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Anspruch auf Rückgewähr einer Grundschuld – Pfändung und Einziehung

Die Komplexität der Rückgewähr einer Grundschuld: Das Spiel mit den Sicherheiten

In der immer verworrenen Welt des Finanzrechts und insbesondere des Immobilienrechts ist die Rückgewähr einer Grundschuld eine Frage, die oft zu Missverständnissen führt. Dieser Fall, der sich mit den Rechten und Pflichten zwischen einer Bank und einem Sicherungsgeber beschäftigt, bringt diese Komplexität ins Rampenlicht.

Ein langjähriger Kunde der Bank ist der Sicherungsgeber und Eigentümer einer Immobilie, auf die die Bank zwei Grundschulden hält. Es gibt jedoch Unklarheit darüber, welche Forderungen ursprünglich durch diese Grundschulden gesichert waren. Das Land, das in diesem Fall als Kläger auftritt, verlangt nun von der Bank die Löschungsbewilligung für diese Grundschulden.

Die Ausgangssituation ist ebenso komplex. Der Sicherungsgeber unterhält ein Giro- bzw. Kontokorrentkonto bei der Bank, das als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Es gibt jedoch keinen eingeräumten Kreditrahmen auf diesem Konto. Der Sicherungsgeber hat einen Geldbetrag von diesem Konto abgehoben, der das Konto in den Minusbereich gebracht hat. Nun stellt sich die Frage, ob die Bank aufgrund dieses Minussaldos die Sicherheiten, d.h. die Grundschulden, zurückfordern kann.

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Pfändungsschutzkonto und die Rolle des Sicherungsgebers

Das Pfändungsschutzkonto ist ein Schlüsselelement in diesem Fall. Ein solches Konto bietet in bestimmten Situationen Schutz vor Pfändungen. Es handelt sich jedoch nicht um einen Kreditrahmen, sondern um ein Konto, das unter bestimmten Bedingungen gewisse Sicherheiten bietet. Der Sicherungsgeber, der das Konto bei der Bank führt, ist eine zentrale Figur. Seine finanziellen Aktivitäten, insbesondere die Abhebung eines Betrags, der das Konto ins Minus rutschen ließ, sind von großer Bedeutung für die Klage.

Auseinandersetzung über die Grundschulden

Im Mittelpunkt des Streits stehen die zwei Grundschulden, die die Bank auf der Immobilie des Sicherungsgebers hält. Die genauen Umstände, welche Forderungen ursprünglich durch diese Grundschulden gesichert waren, sind unbekannt. Eine wichtige Rolle spielt hier die Zweckerklärung des Sicherungsgebers aus dem Jahr 1998, nach der die Grundschulden zur Sicherung aller bestehenden und zukünftigen Forderungen der Bank gegen den Kreditnehmer aus der bankmäßigen Geschäftsbeziehung dienen.

Löschungsbewilligung – das Zentrum des Disputs

Das klagende Land verlangt nun die Löschungsbewilligung für diese Grundschulden. Dies würde im Wesentlichen bedeuten, dass die Bank ihre Rechte an der Immobilie aufgeben müsste. Ob die Bank dazu verpflichtet ist oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die in der Zweckerklärung und im Verhalten des Sicherungsgebers zu berücksichtigen sind.


Das vorliegende Urteil

LG Hamm – Az.: I-5 U 71/20 – Urteil vom 31.05.2021

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 08.06.2020 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Das klagende Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das klagende Land darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte A Bank verpflichtet ist, zugunsten des klagenden Landes eine Löschungsbewilligung für zwei zu ihren Gunsten an einer Immobilie des Sicherungsgebers C (im Folgenden: Sicherungsgeber) bestellte Grundschulden zu erteilen.

Die Beklagte und der Sicherungsgeber unterhalten seit etwa 1993/1994 eine Geschäftsbeziehung. Derzeit führt der Sicherungsgeber bei der Beklagten ein Giro- bzw. Kontokorrentkonto, das als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Ein Kreditrahmen ist insoweit nicht eingeräumt. Anfang April 2021 hob der Sicherungsgeber von diesem Konto bei einem Kontostand von 897,42 EUR an einem Geldautomaten in der Türkei 850,00 EUR ab. Nach Abzug der Gebühren für die Benutzung des Geldautomaten in Höhe von 5,00 EUR und der von der vermittelnden Bank berechneten Gebühren in Höhe von 42,42 EUR ergab sich ein Sollsaldo von 3,50 EUR.

Der Sicherungsgeber ist Eigentümer einer Eigentumswohnung in D, E-Str. 00. Zugunsten der Beklagten sind in Abteilung III des Grundbuches unter der lfd. Nr. 3 eine brieflose Grundschuld in Höhe von 95.000,00 DM nebst 15 v.H. Jahreszinsen sowie unter lfd. Nr. 4 eine brieflose Grundschuld in Höhe von 50.000,00 DM nebst 15 v.H. Jahreszinsen eingetragen.

Welche Forderungen der Beklagten durch die Grundschulden ursprünglich gesichert waren, ist nicht bekannt. Jedenfalls gab der Sicherungsgeber unter dem 14.01.1998 eine Zweckerklärung (Anl. K4, Bl. 37 f. d.A.) ab, wonach die Grundschulden „zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der A Bank gegen den Kreditnehmer aus der bankmäßigen Geschäftsbeziehung“ dienen.

