LG Bremen, Az.: 4 T 576/17, Beschluss vom 01.02.2018
1. Der Beschwerdegegner wird angewiesen, dem Beschwerdeführer eine vollstreckbare Ausfertigung zur Kaufvertragsurkunde vom 29.09.2016 zu Urkunden-Rolle […] zu erteilen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtlich Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 1.300.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Mit notarieller Urkunde des Beschwerdegegners vom 29.09.2016 verkaufte der Beschwerdeführer an den Beteiligten ein Grundstück zu einem Kaufpreis von 1,3 Mio €. Der Beteiligte unterwarf sich gemäß § 5 Nr. 2 des Kaufvertrages wegen der Kaufpreisforderung der sofortigen Zwangsvollstreckung. Unter § 5 Nr. 2 des Kaufvertrages ist geregelt, dass nach Vorliegen der Fälligkeitsvoraussetzungen dem Beschwerdegegner eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen ist. Die Fälligkeitsvoraussetzungen sind unter § 5 Nr. 3 des Kaufvertrages erfasst worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Kaufvertrag vom 29.09.2016 Bezug genommen (vgl. Bl. 10 ff. d.A.).
Mit Schreiben vom 12.04.2017 teilte der Beschwerdegegner mit, dass die Fälligkeitsvoraussetzungen aus § 5 Nr. 3 des Kaufvertrags vorliegen würden (vgl. Bl. 25 d.A.).
Nachdem der Beteiligte den Kaufpreis an den Beschwerdeführer nicht leistete, forderte der Beschwerdeführer den Beschwerdegegner mit Schreiben vom 28.04.2017 und 26.05.2017 fruchtlos auf, eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen. Der Beschwerdegegner reagierte auf die beiden Aufforderungen nicht.
Im Rahmen einer Beschwerde vor der Notaraufsicht, die der Beschwerdeführer wegen der nicht erteilten Klausel einlegte, teilte der Beschwerdegegner in seiner Stellungnahme vom 04.08.2017 mit, dass er an der Erteilung der Klausel gehindert sei, da der Beteiligte mitgeteilt habe, von dem Kaufvertrag zurück getreten zu sein.
Ursprünglich hat der Beschwerdeführer das Verfahren gegen den Beteiligten gerichtet und nach Hinweis der Kammer nunmehr den Beschwerdegegner in Anspruch genommen (vgl. Bl. 1, 76, 77, 94 d.A.).
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die Vollstreckungsklausel zu erteilen sei, weil die Fälligkeitsvoraussetzungen des Kaufvertrages gegeben seien.
Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschwerdegegner anzuweisen, ihm als Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde zu Urkundenrolle 216/2016 zu erteilen.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Beschwerdegegner ist der Ansicht, dass er die Vollstreckungsklausel nicht erteilen dürfe, da der Beteiligte den Rücktritt von dem Kaufvertrag erklärt habe. Da er als Notar nicht die materiell-rechtliche Wirksamkeit des Rücktritts zu bewerten habe, dürfe er nunmehr keine Klausel erteilen.
Der Beteiligte hat sich dem Antrag des Beschwerdegegner angeschlossen und vertieft die Begründung des durchgreifenden Rücktritts.
II.
Die Beschwerde 4 T 576/17) ist gemäß § 54 BeurkG, §§ 58 ff. FamFG zulässig und hat in der Sache Erfolg.
1.
In dem „Austausch“ der Beschwerdegegner (ursprünglich war der Antrag gegen den Beteiligten gerichtet) hat die Kammer – wie im Hinweis aus der Verfügung vom 06.11.2017 erfasst – einen gewillkürten Parteiwechsel gesehen, wodurch sich das ursprünglich gegen den Beteiligten gerichtete Verfahren 4 T 546/17 durch Rücknahme erledigt hat.
2.
