Wohnungsrecht trotz Pflegeheim: Ein Urteil mit weitreichenden Konsequenzen
In einem jüngst gefällten Urteil des LG Lübeck wurde ein komplexer und emotional aufgeladener Fall verhandelt, der die rechtlichen Grenzen des Wohnungsrechts in den Vordergrund rückt. Es geht um die Frage, ob ein Wohnungsrecht erlischt, wenn der Berechtigte aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft in ein Pflegeheim zieht und die Wohnung nicht mehr nutzen kann.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die Klage bezüglich der Löschung eines Wohnungsrechts aufgrund eines subjektiven Ausübungshindernisses wurde abgewiesen. Ein subjektives Ausübungshindernis in der Person des Berechtigten, wie der Umzug in ein Pflegeheim, führt nicht zum Erlöschen des Wohnrechts.
- Der Artikel bezieht sich auf ein Urteil des LG Lübeck (Az.: 10 O 101/22) vom 07.12.2022.
- Die Kläger, ein Sohn und seine Ehefrau, forderten von der Beklagten, der 81-jährigen Mutter des Sohnes, die Löschung eines zu ihren Gunsten eingetragenen Wohnungsrechts.
- Die Beklagte und ihr verstorbener Ehemann überließen den Klägern ein Grundstück unentgeltlich und erhielten im Gegenzug ein lebenslanges Wohnungsrecht.
- Es gab Streitigkeiten über Nebenkosten, die durch einen Vergleich im Jahr 2009 beigelegt wurden.
- Die Beklagte und ihr Ehemann zogen 2020 aus gesundheitlichen Gründen in ein Pflegeheim. Die Wohnung steht seitdem leer.
- Die Kläger argumentierten, dass das Wohnungsrecht gelöscht werden sollte, da es nicht mehr ausgeübt werden kann. Sie behaupteten auch, dass die Beklagte die Wasserleitungen nicht ordnungsgemäß durchspülte, was zu einer Legionellengefahr führte.
- Die Beklagte argumentierte, dass sie das Wohnrecht nicht aufgeben müsse und dass sie die Nebenkosten zahlen könnte, wenn die Kläger die Vermietung der Wohnung an Dritte erlauben würden.
- Das Gericht entschied, dass das Wohnrecht nicht erloschen ist, da ein subjektives Ausübungshindernis nicht zum Erlöschen eines Wohnrechts führt.
- Das Gericht stellte fest, dass die Kläger keinen Anspruch auf Löschung des Wohnrechts haben und dass das Festhalten der Beklagten an dem Wohnrecht nicht gegen das Schikaneverbot verstößt.
Übersicht
Was ist vorgefallen?
Im Kern des Falles steht ein Ehepaar, das ein Wohnungsrecht an einem Zweifamilienhaus besitzt. Der Kläger, der Sohn der Beklagten, und seine Ehefrau forderten von der Beklagten, die heute 81 Jahre alt ist, die Löschung dieses Wohnungsrechts und die Herausgabe der Wohnung. Die Beklagte und ihr inzwischen verstorbener Mann hatten das Grundstück den Klägern unentgeltlich überlassen, behielten jedoch ein lebenslanges Wohnungsrecht. Nachdem die Beklagte und ihr Mann aus gesundheitlichen Gründen in ein Pflegeheim gezogen waren und die Wohnung seitdem leer stand, sahen die Kläger die Ausübung des Wohnungsrechts als nicht mehr gegeben an.
Das rechtliche Problem und die Herausforderung
Das Dilemma liegt in der Interpretation des Wohnungsrechts. Kann ein solches Recht erlöschen, wenn es aus subjektiven Gründen nicht mehr ausgeübt wird? Oder bleibt das Recht bestehen, solange keine objektiven Gründe dagegen sprechen?
Die Zusammenhänge
Das Wohnungsrecht ist eine besondere Art der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Es erlischt in der Regel mit dem Tod des Berechtigten. Ein vorzeitiges Erlöschen kann nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, beispielsweise bei Zerstörung des Gebäudes. Ein subjektives Ausübungshindernis, wie der Umzug in ein Pflegeheim, führt nicht automatisch zum Erlöschen des Rechts.