In Ziff. „1.6 Freigabe der Sicherheiten“ der Zweckerklärung heißt es:

„Sobald die A Bank wegen aller ihrer Ansprüche – auch bedingter oder befristeter – gegen den Kreditnehmer befriedigt ist, ist sie – auf entsprechendes Verlangen – verpflichtet, ihre Rechte aus der/den Grundschulden freizugeben. Sie ist schon vorher auf Verlangen zur Freigabe verpflichtet, soweit sie die Grundschulden nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Kreditsicherung zur Sicherung ihrer Ansprüche nicht mehr benötigt. (…)“

Ziff. 4 der Zweckerklärung enthält den Hinweis, dass ergänzend die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der A Bank Vertragsbestandteil sind und dass diese in den Kassenräumen der A Bank zur Einsichtnahme aushängen.

Nach Ziff. 22 der AGB der Beklagten ist die A Bank auf Verlangen zur Freigabe von Sicherheiten nach ihrer Wahl verpflichtet, soweit der realisierbare Wert aller Sicherheiten den Gesamtbetrag aller Forderungen der A Bank nicht nur vorübergehend um mehr als 10 v.H. übersteigt.

Mit Ausnahme des geringfügigen Sollsaldos auf dem Girokonto bestehen derzeit keine zu sichernden Forderungen der Beklagten gegenüber dem Sicherungsgeber.

Der Sicherungsgeber schuldet dem klagenden Land (im Folgenden: Kläger) Einkommens- und Umsatzsteuern nebst Zinsen in Höhe von 40.586,59 EUR. Über diesen Betrag wurde zugunsten des Klägers am 20.01.2015 in Abt. III unter lfd. Nr. 6 des Grundbuches – damit nachrangig nach den zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Grundschulden – eine Zwangssicherungshypothek eingetragen. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich im Jahr 2002, wurde unter lfd. Nr. 5 eine Zwangssicherungshypothek zugunsten des Klägers in Höhe von 4.447,40 EUR eingetragen.

Wegen diesen Steuerschulden pfändete das Finanzamt F mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 14.01.2015, der Beklagten zugestellt am 19.01.2015, alle dem Sicherungsgeber gegenwärtig und künftig gegen die Beklagte zustehenden Ansprüche, Forderungen und Rechte aus der bestehenden Geschäftsbeziehung, insbesondere aus den bei der Beklagten derzeit und künftig geführten Konten (Anl. K9, Bl. 56 d.A.). Am 15.01.2015 erließ das Finanzamt zwei weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen (Anl. K5 und K6, Bl. 41 f., 45 f. d.A.) gegenüber dem Sicherungsgeber und der Beklagten, die letzterer am 19.01.2015 bzw. 20.01.2015 zugestellt wurden. Hiermit wurden unter anderem der bestrangige Teil der Eigentümergrundschuld, der aus den unter lfd. Nr. 3 und 4 zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Grundschuld entstanden ist oder entstehen wird, das Recht des Sicherungsgebers auf Zustimmung zur Löschung aus § 1183 BGB, der Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgewähr oder Teilrückgewähr der unter lfd. Nr. 3 und 4 zugunsten der Beklagten eingetragenen Grundschulden durch Übertragung, Aufhebung oder Verzicht, der Anspruch des Sicherungsgebers auf Grundbuchberichtigung und Aushändigung der hierfür notwendigen Unterlagen, der Anspruch auf Auskehrung des Mehrerlöses nach Verwertung der vorgenannten Grundschuld gepfändet.

Mit Schreiben vom 09.11.2018 (Anl. K11, Bl. 63 d.A.) bat das Finanzamt die Beklagte um Erteilung einer Löschungsbewilligung für die Grundschulden lfd. Nr. 3 und 4. Die Beklagte lehnte dies ab.

Der Kläger hat daraufhin Klage eingereicht, mit der er den Anspruch auf Erteilung der Löschungsbewilligung weiterverfolgt.

Er hat die Rechtsauffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihre Rechte aus den Grundschulden freizugeben. Der Sicherungszweck sei entfallen, nachdem sie wegen aller ihrer Ansprüche gegen den Sicherungsgeber C befriedigt sei. Es sei auch nach aller Lebenserfahrung nicht zu erwarten, dass zugunsten der Beklagten künftig sicherungsbedürftige Forderungen gegenüber C entstehen würden, da die Beklagte aufgrund der Kontenpfändung durch das Finanzamt F keine weiteren Kredite an C auszahlen könne. Es liege eine Übersicherung vor.

Zudem sei unklar, ob die Regelung in Ziff. 1.6 der Sicherungsabrede oder Ziff. 22 der AGB der Beklagten vorrangig sei. Diese Unklarheit gehe gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Verwenderin, so dass die Verpflichtung zur Freigabe von Sicherheiten vorgehe. Beide vorgenannten Regelungen würden im Übrigen leerlaufen, wenn sie nur dann anwendbar wären, wenn eine Geschäftsbeziehung des Sicherungsgebers mit der Beklagten mehr bestehe. Die Verweigerungshaltung der Beklagten stehe in Widerspruch zu den vertraglichen Vereinbarungen.

