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Grunderwerbssteuer – Beratungspflicht des Notars über Anfall

Im Herzen des vorliegenden Falles steht die Frage, ob ein Notar für die steuerlichen Folgen eines von ihm beurkundeten Geschäfts haftbar gemacht werden kann. Die Klägerin verlangte Schadensersatz von dem beklagten Notar in Höhe von 73.110,92 € wegen einer behaupteten Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Beurkundung und dem Vollzug eines Anteilskaufvertrages, durch den sie mit Grunderwerbssteuer belastet wurde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 224/21  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Landgericht hat entschieden, dass der Notar keine Amtspflichtverletzung begangen hat, da er nicht verpflichtet war, die Klägerin über mögliche steuerliche Folgen zu informieren, es sei denn, er hätte positive Kenntnisse über bestimmte Umstände gehabt, die zu steuerlichen Konsequenzen führen könnten.

Wichtigste Punkte zum Urteil:

  1. Notare sind grundsätzlich nicht verpflichtet, Beteiligte über steuerliche Folgen eines Rechtsgeschäfts zu beraten.
  2. Eine Beratungspflicht besteht nur, wenn der Notar unrichtige oder unvollständige Informationen über steuerliche Fragen gibt.
  3. Der Notar kann eine Warnpflicht haben, wenn er eine steuerliche Pflicht durch seine Vorschläge verursacht oder erkennt, dass ein Beteiligter sich einer Steuerpflicht nicht bewusst ist.
  4. Der Beklagte (Notar) hatte keine Kenntnis davon, dass die Klägerin Alleingesellschafterin einer bestimmten GmbH war, was zu steuerlichen Konsequenzen führen könnte.
  5. Die Klägerin war sich bereits bewusst, dass der Beklagte von einer ausreichenden steuerlichen Beratung ausging.
  6. Der Notar hat keine Pflicht, über mögliche Grunderwerbssteuer oder steuersparende Maßnahmen zu informieren, es sei denn, es gibt besondere Umstände.
  7. Die Klägerin hat eine eigene Verpflichtung, steuerlich relevante Sachverhalte der Finanzbehörde zu melden und kann diese nicht auf den Notar übertragen.
  8. Das Urteil basiert auf der Annahme, dass der Notar seine Amtspflichten gegenüber der Finanzverwaltung erfüllt hat und nicht gegenüber den Beteiligten.

Die Argumentation der Klägerin

Die Klägerin war der Ansicht, dass der Notar sie hätte warnen müssen, dass der Kauf von Anteilen an einer Gesellschaft, die Grundbesitz besitzt, zu einer Grunderwerbssteuerpflicht führen könnte. Sie argumentierte, dass der Notar hätte erkennen müssen, dass sie sich der steuerlichen Folgen nicht bewusst war und dass sie daher hätte beraten werden müssen.

Das Urteil des Landgerichts Hanau

Das Landgericht Hanau hatte die Klage abgewiesen und argumentiert, dass der Notar grundsätzlich nicht verpflichtet sei, über die steuerlichen Folgen eines Rechtsgeschäfts zu beraten. Es sei denn, er berät im Zusammenhang mit dem beurkundeten Rechtsgeschäft über steuerrechtliche Fragen und gibt dabei eine unrichtige, unklare oder unvollständige Auskunft. Im vorliegenden Fall hatte der Notar jedoch ausdrücklich in den Urkundenentwurf aufgenommen, dass er keine steuerliche Beratung erteile.

Berufung und Verteidigung des Beklagten

Die Klägerin legte gegen das Urteil Berufung ein und argumentierte, dass das Landgericht zu Unrecht eine Amtspflichtverletzung des Beklagten verneint habe. Sie war der Meinung, dass sich dem Notar die steuerliche Gefahrenlage hätte aufdrängen müssen, insbesondere da der Vertragsentwurf während des Beurkundungstermins geändert wurde. Der Beklagte verteidigte das angefochtene Urteil und argumentierte, dass er keine Kenntnis von der Alleingesellschafterstellung der Klägerin hinsichtlich der X GmbH gehabt habe und dass er auch keinen steuerlichen Beratungsbedarf erkannt habe.

