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Anspruch auf Löschungsbewilligung eines Vorkaufsrechts

OLG Düsseldorf – Az.: I-9 U 21/17 – Urteil vom 21.07.2017

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14. Dezember 2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägerinnen auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerinnen sind Eigentümerinnen des Grundstücks A … /B … in Krefeld, bezüglich dessen für den in erster Instanz am 12. Dezember 2015 verstorbenen Vater des Beklagten ein Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall im Grundbuch eingetragen ist. Mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Dezember 2014 verkauften die Klägerinnen das Grundstück für 115.000,00 Euro an Herrn C … . Der Kaufvertrag enthält in § 6 Ziffer 1 die Anweisung an den Notar, alle zur Vertragsdurchführung erforderlichen behördlichen Genehmigungen und Erklärungen und auch alle privaten Urkunden formlos zu beantragen und formlos entgegenzunehmen.

In Umsetzung dieser Anweisung schrieb der Notar, der Zeuge D … , den Vater des Beklagten am 19. Dezember 2014 mit der Begründung an, zu seinen Gunsten sei ein Vorkaufsrecht eingetragen, und bat um Bestätigung des Erhalts des Schreibens. Er belehrte den Vater des Beklagten dahingehend, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts durch formloses Schreiben an die Verkäufer innerhalb von zwei Monaten erfolge und zum Zustandekommen eines Vertrages mit den Verkäufern zu denselben Bedingungen führe. Für den Fall der Ausübung bat er um eine Kopie der entsprechenden Erklärung an sich und Kontaktaufnahme mit seinem Büro. Sofern das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden, sei die beigefügte Verzichtserklärung an ihn zurückzusenden. Für Rückfragen stehe er gerne zur Verfügung. Auf das als Anlage K 1 vorgelegte Schreiben wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. Ob dem Schreiben die dort genannten Kopien der Mietverträge tatsächlich beigefügt waren, ist streitig.

Mit der vorliegenden Klage nehmen die Klägerinnen den Beklagten als Alleinerben seines Vaters mit der Begründung auf Löschung des Vorkaufsrechts in Anspruch, dieser habe sein Vorkaufsrecht nicht fristgerecht ausgeübt.

Das Landgericht hat über die Frage einer Ausübung des Vorkaufsrechts Beweis erhoben durch die schriftliche Vernehmung des Zeugen D … . Sodann hat es den Beklagten antragsgemäß zur Bewilligung der Löschung des Vorkaufsrechts verurteilt und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte habe die rechtzeitige Ausübung des Vorkaufsrechts nicht nachgewiesen. Der Notar D … sei nur zur Entgegennahme der zur Vertragsdurchführung erforderlichen Urkunden bevollmächtigt gewesen, wozu die die Vertragsdurchführung hindernde Ausübung des Vorkaufsrechts nicht gehöre.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Die Annahme, der Notar habe zwar wirksam zur Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts auffordern können, sei aber zur Entgegennahme der Erklärung über die Ausübung nicht bevollmächtigt gewesen, sei widersprüchlich. Die Vollmacht umfasse ausdrücklich die Entgegennahme von Erklärungen. Zudem habe der Notar in seinem Schreiben um Übersendung der Ausübungserklärung auch an ihn gebeten. Unabhängig davon habe die Frist zur Ausübung nicht vor Übermittlung der Mietverträge beginnen können, da deren Kenntnis für eine sachgerechte Entscheidung über die Ausübung erforderlich gewesen sei.

Der Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Krefeld vom 14.12.2016 abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerinnen verteidigen das landgerichtliche Urteil. Die Ausübung des Vorkaufsrechts habe nach dem klaren Wortlaut des Schreibens des Notars ihnen gegenüber erfolgen müssen.

Der Senat hat den Zeugen D … ergänzend schriftlich vernommen gemäß Beweisbeschluss vom 24. April 2017. Auf die Aussage des Zeugen D … in erster Instanz, Bl. 128 f. GA, und die im Berufungsrechtszug erfolgte Ergänzung, Bl. 271 GA, wird Bezug genommen.