Die weite Sicherungsabrede sei konkludent durch ihn, den Kläger, gekündigt worden.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, in grundbuchmäßiger Form – soweit die Ansprüche auf Rückgewähr wirksam gepfändet worden sind – Löschungsbewilligung zu erteilen bezüglich der in Abt. III des Grundbuchs des Amtsgerichts G – Wohnungsgrundbuch – Grundbuch von H G1 unter der lfd. Nr. 3 und der lfd. Nr. 4 eingetragenen Grundschulden in Höhe von 95.000 DM (Grundschuld lfd. Nr. 3) und in Höhe von 50.000 DM (Grundschuld lfd. Nr. 4).

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat den angekündigten Antrag für unklar gehalten, da sich aus ihm nicht ergebe, wem gegenüber die Löschungsbewilligung zu erteilen sei. Der Kläger sei nicht berechtigt, die Löschung der Rechte im Grundbuch zu beantragen; insofern fehle der Klage schon das Rechtsschutzbedürfnis. Allein die Erteilung einer Löschungsbewilligung führe nicht zu einem Vermögenszuwachs beim Kläger. Die Verwertung der Immobilie müsse über die vom Kläger zu betreibende Versteigerung erfolgen, nicht durch einen unzulässigen Eingriff des Klägers in den Sicherungsvertrag.

Einen Anspruch auf Rückübertragung einer (Teil-)Sicherheit wegen einer möglicherweise vorliegenden Übersicherung habe der Kläger nicht geltend gemacht; er bestehe auf der Löschung der gesamten Grundschuld. Dies könne im Fall einer Übersicherung aber nicht verlangt werden.

Ein Rückgewähranspruch sei außerdem noch nicht entstanden, da der Sicherungszweck nicht endgültig entfallen sei. Die Geschäftsbeziehung mit dem Sicherungsgeber bestehe fort; dieser führe nach wie vor ein Girokonto bei der Beklagten. Es sei daher durchaus denkbar, dass sie, die Beklagte, auch künftig Forderungen gegenüber dem Sicherungsgeber haben könne, etwa infolge eines pflichtwidrigen Verhaltens des Sicherungsgebers oder der Inanspruchnahme eines Kredits in einer über der klägerischen Forderung liegenden Höhe. Die Revalutierung dürfe aber nicht auf dem Weg über die Löschung vereitelt werden.

Der Kläger habe kein Recht, das zwischen der Beklagten und dem Sicherungsgeber bestehende Vertragsverhältnis umzugestalten, indem er die Sicherungsvereinbarung kündige.

Das Landgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil stattgegeben.

Im Kern hat es seine Entscheidung wie folgt begründet:

Dem Kläger stehe ein gepfändeter Anspruch auf Erteilung der begehrten Löschungsbewilligung zu. Der Rückgewähranspruch, der seine Grundlage in der zwischen der Beklagten und dem Sicherungsgeber geschlossenen Sicherungsvereinbarung habe, könne durch Erteilung einer Löschungsbewilligung erfüllt werden. Der Anspruch sei auch entstanden: Im Ausgangspunkt sei der Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers durch den endgültigen Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingt. Bei einer weiten Sicherungszweckerklärung, wie sie hier bestehe, entstehe der Rückgewähranspruch dann, wenn die ihr zugrunde liegenden Verbindlichkeiten vollständig getilgt seien; die vollständige Tilgung der Verbindlichkeiten führe zur Wandlung des aufschiebend bedingten Rückgewähranspruchs in einen unter der auflösenden Bedingung der Revalutierung stehenden Rückgewähranspruch. Komme es später zur Revalutierung, wandele sich der Rückgewähranspruch erneut in einen aufschiebend bedingten Anspruch, bis die Revalutierungsverbindlichkeiten getilgt seien.

Hier sei die aufschiebende Bedingung eingetreten, weil alle Forderungen der Beklagten getilgt seien. Die auflösende Bedingung – die Revalutierung – sei dagegen nicht eingetreten. Ob der Kläger zur Kündigung der Sicherungsvereinbarung berechtigt sei, könne bei dieser Sachlage ebenso dahinstehen wie die Frage, ob neue Verbindlichkeiten der Beklagten gegen den Sicherungsgeber entstehen könnten. Jedenfalls derzeit bestünden keine Verbindlichkeiten mehr; darauf komme es maßgeblich an.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Das Landgericht habe übersehen, dass der Klage schon das Rechtsschutzbedürfnis fehle; der Kläger sei nicht berechtigt, einen Löschungsantrag nach § 13 GBO zu stellen. Allein die Erteilung der Löschungsbewilligung verbessere die Vermögensposition des Klägers in keiner Weise, da er durch die Löschung der Grundschuld keinen Gegenwert erhalte. Dies gelinge erst dann, wenn die Immobilie versteigert werde.