Das abschließende Urteil des OLG Frankfurt

Das OLG Frankfurt bestätigte das Urteil des Landgerichts und wies die Berufung der Klägerin zurück. Es stellte fest, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten hatte, da sie nicht schlüssig dargelegt hatte, dass der Beklagte eine Amtspflichtverletzung begangen hatte. Insgesamt zeigt dieses Urteil, dass die Amtspflichten eines Notars in der Regel nicht die steuerlichen Folgen eines zu beurkundenden Geschäfts umfassen. Es sei denn, es gibt besondere Umstände, die eine solche Beratungspflicht begründen könnten. In diesem Fall war das Gericht der Ansicht, dass solche besonderen Umstände nicht vorlagen. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen steuerlichen Beratung vor dem Abschluss von Rechtsgeschäften und die Grenzen der Verantwortung eines Notars in Bezug auf steuerliche Fragen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


  • Grunderwerbssteuer: Die Grunderwerbssteuer ist eine Steuer, die beim Kauf von Grundstücken oder Immobilien erhoben wird. Diese Steuer wird in Deutschland auf Landesebene festgesetzt und kann je nach Bundesland variieren. In Bezug auf die Rolle des Notars ist es wichtig zu wissen, dass der Notar die Parteien über die mögliche Anfallung der Grunderwerbssteuer informieren sollte. Allerdings ist die genaue Informationspflicht des Notars in Bezug auf Steuerfragen umstritten und kann je nach Einzelfall variieren.
  • Amtspflichtverletzung: Amtspflichten beziehen sich auf die gesetzlichen Pflichten, die ein Amtsträger, wie z.B. ein Notar, in der Ausübung seines Amtes zu erfüllen hat. Eine Amtspflichtverletzung liegt vor, wenn der Amtsträger diese Pflichten verletzt hat. Im Kontext des Notarrechts könnte eine solche Verletzung beispielsweise darin bestehen, dass der Notar die Parteien nicht ausreichend über bestimmte Aspekte des Vertrags oder mögliche Risiken informiert hat.
  • Warn- oder Hinweispflicht: Die Warn- oder Hinweispflicht eines Notars bezieht sich auf seine Verpflichtung, die Parteien eines Vertrags vor möglichen rechtlichen oder finanziellen Risiken zu warnen. Diese Pflicht kann besonders relevant sein, wenn sich die Bedingungen des Vertrags oder die Umstände, unter denen er abgeschlossen wird, ändern. In Bezug auf die Grunderwerbssteuer könnte es beispielsweise die Pflicht des Notars sein, die Parteien darauf hinzuweisen, dass durch die Änderung des Vertrags eine Grunderwerbssteuer anfallen könnte.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 4 U 224/21 – Urteil vom 27.04.2022

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 27. Juli 2021 wird zurückgewiesen.

Das Urteil des Landgerichts wird ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 73.110,92 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Notar Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 73.110,92 € wegen einer behaupteten Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Beurkundung und dem Vollzug eines Anteilskaufvertrages, in dessen Folge sie mit Grunderwerbssteuer belastet worden ist.