Der Anwendungsbereich des § 54 Abs. 1 BeurkG war eröffnet, da der Beschwerdegegner die Erteilung der beantragten Vollstreckungsklausel verweigert hat (vgl. Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 4. Aufl., § 54 BeurKG Rz. 2). Beschwerdefähig ist – entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners – jede Amtsverweigerung des Notars, auch ein bloßes Unterlassen (Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 4. Aufl., § 15 BNotO Rz 33.). Die Ablehnung/Verweigerung der beantragten Amtstätigkeit liegt dann in der dauernden Untätigkeit des Notars (Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 4. Aufl., § 15 BNotO Rz 21). So liegt der Fall auch hier. Vorliegend hat der Beschwerdegegner auf die Aufforderungen des Beschwerdeführers zunächst nicht reagiert und erst im Beschwerdeverfahren vor der Notaraufsicht seine Untätigkeit begründet.
3.
Der Beschwerdegegner hat zu Unrecht die von dem Beschwerdeführer beantragte Erteilung der Vollstreckungsklausel verweigert.
Der Notar hat nach allgemeinen Regeln zu prüfen, ob ein formell wirksamer Titel mit vollstreckungsfähigem Inhalt vorliegt (BGH, Beschluss vom 16. April 2009 – VII ZB 62/08 –, Rn. 13, juris) und ob formelle vertragliche Regelungen als Bedingung für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung vorliegen (vgl. Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 4. Aufl., § 52 BeurKG, Rz. 12). Diese Voraussetzungen liegen unzweifelhaft vor.
Eine weitergehende Prüfungsbefugnis steht dem Notar, dessen Funktion nach § 797 Abs. 2 ZPO hierbei der eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 724 Abs. 2 ZPO) entspricht, nicht zu (BGH, Beschluss vom 16. April 2009 – VII ZB 62/08 –, Rn. 14, juris).
Materiell-rechtliche Fragen sind grundsätzlich von der Prüfung vor der Klauselerteilung durch den Notar ausgenommen (BGH, Beschluss vom 16. April 2009 – VII ZB 62/08 –, Rn. 14, juris). Ob hiervon eine Ausnahme in Fällen anzunehmen ist, in denen durch öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen oder für den Notar sonst offenkundig ist, dass der materielle Anspruch nicht (mehr) besteht (vgl. so Bay. ObLG, FG-Prax 2000, 41; BayOblG, FG-Prax 1998, 40; OLG Frankfurt am Main, Mitteilung Rheinische Notarkammer 1997, 269; Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 4. Aufl., § 52 BeurKG, Rz. 13) oder eine Nichtigkeit gemäß § 134 BGB oder § 307 BGB evident ist (offengelassen bei BGH, Beschluss vom 16. April 2009 – VII ZB 62/08 –, Rn. 15, juris; dafür: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 4. Aufl., § 52 BeurKG, Rz. 13), brauchte die Kammer im vorliegenden Fall nicht entscheiden, da bei dem vorliegend erklärten Rücktritt ein derartiger Ausnahmefall nicht gegeben ist. Die materiell-rechtliche Berechtigung des Rücktritts ist ggf. durch die Parteien in einem gerichtlichen Verfahren (zB einer Klage nach § 767 ZPO) zu klären, nicht aber im positiven wie negativen Sinn durch den Notar im Klauselerteilungsverfahren.
Nach alledem war der Notar anzuweisen, die beantragte vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eines Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG). Gründe, die bei der vorliegenden Einzelfallentscheidung, eine Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigen vermögen, haben die Beteiligten auch nicht vorgetragen.
IV.
Eine Kostenentscheidung zu Lasten des Beschwerdegegners ist im Verfahren nach § 54 BeurKG nicht veranlasst (vgl. Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 4. Aufl., § 54 BeurKG Rz 4.).
V.
Als Gegenstandswert war – analog dem Streitwert des Erinnerungsverfahren nach § 732 ZPO – der Wert der zu vollstreckenden Forderung zugrunde zu lagen (Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., § 732 Rn. 12 i.V.m. § 731 Rn. 8), § 61 GNotKG.