BGH – Az.: V ZR 104/20 – Urteil vom 19.11.2021
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 2021 für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des Kammergerichts vom 17. März 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verkaufte im Jahre 2011 mit notariellem Vertrag an eine zwischen dem Beklagten und Herrn C. M. bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (nachfolgend GbR) ein Grundstück, bei dem es sich um einen Skihang mit einem daneben befindlichen Hotelgebäude handelt. Von dem Kaufpreis in Höhe von 160.000 EUR zahlte die GbR 40.000 EUR in bar und den Restbetrag vereinbarungsgemäß auf ein Anderkonto des Urkundsnotars. Dieser Betrag war nach § 4 des Kaufvertrages unter bestimmten Voraussetzungen an den Kläger auszuzahlen, darunter die Sicherstellung der Löschung der in Abt. II und III des Grundbuchs von dem Käufer nicht zu übernehmenden Belastungen. Nach § 6 des Kaufvertrages sollte der Käufer die in Abt. II Nr. 3 und 5 eingetragenen Geh- und Fahrrechte übernehmen. Der Kläger, der das Grundstück seinerseits im Jahre 2010 als noch nicht vermessene Teilfläche eines größeren Grundstücks gekauft hatte und noch nicht als Eigentümer eingetragen war, trat der GbR die zu seinen Gunsten eingetragene Auflassungsvormerkung ab. Die Abtretung wurde im Januar 2012 in das Grundbuch eingetragen.
Im Juni 2014 wurden in Abt. II unter Nr. 7 und 8 ein Geh- und Fahrrecht sowie ein Mitbenutzungsrecht an vier Parkplätzen zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Nachbargrundstücks eingetragen. Diese Grunddienstbarkeiten hatte der Kläger zuvor bei dem Erwerb des Grundstücks als künftiger Eigentümer bestellt. Im September 2014 wurde die GbR als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Die Belastungen in Abt. II Nr. 3 und 5 wurden gelöscht, nicht aber die neu eingetragenen Grunddienstbarkeiten in Abt. II Nr. 7 und 8. Mit dem Ableben des weiteren Gesellschafters der GbR wuchs dessen Anteil dem Beklagten an, der nunmehr alleiniger Grundstückseigentümer ist.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Freigabe des auf dem Notaranderkonto hinterlegten Restkaufpreises von 120.000 EUR. Das Landgericht hat den Beklagten zur Freigabe von 86.000 EUR verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Gegen das Urteil hat nur der Beklagte Berufung eingelegt. Diese hat das Kammergericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, möchte der Beklagte erreichen, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Gründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, der Beklagte könne sich zwar auf die von ihm erhobene Einrede des nicht erfüllten Vertrages aus § 320 Abs. 1 BGB berufen, weil das Grundstück mit zwei nicht übernommenen Grunddienstbarkeiten belastet sei. Der Beklagte könne aber nicht den vollen auf dem Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreisrest zurückhalten, sondern nur einen Teilbetrag in Höhe von 34.000 EUR. Die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts stehe nämlich unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben. Der Erwerber könne die Zahlung des Kaufpreises dann nicht vollständig verweigern, wenn dies nach den Gesamtumständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit der Pflichtverletzung des Verkäufers, gegen Treu und Glauben verstoße. Welcher Einbehalt gerechtfertigt sei, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Vorliegend erscheine es angemessen, dem Beklagten einen Einbehalt in Höhe des doppelten Betrages der sachverständig festgestellten Wertminderung seines Grundstücks von 17.000 EUR zu belassen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte das Grundstück seit etwa neun Jahren nutze. Welche Nachteile ihm durch die Rechte Dritter für die Nutzung seines Grundstücks entstünden, habe er nicht substantiiert vorgetragen. Er habe lediglich darauf verwiesen, dass der Betrieb eines Hotels in einer Wintersportregion zwingend auf ausreichend Parkplätze für Hotelgäste angewiesen sei. Der Beklagte sei auch nicht schutzlos, sondern könne die Rechte aus der Vormerkung geltend machen und auf diese Weise möglicherweise die Beseitigung der Belastungen erreichen. Zudem könne er gegen den Kläger Mängelrechte nach den §§ 435 ff. BGB geltend machen.
