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Berichtigungsanspruch Insolvenzverwalter hinsichtlich einer unwirksamen Sicherungshypothek

OLG München – Az.: 34 Wx 435/11 – Beschluss vom 27.10.2011

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 2. September 2011 aufgehoben.

II. Das Amtsgericht München – Grundbuchamt – wird angewiesen, die im Grundbuch des Amtsgerichts München von Unterschleißheim in der Dritten Abteilung unter lfd. Nr. 3 eingetragene Zwangssicherungshypothek zu 100.000 € für xx, geb. xx; zu verzinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit 11.09.2008, zu löschen.

III. Außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Insolvenzschuldner ist zu 1/2 Miteigentümer eines Grundstücks. An dessen Grundstücksanteil wurde zugunsten des Beteiligten zu 2, eines Gläubigers, am 5.11.2010 eine Zwangshypothek zu 100.000 € nebst Zinsen gemäß einem Endurteil des Landgerichts B. vom 9.6.2009 im Wege der Sicherungsvollstreckung eingetragen. Über das Vermögen des Schuldners wurde am 24.11.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet; der Beteiligte zu 1 ist zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Antrag auf Eintragung der Eröffnung im Grundbuch stammt vom 30.11.2010; die Eintragung am Grundstücksanteil des Schuldners wurde am 7.12.2010 bewirkt.

Der Beteiligte zu 1 beabsichtigt, den Hälfteanteil durch Veräußerung zu verwerten. Zunächst beantragte er die Löschung der Zwangshypothek im Wege der Grundbuchberichtigung. Auf Zwischenverfügung des Grundbuchamts vom 29.7.2011 änderte er seinen Antrag dahin, einen Vermerk zu der eingetragenen Zwangshypothek anzubringen, wonach diese gemäß § 88 InsO schwebend unwirksam sei und die endgültige Unwirksamkeit eintrete, sobald der Eigentümer nicht mehr als solcher eingetragen sei. Mit Schriftsatz vom 2.9.2011 hat er erneut seinen ursprünglichen Löschungsantrag als Hauptantrag und den Antrag auf Eintragung eines Vermerks zur Zwangssicherungshypothek hilfsweise gestellt.

Das Grundbuchamt hat dem Beteiligten zu 2 als Inhaber der Zwangshypothek Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Dieser hat sich sich gegen eine Löschung verwahrt. Mit Beschluss vom 2.9.2011 hat das Grundbuchamt die Eintragungsanträge zurückgewiesen. Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Zwangshypothek von der Rückschlagsperre erfasst werde, diese zwar schwebend unwirksam sei, jedoch die Möglichkeit einer Konvaleszenz des Rechts bestehe, wenn es als Buchposition erhalten bleibe und mit einem gegebenenfalls geänderten Rang wieder auflebe, wenn der Schuldner bei Verfahrensbeendigung oder Freigabe seine Verfügungsbefugnis wieder erlange. Die Löschung aufgrund Unrichtigkeit würde daher eine weitere potentielle Unrichtigkeit nach sich ziehen, weshalb die Löschungsbewilligung des Gläubigers erforderlich sei. Dem Hilfsantrag könne deswegen nicht entsprochen werden, weil für das Grundbuchrecht der numerus clausus des Sachenrechts gelte, mithin nur eintragungsfähig sei, was auch dazu vorgesehen sei. Die Wiederholung von gesetzlichen Folgen oder deren künftige Auswirkungen sei nicht eintragungsfähig. Die Voraussetzungen des § 88 InsO seien im Zusammenhang mit der Grundbuchakte ersichtlich, während sich die Folgen aus dem Gesetz ergäben. Für die Eintragung eines zusätzlichen Vermerks zur Erläuterung der Rechtslage gebe es keine Grundlage. Noch viel weniger treffe dies für den Fall einer Eigentumsübertragung zu, da die Rechtslage bei künftigen Veränderungen im Grundbuch nicht vorab durch einen entsprechenden Vermerk vorgeprüft werden könne.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1, der davon ausgeht, die eingetretene Rückschlagsperre erfasse die Zwangshypothek und diese sei auf Antrag des Insolvenzverwalters, trotz eines möglichen Wiederauflebens nach Beendigung der Insolvenz, zu löschen.