Wegen der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass dem Beklagten keine Amtspflichtverletzung zur Last falle. Den Notar treffe grundsätzlich keine Beratungspflicht hinsichtlich steuerrechtlichen Folgen des Rechtsgeschäfts. Etwas Anderes gelte nur dann, wenn der Notar im Zusammenhang mit dem beurkundeten Rechtsgeschäft über steuerrechtliche Fragen berate und dabei eine unrichtige, unklare oder nicht erkennbar unvollständige Auskunft erteile. Zudem könne den Notar eine Warnpflicht mit Blick auf die steuerrechtlichen Folgen eines Rechtsgeschäfts treffen, wenn die Steuerpflicht Folge eines Gestaltungsvorschlages des Notars sei oder dieser erkenne, dass sich ein Beteiligter einer Steuerpflicht nicht bewusst sei. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte ausdrücklich schon in den Urkundenentwurf aufgenommen, dass er keine steuerliche Beratung erteile. Unstreitig sei eine solche auch nicht erfolgt. Auch sei nicht vorgetragen, dass im vorliegenden Fall die Steuerpflicht Folge eines Gestaltungsvorschlags des Notars sei. Weiterhin lasse sich nicht feststellen, dass der Beklagte erkannt habe, dass sich ein Beteiligter einer Steuerpflicht nicht bewusst sei. So lasse sich schon nicht feststellen, dass dem Beklagten die Stellung der Klägerin als Alleingesellschafterin der X GmbH bekannt gewesen sei. Vielmehr sei die vorhergehende Beurkundung, aus der sich dieser Umstand ergeben habe, von einem anderen Notar, wenn auch aus der gleichen Kanzlei, vorgenommen worden. Dies führe jedoch nicht dazu, dass dem Beklagten solche Umstände bekannt waren oder bekannt sein mussten, weil ihm allenfalls Tatsachen aus seiner eigenen Tätigkeit zugerechnet werden könnten, es sei denn, dies wäre ihm ausdrücklich mitgeteilt worden, was jedoch nicht behauptet worden sei. Selbst wenn dem Notar die Absicht, den Grundbesitz alsbald zu veräußern, bekannt gewesen sei, führe dies nicht zu einer Hinweispflicht. Der Beklagte habe nicht von der Erforderlichkeit eines Hinweises ausgehen müssen. Der Klägerin sei schon aus dem Entwurf des Vertrages bekannt gewesen, dass der Beklagte von einer ausreichenden steuerlichen Beratung ausgegangen sei und er für sich selbst eine solche ausgeschlossen habe. Weder seitens der Klägerin noch der übrigen Beteiligten an der Beurkundung sei der Angabe wegen der anderweitig erfolgten steuerlichen Beratung widersprochen worden.

Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus einer Verletzung der Anzeigepflicht nach § 18 GrEStG. Der Notar handle insoweit nicht in Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen im Sinne von § 378 Abs. 1 S. 1 AO. Auch handle der Notar nicht in Erfüllung der Anzeigepflicht des Steuerschuldners aus § 19 GrEStG und leiste diesem auch nicht bei der Erledigung seiner steuerlichen Angelegenheiten Hilfe, sondern erfülle eine eigene dem Finanzamt gegenüber bestehende Pflicht.

Gegen das der Klägerin zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 9.8.2021 zugestellte Urteil hat sie am 6.9.2021 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 8.11.2021 mit einem am 13.10.2021 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie rügt, dass das Landgericht zu Unrecht eine Amtspflichtverletzung des Beklagten verneint habe, weil diesem im vorliegenden Fall keine erweiterte Belehrungspflicht wegen von allen Beteiligten mangels Kenntnis der Rechtslage nicht erkannter und nicht gewollter steuerlicher Auswirkungen des Geschäfts oblegen habe. Tatsächlich habe sich dem Beklagten die Grunderwerbsteuerpflicht und die Unkenntnis über diese steuerliche Gefahrenlage aufdrängen müssen, als der Vertragsentwurf im Beurkundungstermin hinsichtlich des Grundbesitzes abgeändert wurde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe dem Beklagten klarwerden müssen, dass eine steuerliche Gefahrenlage entstehen könnte, weil sich in der Person der Klägerin unmittelbar nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. mehr als 95% der Anteile an der Y GmbH vereinigten und dadurch eine Grunderwerbsteuerpflicht ausgelöst wurde. Der Beklagte habe im Beurkundungstermin nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin auch zu dem geänderten Sachverhalt, nach dem die Y GmbH sehr wohl über Grundbesitz verfügte, steuerlich beraten worden sei. Auch habe sich für den Notar in dieser Situation aufdrängen müssen, dass sich die Parteien über den Anfall von Grunderwerbsteuer bei einem Geschäft, das die Übertragung von Geschäftsanteilen zum Gegenstand habe, nicht bewusst seien. Dies könne nicht als Allgemeinwissen bei Gesellschaftern unterstellt werden. Dem Beklagten sei in tatsächlicher Hinsicht positiv bekannt gewesen, dass die Klägerin die Alleingesellschafterin der X GmbH war. Dies ergebe sich aus der notariellen Urkunde vom 19.10.2018 (Anlage K3), wonach er hinsichtlich der X GmbH bestätigt habe, dass er das Handelsregister eingesehen habe. Aus der dort hinterlegten Gesellschafterliste sei zwanglos die Gesellschafterstellung der Klägerin zu erkennen gewesen. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, müsse sich der Beklagte jedenfalls das Wissen seines Notarfachangestellten Z als seines Wissensvertreters nach § 166 BGB analog zurechnen lassen. Jedenfalls dieser habe positive Kenntnis davon gehabt, dass die Klägerin Alleingesellschafterin der X GmbH war.