II.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Im Ausgangspunkt nimmt das Berufungsgericht zutreffend an, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Freigabe der jetzt noch im Streit befindlichen 86.000 EUR zu erklären, wenn die von ihm erhobene Einrede des nicht erfüllten Vertrages aus § 320 Abs. 1 BGB insoweit nicht besteht.
a) Wird ein Grundstückskauf über ein Notaranderkonto abgewickelt und zahlt der Notar den hinterlegten Kaufpreis bei Vorliegen der vertraglich vereinbarten Auszahlungsvoraussetzungen (Auszahlungsreife) nicht an den Verkäufer aus, kann diesem ein Anspruch gegen den Käufer zustehen, den auf dem Anderkonto hinterlegten Restkaufpreis „freizugeben“. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn der Notar die Auszahlung nach § 60 Abs. 3 Satz 1 BeurkG zurückstellt, weil sich der Käufer darauf beruft, der Kaufvertrag sei aufgehoben, unwirksam oder rückabzuwickeln, oder wenn er nach § 61 Nr. 2 BeurkG von der Auszahlung absieht, weil dem Käufer durch die Auszahlung erkennbar ein unwiederbringlicher Schaden droht (vgl. zu dieser Verfahrensweise Renner in Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG, 8. Aufl., § 60 Rn. 27; Grziwotz in Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 3. Aufl., § 60 Rn. 16; Kasper, RNotZ 2018, 133, 138 ff.). Denn der Notar ist nicht dazu berufen, den diesen Konstellationen regelmäßig zu Grunde liegenden Streit der Vertragsparteien über materiell-rechtliche Fragen wie etwa über die Wirksamkeit eines Rücktritts oder einer Anfechtung oder das Vorliegen von Sach- oder Rechtsmängeln zu entscheiden (vgl. BayObLG, DNotZ 2005, 616, 617; Renner, aaO; zum formalen Charakter der Prüfung der Auszahlungsvoraussetzungen durch den Notar auch Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2010 – V ZB 70/10). Die Klärung, welche Vertragspartei Anspruch auf den hinterlegten Kaufpreis hat, kann nur durch die Zivilgerichte erfolgen, und zwar dergestalt, dass eine übereinstimmende Anweisung der Parteien als Beteiligte des Verwahrungsgeschäfts gegenüber dem Notar herbeigeführt wird (vgl. § 60 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BeurkG). Diese ist für den Notar nach § 60 Abs. 2 BeurkG beachtlich und bindend (vgl. Griwotz, aaO Rn. 20).
b) Der Anspruch des Verkäufers gegen den Käufer auf die – zumeist als „Freigabe“ bezeichnete – Anweisung, der sich bei der Hinterlegung i.S.d. §§ 372 ff. BGB aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB ergibt (vgl. Senat, Urteil vom 19. Juli 2019 – V ZR 255/17, WM 2019, 2214 Rn. 8), folgt bei einem Grundstückskaufvertrag aus der Vereinbarung über die Abwicklung über ein Notaranderkonto i. V.m. § 433 Abs. 2 BGB. Ein solcher Freigabeanspruch des Klägers gegen den Beklagten kommt hier im Ausgangspunkt in Betracht, da davon auszugehen ist, dass der Notar die Auszahlung des Kaufpreises im Hinblick auf den Streit der Parteien über die zwischenzeitlich erfolgte Eintragung neuer, von dem Beklagten nicht zu übernehmender Belastungen verweigert hat. Allerdings ist der Käufer zur uneingeschränkten Freigabe nicht verpflichtet, wenn die Voraussetzungen der Einrede des nicht erfüllten Vertrages aus § 320 BGB vorliegen. Denn in diesem Fall wäre er selbst bei vereinbarter Direktzahlung des Kaufpreises ohne Zwischenschaltung des Notaranderkontos nur Zug um Zug gegen Erbringung der geschuldeten Leistung zur Zahlung verpflichtet.
2. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Voraussetzungen der Einrede aus § 320 BGB vorliegen, weil in dem Grundbuch zwei Belastungen eingetragen sind, die der Beklagte nach dem Kaufvertrag nicht zu übernehmen hat. Dies folgt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts allerdings nicht erst aus einer ergänzenden Vertragsauslegung, sondern unmittelbar aus § 320 i.V.m. § 433 Abs. 1 Satz 2, § 435 BGB und den §§ 4 und 6 des Kaufvertrages. Denn die in dem Grundbuch eingetragenen Rechte stellen einen Rechtsmangel dar.
a) Nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB kann derjenige, der aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, sofern er nicht zur Vorleistung verpflichtet ist. Die aus der Pflicht zur Kaufpreiszahlung folgende Freigabeverpflichtung des Käufers bei Abwicklung über das Notaranderkonto (§ 433 Abs. 2 BGB) und die Pflicht des Verkäufers, dem Käufer – mit Ausnahme übernommener Belastungen – lastenfreies Eigentum zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB), stehen im Gegenseitigkeitsverhältnis. Der Beklagte ist jedenfalls insoweit nicht vorleistungspflichtig, als es um seine Verpflichtung geht, den Notar zur Auszahlung des Restkaufpreises an den Beklagten anzuweisen, sobald die Auszahlungsvoraussetzungen vorliegen. Denn durch die Abwicklung über das Notaranderkonto und die in § 4 des Kaufvertrages geregelte Voraussetzung der Sicherstellung der Löschung nicht übernommener Belastungen soll gerade vermieden werden, dass der Beklagte den vollen Kaufpreis an den Kläger zu leisten hat, ohne Gewähr dafür, dass er – soweit Belastungen nicht übernommen wurden – lastenfreies Eigentum an dem Grundstück erhält.
b) Der Kläger hat die von ihm nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB geschuldete Gegenleistung, dem Beklagten das Eigentum frei von Rechtsmängeln zu verschaffen, nicht erfüllt.
aa) Nach § 435 Satz 1 BGB ist die Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Die nach Abschluss des Kaufvertrages eingetragenen Grunddienstbarkeiten sind Rechte Dritter, die diese gegen den Beklagten geltend machen können. Der Beklagte hat diese Grunddienstbarkeiten in dem Kaufvertrag nicht übernommen.
bb) Unerheblich ist, dass die Grunddienstbarkeiten erst im Juni 2014 und somit nach dem gemäß § 5 des Kaufvertrages im Oktober 2011 erfolgten Übergang der Gefahr auf den Beklagten in das Grundbuch eingetragen wurden. Maßgebender Zeitpunkt für die Freiheit der Kaufsache von Rechtsmängeln ist (jedenfalls bei Grundstücken) nicht der Gefahrübergang, sondern der Zeitpunkt, in dem sich der Eigentumserwerb vollzieht, da sich erst dann entscheidet, ob der Käufer die Inanspruchnahme durch einen Dritten befürchten muss (allgemeine Meinung, vgl. etwa Palandt/Weidenkaff, BGB, 80. Aufl., § 435 Rn. 7; Erman/Grunewald, BGB, 16. Aufl., § 435 Rn. 1, 16; MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl., § 435 Rn. 6; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB [2013], § 435 Rn. 5; Jauernig/Berger, BGB, 18. Aufl., § 435 Rn. 4; BeckOK/Faust, BGB [1.5.2021], § 435 Rn. 5). Deswegen muss der Verkäufer, sofern nichts anderes vereinbart ist, einen Rechtsmangel der verkauften Sache auch erst im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs beseitigen (vgl. Senat, Urteil vom 23. Mai 2003 – V ZR 190/02, NJW-RR 2003, 1318, 1319 unter III.1.). Anders als bei Sachmängeln (vgl. § 446 BGB) kommt es also bei dem in einem dinglichen Recht Dritter bestehenden Rechtsmangel des Grundstücks – vorbehaltlich anderweitiger Abreden – nicht darauf an, ob das Recht vor oder nach Gefahrübergang entstanden ist.
cc) Der Kläger kann auch nicht einwenden, der Beklagte könne aufgrund der ihm abgetretenen Auflassungsvormerkung selbst für die Löschung der zwischenzeitlich eingetragenen Grunddienstbarkeiten sorgen.
(1) Der Verkäufer eines Grundstücks, der die lastenfreie Übertragung des Eigentums schuldet, kann den Käufer nicht darauf verweisen, eingetragene Belastungen seien vormerkungswidrig und relativ unwirksam (§ 883 Abs. 2 Satz 1 BGB) und er könne deshalb deren Löschung selbst durchsetzen (§ 888 Abs. 1 BGB). Denn der unselbständige Hilfsanspruch des § 888 BGB ändert nichts an dem gesicherten Anspruch des Käufers auf lastenfreie Eigentumsübertragung, zu dessen Erfüllung der Verkäufer nach wie vor verpflichtet bleibt (vgl. Senat, Urteil vom 8. November 1985 – V ZR 153/84, NJW-RR 1986, 310). Die Möglichkeit des Käufers eines Grundstücks, seinen Anspruch auf lastenfreie Übertragung im Falle einer vormerkungswidrigen Belastung mit Hilfe der Zustimmungsverpflichtung des begünstigten Dritten nach § 888 Abs. 1 BGB durchzusetzen, nimmt ihm daher nicht das Recht, dem Zahlungsanspruch die Einrede des nicht erfüllten Vertrages aus § 320 BGB entgegenzuhalten (vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 2003 – V ZR 341/02, MDR 2004, 471).