Das Grundbuchamt hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen.

Vor dem Senat hatte der Beteiligte zu 2 erneut Gelegenheit zur Stellungnahme. An seiner Auffassung, die Zwangshypothek müsse eingetragen bleiben, hält er fest.

II.

Die nach § 71 Abs. 1, § 73 GBO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des im eigenen Namen kraft Amtes beschwerdeberechtigten Insolvenzverwalters hat in der Sache Erfolg. Dem Löschungsantrag im Weg der Grundbuchberichtigung (§ 22 Abs. 1 GBO) ist stattzugeben.

1. Mit dem Grundbuchamt geht der Senat davon aus, dass die Voraussetzungen für das Eingreifen der Rückschlagsperre und damit des § 88 InsO gegeben sind, somit die am 5.11.2011 erlangte Sicherung durch Eintragung der Zwangshypothek mit der Eröffnung des Verfahrens am 24.11.2011 unwirksam geworden ist. Auf den Antrag, das Insolvenzverfahren zu eröffnen, kommt es hier nicht an. Denn bereits die Eröffnung fand innerhalb einer Monats nach Erlangung der Sicherheit statt (vgl. im Einzelnen Keller ZIP 2000, 1324/1331; ZIP 2006, 1174/1179).

2. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.1.2006 (BGHZ 166, 74) sind die von der insolvenzrechtlichen Rückschlagsperre betroffenen Sicherungen eines Gläubigers gegenüber jedermann, wenn auch schwebend, unwirksam. Wird deshalb gemäß § 88 InsO eine Zwangshypothek unwirksam, entsteht keine Eigentümergrundschuld (so noch BayObLG Rpfleger 2000, 448). Jedoch können Gläubigersicherungen, die (schwebend) unwirksam geworden sind, ohne Neueintragung mit entsprechend verändertem Rang wirksam werden, wenn sie als Buchposition erhalten sind und die Voraussetzungen für eine Neubegründung der Sicherung im Wege der Zwangsvollstreckung bestehen. Bei Freigabe des Grundstücks durch den Insolvenzverwalter kann die durch die Rückschlagsperre unwirksam gewordene Zwangshypothek schon im Zeitpunkt der Freigabe wieder wirksam werden. Dessen ungeachtet geht der Bundesgerichtshof ersichtlich davon aus, dass die eingetragene Zwangshypothek, sobald sie unwirksam wird (und aktuell noch ist), auch aufgrund Unrichtigkeitsnachweises (§ 22 GBO) beseitigt werden kann (Rn. 13 und 22; dazu Volmer ZfIR 2006, 441), es somit einer Klage auf Zustimmung zur Löschung gegen den widersprechenden Gläubiger (§ 888 Abs. 2 oder § 894 BGB) nicht bedarf.