Die Klägerin ist zudem der Auffassung, dass das Landgericht zu Unrecht eine drittschützende Wirkung der den Beklagten treffenden Pflicht aus § 18 Abs. 3 GrEStG verneint habe.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hanau vom 27.7.2021 (Az.: 7 O 1426/20) wie folgt zu entscheiden:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 73.110,92 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.033,36 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise: das Urteil des Landgerichts Hanau vom 27.7.2021 (Az.: 7 O 1426/20) wird aufgehoben und das Verfahren an das Gericht des 1. Rechtszugs zurückverwiesen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Auffassung, dass das Landgericht zu Recht einen Verstoß des Beklagten gegen eine mögliche Warn- oder Hinweispflicht verneint habe. Abgesehen davon, dass die Klägerin in ihren erstinstanzlichen Schriftsätzen nicht dargetan habe, dass er positive Kenntnis von deren Alleingesellschafterstellung hinsichtlich der X GmbH gehabt habe, sei für ihn auch ein irgendwie gearteter steuerlicher Beratungsbedarf nicht erkennbar gewesen. Ein solcher sei durch den Inhalt der notariellen Urkunde (dort Ziff. 9) widerlegt und zudem auch durch den unstreitigen Gang der Beurkundung unter Berücksichtigung des vorausgegangenen Abstimmungsprozesses. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin schon mit E-Mail vom 17.10.2018 und auch in der Beurkundung selbst Widerspruch gegen den Inhalt der Urkunde erhoben habe, soweit es um den vermeintlich nicht vorhandenen Grundbesitz ging, aber nicht bezüglich der bereits erfolgten steuerlichen Beratung bezüglich der Auswirkungen des beurkundeten Geschäfts, habe der Beklagte davon ausgehen dürfen, dass eine steuerliche Beratung tatsächlich stattgefunden habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den beteiligten Gesellschaften ausnahmslos um Gesellschaften mit beschränkter Haftung, also Formkaufleute im Sinne von § 13 Abs. 1 GmbHG, gehandelt habe, bei denen die Angabe, bezüglich des Erwerbsgeschäfts bereits anderweitig steuerlich beraten zu sein, auch plausibel gewesen sei und durchaus nahegelegen habe.

Eine Wissenszurechnung der Kenntnis von der Alleingesellschafterstellung der Klägerin an der X GmbH nach § 166 BGB analog berücksichtige nicht, dass jeder Notar selbst individuell Träger seines eigenen öffentlichen Amtes sei, so dass eine Wissenszurechnung im Hinblick auf Beurkundungsvorgänge verschiedener Notare über einen Notariatsmitarbeiter von vornherein nicht möglich sei. Auch habe die Klägerin keinen Beweis für ihre Behauptung angeboten, dass der Notariatsmitarbeiter Z überhaupt Kenntnis von der Alleingesellschafterstellung der Klägerin gehabt habe oder ihm eine solche bewusstgeworden sei. Der Beklagte selbst habe keinerlei Einblick in dem Beurkundungsvorgang vom 14.9.2018 des Notars Q gehabt. Der Beklagte verweist darauf, dass das von ihm im Vorfeld der streitgegenständlichen Beurkundung eingesehene Handelsregister nur die Vertretungsverhältnisse wiedergebe, wegen derer die Einsicht auch erfolgt sei, nicht aber die Gesellschafterstruktur.

