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Gebührenermäßigung bei Flächenerwerb durch Grundstücksvermögensfonds der Kirche

Analyse eines Beschlusses über Notargebühren: Kirchlicher Grundstücksfonds und Gebührenermäßigung

In dem Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 07.04.2017 (Az.: 10 OH 31/16) geht es um die Frage, ob ein kirchlicher Grundstücksfonds Anspruch auf eine Gebührenermäßigung für notarielle Dienstleistungen hat. Der Fall betrifft einen Landwirtschaftsfonds der Antragstellerin, der diverse Grundstücke erworben hat. Die Notarin hatte zunächst eine Gebührenermäßigung gewährt, diese jedoch nach einer Überprüfung zurückgenommen. Die Antragstellerin argumentierte, dass die Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung nach § 91 Abs. 1 GNotKG vorliegen würden. Das Hauptproblem in diesem Fall ist die Auslegung des Begriffs „wirtschaftliches Unternehmen“ im Kontext kirchlicher Aktivitäten und die damit verbundene Frage der Gebührenermäßigung.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 10 OH 31/16  >>>

Interpretation des Begriffs „Wirtschaftliches Unternehmen“

Das Gericht stellt klar, dass der Grundstücksfonds der Kirche als ein „wirtschaftliches Unternehmen“ im Sinne des Gesetzes zu betrachten ist. Dies ist relevant, da § 91 Abs. 1 GNotKG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist. Das Gericht betont, dass die Notargebühren so gestaltet sind, dass sie dem Notar ein angemessenes Einkommen gewährleisten sollen. Eine Abweichung von den Regelsätzen würde das Grundrecht der Notare tangieren.

Kirchlicher Grundstücksfonds und Gewinnerzielungsabsicht

Das Gericht führt weiter aus, dass ein „wirtschaftliches Unternehmen“ nach wirtschaftlichen Prinzipien handelt und Gewinn erzielen will. Der kirchliche Grundstücksfonds hat die Zielsetzung, mit den Einnahmen die Pfarreien zu finanzieren. Daher ist er nach dieser Definition unzweifelhaft ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht.

Relevanz im Kommunalrecht

Das Gericht zieht Parallelen zum kommunalen Wirtschaftsrecht und stellt fest, dass auch dort Grundstücke– und Anlagegesellschaften als Beispiele kommunaler Wirtschaftstätigkeit aufgeführt werden. Dies stützt die Ansicht, dass der kirchliche Grundstücksfonds ein wirtschaftliches Unternehmen ist.

Sinn und Zweck der Gebührenermäßigung

Abschließend betont das Gericht, dass der Sinn und Zweck der Gebührenermäßigung darin besteht, Geschäfte zu privilegieren, die im öffentlichen Interesse liegen. Eine solche Subventionierung zu Lasten der Notare ist jedoch nicht angezeigt, wenn das Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird.

Das Gericht wies den Antrag gegen die Kostenrechnung der Notarin zurück und entschied, dass das Verfahren gerichtsgebührenfrei ist und keine Auslagenentscheidung veranlasst ist. Damit bleibt die ursprüngliche Kostenrechnung der Notarin bestehen, und der kirchliche Grundstücksfonds hat keinen Anspruch auf eine Gebührenermäßigung.

Grundstücksvermögensfonds der Kirche –  kurz erklärt


Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) hat einen Grundvermögensfonds, durch den Grundstücke erworben werden. Dieser Fonds dient als Anlage für kirchliche Anlegerkörperschaften. Die Kirchen in Deutschland, sowohl die evangelische als auch die römisch-katholische, sind große Grundstücksbesitzer. Die evangelische Kirche besitzt geschätzte 300.000 Hektar, während die römisch-katholische Kirche etwa 200.000 Hektar Acker- und Grünland sowie Wald besitzt.

Die Kirchen sind in Deutschland von der Grundsteuer befreit, wenn der Grundbesitz für Zwecke der religiösen Unterweisung, der Wissenschaft, des Unterrichts, der Erziehung oder für Zwecke der eigenen Verwaltung genutzt wird.

Die Verwaltung und der Erwerb von Grundstücken durch die Kirche sind oft Gegenstand von Diskussionen und Kritik. Beispielsweise hat der Kauf von Ackerflächen durch die Kirche in Franken für Verstimmung gesorgt.

Die Kirchen in Deutschland sind nicht nur große Grundstücksbesitzer, sondern auch bedeutende Wirtschaftsmächte. Sie sind Arbeitgeber, Grundstücksbesitzer und Unternehmer und bewegen beachtliche Summen.

Die Details des Vermögens der Kirchen, einschließlich der Grundstücksvermögensfonds, werden oft nicht öffentlich diskutiert, und die Institutionen halten sich in der Regel bedeckt, wenn es um die Einzelheiten ihres Vermögens geht.


Das vorliegende Urteil

LG Magdeburg – Az.: 10 OH 31/16 – Beschluss vom 07.04.2017

Der Antrag gegen die Kostenrechnung der Notarin … vom 03.02.2016 – Aktenzeichen … – wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Eine Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

I.

