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Mitwirkung Ergänzungspfleger bei Miteigentumsanteilsumschreibung

OLG München – Az.: 34 Wx 311/11 – Beschluss vom 23.09.2011

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Freising – Grundbuchamt – vom 7. Juni 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 ist gemäß notariellem Testament vom 11.6.2010 Alleinerbe seiner am 22.6.2010 verstorbenen Ehefrau. Testamentsvollstreckung ist angeordnet, der Beteiligte zu 1 als Testamentsvollstrecker bestellt. Zur Erbmasse gehört ein Grundstück, das am 8.10.2010 auf den Beteiligten zu 1 als Eigentümer umgetragen ist. Die Eheleute haben zwei minderjährige Kinder, … (geb. 1998; Beteiligter zu 2) und … (geb. 2002; Beteiligte zu 3). Im Testament vom 11.6.2010 ist verfügt:

„Der Erbe wird mit folgenden Vermächtnissen beschwert:

Meine Kinder

– …

– …

erhalten jeweils 1/3 – jeweils ein Drittel – Miteigentumsanteil an folgendem Grundbesitz …

Das verbleibende Drittel erhält der Erbe.

Die Vermächtnisnehmer werden mit folgendem Untervermächtnis belastet:

Mein Ehemann (der Beteiligte zu 1) erhält an den vermachten 2/3-Miteigentumsanteilen an dem genannten Grundstück ein lebenslanges und unentgeltliches Nießbrauchsrecht. …

Meine Kinder als Vermächtnisnehmer sind untervermächtnisweise verpflichtet, gegebenenfalls einer Bebauung durch den Nießbraucher zuzustimmen.

Der Untervermächtnisnehmer kann die Eintragung dieses Nießbrauchs an nächst offener Rangstelle im Grundbuch verlangen.“

In Erfüllung des angeordneten Vermächtnisses überließ der Beteiligte zu 1 zu notarieller Urkunde vom 27.5.2011 jeweils einen 1/3-Grundstücksmiteigentumsanteil an die Beteiligten zu 2 und 3. Die Auflassung wurde erklärt und die grundbuchrechtliche Bewilligung abgegeben. Ferner wurde die Nießbrauchsbestellung entsprechend der letztwilligen Verfügung vereinbart sowie die Eintragung dieses Rechts bewilligt und beantragt.

Auf den notariellen Vollzugsantrag vom 31.5.2011 hat das Grundbuchamt am 7.6.2011 folgende Zwischenverfügung getroffen:

Es fehle an einer wirksamen Auflassung und Bewilligung des Nießbrauchs. Der Beteiligte zu 1 als gesetzlicher Vertreter seiner beiden Kinder sei von deren Vertretung bei der Entgegennahme des Vermächtnisanspruchs (Erklärung der Auflassung) im Zusammenhang mit der Erfüllung des Untervermächtnisses (Bestellung des Nießbrauchs) ausgeschlossen. Der Beteiligte sei für die Vermögenssorge seiner Kinder zuständig, gleichzeitig müsse er sich als Testamentsvollstrecker beaufsichtigen und sei selbst der Begünstigte, falls das Vermächtnis angenommen werde. Es sei ein Ergänzungspfleger zu bestellen, der zu prüfen habe, ob der Vermächtnisanspruch angenommen werde oder ob sogleich der Pflichtteil gemäß § 2307 BGB geltend gemacht werden müsse. Der Pflichtteilsanspruch jedes Kindes sei deutlich höher als der Wert des Grundstücksanteils. Die Pflichtteile wären um den Wert des mit dem lebenslänglichen Nießbrauch belasteten Grundstücks bis zum Tod des Vaters geschmälert. Die Genehmigung der Vermächtniserfüllung als auch ein weiterer Vertrag zwischen dem Vater und den Kindern sei familiengerichtlich zu genehmigen.

Hiergegen richtet sich die vom beurkundenden Notar eingelegte Beschwerde, die damit begründet wird, die Annahme des Vermächtnisses – bei dem Grundbesitz handele es sich um einen unbebauten Bauplatz in guter Lage – sei lediglich rechtlich vorteilhaft. Daran ändere auch der zugunsten des Beteiligten zu 1 verfügte Nießbrauch nichts. Denn die Nießbrauchsbestellung erfolge gleichzeitig mit dem Erwerb der Sache selbst. Ein pflichtteilsmäßiger Nachteil sei nicht erkennbar. Den Kindern stehe ein Restpflichtteil nach § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Zudem sei der Erwerb von Grundeigentum allemal sicherer und werthaltiger als ein auf Geld gerichteter schuldrechtlicher Zahlungsanspruch.

Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.

II.

Die namens sämtlicher Urkundsbeteiligter zulässig erhobene Beschwerde (§ 71 Abs. 1, § 73 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 15 Abs. 2 GBO) hat in der Sache Erfolg.

1. Nach §§ 106, 107 BGB bedarf ein Minderjähriger, der das siebente Lebensjahr vollendet hat, zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.

a) Der Übertragung der Miteigentumsanteile (§§ 925, 1008 BGB) liegt ein fälliger Vermächtnisanspruch nach §§ 2174, 2176 BGB zugrunde. Da der Beteiligte zu 1 gemäß dem Urkundeneingang auch als Inhaber der elterlichen Sorge (§ 1629 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BGB) gehandelt hat, muss das Geschäft in diesem Fall nicht mehr gesondert daraufhin untersucht werden, ob es für den Minderjährigen ausschließlich rechtlich vorteilhaft ist (Zorn FamRZ 2011, 776/778; siehe auch Sonnenfeld Rpfleger 2011, 475/477). Ein gesetzlicher Vertretungsausschluss (§ 181 BGB) besteht schon deshalb nicht, weil die Anteilsübertragung lediglich die Erfüllung der entstandenen und fälligen Verbindlichkeit (Palandt/ Weidlich BGB 70. Aufl. § 2174 Rn. 3), nämlich des angefallenen Vermächtnisses (§ 2176 BGB), zum Gegenstand hat. Nicht anders zu behandeln ist das Untervermächtnis (siehe § 2186 BGB) in Form des dem Beteiligten zu 1 zugewandten Nießbrauchs. Auch insoweit besteht die vollzogene Zuwendung durch die Beteiligten zu 2 und 3 lediglich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit, so dass der Beteiligte zu 1 – wiewohl Begünstigter – von der Vertretung nicht ausgeschlossen ist (§ 1629 Abs. 2, § 1795 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 181 BGB; vgl. Zorn und Sonnenfeld a.a.O.; Kölmel RNotZ 2010, 618/619). Anders zu beurteilen wäre dies nur, wenn die Verbindlichkeit ihren Grund in einem vom Vertreter vorgenommenen Verpflichtungsgeschäft hätte (siehe Sonnenfeld aaO.). Für das gefundene Ergebnis bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit die sogenannte Gesamtbetrachtungslehre (dazu BGHZ 78, 28; BGHZ 161, 170) noch anwendbar ist. Soweit der Senat dies in seinem Beschluss vom 8.2.2011 (34 Wx 18/11 = Rpfleger 2011, 434) anders beurteilt hat, hält er hieran angesichts der aufgezeigten gesetzlichen Systematik (Sonnenfeld aaO.) nicht mehr fest.

b) Die vom Grundbuchrechtspfleger aufgeworfenen, mit der Annahme des Vermächtnisses verbundenen Fragen stellen sich letztlich nicht. Denn ob mit der Anteilsübertragung zugleich eine Annahme des Vermächtnisses verbunden ist, bedarf für den Grundbuchvollzug keiner Klärung.

(1) Der Bundesgerichtshof hat im Verhältnis von schuldrechtlichem Verpflichtungsgeschäft zu dinglicher Überlassung klargestellt, dass eine Gesamtbetrachtung dieser beiden Geschäfte (vgl. BGHZ 78, 28) nicht in Betracht kommt, wenn die der dinglichen Überlassung zugrunde liegende schuldrechtliche Vereinbarung mit rechtlichen Nachteilen verbunden ist (BGHZ 161, 170; siehe dazu jüngst auch Sonnenfeld Rpfleger 2011, 475). Denn dann sei der Schutzzweck des § 107 BGB bereits nicht tangiert, weil dem Minderjährigen aus dem unwirksamen Grundgeschäft eine rechtliche Verpflichtung nicht erwachsen könne. Der etwaige bereicherungsrechtliche Ausgleich beeinträchtige das sonstige Vermögen des Minderjährigen nicht (BGHZ 161, 170/175 f.).