(2) Vorliegend kommt hinzu, dass erhebliche Zweifel bestehen, ob der Beklagte die Löschung der zwischenzeitlich eingetragenen Grunddienstbarkeiten mithilfe der Auflassungsvormerkung erreichen könnte. Die Auflassungsvormerkung ist streng akzessorisch und sichert damit nur einen bestimmten Auflassungsanspruch (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Februar 2014 – V ZB 88/13 BGHZ 200, 179 Rn. 14; Urteil vom 22. Februar 2019 – V ZR 244/17, BGHZ 221, 229 Rn. 12). Gesichert ist hier nicht der Eigentumsverschaffungsanspruch des Beklagten gegen den Kläger, sondern derjenige des Klägers aus seinem Kaufvertrag von 2010. Denn dem Beklagten wurde keine eigene Auflassungsvormerkung bewilligt, sondern nur die zugunsten des Klägers eingetragene Auflassungsvormerkung „abgetreten“. Dem liegt – weil eine Vormerkung nicht isoliert abtretbar ist, sondern entsprechend § 401 BGB mit der Abtretung des gesicherten Anspruchs übergeht (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juni 1994 – V ZR 204/92, NJW 1994, 2947 f.) – die Abtretung des Eigentumsverschaffungsanspruchs des Klägers an den Beklagten zugrunde. Bezogen auf diesen Anspruch dürfte die Eintragung der Grunddienstbarkeiten aber nicht vormerkungswidrig sein, denn der Kläger hatte sie im Kaufvertrag von 2010 selbst bestellt.
3. Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, die Einrede aus § 320 BGB stehe dem Beklagten nur gegenüber einem Kaufpreisanteil in Höhe von 34.000 EUR zu, sodass er verpflichtet sei, den darüberhinausgehenden Restkaufpreis von 86.000 EUR freizugeben.
a) Die Vorschrift des § 320 BGB verfolgt den doppelten Zweck, dem Gläubiger, der am Vertrag festhalten will, sowohl den Anspruch auf die Gegenleistung zu sichern als auch Druck auf den Schuldner auszuüben, um ihn zu vertragsgemäßer Leistung anzuhalten (vgl. Senat, Urteil vom 6. Dezember 1991 – V ZR 229/90, BGHZ 116, 244, 249; BGH, Urteil vom 26. März 2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 Rn. 58; Urteil vom 26. Oktober 2016 – VIII ZR 211/15, NJW 2017, 1100 Rn. 23). In welchem Umfang die Gegenleistung noch aussteht, ist hierfür unerheblich, so dass der Schuldner seine Leistung grundsätzlich voll zurückhalten kann, auch wenn die Gegenleistung bereits teilweise erbracht worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1970 – VII ZR 176/68, BGHZ 54, 244, 249 mwN). Nur ausnahmsweise kann der Käufer – wie in § 320 Abs. 2 BGB für den Fall der Teilleistung ausdrücklich hervorgehoben wird – die Zahlung des Kaufpreises nicht oder nicht vollständig verweigern, wenn dies nach den Gesamtumständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit der Pflichtverletzung des Verkäufers, gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – VIII ZR 211/15, aaO Rn. 21 mwN; zur Miete BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14, BGHZ 206, 1 Rn. 50 ff.). Dies gilt auch im Hinblick auf die Pflicht des Verkäufers, dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB). Weist die Kaufsache einen behebbaren Mangel auf, ist der Käufer daher grundsätzlich selbst dann berechtigt, gemäß § 320 Abs. 1 BGB die Zahlung des Kaufpreises insgesamt zu verweigern, wenn es sich um einen geringfügigen Mangel handelt (vgl. Senat, Urteil vom 14. Februar 2020 – V ZR 11/18, BGHZ 225, 1 Rn. 53; BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – VIII ZR 211/15, aaO, Leitsatz und Rn. 23 f.).