Nach dem Urteil des BGH vom 19.04.2013 – V ZR 47/12 – werde bei einem weiten Sicherungszweck der Rückgewähranspruch erst dann fällig, wenn eine Revalutierung der Grundschuld endgültig nicht mehr in Betracht komme. Dies sei hier nicht der Fall, da die Geschäftsbeziehung zwischen ihr, der Beklagten, und dem Sicherungsgeber unstreitig nicht beendet sei. Aufgrund der vereinbarten weiten Sicherungsabrede sei jederzeit eine neue Valutierung der Grundschulden möglich. Ein endgültiger Wegfall des Sicherungszwecks liege damit gerade nicht vor.

Die Auslegung des Landgerichts, wonach schon bei Rückführung der Anlassverbindlichkeiten ein auflösend bedingter Rückgewähranspruch entstehe, führe dazu, dass die vereinbarte weite Sicherungszweckerklärung letztlich wie eine enge Zweckerklärung behandelt werde. Dies widerspreche aber der vertraglichen Vereinbarung, nach der ein Rückgewähranspruch erst dann entstehe, wenn die Beklagte wegen aller ihrer Ansprüche gegen den Kreditnehmer befriedigt sei und ein entsprechendes Verlangen des Kreditnehmers vorliege. Die Erforderlichkeit des ausdrücklichen Verlangens ergebe sich daraus, dass mit ihm (konkludent) die Kündigung des Sicherungsvertrages verbunden sei. Diese auszusprechen sei der Kläger als Pfändungsgläubiger nicht berechtigt; Gestaltungserklärungen hinsichtlich der vom Sicherungsgeber abgeschlossenen Verträge dürfe ein Pfändungsgläubiger nicht abgeben. Würde der Klage stattgegeben und die Löschungsbewilligung erteilt, wären die Grundschulden faktisch wertlos und der Sicherungsvertrag beendet, ohne dass der Sicherungsgeber daran mitgewirkt hätte.

Im Übrigen sei es im vorliegenden Fall – anders als in dem vom BGH am 19.04.2013 entschiedenen Fall – auch ohne weiteres denkbar, dass der Sicherungsgeber unter Einbeziehung der bestehenden Sicherheiten eine Entschuldung bewirke; er könne etwa eine Umfinanzierung/Umschuldung erreichen. Dieser Weg werde dem Sicherungsgeber durch die vom Kläger verlangte Löschungsbewilligung versperrt.

Der Kläger sei darauf zu verweisen, dass er andere Möglichkeiten habe, um das Vermögen des Sicherungsgebers zu verwerten. Aufgrund der Zwangssicherungshypothek sei er berechtigt, nach § 268 BGB die Beklagte abzulösen und die Zwangsversteigerung in die Immobilie zu betreiben. Zudem könne er aus der nachrangigen Grundbuchposition die Versteigerung der Immobilie betreiben; hierbei könne er nach § 59 ZVG abweichende Versteigerungsbedingungen beantragen. Schließlich könne er auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen; es sei dann Sache des Insolvenzverwalters, die Immobilie zu verwerten und dem Kläger die ihm zustehenden Beträge auszukehren.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Bielefeld vom 27.04.2020 (Az.: 6 O 541/19) abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.

Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage liege vor. Zwar möge die Erteilung einer Löschungsbewilligung als solche noch nicht zu einer Verbesserung der Vermögensposition des Klägers führen. Sie stelle aber einen Zwischenschritt auf dem Weg zur Löschung der Grundschulden der Beklagten im Grundbuch dar. Wie sich der Kläger später erforderlichenfalls mit dem Sicherungsgeber auseinandersetze, bleibe ihm überlassen.

Die von der Beklagten vorgeschlagenen Alternativen, um das Vermögen des Sicherungsgebers zu verwerten, seien sämtlich unpraktikabel und wenig erfolgversprechend. Die von der Beklagten vorgenommene Auseinandersetzung mit den Urteilen des BGH vom 19.04.2013 und 10.11.2011 überzeuge nicht.

Mit im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29.04.2021 nachgelassenen Schriftsatz vom 14.05.2021 vertritt der Kläger die Auffassung, dass die Beklagte zumindest zur Rückgewähr des überwiegenden Teils der Grundschulden verpflichtet sei, da eine Erhöhung des Sollsaldos auf dem Pfändungsschutzkonto nicht in Betracht komme.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das vorinstanzliche Urteil Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg, da die Klage unbegründet ist.

I.

Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.

1.

Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist der Klageantrag hinreichend bestimmt. Bei verständiger Auslegung des Antrags in Gesamtschau mit der Klagebegründung kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Kläger die Erteilung der Löschungsbewilligung an sich selbst und nicht etwa an den Sicherungsgeber oder einen Dritten verlangt.

2.

Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage.

Die Beklagte meint, der Kläger sei nicht berechtigt, einen Löschungsantrag nach §§ 13, 27 GBO zu stellen; dies sei allein dem Eigentümer vorbehalten. Die mit der Klage verlangte abstrakte Erteilung der Löschungsbewilligung sei für sich genommen sinnlos und führe nicht zu einem Vermögenszuwachs beim Kläger.

Diese Erwägungen überzeugen im Ergebnis nicht.

Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage fehlt nur ausnahmsweise dann, wenn diese objektiv schlechthin sinnlos ist, weil der Kläger unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann (BGH, Urteil vom 28. März 1996 – IX ZR 77/95 -, Rn. 23, juris; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl. 2020, Vor § 253 Rz. 18).