Auch sei der Auffassung des Landgerichts zu folgen, dass sich seine Haftung nicht auf Grundlage der Anzeigepflicht nach § 18 GrEStG ergeben könne. Er verweist insoweit auf die Entscheidung des BGH vom 21.11.1978 (Az.: VI ZR 227/77) zu § 2 GrEStDV.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 19 Abs.1 S.1 BNotO mit der Begründung verneint, dass die Klägerin eine Amtspflichtverletzung des Beklagten nicht schlüssig dargelegt hat.

1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch aus § 19 Abs.1 S.1 BNotO wegen eines unterlassenen Warnhinweises auf den möglichen Anfall von Grunderwerbssteuer wegen der Vereinigung von mehr als 95% der Gesellschaftsanteile an der Y GmbH in der Hand der Klägerin infolge des Kauf- und Abtretungsvertrages vom 19.10.2018 zu.

Die Amtspflichten des Notars zur Rechtsbelehrung (§ 17 Abs. 1 BeurkG) und zur allgemeinen Betreuung der Beteiligten (§ 14 Abs. 1 BNotO) erstrecken sich in der Regel nicht auf die steuerlichen Folgen des zu beurkundenden Geschäfts. Die Pflicht nach § 19 BeurkG, auf das Erfordernis einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts (§ 22 GrEStG) hinzuweisen, bedeutet nicht, dass der Notar über den möglichen Anfall und die Höhe einer solchen Steuer oder steuersparende Gestaltungen zu unterrichten hätte. Ausnahmsweise können die Amtspflichten des Notars allerdings auch Steuerfragen umfassen. Im Rahmen seiner Pflicht zur Rechtsbelehrung hat der Notar die Beteiligten insoweit zu befragen und zu belehren, als es notwendig ist, um eine ihrem Willen entsprechende, rechtswirksame Urkunde zu errichten. Dabei sind sie über die rechtliche Tragweite ihrer Erklärungen und die Voraussetzungen für den Eintritt des beabsichtigten Rechtserfolges aufzuklären. Diese Pflicht zur Belehrung über die rechtliche Tragweite des Geschäfts kann sich auf Steuerfolgen erstrecken, wenn sie das geplante Rechtsgeschäft unmittelbar berühren.

Eine dahingehende Belehrung kann dem Notar ausnahmsweise auch im Rahmen seiner allgemeinen Betreuungspflicht obliegen. Eine solche Pflicht besteht dann, wenn der Notar nach den besonderen Umständen des Einzelfalles – vor allem wegen der rechtlichen Anlage oder vorgesehenen Durchführung des Geschäfts – Anlass zu der Vermutung haben muss, einem Beteiligten drohe ein Schaden vor allem deswegen, weil er sich infolge mangelnder Kenntnis der Rechtslage der Gefahr nicht bewusst ist. Unter dieser Voraussetzung muss der Notar auch über die wirtschaftlichen Folgen des zu beurkundenden Geschäfts belehren (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 – IX ZR 262/91 -, Rn. 39 – 42, juris mwN.; OLG Hamm, Urteil vom 15. September 2021 – I-11 U 5/21 -, Rn. 34, juris).