Am 15.12.2015 erwarb der Landwirtschaftsfonds der Antragstellerin mit Grundstückskaufvertrag vom 15.12.2015 zur Urkundenregister-Nummer 1341/2015 von der … diverse Grundstücke in den Gemarkungen … und … zum Kaufpreis von 1.890.000,00 €. Laut Präambel erfolgte der Erwerb „im Wesentlichen im Rahmen der allgemeinen Vermögensverwaltung des Erwerbers und größtenteils als Ersatz für im öffentlichen Interesse zwangsweise abgegebene kirchliche Grundstücke, die nach Herkunft und Widmung unveräußerlich waren“.

Nach Kirchenrecht sind nämlich Grund und Boden nach Herkommen und Widmung unveräußerlich. Wenn jedoch die Erhaltung von Grund und Boden nicht erreicht werden kann, soll Ersatzland von den Entschädigungsbeträgen erworben werden. Zu diesem Zweck erwirbt ein Grundstücksvermögensfonds, in den die Entschädigungen einzuzahlen sind, Ersatzflächen. Aus den Erträgen erhalten die Einzahlenden ihre Einlagen verzinst.

Mit einer ersten Kostenrechnung rechnete die Notarin unter Berücksichtigung einer Gebührenermäßigung um auf 60 % 2.540,00 € ab. Nach der Einholung einer Stellungnahme der Ländernotarkasse, die die Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung nicht als erfüllt ansah, rechnete sie am 03.02.2016 neu ab und legte – unter Berücksichtigung der Zahlung des bisher abgerechneten Teilbetrags noch Rechnung über 4.533,90. Auf die Kostenrechnung vom 03.02.2016 – R 89/1/1 wird verwiesen.

Die Antragstellern meint, die Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung nach § 91 Abs. 1 GNotKG lägen vor.

II.

Der Kostenprüfungsantrag ist gemäß § 127 Abs. 1 S. 1 GNotKG statthaft.

Er ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzung für eine Gebührenermäßigung nach § 91 Abs. 1 GNotKG sind nicht gegeben, denn die Angelegenheit betrifft ein wirtschaftliches Unternehmen der Kirche.

Eine Auslegung des Begriffs „Wirtschaftliches Unternehmen“ führt dazu, dass der hier handelnde Grundstücksfonds bei Grundstückserwerb als wirtschaftliches Unternehmen handelt. Vorauszuschicken ist, dass § 91 Abs. 1 GNotKG als eine Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist (OLG Naumburg, Beschluss vom 16.02.2007 – 6 Wx 7/06 -, Rn. 24, zitiert nach juris). Dieses ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber bei Bestimmung der Notargebühren davon ausgegangen, ist, dass diese dem Notar ein angemessenes Einkommen gewährleisten sollen. Eine Abweichung von den Regelsätzen tangiert das Grundrecht der Notare aus Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 01.03.1078 – 1 BvR 786/70 -, Rn. 76 ff.), so dass die Vorschrift des § 91 Abs. 1 GNotKG eng auszulegen ist.

Dem Wortlaut nach kann man von einem wirtschaftlichen Unternehmen erwarten, dass es nach wirtschaftlichen Prinzipien handelt und damit auch Gewinn erzielen will. Im Gegensatz dazu stehen Unternehmen, deren Handeln auf eine karitative Zielsetzung gerichtet ist. Entsprechend wird der Begriff des wirtschaftlichen Unternehmens im kommunalen Wirtschaftsrecht – welches Maßstab für die entsprechende Begriffsbildung ist (OLG Naumburg, Beschluss vom 04.02.2009 – 6 Wx 8/08 -, Rn. 7, Korintenberg, GNotKG, 19. Auflage, Rn. 15 f.) – in der Weise ausgelegt, dass wirtschaftliche Einrichtungen diejenigen sind, die auch von einem Privatunternehmer mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden können (BVerwG, Urteil vom 22.02.1972 – I C 24.69 Rn. 15, zitiert nach juris). Darunter fällt jede auf wirtschaftlichem Gebiet im weitesten Sinne ausgeübte geschäftliche Tätigkeit, die auf die Erzielung dauernder Einnahmen gerichtet ist (BGH, Urteil vom 02.07.1985, – X ZR 77/84, Rn. 10 zitiert nach juris).

Nach dieser Definition ist der von der Kirche betriebenen Grundstücksfonds unzweifelhaft ein Unternehmen. Denn aus seiner Zielsetzung ergibt sich, dass mit den Einnahmen aus dem Fonds (den Gewinnen) die Pfarreien finanziert werden. Entsprechend dient der Fonds nach § 23 Abs. 1 Finanzgesetz der Sicherung und Mehrung des kirchlichen Grundvermögens und so wird der Reinertrag an die Berechtigten ausgezahlt. Entsprechend werden auch im Kommunalrecht Grundstücke- und Anlagegesellschaften als Beispiele kommunaler Wirtschaftstätigkeit aufgeführt (Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Auflage 2000, S. 61).

Eine solche Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck des Ermäßigungstatbestandes, denn dieser erlaubt eine Abweichung von den gesetzlichen Gebühren, um Geschäfte zu privilegieren, die im öffentlichen Interesse liegen. Eine solche Subventionierung zu Lasten der Notare ist jedoch dann nicht angezeigt, wenn das Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 80,81 FamFG.

 

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