Das ist hier nicht feststellbar.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob eine mit der Pfändung des Anspruchs auf Rückgewähr der Grundschuld ausgebrachte Hilfspfändung der Zustimmungsbefugnis des Eigentümers – wie sie hier mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15.01.2015 erfolgt ist – zulässig ist und dem Pfändungsgläubiger ermöglicht, die Zustimmungserklärung zur Aufhebung und Löschung der Grundschuld gegenüber dem Grundbuchamt selbst abzugeben. Teilweise wird vertreten, dass die Pfändung des Rückgewähranspruchs das Zustimmungsrecht als Nebenrecht erfasst (OLG Dresden, Beschluss vom 25.02.2010 – 3 W 81/10, BeckRS 2010, 23359, beck-online; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 07.01.2011, 5 W 280/10 – Rn. 15, juris; Palandt/Herrler, 80. Aufl. 2021, § 1183 Rz. 4), teilweise wird dies unter Berufung auf die Unpfändbarkeit des Zustimmungsrechts abgelehnt (OLG München, Beschluss vom 31. August 2016 – 34 Wx 18/16 -, Rn. 14 ff., juris; Staudinger/Wolfsteiner (2019) BGB § 1183, Rn. 14).

Der BGH hat die Frage in einer Entscheidung aus dem Jahr 2017 ausdrücklich offengelassen (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2017 – V ZB 131/16 -, juris Rz. 9 ff.). Der genannten Entscheidung lässt sich indessen entnehmen, dass auch dann, wenn eine Berechtigung zur Pfändung der Zustimmungsbefugnis grundsätzlich bejaht würde, die Zustimmung zur Löschung der Grundschuld gegenüber dem Grundbuchamt nur dann durch die Pfändungsgläubigerin erklärt werden darf, wenn die Pfändungsgläubigerin zusätzlich auch den Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld wirksam gepfändet hat. Die wirksame Pfändung des Rückgewähranspruchs ist also nach dem BGH Grundvoraussetzung dafür, dass gegenüber dem Grundbuchamt die Zustimmung zur Löschung durch die Pfändungsgläubigerin erklärt werden darf.

In dem vorliegenden Rechtsstreit streiten die Parteien gerade darüber, ob ein entstandener und fälliger Rückgewähranspruch Gegenstand der Pfändung des Klägers geworden ist. Würde die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dann stünde damit fest, dass ein Rückgewähranspruch – in Form eines Anspruchs auf Löschung der Grundschuld – entstanden und fällig ist. Mit einem stattgebenden Urteil würde daher gleichermaßen belegt, dass die unter dem 15.01.2015 ausgebrachte Hilfspfändung der Zustimmungsbefugnis des Eigentümers – des Sicherungsgebers C – wirksam ist.

Dass der Kläger dann mit der Löschungsbewilligung auch selbst einen Antrag auf Löschung der Grundschulden gem. § 27 S. 1 GBO stellen kann, ist zumindest denkbar und nicht fernliegend; wie bereits dargestellt, wird dies von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur bejaht. Damit steht gerade nicht fest, dass der Kläger unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch aus gepfändetem Recht auf Erteilung einer Löschungsbewilligung für die streitbefangenen Grundschulden in Höhe von 95.000 DM bzw. 50.000 DM zu.

1.

Der Kläger hat etwaige Ansprüche des Sicherungsgebers auf Rückgewähr der Grundschuld wirksam gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen, § 315 AO.

Die Überweisung zur Einziehung ermächtigt den Gläubiger zu allen im Recht des Schuldners begründeten, der Befriedigung dienenden Maßnahmen. Insoweit stehen ihm die Rechte und Mittel zu, die der Vollstreckungsschuldner gegen den Sicherungsnehmer hat (Loose in: Tipke/Kruse,AO/FGO, 164. Lieferung 02.2021, § 315 AO, Rn. 2).

2.

Der Rückgewähranspruch des Vollstreckungsschuldners – des Sicherungsgebers C – gegen die Beklagte ist zwar entstanden; er ist aber wegen des Fortbestandes des weiten Sicherungszwecks nicht fällig.

Im Einzelnen:

a)

Dass der Kläger Rückgewähr durch Aufhebung der Grundschuld bzw. Erteilung einer Löschungsbewilligung begehrt, ist im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden.

Dem Sicherungsgeber stehen grundsätzlich nach freier Wahl drei Möglichkeiten der Rückgewähr offen: erstens die Abtretung an den Sicherungsgeber oder auf dessen Weisung an einen Dritten (§§ 1192 Abs. 1, 1154 BGB), zweitens die Abgabe der Verzichtserklärung (§§ 1192 Abs. 1, 1168 Abs. 1 BGB) und drittens die Rückgewähr durch Aufhebung der Grundschuld (§§ 1192 Abs. 1, 1183, 875 BGB, vgl. BGH, Urteil vom 26.04.1994 – XI ZR 97/93; Palandt/Herrler, a.a.O., § 1191 Rz. 26).