In der nachfolgenden mündlichen Verhandlung hat der Senat die Sach- und Rechtslage mit den Parteien ausführlich erörtert. Der Vater des Beklagten habe sein Vorkaufsrecht fristgemäß ausgeübt. Das Telefonat des Vaters des Beklagten mit dem Bürovorsteher des Notars vom 9. Februar 2015, in dem erklärt habe, sein Vorkaufsrecht mit Schreiben vom 30. Dezember 2014 ausgeübt zu haben, sei als (erneute) Ausübung des Vorkaufsrechts zu würdigen. Der Zeuge Notar D … , der hierüber noch am selben Tage unterrichtet worden sei, sei zum Empfang der Ausübungserklärung auch bevollmächtigt gewesen. Dem Notar sei nicht lediglich Vollzugs-, sonders ausweislich § 6 des Vertrages auch Empfangsvollmacht erteilt worden. Die Formulierung „zur Durchführung des Vertrages“ stehe dem nicht entgegen. Der Notar sei unstreitig zur Entgegennahme einer Verzichtserklärung bevollmächtigt gewesen; die Reichweite einer Empfangsvollmacht könne aber nicht vom Inhalt der angeforderten Erklärung abhängen. Anderes ergebe sich auch aus dem Schreiben vom 19. Dezember 2014 nicht; ein eine Äußerung gegenüber dem Bevollmächtigten ausschließendes „persönlich“ hinter „an die Verkäufer“ fehle. Jedenfalls für eine ebenfalls zulässige mündliche Ausübung sei ein anderer Kontakt als mit dem der Notar gar nicht angeboten worden.

Mit nachterminlichem Schriftsatz vom 30. Mai 2017 sind die Klägerinnen diesem Verständnis der fernmündlichen Äußerung des Vaters des Beklagten entgegengetreten. Die Mitteilung des Erblassers trage die Annahme eines Rechtsbindungswillens nicht. Die früheren Prozessbevollmächtigten des Beklagten hätten sich allein auf die schriftlichen Erklärungen gestützt; dem Telefonat hätten sie offensichtlich selbst keine Bedeutung beigemessen. Dabei lasse der Umstand, dass die angeblich drei schriftlichen Erklärungen alle nicht angekommen seien, den Rückschluss auf eine Nichtabgabe zu. Der Beklagte habe sich die Entscheidung offenhalten wollen; auch das Telefongespräch habe nur dem Erhalt eines Grundbuchauszugs als Entscheidungsgrundlage gedient. Der Beklagte habe auch nicht darum gebeten, mit dem Notar selbst zu sprechen. Demgemäß sei auch der Notar davon ausgegangen, dass das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt worden sei. Im Übrigen blieben sie bei ihrer Auffassung, dass die Ausübung nach dem eindeutigen Anschreiben des Notars ihnen gegenüber hätte erfolgen müssen, um wirksam zu sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Bewilligung der Löschung des im Grundbuch eingetragenen Vorkaufsrechts. Das Vorkaufsrecht ist nicht infolge Nichtausübung erloschen; der Vater des Beklagten hat sein Vorkaufsrecht vielmehr gemäß §§ 464, 469 Abs. 2 BGB fristgerecht ausgeübt.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Eine Willenserklärung im Sinne der Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB ist die Äußerung eines Willens, der unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichtet ist; sie bringt einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck, das heißt einen Willen, der auf die Begründung, inhaltliche Änderung oder Beendigung eines privaten Rechtsverhältnisses abzielt (BGH, NJW 2001, 289, 290). Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Bei seiner Willenserforschung hat der Tatrichter aber auch den mit der Absprache verfolgten Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können. Dabei sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (BGH, NJW 2010, 2422 Rn. 33).

1. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Vater des Beklagten sein Vorkaufsrecht zur Überzeugung des Senats ordnungsgemäß ausgeübt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Vater des Beklagten am 9. Februar 2015 in einem Telefonat mit dem Notariat D … gegenüber dem Bürovorsteher erklärt hat, er habe mit Schreiben vom 30. Dezember 2014 sein Vorkaufsrecht ausgeübt, worüber der Bürovorsteher den Notar D … noch am selben Tag unterrichtet hat. An der diesbezüglichen Aussage des als Zeuge schriftlich vernommenen Notars D … zu zweifeln, besteht keine Veranlassung. Anderes vertreten auch die Klägerinnen nicht.