b) Mit diesen Maßstäben steht die Annahme des Berufungsgerichts nicht in Einklang, der Beklagte könne die Freigabe des Restkaufpreises nur in Höhe der doppelten, durch die Grunddienstbarkeiten verursachten Wertminderung des Grundstücks verweigern. Die Beurteilung, ob der Käufer die Zahlung des Kaufpreises nach Treu und Glauben ausnahmsweise nicht oder nicht vollständig verweigern kann, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – VIII ZR 211/15, NJW 2017, 1100 Rn. 24). Derartige Abwägungen sind zwar eine Frage der tatrichterlichen Würdigung und revisionsrechtlich nur darauf überprüfbar, ob der Tatrichter wesentliche Umstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder von der Revision gerügte Verfahrensfehler begangen hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14, BGHZ 206, 1 Rn. 59). In diesem Rahmen ist die von dem Berufungsgericht vorgenommene Abwägung aber zu beanstanden.
aa) Die von dem Berufungsgericht gegebene Begründung lässt zum einen erkennen, dass es das in § 320 BGB angelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht angemessen berücksichtigt hat. Das Berufungsgericht geht ersichtlich nicht davon aus, dass der Käufer selbst bei geringfügigen behebbaren Mängeln der Kaufsache gemäß § 320 Abs. 1 BGB die Zahlung des Kaufpreises grundsätzlich insgesamt verweigern kann. Vielmehr meint es offenbar, der Käufer müsse besondere Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen, die den Mangel und die damit verbundenen Nachteile als besonders schwerwiegend erscheinen lassen, so dass es ausnahmsweise gerechtfertigt erscheine, den gesamten Kaufpreis bis zur Beseitigung des Mangels zurückzuhalten. Damit weicht das Berufungsgericht von den oben dargelegten Maßstäben aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab und ist die vorgenommene Würdigung schon aus diesem Grunde rechtsfehlerhaft.
bb) Zudem hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung, ob das Zurückhalten des vollständigen (Rest-)Kaufpreises ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstößt, die Pflichtverletzung des Klägers einerseits und das Durchsetzungsinteresse des Beklagten andererseits nicht dem aufgezeigten Maßstab entsprechend bewertet.
(1) Das Berufungsgericht zeigt keine Tatsachen auf, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Pflichtverletzung des Klägers, die darin liegt, dass dieser nach Abschluss des Kaufvertrages zwei Grunddienstbarkeiten hat eintragen lassen, die das dem Beklagten zu verschaffende Grundstückseigentum beeinträchtigen, sei als geringfügig anzusehen. Die Umstände des Falles sprechen vielmehr gegen eine solche Annahme.
(a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs indiziert ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung in der Regel die Erheblichkeit einer Pflichtverletzung (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 – VIII ZR 361/18, BGHZ 224, 195 Rn. 46). Ebenso ist eine unerhebliche Pflichtverletzung beim Kaufvertrag in der Regel zu verneinen, wenn der Verkäufer den Käufer über das Vorhandensein eines Mangels arglistig getäuscht hat (Senat, Urteil vom 24. März 2006 – V ZR 173/05, BGHZ 167, 19 Leitsatz und Rn. 11 ff.; BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 – VIII ZR 361/18, aaO, jeweils zu § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB).
(b) Hier liegt zwar weder ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung noch eine arglistige Täuschung des Klägers vor. Bei der Beurteilung des Gewichts des klägerischen Pflichtverstoßes kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger selbst ein Jahr zuvor bei dem Ankauf des Grundstücks die Eintragung weiterer Grunddienstbarkeiten bewilligt hatte. Selbst wenn dem Kläger dieser Umstand bei dem Abschluss des Kaufvertrages mit dem Beklagten nicht mehr erinnerlich gewesen sein sollte, ist der Verstoß gegen die ihn aus dem Kaufvertrag treffende Pflicht, dem Beklagten rechtsmangelfreies Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB), jedenfalls objektiv keinesfalls als geringfügig, sondern im Gegenteil als schwerwiegend anzusehen.