In der Grundschuldbestellungsurkunde ist vorliegend unter Ziffer 11 vereinbart, dass dem Sicherungsgeber hinsichtlich des Rückgewähranspruchs nur ein Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung – also Aufhebung der Grundschuld – zusteht. Dem entspricht die Wahl des Klägers.

b)

Der Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld ist entstanden.

Der Rückgewähranspruch entsteht mit Abschluss der Sicherungsabrede und der Eintragung der Grundschuld im Grundbuch (Gaberdiel/Samhat, Kreditsicherung durch Grundschulden, 10. Aufl. 2020, Rn. 723). Er entsteht auch dann, wenn er nicht ausdrücklich in der Sicherungsabrede erwähnt wird, weil es zum Wesen einer fiduziarischen Sicherheit gehört, dass der Sicherungsnehmer sie nach Erledigung des Sicherungszwecks zurückgeben muss (BGH, Urteil vom 18.02.1992 – XI ZR 134/91; Freckmann, Der Rückgewähranspruch bei Sicherungsgrundschulden in der Bankpraxis, BKR 2012, 133; Gaberdiel/Samhat, a.a.O., Rn. 723).

Der Umstand, dass erst mit Wegfall des Sicherungszwecks die Rückgewähr gefordert werden darf, ändert nichts daran, dass der Rückgewähranspruch schon vorher entstanden ist. Dies gilt auch dann, wenn man mit dem BGH davon ausgeht, dass der Rückgewähranspruch durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingt ist; § 158 Abs. 1 BGB besagt nämlich nur, dass die Wirkung des (entstandenen) Rückgewähranspruchs erst mit dem Wegfall des Sicherungszwecks eintritt (Gaberdiel/Samhat, a.a.O., Rn. 723).

c)

Der Rückgewähranspruch ist im vorliegenden Fall aber nicht fällig. Er entfaltet noch keine Wirkung, weil die aufschiebende Bedingung, unter der er steht, noch nicht eingetreten ist.

aa)

Der Gläubiger kann nach Pfändung und Überweisung des Anspruchs zur Einziehung Erfüllung des Rückgewähranspruchs erst verlangen, sobald dieser fällig ist (Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rz. 1892). Unverzichtbare Voraussetzung dafür ist, dass die aufschiebende Bedingung, unter der der gepfändete Rückgewähranspruch steht, eingetreten ist. Denn erst ab Bedingungseintritt muss der Sicherungsnehmer auf Verlangen die Grundschuld zurückgewähren. Wann, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber die Grundschuld zurückgewähren muss, bestimmt die Sicherungsvereinbarung (BGH, Urteil vom 19.04.2013 – V ZR 47/12, juris Rz. 7, 12).

bb)

Die aufschiebende Bedingung, unter der der gepfändete Rückgewähranspruch steht, ist im vorliegenden Fall noch nicht eingetreten.

Anders als bei einem engen Sicherungszweck, bei dem die Grundschuld nur der Sicherung einer bestimmten Verbindlichkeit dient, tritt die aufschiebende Bedingung bei der hier vorliegenden weiten Sicherungsvereinbarung, die auch künftige Forderungen des Sicherungsnehmers gegen den Sicherungsgeber erfasst und damit eine Revalutierung der Grundschuld erlaubt, nicht schon mit der Tilgung der Anlassverbindlichkeit ein.

(1)

Der Sicherungszweck ist im Streitfall weder durch die Beendigung der Geschäftsbeziehung zwischen Sicherungsgeber und -nehmer noch durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Sicherungsgebers entfallen.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH kommt eine nach dem weiten Sicherungsvertrag grundsätzlich zulässige Revalutierung jedenfalls dann nicht mehr in Betracht, wenn die Geschäftsbeziehung zwischen der Bank und dem Sicherungsgeber beendet ist, etwa weil sie gekündigt wurde. In diesem Fall tritt die aufschiebende Bedingung ein, da der Sicherungszweck endgültig entfällt; der Rückgewähranspruch entfaltet Wirksamkeit bzw. ist fällig (BGH, Urteil vom 19.04.2018 – IX ZR 230/15 – Rn. 65, beck-online; BGH, Urteil vom 10.11.2011 – IX ZR 142/10 – Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 19.04.2013 – V ZR 47/12, Rn. 12, juris).

Dasselbe gilt, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Sicherungsgebers eröffnet wird, denn die sicherungsvertragliche Vereinbarung, dass künftige Forderungen durch die Grundschuld gesichert sind, verliert wegen §§ 115, 116 InsO ihre Wirkung (Gaberdiel/Samhat, a.a.O., Rn. 738). Auch dann kann keine Revalutierung mehr in Betracht kommen; der Sicherungszweck entfällt mithin.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Sicherungsgeber befindet sich – zumindest nach Aktenlage – weder in Insolvenz noch ist seine Geschäftsbeziehung zu der Beklagten beendet. Er unterhält weiterhin ein Girokonto bei der Beklagten und hat weder die Geschäftsbeziehung gekündigt noch seinen Rückgewähranspruch geltend gemacht, worin eine konkludente Kündigung der Sicherungsvereinbarung zu sehen wäre (Gaberdiel/Samhat, a.a.O., Rn. 732, 737).