Im vorliegenden Fall hätte der Beklagte nur dann Anlass zu der Vermutung haben können, der Klägerin drohe ein (Steuer-)Schaden in Form des Anfalls von Grunderwerbssteuer, dessen sie sich infolge mangelnder Kenntnis der Rechtslage nicht bewusst war, wenn er gewusst hätte, dass sie Alleingesellschafterin der X GmbH war und sich durch den von ihm beurkundeten Anteilskaufvertrag mehr als 95% der Geschäftsanteile an der Grundbesitz haltenden Y GmbH in ihrer Hand vereinigten.

Der Beklagte hat allerdings bereits erstinstanzlich bestritten, entsprechende Kenntnis gehabt zu haben, und die Klägerin hat eine solche Kenntnis nicht nachgewiesen. Aus der Einsicht in das Handelsregister ergibt sich die entsprechende Kenntnis nicht, denn die Gesellschafter sind im Register selbst nicht eingetragen. Die Gesellschafterliste wird lediglich dem Handelsregister übersandt und dort in den Akten verwahrt.

Die Kenntnis des in der gleichen Kanzlei tätigen Notars Q, welcher erst kurz vorher, am 14.9.2018 den Kauf der Gesellschaftsanteile an der X GmbH durch die Klägerin beurkundet hatte, ist dem Beklagten nicht zuzurechnen, denn jeder Notar ist nur allein Träger seines Amtes. Auch die Kenntnis des Notarmitarbeiters Z, die von der Klägerin bereits erstinstanzlich behauptet wurde und vom Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz bestritten wurde, ist dem Beklagten nicht analog § 166 BGB zuzurechnen. Denn der Mitarbeiter hat das entsprechende Wissen nicht im Zusammenhang mit der Vorbereitung der durch den Beklagten beurkundeten Urkunde erlangt, sondern im Zusammenhang mit der Beurkundung eines anderen Rechtsgeschäfts durch einen anderen Notar derselben Kanzlei.

Den Beklagten traf auch keine allgemeine Pflicht zur Nachforschung zu relevanten, im Notariat eventuell vorliegenden Altverträgen. Ein Notar ist nicht verpflichtet, organisatorische Vorkehrungen zu treffen, aufgrund derer ihm der Inhalt jedweder Urkunden bei späteren Amtshandlungen gegenwärtig ist (BGH, Beschluss vom 26. Februar 2009 – III ZR 135/08 -, Rn. 2, juris). Zwar verlangt § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG, dass der Notar den Willen der Beteiligten erforschen und den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärung klar in der Niederschrift wiedergeben soll. Davon ist jedoch eine allgemeine Nachforschungspflicht für vergangene, möglicherweise relevante Vertragsvorgänge nicht umfasst. Anders kann es sich zwar dann verhalten, wenn ein Anlass zur Überprüfung bestand, weil dem Notar konkrete Anhaltspunkte für einen zuvor geschlossenen, auch für den aktuellen Vertrag relevanten Vertrag vorlagen (OLG Koblenz, Beschluss vom 10. August 2015 – 1 U 257/15 -, Rn. 7, juris). Dass dem Beklagten solche konkreten Anhaltspunkte bekannt gewesen wären, wird von der Klägerin aber nicht behauptet.

Es kann daher dahinstehen, ob sich der Beklagte auf die seitens der Klägerin vor und bei der Beurkundung unwidersprochen gebliebene Passage in Ziff. 9 des Kauf- und Abtretungsvertrags mit dem Wortlaut: „Der Notar hat die Erschienenen nicht über die steuerlichen Auswirkungen dieser Vereinbarung belehrt. Sie sind insoweit steuerlich beraten. Der Notar wird von jeder Haftung freigestellt.“ berufen kann.

2. Der Klägerin steht gegen den Beklagten auch kein Anspruch aus §§ 19 Abs.1 S.1, 39 Abs. 4, 46 BNotO wegen der unterbliebenen Weiterleitung des Übertragungsvertrags vom 19.10.2018 nach dessen Beurkundung innerhalb der Frist des § 18 GrEStG an das zuständige Finanzamt zu.