Die Erklärung, sein Vorkaufsrecht ausgeübt zu haben, ist als – erneute – Ausübung des Vorkaufsrechts zu werten. Die gegenüber einem (potentiellen) Empfänger der Willenserklärung getätigte Äußerung, die Willenserklärung mit einem datumsmäßig konkret bezeichneten Schreiben abgegeben zu haben, dient nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht allein der Information, sondern der Bekräftigung der Willenserklärung, die nach dem Willen des Äußernden als erneute oder im Falle des Nichtzugangs der ursprünglichen Erklärung als erstmalige, auf die Begründung des Rechtsverhältnisses gerichtete Willenserklärung dienen soll.

Dass der Vater des Beklagten mit dieser Erklärung die Frage nach der Übermittlung eines Grundbuchauszuges verbunden hat, spricht nicht für das Fehlen eines Ausübungswillens. Für den Wunsch nach der Übermittlung eines Grundbuchauszuges hätte die Mitteilung, sich die Ausübung zu überlegen, vollkommen ausgereicht. Auch dass am 9. Februar 2015 die Finanzierung des Erwerbs offensichtlich noch nicht stand, lässt keinen Rückschluss auf eine noch nicht abgeschlossene Entscheidungsfindung zu. Es ist nichts Ungewöhnliches, zunächst die Verpflichtung zum Grundstückserwerb einzugehen und sich erst danach um eine Finanzierung zu bemühen. Gerade bei der Ausübung eines Vorkaufsrechts, bei dem zum einen ein enger zeitlicher Rahmen besteht und zum anderen aufgrund der vorangegangenen Vertragsverhandlungen des Verkäufers mit dem Drittkäufer ein starker Anhalt für die Werthaltigkeit des Objekts besteht, liegt ein derartiges Vorgehen durchaus nahe.

Soweit die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zunächst zur Begründung ihres Vortrags nicht auf das Gespräch vom 9. Februar 2015 abgestellt haben, beruht dies ersichtlich darauf, dass sie meinten, bereits mit den am 30. Dezember 2014 abgesandten Ausübungsschreiben und dem Telefonat des Vaters des Beklagten mit dem Notariat D … vom 29. Dezember 2014 durchdringen zu können. Erst nachdem sich der Zugang der Schreiben nicht nachweisen ließ und sich das Telefonat vom 29. Dezember 2014 als bloße Ankündigung der Ausübung entpuppt hatte, bestand überhaupt Veranlassung, zu dem zeitlich nachfolgenden Gespräch vom 9. Februar 2015 auszuführen.

Auch der Umstand, dass keiner der drei an die beiden Verkäuferinnen und das Notariat D … gerichteten Briefe sein Ziel erreicht hat, spricht nicht gegen ihre Absendung und damit auch nicht gegen die Ernstlichkeit der Bekräftigung der Ausübung des Vorkaufsrechts im Telefonat vom 9. Februar 2015. Die Briefe sind ausweislich des in Anlage B 1 (Bl. 40 GA) mit abgelichteten Einlieferungsbelegs zusammen aufgegeben worden. Ihr Verlust stellt daher keine drei unabhängigen Ereignisse dar. Zudem war der Dezember 2014 von einer Streikwelle bei der Post geprägt, wodurch sich nicht nur die Wahrscheinlichkeit für Briefverluste erhöht haben, sondern auch die Nachverfolgung von Einwurfeinschreiben beeinträchtigt gewesen sein mag. Nicht umsonst haben selbst die Klägerinnen ein Verlorengehen von drei Briefen bei diesbezüglich ergebnislosen Nachforschungen noch im Schriftsatz vom 5. August 2015 als denkmöglich bezeichnet. Es ist auch kein Grund dafür ersichtlich, weshalb der Vater des Beklagten eine Übersendung als Einwurfeinschreiben hätte behaupten sollen, wenn er tatsächlich keine Briefe an die Verkäuferseite abgesandt haben sollte. Vor dem Hintergrund der Möglichkeit, eine Übersendung mit einfachem Brief zu behaupten, hätte eine wahrheitswidrige Behauptung der Übersendung als Einwurfeinschreiben unter Offenlegung der Sendungsnummern (vgl. Anlage B 1) nur ein unnötiges Risiko geschaffen, der Lüge überführt zu werden.