Das Urteil des Gerichts
Das LG Lübeck entschied, dass die Klage unbegründet sei. Das Gericht stützte sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach ein nur in der Person des Berechtigten liegendes Ausübungshindernis nicht zum Erlöschen eines Wohnrechts führt. Das Gericht betonte, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass die Beklagte das Wohnungsrecht in Zukunft wieder ausüben könnte.
Warum hat das Gericht so entschieden?
Das Gericht argumentierte, dass das Wohnungsrecht nicht automatisch erlöschen würde, nur weil die Beklagte es derzeit nicht ausüben kann. Es wurde betont, dass ein subjektives Ausübungshindernis nicht ausreicht, um das Recht erlöschen zu lassen.
Die Auswirkungen
Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für ähnlich gelagerte Fälle. Es stärkt die Rechte von Wohnberechtigten und macht deutlich, dass subjektive Gründe allein nicht ausreichen, um ein Wohnungsrecht zu beenden.
Fazit des Urteils
Das Urteil des LG Lübeck unterstreicht die Bedeutung und Beständigkeit von Wohnungsrechten, selbst wenn diese aus subjektiven Gründen nicht mehr ausgeübt werden können. Es sendet ein klares Signal an alle, die in ähnlichen Situationen sind und betont die Notwendigkeit, solche Rechte zu respektieren und zu schützen.
✔ Was ist eine Dienstbarkeitslöschung – kurz erklärt
Eine Dienstbarkeitslöschung bezieht sich auf die Entfernung einer Dienstbarkeit aus dem Grundbuch. Eine Grunddienstbarkeit, wie zum Beispiel ein Garagennutzungsrecht, die zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Wohnungseigentums begründet wurde, erlischt automatisch, wenn die Aufhebung des Wohnungseigentums im Grundbuch eingetragen wird. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks kann eine Grunddienstbarkeit nicht selbständig beenden. Änderungen oder die Löschung der Grunddienstbarkeit müssen vom Begünstigten, also dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks, beantragt werden. Generell gilt, dass die Vertragsparteien sich darauf einigen, wer die Kosten für die Grundbuch- und Notargebühren übernimmt. Üblicherweise trägt die Person die Kosten, die von der Löschung profitiert.
Das vorliegende Urteil
LG Lübeck – Az.: 10 O 101/22 – Urteil vom 07.12.2022
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 21.032,53 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger zu 1) ist der Sohn der heute 81 Jahre alten Beklagten, die Klägerin zu 2) seine Ehefrau. Mit der Klage begehren sie von der Beklagten die Abgabe einer Löschungsbewilligung des zu ihren Gunsten eingetragenen Wohnungsrechtes, die Herausgabe der Wohnung sowie Zahlung von Nebenkosten.
Die Beklagte und ihr inzwischen gestorbener Mann überließen den Klägern mit notariellem Vertrag vom 3. Juli 1998 unentgeltlich das mit einem Zweifamilienhaus und Nebengebäuden bebaute Grundstück W-Straße 19 / 19 A in K. Im Gegenzug räumten die Kläger der Beklagten und ihrem Ehemann als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht an sämtlichen Räumlichkeiten der in der rechten Haushälfte des Hauses belegenen Wohnung ein. Nach § 3 Ziffer 1 des Überlassungsvertrages tragen die Wohnberechtigten die auf die Wohnung und Nebengebäude entfallenden Nebenkosten für Heizung, Strom, Wasser einschließlich Abwasser sowie Müllgebühren und die Kosten der Schönheitsreparaturen selbst. Hinsichtlich der Einzelheiten des Überlassungsvertrages wird auf die Anlage K1 verwiesen.