Soweit der Beklagte eigene Anzeigepflichten gegenüber der Finanzverwaltung aus § 18 GrEStG verletzt hat, kann die Klägerin hieraus keine Ansprüche herleiten. Denn die seitens des Beklagten verletzte Amtspflicht hat in Bezug auf die Klägerin keinen drittschützenden Charakter. Natur und Zweck der hier in Rede stehenden Pflichten des Notars aus § 18 GrEStG dienen nicht dem Schutz der Interessen des Urkundsbeteiligten. Für die Pflicht des Notars, der Finanzverwaltung grunderwerbssteuerlich relevante Vorgänge anzuzeigen, hat der Bundesgerichtshof dies ausdrücklich entschieden (Urt. v. 21. November 1978, VI ZR 227/77, Rn.16 – 20, juris, zu dem seinerzeit geltenden § 2 GrEStDV). Die Aussage des BGH in der genannten Entscheidung, dass es sich bei dieser Pflicht um eine reine Beistandspflicht des Notars gegenüber der Finanzbehörde handelt und sie deshalb lediglich steuerlichen Zwecken dient und nicht dem Schutz der Steuerschuldner, weshalb sie dem Notar auch nicht außerdem den Beteiligten gegenüber obliegt, wird nicht durch die Ausführungen in Rn. 21 des Urteils entwertet. Vielmehr führt der Bundesgerichtshof im Folgenden auch im Hinblick darauf, dass der in § 17 GrEStG a.F. vorgesehenen Fortfall der Grunderwerbsteuer bei nachträglicher Aufhebung eines Vertrages die ordnungsgemäße Anzeige voraussetzt und die pünktliche Erfüllung der gegenüber der Steuerbehörde bestehenden Beistandspflicht des Notars damit auch mittelbar die Interessen der Vertragsparteien berühren kann, unter Hinweis auf RGZ 134, 311, 324 ausdrücklich aus, dass die Interessen der Vertragsparteien durch die Anzeigepflicht nicht geschützt werden sollten. Ihre Verletzung kann infolgedessen auch nicht dazu führen, dass der beklagte Notar einer Vertragspartei die Grunderwerbsteuer ersetzen muss (BGH, a.a.O., Rn. 19, 20, juris). Erst danach wird ausgeführt, dass dies im Streitfall zudem letztlich dahinstehen könne, da das Berufungsgericht festgestellt habe, dass der Kläger keine Vertragsaufhebung gewollt habe, so dass selbst dann, wenn der beklagte Notar wegen einer etwaigen Vertragsaufhebung auch dem Kläger gegenüber verpflichtet gewesen wäre, den Vertragsschluss dem Finanzamt anzuzeigen, die Ersatzpflicht entfalle, weil dieser Fall, für den die Amtspflicht dann bestanden haben könnte, nicht eingetreten sei. Der Bundesgerichtshof hat damit seine Entscheidung auf zwei selbständig tragende Erwägungen gestützt, nämlich zum einen die fehlende Verletzung einer dem Notar gegenüber dem damaligen Kläger obliegenden Amtspflicht und zum anderen auf die fehlende Kausalität der ihm zur Last gelegten Amtspflichtverletzung, die aber schon zuvor verneint wurde. Angesichts der eindeutigen Aussagen in den vorhergehenden Randziffern kann die Entscheidung nicht dahingehend verstanden werden, dass der Bundesgerichtshof die Frage einer Amtspflichtverletzung durch den damals beklagten Notar und den Umfang des Schutzbereichs der Anzeigepflicht gegenüber der Finanzbehörde offenlassen wollte.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Wortlaut von § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach die Möglichkeit der Aufhebung der Steuerfestsetzung nach den Absätzen 1 bis 4 nicht besteht, wenn einer der in § 1 Absatz 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20) war. Denn die Vorschrift nimmt ausdrücklich auch die eigene Anzeigepflicht des Steuerpflichtigen nach § 19 GrEStG in Bezug mit der Folge, dass sich die Klägerin durch die rechtzeitige eigene Anzeige die Möglichkeit der Aufhebung der Steuerfestsetzung hätte offenhalten können.