(2)

Dass im Streitfall die Anlassverbindlichkeiten – also die Verbindlichkeiten, die Auslöser für die Bestellung der Grundschulden waren und durch diese ursprünglich besichert wurden – vollständig getilgt sind und die wegen der fortbestehenden Geschäftsbeziehung grundsätzlich mögliche Neuvalutierung (noch) nicht erfolgt ist, reicht entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht aus, um von einem Eintritt der aufschiebenden Bedingung auszugehen.

(a)

Zwar hat der IX. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil vom 10.11.2011 (Az. IX ZR 142/10) entschieden, dass die sicherungsvertraglich vorbehaltene Revalutierung eine auflösende Rechtsbedingung darstelle, durch die der nach vollständiger Tilgung der Anlassverbindlichkeit entstandene Rückgewähranspruch wieder in einen aufschiebend bedingten Anspruch zurückverwandelt werde. Dieser werde erneut von der Bedingung frei, wenn auch die Revalutierungsverbindlichkeiten getilgt sind (BGH, a.a.O., juris Rz. 16). Danach soll der Eintritt der aufschiebenden Bedingung also schon mit der Tilgung der Anlassverbindlichkeit stattfinden und seinerseits unter der auflösenden Bedingung der Revalutierung stehen.

(b)

Diese Rechtsauffassung begegnet aus Sicht des Senats Bedenken (so i.E. auch Kesseler, NJW 2012, 577; Gaberdiel/Samhat, a.a.O., Rn. 610, 730 f. sowie OLG Hamm, Urteil vom 22.01.2018 – 5 U 18/17).

Denn die weite Sicherungsvereinbarung würde ansonsten letztlich der engen Sicherungsvereinbarung gleichgestellt, obwohl letztere gerade nicht vereinbart worden ist.

Zudem wäre es einem nachrangigen Gläubiger, der sich den Rückgewähranspruch hat abtreten lassen oder diesen gepfändet hat, möglich, mittelbar in die Geschäftsbeziehung zwischen Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber zu Lasten der Parteien des Sicherungsvertrages einzugreifen. Denn mit der Geltendmachung des Rückgewähranspruches zu einem Zeitpunkt, in dem alle bestehenden Verbindlichkeiten getilgt und das Kontokorrentkonto sich im Haben befindet, würde er der Sicherungsnehmerin ihre Sicherheit nehmen. Dies hätte letztlich zur Folge, dass die Sicherungsnehmerin, um bei einer Kontoüberziehung nicht ungesichert zu sein, eine zuvor etwaig vereinbarte Kreditlinie herabsetzen und erst recht eine weitere Überziehung nicht dulden würde. Obwohl der pfändende Gläubiger zur Kündigung der Geschäftsbeziehung nicht berechtigt ist und das Kündigungsrecht auch nicht pfänden kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2013 – V ZR 47/12 -, juris, Rn. 15; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl. 2020, Rn. F118), könnte er durch sein Verhalten mithin eine Änderung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien des Sicherungsvertrages herbeiführen und faktisch erzwingen. Den Parteien des Sicherungsvertrages würde so eine Neuvalutierung unmöglich gemacht. Dies ist indessen aus Sicht des erkennenden Senats mit der Entscheidung des V. Zivilsenats des BGH vom 19.04.2013 – V ZR 47/12 nicht zu vereinbaren. Der BGH hat in diesem Urteil ausgeführt, dass der Zessionar eine nach der Sicherungsvereinbarung zulässige Neuvalutierung nicht verhindern könne, obgleich sie den Eintritt der aufschiebenden Bedingung hinausschiebe. In diesen Fällen verwirkliche sich gerade eine dem Rückgewähranspruch aufgrund der getroffenen Sicherungsvereinbarung von vornherein anhaftende Schwäche, die der Zessionar hinnehmen müsse, weil er den Anspruch nur in dieser Form erworben habe (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2013 – V ZR 47/12 -, juris, Rn. 14).

Gegen die vom IX. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil vom 10.11.2011 vertretene Rechtsauffassung sprechen auch die Ausführungen desselben Senats in der Entscheidung vom 19.04.2018 (IX ZR 230/15, Rn. 65, juris), in der der BGH ausführt, die Rückgewähr könne erst dann verlangt werden, wenn die Revalutierung endgültig nicht mehr in Betracht komme.

Dass eine Neuvalutierung noch erfolgen kann, erscheint im vorliegenden Fall entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht ausgeschlossen.