Die Parteien stritten vor dem Amtsgericht R hinsichtlich der Kostenermittlung, Umlage und Höhe der Nebenkosten. Zur Beilegung des Rechtsstreits schlossen sie am 29. Januar 2009 einen Vergleich. Nach diesem sind die Kaltwasserkosten zwischen den Parteien entsprechend der im jeweiligen Haushalt lebenden Personen umzulegen. Die laufenden Wartungs- und Instandhaltungskosten für die Zähler, die Heizung und die öffentlich-rechtlichen Gebühren für Wasser und Abwasser haben sie je zur Hälfte zu tragen. Die verbrauchsabhängige Erfassung der Kosten für die Heizung und Warmwasser soll durch die Firma Brunata auf der Grundlage der Heizkostenverordnung erfolgen. Zum Ausgleich dieser Rechnungspositionen schuldet die Beklagte eine angemessene monatliche Vorauszahlung in Höhe von 132 Euro. Die Kläger sind verpflichtet, über die jährlichen Kosten unter Berücksichtigung der Vorauszahlung abzurechnen. Eine Nachzahlung ist binnen zwei Wochen nach Zugang der Abrechnung zu leisten. Wegen der Einzelheiten des gerichtlich protokollierten Vergleichs wird auf die Anlage K2 Bezug genommen.
Die Parteien sind seit langem untereinander zerstritten. Die Beklagte und ihr Ehemann bewohnten die Wohnung bis zum Juli 2020. Aus gesundheitlichen Gründen zogen sie in ein Pflegeheim. Seitdem steht die Wohnung leer. Der Ehemann starb noch im selben Jahr. Die Beklagte ist mit Pflegegrad 4 vollstationär untergebracht. Eine Rückkehr in ihre Wohnung ist aus gesundheitlichen Gründen nicht zu erwarten. Die Heimpflegekosten von zurzeit monatlich 4.163,59 Euro kann sie mit ihren Einkünften nur teilweise decken. Für die ungedeckten Heimkosten kommt im Rahmen der Hilfe zur Pflege gemäß § 65 SGB XII seit dem 29. Oktober 2021 ein Sozialhilfeträger auf. Für die Beklagte wurde im Jahr 2021 Betreuung angeordnet und ein Betreuer unter anderem für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten und Sozialleistungsträgern bestellt.
Die Beklagte ist seit Januar 2022 außerstande, die monatlichen Vorauszahlungen für die laufenden Wohnnebenkosten zu zahlen. Die Kläger forderten den Betreuer der Beklagten mit Schreiben vom 29. Dezember 2021 unter Vorlage der Heizkostenabrechnung für den Zeitraum September 2020 bis August 2021 erfolglos zur Nachzahlung in Höhe von 289,30 Euro auf. Einschließlich dieses Betrags verlangen sie für das Jahr 2021 die Zahlung von 1.001,56 Euro und das Jahr 2022 397,37 Euro. Die einzelnen Rechnungspositionen sind zwischen den Parteien streitig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darlegungen auf Seite 16 der Klageschrift sowie die Anlagen K25 bis K29 Bezug genommen.
Die Kläger tragen vor, sie seien bei Beurkundung des Überlassungsvertrages davon ausgegangen, dass das Wohnungsrecht zu löschen und die Räume an sie herauszugeben seien, wenn das Wohnungsrecht nicht weiter ausgeübt werden könne. Ihnen stehe ein entschädigungsloser Anspruch auf Abgabe der Löschungsbewilligung zu. Insbesondere wegen der aufgelaufenen und weiter auflaufenden Zahlungsrückstände sei ein Festhalten der Beklagten am Wohnungsrecht für sie unzumutbar und komme einer Schikane gleich. Sie behaupten, die Beklagte habe die Wasserleitungen der von ihr bewohnten Haushälfte unzureichend durchspült und dadurch eine Legionellengefahr begründet. Die für eine Wasseranalyse erforderlichen Kosten in Höhe von 340,00 Euro könnten die Kläger von der Beklagten ersetzt verlangen.
Die Kläger beantragen,
1. die Beklagte zu verurteilen, die Löschungsbewilligung des zu ihren Gunsten eingetragenen Wohnungsrechtes zu der von ihr in Besitz gehaltenen Wohnung im Hause zum W-Straße 19 A, K, gebucht im Grundbuch von K Blatt 131 abzugeben,
2. die Beklagte weiter zu verurteilen, mit Rechtskraft des Urteils die Wohnung im Hause W-Straße 19 A, K, an die Kläger geräumt herauszugeben,
3. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Kläger 1.398,93 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass sie nicht entschädigungslos auf das Wohnrecht, dem ein wirtschaftlicher Wert zukomme, verzichten müsse und der Betreuer einen solchen Verzicht angesichts des Umstands, dass ein Sozialhilfeträger teilweise für ihre Heimkosten aufkomme, auch nicht erklären dürfe. Die Beklagte könne für die Wohnnebenkosten im Übrigen ohne Weiteres aufkommen, wenn die Kläger ihr die Vermietung der Haushälfte an Dritte gestatteten. Die Kläger seien entsprechend § 556 Absatz 3 BGB dazu verpflichtet, die Betriebskostenabrechnung formell ordnungsgemäß zu übermitteln. Für das Jahr 2021 sei eine solche Abrechnung nicht fristgerecht übermittelt worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Bewilligung der Löschung des zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Wohnungsrechtes gem. § 875 Abs. 1 BGB.
1. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem notariellen Überlassungsvertrag vom 3. Juli 1998. Die Parteien haben darin keine entsprechende Regelung getroffen. Der Vertrag ist auch nicht gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, dass das Wohnrecht von sich aus entfiele. Aus den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ergibt sich kein Recht zur Kündigung. Dass die Berechtigte das Wohnungsrecht nach ihrem Auszug in ein Pflegeheim nicht mehr dauerhaft ausüben kann, ist kein völlig unvorhersehbarer Umstand, der die Vornahme einer neuen Bewertung der rechtlichen Interessen der Parteien rechtfertigte.
2. Das Wohnungsrecht ist nicht von Gesetzes wegen dadurch erloschen, dass die Beklagte es dauerhaft nicht mehr ausüben kann.
Beim Wohnungsrecht handelt es sich gemäß § 1093 Absatz 1 Satz 1 BGB um eine besondere Art der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Für sein Erlöschen gelten daher dieselben Grundsätze wie für das Erlöschen einer solchen Dienstbarkeit. Sofern ein Wohnungsrecht auf Lebenszeit des Berechtigten bestellt ist, erlischt es gemäß §§ 1090 Abs. 2, 1061 BGB mit dem Tod des Berechtigten. Das Erlöschen eines auf Lebenszeit eingeräumten Wohnungsrechts kommt vor dem Tod des Berechtigten nur ausnahmsweise in Betracht. Danach erlischt das Recht, wenn seine Ausübung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen objektiv dauernd unmöglich wird. Dies ist der Fall, wenn das Wohnungsrecht niemandem mehr einen Vorteil bietet, etwa bei einer Zerstörung des Gebäudes (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2007 – V ZR 163/06 -, juris Rn. 13; OLG Schleswig, Urteil vom 2. Januar 2007 – 3 U 116/06 -, juris Rn. 23).
Ein nur subjektives dauerndes Ausübungshindernis in der Person des Berechtigten, etwa weil der Berechtigte die Wohnung nicht selbst nutzen kann, führt nicht zum Erlöschen der Dienstbarkeit. Der Bundesgerichtshof hat in Fortführung seiner Rechtsprechung in seinem Urteil vom 20. Oktober 2020 – X ZR 7/20 -, BGHZ 227, 188, ausgeführt, dass ein nur in der Person des Berechtigten liegendes Ausübungshindernis nicht generell zum Erlöschen eines dinglichen Wohnrechts führt, selbst wenn das Hindernis auf Dauer besteht, etwa deshalb, weil der Berechtigte in ein Pflegeheim aufgenommen wird und nicht damit zu rechnen ist, dass er in die Wohnung zurückkehren kann (BGH, a. a. O. juris Rn. 23 m. w. N.). Ein Fall, in dem der Betroffene aus medizinischen Gründen dauernd auf eine apparative Versorgung angewiesen ist, die ausschließlich in einer Klinik geleistet werden kann, liegt nicht vor. Die Kläger haben nicht vorgetragen, dass es der Beklagten aus besonderen gesundheitlichen Gründen objektiv unmöglich sein sollte, das Wohnungsrecht jemals wieder selbst auszuüben (OLG Schleswig, Urteil vom 2. Januar 2007 – 3 U 116/06 -, juris Rn. 25). Zwar befindet sich die Beklagte mit Pflegegrad 4 in vollstationärer Pflege. Es ist aber nicht ausgeschlossen, wenngleich unwahrscheinlich, dass der Betreuer, dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht, sich dafür entscheidet, die Pflege der Beklagten gegebenenfalls unter Aufnahme von Pflegepersonen (§ 1093 Abs. 2 BGB) unter Nutzung des Wohnungsrechts vor Ort zu organisieren.