(2) Entsprechendes hat hier im Verhältnis zwischen dem notwendigen dinglichen Vollzug des Vermächtnisanspruchs durch formgerechte Übereignung (vgl. Palandt/Weidlich § 2174 Rn. 4) und einer damit möglicherweise – indes nicht zwangsläufig – einhergehenden Annahme des Vermächtnisses (vgl. § 2186 BGB), die konkludent in der Entgegennahme des zugewendeten Gegenstands gesehen werden kann (siehe Palandt/Weidlich BGB 70. Aufl. § 2180 Rn. 1; RGRK/Johanssen BGB 12. Aufl. § 2180 Rn. 2), zu gelten. Lediglich rechtlich vorteilhaft und damit ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters wirksam (vgl. § 107 BGB) ist nur die Annahme eines unbelasteten (vgl. Staudinger/ Knothe BGB Bearb. Juli 2004 § 107 Rn. 11, 17; MüKo/Schmitt BGB 5. Aufl. § 107 Rn. 47; Soergel/Hefermehl BGB 13. Aufl. § 107 Rn. 2), nicht hingegen eines belasteten Vermächtnisses. Das gegenständliche Vermächtnis ist jedoch mit einem Untervermächtnis belastet (§ 2186 BGB; siehe KG NJW 1964, 1808), nämlich beschwert mit der Verpflichtung, dem Beteiligten zu 1 an den vermachten Miteigentumsanteilen ein Nießbrauchsrecht zu bestellen. Die Beteiligten zu 2 und 3 müssten sich als pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge der Erblasserin ein (angenommenes) Vermächtnis auf den Zusatzpflichtteil anrechnen lassen (§§ 2305, 2307 Abs. 1 BGB), und zwar bei der Wertberechnung ohne Rücksicht auf den untervermächtnisweise zugewandten Nießbrauch (§ 2307 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB; G. Müller in Burandt/Rojahn Erbrecht § 2307 BGB Rn. 25). Darauf, was letztlich wirtschaftlich günstiger wäre – Erwerb von belasteten Grundeigentumsanteilen oder ein auf Geld gerichteter Zahlungsanspruch -, kommt es nicht an.

c) Die Auflassung als dingliches Vollzugsgeschäft ist auch nicht deshalb (schwebend) unwirksam, weil zugleich mit der Eigentumsübertragung der Grundstücksanteil mit einem Nießbrauch belastet wird. Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls dann, wenn der Nießbraucher – wie hier – über § 1041 Satz 2, § 1047 BGB hinaus auch die privaten Lasten in Form von Kosten außergewöhnlicher Ausbesserungen und Erneuerungen sowie die – auch außergewöhnlichen – öffentlichen Lasten zu tragen hat (BGHZ 161, 170/177 ff. m.w.N.; kritisch Kölmel RNotZ 2010, 618/625). Soweit der Nießbraucher befugt sein soll, den Nießbrauchsgegenstand entgegen § 1037 Abs. 1 BGB wesentlich umzugestalten, insbesondere zu bebauen, handelt es sich um eine schuldrechtliche Verpflichtung, der keine dingliche Wirkung zukommen kann (vgl. BayObLGZ 1977, 205; Palandt/Bassenge BGB 70. Aufl. § 1037 Rn. 1) und die deshalb für den Vollzug des Grundbuchantrags ohne Bedeutung ist.

2. Es besteht auch kein Grund, die familiengerichtliche Genehmigung des Rechtsgeschäfts zu verlangen. Denn einer der Tatbestände von § 1643 Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 1821, 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11 BGB liegt nicht vor. Insbesondere handelt es sich bei dem Erwerb von Anteilen mit gleichzeitiger Einräumung des Nießbrauchs nicht um eine Verfügung über ein Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstück (MüKo/Wagenitz BGB 5. Aufl. § 1821 Rn. 22/23; siehe auch Senat vom 8.2.2011, 34 Wx 40/11 = NJW-RR 2011, 595) und bei der Entgegennahme der Auflassung nicht um eine Verfügung im Sinne von § 1821 Abs. 1 Nr. 2 BGB (MüKo/Wagenitz § 1821 Rn. 34; Senat aaO.). Im Gegensatz zur Ausschlagung (vgl. § 1822 Abs. 1 Nr. 2 BGB) wäre die Annahme eines Vermächtnisses auch nicht genehmigungspflichtig (vgl. BayObLG Rpfleger 1996, 455).

3. Das Grundbuchamt darf deshalb gemäß §§ 19, 20 GBO die beantragte Umschreibung des Miteigentumsanteile auf die minderjährigen Beteiligten zu 2 und 3 und die Eintragung des als Untervermächtnis dem Beteiligten zu 1 zugewandten Nießbrauchs (§ 1019 BGB) nicht von der Mitwirkung eines vom Familiengericht zu bestellenden Ergänzungspflegers (§ 1909 BGB) und der familiengerichtlichen Genehmigung abhängig machen.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

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