Für den Vater des Beklagten bestand auch keine Veranlassung, auf einem persönlichen Kontakt mit dem Zeugen Notar D … zu bestehen. Abgesehen davon, dass ihm im Zweifel das Notariat ohnehin als Einheit erschienen ist, wofür auch das an das „Notariat E … “ gerichtete Schreiben Anlage B 1 (Bl. 41 GA) spricht, kann sich der Verkehr üblicherweise darauf verlassen, dass der Bürovorsteher als Empfangsbote des Notars fungiert und Erklärungen zuverlässig und zeitnah an diesen weiterleitet, wie es auch vorliegend geschehen ist.

Der Erklärungsgehalt der Äußerung war eindeutig. Wer vor dem Hintergrund der Mitteilung über den Vertragsschluss mit einem Dritten nach Aufforderung zur Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts dem Absender dieser Mitteilung gegenüber bekundet, sein Vorkaufsrecht ausgeübt zu haben, gibt für einen objektiven Erklärungsempfänger klar zu erkennen, dass er sein Vorkaufsrecht wahrnimmt. Entscheidend ist nicht die Auffassung des Notars, sondern der in der Äußerung zum Ausdruck gebrachte Wille der Erklärenden (vgl. BGH, NJW 1998, 2136, 2137).

Diese Willenserklärung ist dem Notar jedenfalls mit tatsächlicher Kenntnisnahme zugegangen (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 130 Rn. 5), so dass sich die Frage, ob der Bürovorsteher Empfangsbote des Notars ist, wovon im Übrigen auszugehen ist, letztendlich nicht stellt.

2. Die gegenüber dem Notar abgegebene Willenserklärung wirkt auch gegen die Klägerinnen. Gemäß § 464 Abs. 1 BGB erfolgt die Ausübung des Vorkaufsrechts durch formfreie Erklärung gegenüber dem Verpflichteten. Dem Zugang der Willenserklärung beim Verpflichteten steht gemäß § 164 Abs. 3 BGB der Zugang bei dessen Vertreter gleich.

Der den Kaufvertrag beurkundende Notar E … war zur Entgegennahme dieser Erklärung des Vaters des Beklagten ermächtigt. Die Vollmachtserteilung, die hier nicht nur gegenüber dem Notar erfolgte, sondern auch dem Vater des Beklagten im Zuge der Mitteilung vom Vertragsschluss planmäßig zugänglich gemacht wurde, ist ebenfalls eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die bei Zweifeln über Inhalt und Umfang gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen ist. Dabei ist darauf abzustellen, wie ein objektiver Dritter in der Lage des Erklärungsempfängers die Willenserklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 29. Jul. 2004, 26 U 78/03, BeckRS 2004, 08267; Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 167 Rn. 5).

Vorliegend spricht schon der Wortlaut der Vollmachtserteilung dafür, dass der Notar auch zur Entgegennahme der Ausübungserklärung ermächtigt sein sollte; jedenfalls konnte der Vater des Beklagten die Erklärung nur als entsprechende Vollmachtserteilung an den Notar verstehen. So ist der Notar in § 6 Ziffer 1 des Vertrages zur Entgegennahme von Erklärungen bevollmächtigt worden. Ihm ist also nicht lediglich Vollzugs-, sondern ausdrücklich auch Empfangsvollmacht erteilt worden. Die vom Landgericht, gestützt auf die Wendung „zur Vertragsdurchführung“, vorgenommene Beschränkung auf solche Erklärungen, die zur erfolgreichen Vertragsumsetzung führen, erscheint künstlich. Der Notar ist unstreitig zur Entgegennahme einer Verzichtserklärung bevollmächtigt gewesen. Die Reichweite einer Empfangsvollmacht kann jedoch nicht vom Inhalt der angeforderten Erklärung abhängen. Genauso wie die Bevollmächtigung zur Beantragung und Entgegennahme von Genehmigungen auch zur Entgegennahme ablehnender Bescheide berechtigt, ist die Bevollmächtigung zur Entgegennahme von Erklärungen des Vorkaufsberechtigten nicht auf dessen Verzichtserklärung beschränkt. Die Wendung „zur Vertragsdurchführung“ ist sach-, nicht inhaltsbezogen zu verstehen. Der Notar sollte die vertragsbezogenen Erklärungen Dritter entgegennehmen.

