuvor eine billigem Ermessen genügende Frist zum Ausgleich der Steuerschulden gesetzt hätte.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) bestehen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

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