(2) Ebenfalls nicht haltbar ist die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Einwand des Beklagten, die festgestellte Wertminderung des Grundstücks von 17.000 EUR durch das Parkplatzmitbenutzungsgericht sei nicht als „verhältnismäßig geringfügig“ anzusehen, zurückgewiesen hat. Zwar trifft es zu, dass es im Rahmen der nach § 320 BGB anzustellenden Gesamtwürdigung keine festgefügten Maßstäbe im Sinne von Prozentsätzen dafür gibt, was als geringfügig anzusehen ist. Allerdings beträgt die Wertminderung bezogen auf den sachverständig ermittelten fiktiven Wert des rechtsmangelfreien Grundstücks von 188.000 EUR rund 9%. Damit liegt sie deutlich über dem, was in anderen Bereichen bei vergleichbaren Fragestellungen noch als geringfügig angesehen wird. So ist etwa zu § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB anerkannt, dass bei behebbaren Mängeln in der Regel von einer Geringfügigkeit und damit von einer Unerheblichkeit auszugehen ist, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind, was jedenfalls regelmäßig nicht der Fall ist, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von 5% des Kaufpreises übersteigt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 – VIII ZR 361/18, BGHZ 224, 195 Rn. 47).
Der Senat hat im Zusammenhang mit dem aus Treu und Glauben abzuleitenden Übermaßverbot einen Rückstand von knapp 4% des Kaufpreises als nicht mehr geringfügig angesehen (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juli 1983 – V ZR 53/82, BGHZ 88, 92, 95). Es bedürfte daher jedenfalls einer gesonderten Begründung, weshalb eine Wertminderung von etwa 9% vorliegend noch als geringfügig anzusehen sein soll.
(3) Anders als das Berufungsgericht meint, kann auch nicht in die Abwägung eingestellt werden, dass der Beklagte aufgrund der an ihn „abgetretenen“ Auflassungsvormerkung selbst versuchen könnte, die Löschung der Grunddienstbarkeiten zu erreichen (s.o. Rn. 14 ff.).
(4) Ebenso wenig lässt sich ein Verstoß gegen Treu und Glauben daraus ableiten, dass der Beklagte das Grundstück seit etwa neun Jahren nutzt. Der Umstand, dass der Kläger seit neun Jahren nicht vermocht hat, die Grunddienstbarkeiten zur Löschung zu bringen, belegt vielmehr, dass der Beklagte in besonderem Maße auf die Einrede aus § 320 BGB angewiesen ist, um Druck auf den Kläger auszuüben und ihn zu vertragsgemäßer Leistung anzuhalten. Die von dem Berufungsgericht gewählte Lösung brächte den Beklagten im Ergebnis in die Lage, entweder seinerseits den Kläger gerichtlich auf Erfüllung des Kaufvertrages verklagen oder aber die Grunddienstbarkeiten dauerhaft hinnehmen zu müssen und hierfür lediglich eine von ihm nicht gewollte Minderung des Kaufpreises zu erhalten, was die Regelung in § 320 BGB gerade zu vermeiden sucht.
(5) Schließlich ist die Abwägung des Berufungsgerichts auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil es hierbei wesentliche Umstände nicht gewürdigt hat.
(a) Dies gilt zum einen, soweit das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe nicht substantiiert vorgetragen, dass und welche Nachteile er aufgrund der Rechte Dritter bei der Nutzung des Grundstücks habe hinnehmen müssen.
(aa) Die dieser Begründung zu Grunde liegende Ansicht, der Beklagte trage die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Grunddienstbarkeiten sein Grundstückseigentum nicht nur geringfügig beeinträchtigen, ist rechtsfehlerhaft. Da ein Rechtsmangel besteht, ist der Beklagte – wie dargelegt – im Ausgangspunkt nach § 320 BGB berechtigt, den vollen Restkaufpreis zurückzuhalten. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich der Mangel – hier die Belastung des Eigentums mit Rechten Dritter – als verhältnismäßig geringfügig darstellt, trifft die Partei, die geltend macht, der andere sei an der Erhebung der Einrede ausnahmsweise nach Treu und Glauben gehindert (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1996 – VII ZR 125/95, NJW-RR 1997, 18, 19), hier also den Kläger.