Gegenteiliges ist auch den Umständen nicht zu entnehmen; auch aus dem Begleitschreiben des Notars vom 19. Dezember 2014 ergibt sich nichts Anderes. So wurde der Vater des Beklagten explizit aufgefordert, eine eventuelle Verzichtserklärung unmittelbar an ihn – den Notar – zurückzusenden. Auch sollte der Vater des Beklagten den Empfang des Schreibens gegenüber dem Notar bestätigen, ihm im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts eine Kopie zukommen lassen und mit seinem Büro Kontakt aufnehmen. Zudem enthielt das Schreiben ein Angebot des Notars, für Rückfragen gerne zur Verfügung zu stehen. Dies konnte und durfte der Vater des Beklagten nur im Sinne einer umfassenden Empfangsvollmacht des Notars verstehen. Es ist, zumal für einen juristischen Laien, nicht einsichtig, dass der Notar zwar zur Entgegennahme einer Verzichtserklärung, nicht jedoch zur Entgegennahme der Ausübungserklärung bevollmächtigt sein soll.

Die Formulierung „die Ausübung erfolgt durch formloses Schreiben an die Verkäufer“ war nicht geeignet, dieser Erwartung entgegenzuwirken. Sie gibt lediglich die Gesetzeslage wieder, bei der eine Empfangsvertretung gerade nicht ausgeschlossen ist. Eine darüber hinausgehende Aussage ist ihr nicht zu entnehmen. Die Formulierung ist bewusst neutral gehalten. Die Verkäuferseite wird rein funktional bezeichnet; schon eine Personalisierung etwa in der Form von „an die Verkäuferinnen“ ist nicht erfolgt. Auch ein den Ausschluss einer Empfangsvertretung verdeutlichender Zusatz wie „persönlich“ hinter „Verkäufer“ fehlt. Wenn aber die andere Seite nur funktional als „Verkäufer“ bezeichnet wird, besteht für den Adressaten keine Veranlassung, die sich aus den übrigen Umständen ergebende Erteilung einer Empfangsvollmacht in Frage zu stellen.

Zudem ist die Aussage nur auf die Ausübung in Form eines Schreibens bezogen. Das Vorkaufsrecht kann jedoch auch mündlich ausgeübt werden. Für eine mündliche Ausübung wurde dem Vater des Beklagten nur das Büro des Notars angeboten, mit dem der Beklagte Kontakt aufnehmen sollte, wenn er die Ausübung des Vorkaufsrechts erwäge. Gerade im Falle der mündlichen Ausübung musste dem Vater des Beklagten eine Erklärung gegenüber dem Notar nachgerade als zwingend erscheinen.

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob einer Berufung auf eine Beschränkung der Empfangsvollmacht des Notars auf die Verzichtserklärung nicht ohnehin der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB entgegenstünde. Zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Vorkaufsberechtigten besteht eine Sonderbeziehung, die beide Seiten zur wechselseitigen Rücksichtnahme verpflichtet. Bedient sich der Vorkaufsverpflichtete bei der ausweislich § 469 Abs. 1 Satz 1 BGB ihm obliegenden Mitteilung an den Vorkaufsberechtigten des Notars und macht sich damit den mit dessen Tätigkeit verbundene öffentlichen Glauben hinsichtlich des Nachweises der Erfüllung dieser Pflicht und zudem noch im Falle des Verzichts des Verkaufsberechtigten hinsichtlich des Nachweises der Abgabe der Verzichtserklärung zunutze, erscheint es unlauter, wenn er gleichwohl nur eine ihm persönlich gegenüber erklärte Ausübung des Vorkaufsrechts zu akzeptieren gewillt ist und damit für den Vorkaufsberechtigten eine wesentlich höhere Hürde für den Nachweis fristgemäßer Ausübung errichtet. Wer für aus seiner Sicht positive Erklärungen wie den Verzicht auf das Vorkaufsrecht einen Weg des Zugangs eröffnet, muss diesen auch im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts gegen sich gelten lassen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die relevanten Rechtsfragen sind durch die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen beantwortet. Deren Anwendung ist Sache des Tatrichters. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Festsetzung und der Streitwertangabe der Kläger auf 11.500,00 Euro festgesetzt.

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