Soweit der Notar die Anzeigepflicht gegenüber der Finanzbehörde aus § 18 GrEStG verletzt, steht allenfalls in Streit, ob die Regelung aus § 18 GrEStG gegenüber dem Fiskus drittschützend wirkt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15. September 2021 – I-11 U 5/21 -, Rn. 22 – 23, juris mwN.).

Eine Haftung des Beklagten ergibt sich auch nicht wegen der Verletzung besonderer Vollzugspflichten aus § 53 BeurkG oder § 24 Abs.1 S.1 BNotO. § 53 BeurkG regelt die hier nicht in Rede stehende Verpflichtung des Notars, Urkunden an das Registergericht oder an das Grundbuchamt weiterzuleiten. Nach § 24 Abs. 1 S.1 BNotO haftet der Notar wegen der Verletzung selbständiger Vollzugstätigkeiten dann, wenn er solche Tätigkeiten übernommen hat. Dass der Beklagte gegenüber der Klägerin die Verpflichtung übernommen hat, den Vertrag zur Erfüllung der steuerlichen Obliegenheiten der Klägerin an die Finanzverwaltung weiterzuleiten, ist weder vorgetragen noch sonst aus der Akte ersichtlich. Die Klägerin trifft vielmehr nach § 19 GrEStG eine eigene Verpflichtung, steuerlich relevante Sachverhalte gegenüber der Finanzbehörde anzuzeigen, die sie nicht stillschweigend auf den Beklagten abwälzen kann. Der Notar erfüllt mit der Erklärung und Anzeige nach § 18 GrStG vielmehr ausschließlich eigene Pflichten gegenüber der Finanzverwaltung. Ihm entstehen durch die Erklärungs- und Anzeigepflicht aus § 18 GrEStG gegenüber dem Urkundsbeteiligten keine Pflichten, insbesondere keine weiteren steuerlichen Beratungs- und Betreuungspflichten. Der potentiell steuerpflichtige Urkundsbeteiligte wird daher durch die Erklärungs- und Anzeigepflicht des Notars nach § 18 GrEStG nicht von einer eigenverantwortlichen Prüfung der steuerlichen Relevanz des Erwerbsvorgangs befreit. Dies entspricht auch der gesetzlichen Konzeption des GrEStG. Den Steuerschuldner trifft gem. § 19 GrEStG in den dort normierten Fällen eine eigene, nicht vom Notar zu erledigende Verpflichtung, die steuerlich relevanten Vorgänge der Finanzbehörde mitzuteilen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Katalog der anzeigepflichtigen Rechtsgeschäfte nach § 18 und § 19 GrEStG nicht deckungsgleich ist und der Notar nicht verpflichtet ist, alle in Person des Steuerpflichtigen relevanten Erwerbsvorgänge anzuzeigen (vgl. § 19 Abs. 1 S. 2 GrEStG). Die Anzeigepflicht des Urkundsbeteiligten nach § 19 GrEStG besteht deshalb unabhängig von und neben der Pflicht des Notars aus § 18 GrEStG. Aus diesem Grund kann der Urkundsbeteiligte nicht darauf vertrauen, dass er seiner Pflicht aus § 19 GrEStG schon dann nachgekommen ist, wenn der Notar seine Amtspflichten gegenüber der Finanzverwaltung erfüllt hat (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15. September 2021 – I-11 U 5/21 -, Rn. 25, juris mwN.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.10 S.1 und 2, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs.2 ZPO). Insbesondere bedarf es nicht deswegen einer Zulassung der Revision, weil der Bundesgerichtshof den Umfang des Schutzbereichs der Anzeigepflicht des Notars gegenüber der Finanzbehörde in seiner Entscheidung vom 21. November 1978 (VI ZR 227/77) offengelassen hätte. Denn dies ist – wie oben ausgeführt – nicht der Fall.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 3 ZPO, 47 GKG.

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