3. Das Festhalten der Beklagten und des Betreuers an dem der Beklagten eingeräumten Wohnungsrecht verstößt auch nicht gegen das Schikaneverbot der §§ 226, 242 BGB (vgl. zum Verhältnis der Vorschriften zueinander Grothe, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 9. Aufl. 2021 § 226 BGB Rn. 1). Nach § 226 BGB ist die Ausübung eines Rechts unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.
a) Zunächst haben die Kläger – wie ausgeführt – nicht dargelegt, dass eine Rückkehr der Beklagten in die vormals von ihr bewohnte Haushälfte absolut ausgeschlossen wäre. Die Annahme, dass das Festhalten der Beklagten und ihres Betreuers an dem Wohnrecht in reiner Schädigungsabsicht erfolge, liegt schon deswegen fern.
b) Die Beklagte oder ihr Betreuer bezwecken oder bewirken auch keine Schädigung der Kläger, indem die Beklagte an dem Wohnungsrecht festhält, obwohl sie seit geraumer Zeit wirtschaftlich nicht mehr dazu in der Lage ist, die vereinbarten Nebenkosten zu entrichten. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Zahlung ausstehender Nebenkosten und von Schadensersatz steht den Klägern nicht zu (hierzu unten II.), die nicht gerichtlich geltend gemachten ausstehenden Nebenkosten summieren sich auf einen verhältnismäßig geringen Betrag. Im Übrigen könnten diese Außenstände leicht vermieden werden, wenn die Kläger der Beklagten die Vermietung der Wohnung gestatteten. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat die Kläger in der mündlichen Verhandlung zu entsprechenden Erklärungen aufgefordert und damit die Bereitschaft erklärt, die Haushälfte vermieten zu wollen. Der Beklagten bleibt nach § 1090 Abs. 1 Satz 2 BGB nur mit Gestattung der Beklagten als Grundstückseigentümer die rechtliche Möglichkeit, die vom Wohnungsrecht umfasste Haushälfte an Dritte zu vermieten. Für eine solche Gestattung bedarf es einer Vereinbarung zwischen dem Eigentümer und dem Berechtigten (BGH, Urteil vom 19. Januar 2007 – V ZR 163/06 -, juris Rn. 20). Verweigern die Kläger eine – durchaus auch in ihrem Sinne nützliche – Gestattung der Vermietung, können sie sich umgekehrt nicht auf schikanöses Verhalten der Beklagten berufen.
c) Schließlich liegt ein Schädigungszweck, der darin begründet wäre, dass die Beklagte oder ihr Betreuer nicht auf das Wohnrecht verzichten, fern, weil es dem Betreuer gesetzlich untersagt ist, die Abgabe der Löschungsbewilligung zu erteilen. Das Wohnungsrecht, dem ein wirtschaftlicher Wert zukommt, stellt den einzigen Vermögenswert der Beklagten dar. Die Beklagte ist leistungsunfähig und empfängt Sozialhilfeleistungen. Die Zustimmung zur entschädigungslosen Löschung des Wohnrechts wäre eine Schenkung (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2020 – X ZR 7/20 -, Leitsatz, juris Rn. 20, 23, 28), zu der der Betreuer gemäß §§ 1908i Abs. 2 Satz 1, 1804 BGB nicht berechtigt ist.
II. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 1.398,93 Euro.
1. Ein Anspruch auf Zahlung der Kosten der Wasseranalyse in Höhe von 340,00 Euro besteht nicht. Die Beklagte hat die Übernahme der Kosten für eine regelmäßige Untersuchung gemäß Trinkwasserverordnung vertraglich nicht übernommen. Sie hat darüber hinaus auch keine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung begangen, denn die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Entnahmestellen 14-tägig zu spülen. Zu berücksichtigen ist hier, dass es sich um eine unbewohnte Wohnung handelt und die Beklagte von der Pflegekasse in den Pflegegrad 4 eingestuft worden ist, weshalb mit einer baldigen Rückkehr nicht zu rechnen ist. Das Wasser aus den streitgegenständlichen Leitungen wird demnach vorübergehend nicht von Menschen genutzt, sodass an die Gewährleistung der Genusstauglichkeit und Reinheit des Leitungswassers nicht dieselben Anforderungen zu stellen sind, wie es bei einer bewohnten Wohnung der Fall wäre. Es ist allgemeinkundig (§ 291 ZPO), dass Legionellen Wassertemperaturen über 60 Grad nicht überleben und es ausreichend ist, dass, soweit möglich, mindestens einmal im Jahr dafür gesorgt wird, dass durch das gesamte Warmwassersystem einer Immobilie für mehrere Minuten auf über 60 Grad erhitztes Wasser läuft. Soweit die Kläger um die Genusstauglichkeit und Reinheit des Wassers aus ihren Leitungen besorgt sind, fällt die Gewährleistung nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten.