(bb) Unabhängig davon überspannt das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht geltend macht, mit seiner Begründung unter Verstoß gegen § 286 ZPO die Substantiierungsanforderungen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vortrag schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen (siehe etwa Senat, Urteil vom 9. Februar 2018 – V ZR 274/16, NJW 2018, 1954 Rn. 11 mwN). Der Beklagte hat in seiner Stellungnahme zu dem Hinweis des Berufungsgerichts auf das beabsichtigte Vorgehen nach § 522 Abs. 2 ZPO dargelegt, dass auf seinem Grundstück lediglich 15 Stellplätze vorhanden, hiervon jedoch vier mit Rechten Dritter belastet seien. Weitere Stellflächen auf öffentlichem Straßenraum stünden aufgrund der topografischen Lage des Grundstücks nicht zur Verfügung und der nächste – gebührenpflichtige – Parkplatz befinde sich in einer Entfernung von 400 m. Ein Hotel mit 44 Betten im Wintersportgebiet und der Adresse „A. S. 1“ – wie von ihm betrieben – sei auf jeden einzelnen Stellplatz angewiesen, zumal die stets unzureichende Parksituation eines Wintersporthotels als gerichtsbekannt unterstellt werden könne. Zum Beleg dieses Vortrags hat er auf die Ausführungen des Sachverständigen in dem gerichtlichen Wertgutachten Bezug genommen. Diese Angaben reichen aus, um einen nicht nur geringfügigen Nachteil darzulegen. Das Berufungsgericht durfte den Vortrag daher nicht als unsubstantiiert zurückweisen.
(b) Schließlich hat das Berufungsgericht zu Unrecht nicht in die Abwägung eingestellt, dass der Beklagte sich – anders als der Kläger – vertragstreu verhalten und den Kaufpreis vollständig gezahlt bzw. auf dem Notaranderkonto hinterlegt hat. Bei vereinbarter Direktzahlung des Kaufpreises mögen Fälle denkbar sein, in denen es dem Käufer allein darum geht, einen ihn im Ergebnis nicht belastenden geringfügigen Mangel der Kaufsache zu nutzen, um mithilfe der Einrede aus § 320 BGB den gesamten Kaufpreis zurückzuhalten und ggf. anderweitig zu verwenden. So liegt es hier aber ersichtlich nicht, denn der Beklagte hat keinen Zugriff auf den von ihm gezahlten bzw. hinterlegten Kaufpreis und erhält ihn auch nicht dadurch, dass er sich gegenüber dem Freigabeverlangen des Klägers auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages beruft.
III.
1. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben; er ist nach § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
2. Das Berufungsgericht wird zunächst zu prüfen haben, ob die vereinbarten Voraussetzungen für die Auszahlung des auf dem Notaranderkonto eingezahlten Restkaufpreises an den Kläger gegeben sind. Fehlt es daran, wäre der Beklagte schon aus diesem Grund nicht verpflichtet, die Freigabe der 86.000 EUR zu erklären; auf die Wirkungen der Einrede aus § 320 BGB käme es dann nicht an.
Das Berufungsgericht hat nicht ausdrücklich festgestellt, dass die in § 4 Buchst. c geregelten Auszahlungsvoraussetzungen vorliegen. Der Senat kann diese Feststellung nicht selbst treffen. Allein anhand des Wortlauts der Regelung lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Auszahlungsvoraussetzungen erfüllt sind, wenn – wie hier – zwar die Löschung der in § 6 des Kaufvertrages genannten, von dem Beklagten nicht zu übernehmenden Belastungen sichergestellt bzw. erfolgt ist, inzwischen aber neue, ebenfalls nicht übernommene Belastungen eingetragen sind, deren Löschung nicht sichergestellt ist. Hierzu bedarf es einer Auslegung der Regelung, die das Berufungsgericht nicht vorgenommen hat. Es hat zwar ausgeführt, dem Wortlaut nach seien die Voraussetzung von § 4 Buchst. c erfüllt. Sodann hat es aber eine ergänzende Vertragsauslegung (nur) von § 6 vorgenommen, wonach der Beklagte erst Recht keine dort nicht genannten Belastungen des Grundstücks zu übernehmen habe, die erst nach Vertragsschluss ohne seine Zustimmung eingetragen worden seien. Ob damit auch die Auszahlungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, hat das Berufungsgericht hingegen nicht erörtert.
3. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Auszahlungsvoraussetzungen vorliegen, wird es unter Beachtung der oben dargestellten Grundsätze erneut zu beurteilen haben, ob der Beklagte die Freigabe des restlichen Kaufpreises von 86.000 EUR ausnahmsweise nicht nach § 320 BGB verweigern kann, weil dies nach den Gesamtumständen gegen Treu und Glauben verstößt. Besteht die Einrede auch insoweit, wäre die Klage nicht abzuweisen, sondern eine Verurteilung Zug um Zug auszusprechen (§ 322 Abs. 1 BGB).