Wohl auch die Mehrheit der grundbuchrechtlichen Literatur hält eine Löschung im Wege des Unrichtigkeitsnachweises weiterhin für vollziehbar (Keller ZIP 2006, 1174/1179; Volmer ZfIR 2006, 441; Böttcher NotBZ 2007, 86/89; Wilsch JurBüro 2006, 396/399; wohl auch Hügel/Wilsch GBO 2. Aufl. Insolvenzrecht und Grundbuchverfahren Rn. 10 m.w.N.). Dem hat sich das Oberlandesgericht Köln (ZIP 2010, 1763), wenn auch nur im nichttragenden Teil seiner Entscheidung, angeschlossen und klargestellt, dass die Grundsätze zum Wiederaufleben nur greifen, wenn zum Zeitpunkt der Beendigung des Insolvenzverfahrens oder der Freigabe des Grundstücks die Zwangshypothek noch im Grundbuch eingetragen ist (aaO., S. 1765). Dem schließt sich der Senat an. Denn das vom Bundesgerichtshof befürwortete Wiederaufleben der Sicherung, etwa nach Freigabe durch den Insolvenzverwalter, ist kein Grund, der Gläubigergemeinschaft während des laufenden Insolvenzverfahrens im Verhältnis zu einem Einzelgläubiger die Verwertung des Grundstücks massiv zu erschweren. Das Insolvenzverfahren bezweckt gerade, alle Gläubiger gleichmäßig zu bedienen. Dass der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung das Verhältnis zwischen Insolvenzgläubigern einerseits und Einzelzwangsvollstreckungs- gläubigern andererseits zugunsten der letzteren verschieben wollte, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Betroffen ist, wie auch das Oberlandesgericht Köln erkennt, nur der Fall, dass die Zwangshypothek bestehen bleibt, eine Verwertung des belasteten Grundstücks zugunsten der Masse also nicht stattgefunden hat. Dann ist es sinnvoll, die formelle Buchposition zu erhalten. Wie aufgezeigt, geht auch der Bundesgerichtshof als selbstverständlich davon aus, dass dem Insolvenzverwalter, und zwar bereits auf der Verfahrensebene, die Löschungsmöglichkeit erhalten bleiben soll (s.o.).

Die gegenteilige Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart (Beschluss vom 30.8.2011, 8 W 310/11, bei juris) überzeugt nicht. Die vorhandene Buchposition ist als solche kein Grund, unter den Voraussetzungen des §22 GBO, also auch auf Unrichtigkeitsnachweis, nicht zu löschen. Die Gehörsgewährung im Verfahren der Berichtigung infolge Unrichtigkeitsnachweises ist auch nicht abhängig von der Werthaltigkeit der (grundbuchrechtlichen) Position (BGH Rpfleger 2005, 135/136; siehe Hügel/Holzer § 22 Rn. 21; Demharter GBO 27. Aufl. § 1 Rn. 49). Diese selbst bildet im streng förmlichen Grundbuchverfahren den Anlass für die Beteiligung des ausgewiesenen Berechtigten. Überdies ist die Anhörung schon deshalb keine bloße Förmelei, weil sie auch der Sachaufklärung dienen kann und nicht völlig auszuschließen ist, dass noch Umstände (etwa die Freigabe; siehe dazu Keller ZIP 2006, 1174/1179) zutage treten, die für die Entscheidung des Grundbuchamts von Bedeutung sind.

3. Die in der Literatur angedachte Möglichkeit (Bestelmeyer Rpfleger 2006, 388; Wilsch JurBüro 2006, 396/399), im Grundbuch in der Veränderungsspalte die schwebende Unwirksamkeit zu vermerken, ist nach Ansicht des Senats verschlossen. Wie das Grundbuchamt zu Recht ausführt, könnte ein derartiger Vermerk lediglich die – aus dem Grundbuch im Übrigen erschließbare – Rechtslage erläutern. Dazu fehlt neben einer praktischen Notwendigkeit auch die gesetzliche Grundlage.

4. Einer Entscheidung über die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens bedarf es nicht, weil solche Kosten nicht angefallen sind (vgl. § 131 Abs. 1 und 3 KostO). Für die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten kann es angesichts der nicht einfachen Rechtslage bei dem allgemeinen Grundsatz der freiwilligen Gerichtsbarkeit verbleiben, dass jede Seite ihre eigenen Kosten selbst trägt.

Für den ersten Rechtszug ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 78 Abs. 2 GBO) gegeben sind. Die Rechtsbeschwerde ist zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (siehe OLG Stuttgart vom 30.8.2011, 8 W 310/11, OLG Köln 2010, 1763).

 

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