2. Ein Anspruch auf Zahlung von Mahngebühren in Höhe von 219,94 Euro besteht nicht. Es fehlt bereits an einer schlüssigen Begründung dieses Rechnungspostens.
3. Die Kläger haben gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung der Schornsteinfegerrechnung in Höhe von 67,12 Euro. Die Parteien haben die von der Beklagten zu übernehmenden Nebenkosten in dem gerichtlichen Vergleich vom 29. Januar 2009 abschließend geregelt. Kosten eines Schornsteinfegers sind insoweit nicht aufgeführt.
4. Ein Anspruch auf Nachzahlung der Betriebskosten für das Jahr 2021 in Höhe von 374,50 Euro besteht nicht. Die Kläger haben die Betriebskosten für das Jahr 2021 nicht innerhalb der in § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB festgelegten Frist formell ordnungsgemäß abgerechnet. Wird bei der Bestellung eines dinglichen Wohnungsrechts schuldrechtlich vereinbart, dass der Berechtigte bestimmte Betriebskosten anteilig zu tragen und Vorauszahlungen zu leisten hat, gelten für die Abrechnung über die Vorauszahlungen die Regelungen in § 556 Abs. 3 BGB entsprechend (BGH, Urteil vom 25. September 2009 – V ZR 36/09 -, NJW 2009, 3644). Dass die Beklagte in der Vergangenheit auf eine solche Abrechnung verzichtet hat, schließt das grundsätzliche Erfordernis einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung vor dem Hintergrund der nunmehr gesetzlich angeordneten Betreuung nicht aus. Auch der Wortlaut der Regelung in Ziffer VI. des Vertrags, wonach sich die Kläger verpflichten, unter Berücksichtigung der Vorauszahlung über die jährlichen Kosten abzurechnen, spricht nicht gegen das Erfordernis. Im Zweifel ist entsprechend dem in § 556 Abs. 3 Satz 4 BGB zum Ausdruck gekommenen Regelfall von einer einheitlichen Abrechnung auszugehen. Hiernach hätte bei der vorgenommenen Abrechnung der Heizungskosten für die Heizungsperiode von September 2020 bis August 2021 eine formell ordnungsgemäße Abrechnung aller Nebenkosten bis zum August 2022 erfolgen müssen, um die Frist zu wahren. Dies ist indes nicht erfolgt.
5. Die Kläger haben gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Abschläge für die Heizung in Höhe von 240,00 Euro, der Zusatzkosten für die Ablesung in Höhe von 75,34 Euro und der Wasser- und Abwasserkosten in Höhe von 82,03 Euro. Angesichts des Umstandes, dass die Wohnung unbewohnt ist, entsprechen die Heizungsabschläge nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot, sondern erscheinen überhöht. Nach Ziffer I. des gerichtlichen Vergleichs sind die Kaltwasserkosten zwischen den Parteien entsprechend der im Haushalt lebenden Personen aufzuteilen. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte in der Wohnung keinen Haushalt mehr unterhält. Insofern sind auch diese Beträge überhöht. Die Zusatzkosten für die Ablesung sind schon nicht schlüssig begründet und die Grundlage der Schätzung ist nicht nachvollziehbar.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
V. Der Streitwert setzt sich nach den Angaben der Kläger wie folgt zusammen:
21.032,53 Euro Antrag zu 1:
9.816,80 Euro (Wohnwert für 1 Jahr) Antrag zu 2:
9.816,80 Euro (Wohnwert für 1 Jahr) Antrag zu 3:
1.398,93 Euro