Dem Sicherungsgeber ist es grundsätzlich möglich, einen neuen Kredit bei der Beklagten aufzunehmen, etwa um umzuschulden und bestehende Verbindlichkeiten bei Dritten – u.a. dem Kläger – abzulösen. Jedenfalls besteht die Möglichkeit, dass der Sicherungsgeber etwa durch Überziehung des bei der Beklagten auch aktuell noch geführten Girokontos neuen Kredit schöpft, der dann durch die Grundschulden gesichert wäre. Soweit der Kläger meint, aufgrund der Kontopfändung durch das Finanzamt könne die Beklagte keine weiteren Kredite an den Sicherungsgeber auszahlen, überzeugt dies nicht. Die bloße Duldung einer Kontoüberziehung gibt dem Kunden gegen die Bank keinen pfändbaren Anspruch auf Kredit. Bei der geduldeten Überziehung macht der Verbraucher nicht von einer ihm vertraglich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, sein Konto im Soll zu führen, sondern tut dies einfach – allerdings mit Duldung des Zahlungsdienstleisters (Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-HdB, 3. Abschnitt. Einlagen- und Kreditgeschäft 16. Kapitel. Kreditvertrag § 81c. Überziehungskredite Rn. 52, 56, beck-online). Eine Kontopfändung geht bei debitorischen Konten mithin ins Leere, wenn es sich um geduldete Überziehungen handelt; dem Kunden – hier: dem Sicherungsgeber – bleibt also die Möglichkeit, künftige Verbindlichkeiten zu schaffen, wenn er sein Girokonto überzieht. Genau dies ist im April 2021 auch geschehen: Indem der Sicherungsgeber bei einem Kontostand von 897,42 EUR an einem türkischen Geldautomaten einen Betrag von 850,00 EUR abgehoben hat, ist das Girokonto infolge der Geldautomaten- und Bankgebühren in Höhe von 5,00 EUR und 42,42 EUR ins Soll gerutscht (Sollsaldo 3,50 EUR). Zwar beruhte die Überziehung hier nur auf der Berechnung von Gebühren; ein Kreditrahmen ist dem Sicherungsgeber hinsichtlich des Pfändungsschutzkontos nicht eingeräumt. Eine der artige Überziehung des Kontos durch das Auslösen von Bank- und Geldautomatengebühren kann die Beklagte aber nicht verhindern.

(c)

Unbeschadet der vorstehenden grundsätzlichen Ausführungen fehlt es im Streitfall unter Zugrundelegung der zwischen den Parteien des Sicherungsvertrages getroffenen Vereinbarungen aber auch an dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung, unter der der gepfändete Rückgewähranspruch steht. Nach der Regelung in der Zweckerklärung kann die Freigabe nämlich erst auf Verlangen des Sicherungsgebers verlangt werden; darin liegt aufgrund konkludenter Kündigung zugleich die vollständige oder – im Fall der teilweisen Übersicherung – die teilweise Beendigung der Sicherungsvereinbarung. Der Rückgewähranspruch des Klägers ist daher zwar entstanden, hat aber wegen Nichteintritts der aufschiebenden Bedingung keine Wirkung entfaltet bzw. ist nicht fällig geworden.

Im Einzelnen:

In der Zweckerklärung vom 14.01.1998 findet sich in Ziff. „1.6. Freigabe der Sicherheiten“ der Zweckerklärung die Formulierung, dass die A Bank – auf entsprechendes Verlangen – verpflichtet ist, ihre Rechte aus der/den Grundschulden freizugeben, sobald sie wegen aller ihrer Ansprüche gegen den Kreditnehmer befriedigt ist. Nach Ziff. 1.6. S. 2 der Zweckerklärung besteht – ebenfalls auf Verlangen – eine Pflicht zur Freigabe, wenn die Beklagte die Grundschulden nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Kreditsicherung zur Sicherung ihrer Ansprüche nicht mehr benötigt. Ziff. 22 der AGB der Beklagten ergänzt diese Regelung, indem er festlegt, dass von einer Übersicherung auszugehen ist, wenn der realisierbare Wert aller Sicherheiten den Gesamtbetrag aller Forderungen der Beklagten nicht nur vorübergehend um 10% übersteigt.

Auch wenn sich aus den vertraglichen Regelungen nicht mit hinreichender Sicherheit ergibt, ob ein (ggf. anteiliger) Freigabeanspruch schon dann besteht, wenn die Anlass-Verbindlichkeiten teilweise oder vollständig getilgt sind, oder ob die Freigabe davon abhängig ist, dass eine Revalutierung endgültig nicht mehr in Betracht kommt, ergibt sich aus ihnen jedenfalls eindeutig, dass der Freigabeanspruch voraussetzt, dass die Freigabe auch verlangt wird.

An einem derartigen Freigabeverlangen fehlt es im Streitfall. Allerdings hat der Kläger den Freigabeanspruch geltend gemacht. Dies genügt indessen nicht. Denn in der Freigabe- bzw. Rückgewähraufforderung liegt eine (konkludente) Kündigung der Sicherungsvereinbarung, zu der nur der Sicherungsgeber und nicht etwa auch der Zessionar oder Pfändungsgläubiger berechtigt ist (Gaberdiel/Samhat, a.a.O., Rn. 732, 737, 885). Das Recht zur Kündigung der Sicherungsvereinbarung oder der gesamten Geschäftsbeziehung zwischen Sicherungsgeber und Grundschuldgläubiger ist nicht Inhalt des gepfändeten oder abgetretenen Rückgewähranspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2013 – V ZR 47/12, Rn. 15, juris für den Fall der Abtretung).

III.

Die Kostenentscheidung resultiert aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.

Der Senat hat die Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen, da es bislang keine einheitliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu der Frage gibt, ob die aufschiebende Bedingung, unter der der gepfändete Rückgewähranspruch steht, bei vereinbartem weiten Sicherungszweck bereits mit der Tilgung der Anlassverbindlichkeiten eintritt.

IV.

Der Streitwert wird auf bis 75.000 EUR festgesetzt.

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