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Bauträgervertrag – Notarhaftung bei unwirksamer Abnahmeklausel

Mängelhaftung und die Rolle des Notars: Eine Untersuchung der Verantwortlichkeiten

Die vorliegende Entscheidung betrifft einen Fall, in dem ein Bauträger und Verkäufer, die Klägerin, gegen den beklagten Notar wegen Mängelhaftung und Schadensersatz vorgegangen ist. Hierbei hat das Gericht entschieden, dass der beklagte Notar verpflichtet ist, die Kosten der Mängelbeseitigung und sonstige Schäden zu erstatten, die der Klägerin aus berechtigten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümergemeinschaft entstanden sind und zukünftig entstehen werden. Im Kern des Falles steht das Problem der notariellen Belehrungspflicht und die Fragen um die rechtskonforme Ausführung von Abnahmeprozessen durch Sachverständige.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 U 60/22 >>>

Verletzung der notariellen Amtspflicht

Im Fall wurde der beklagte Notar beschuldigt, seine Amtspflicht verletzt zu haben. Insbesondere wurde kritisiert, dass er die Beteiligten nicht ausreichend über die rechtliche Bedeutung ihrer Erklärungen und die Voraussetzungen für den Eintritt der bezweckten Rechtsfolge belehrt hat. Zudem hat er es versäumt, mit den Beteiligten über Bedenken zu sprechen, ob das Geschäft dem Gesetz oder dem wahren Willen der Beteiligten entspricht. Dies betrifft insbesondere den Sachverständigen, der die Abnahme des Gemeinschaftseigentums und dessen „Abnahmereife“ feststellen sollte, eine Aufgabe, die eine rechtliche Bewertung beinhaltet.

Die Rolle des Sachverständigen und die Frage der Abnahmereife

Das Gericht stellte fest, dass es unzulässig ist, die eigentliche Abnahmeerklärung dem Sachverständigen zu übertragen, insbesondere, wenn dieser von dem vom Bauträger bestellten Erstverwalter ausgewählt wird und die Erwerber keinen Einfluss auf die Auswahl der Person haben. Demnach wurde die Frage der Abnahmereife als eine rechtliche Bewertung angesehen, die den Käufern aufgrund der vereinbarten Bindungswirkung keinen Spielraum für die rechtsgeschäftliche Abnahme mehr lässt.

Fahrlässiges Handeln und der Maßstab der Sorgfalt

Des Weiteren wurde festgestellt, dass der beklagte Notar diese Amtspflichtverletzung auch fahrlässig begangen hat. Dabei wurden die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Notars erörtert: Ein Notar muss über die für die Ausübung seines Berufs erforderlichen Rechtskenntnisse verfügen und sich über die Rechtsprechung der obersten Gerichte sowie über übliche Erläuterungsbücher auf dem Laufenden halten. Erkennbare Tendenzen der Rechtsprechung darf er dabei nicht übersehen.

Kein Anscheinsbeweis bei mehreren Handlungsoptionen

Schließlich wurde in der Entscheidung das Konzept des Anscheinsbeweises diskutiert. Wenn mehrere Handlungsoptionen zur Verfügung stehen, die alle gewisse Risiken oder Nachteile mit sich bringen, gibt es keinen Anscheinsbeweis. Dies war hier relevant, da der Beklagte vortrug, die Klägerin hätte nach Erkennen der Unwirksamkeit der Klausel nachträgliche Einzelabnahmen durchführen können und müssen, was das Gericht jedoch ablehnte.


Das vorliegende Urteil

OLG Celle – Az.: 3 U 60/22 – Urteil vom 01.02.2023

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24. Juni 2022 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin die Mängelbeseitigungskosten und sonstigen Schäden zu erstatten hat, die der Klägerin daraus entstanden sind und zukünftig noch weiter entstehen, dass und soweit die Wohnungseigentümer und/oder die Wohnungseigentümergemeinschaft der Anwesen ###, (in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt, Grundbuch von ###, Blätter ###) berechtigte Gewährleistungs- und/oder Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin als Bauträgerin und Verkäuferin geltend machen können, die aufgrund der unwirksamen Klausel in den Notarverträgen des Beklagten vom 18. Dezember 2013, UR-Nr. 503/2013, vom 9. April 2015, UR-Nr. 106/15, vom 20. April 2015, UR-Nr. 117/15, vom 13. August 2015, UR-Nr. 216/15, vom 26. März 2015, UR-Nr. 92/15, vom 15. April 2015, UR-Nr. 114/15, vom 27. März 2015, UR-Nr. 94/15, vom 19. Dezember 2013, UR-Nr. 506/13, vom 24. Juli 2015, UR-Nr. 195/15, und vom 13. Mai 2014, UR-Nr. 172/14 – mangels wirksamer Abnahme des Gemeinschaftseigentums – ohne Verjährungseintritt und somit zugunsten der Wohnungseigentümer und/oder der Wohnungseigentümergemeinschaft bestanden, bestehen, fortbestehen und/oder erst noch künftig entstehen werden, soweit diese Ansprüche von der Klägerin nicht gegenüber der Generalbevollmächtigten, der Firma ### GmbH, Niederlassung ###, geltend gemacht werden können.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Feststellung seiner Haftung aus notarieller Amtspflichtverletzung in Anspruch.

Die Klägerin errichtete auf dem Grundstück ### in ### durch die als Generalunternehmerin tätige ### GmbH vier Wohngebäude mit insgesamt 41 Eigentumswohnungen, wobei die Bauvertragsparteien im Generalunternehmervertrag vom 5. Mai 2014 (Anlage K 1, Bl. 7 ff. d.A.) eine Gewährleistungsfrist von 5 Jahren und 3 Monaten vereinbarten.

Die Klägerin veräußerte die Eigentumswohnungen mit notariellen Kaufverträgen, die in der Mehrzahl zu den im Antrag benannten UR-Nrn. von dem Beklagten beurkundet wurden. Unter anderem beurkundete der Beklagte am 18. Dezember 2013 zu seiner UR-Nr. 503/2013 einen Kaufvertrag (Anlage K 2, Bl 15 ff. d.A.), in dem es unter § 9 u.a. wie folgt heißt:

„§ 9 Abnahme, Übergabe

[…]

Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums erfolgt nach vollständiger Fertigstellung.

Mit der Prüfung der vollständigen Fertigstellung und der Abnahmefähigkeit wird ein vom zukünftigen Verwalter noch zu benennender Sachverständiger auf Kosten der Wohnungseigentümer beauftragt. Der Sachverständige soll eventuell noch ausstehende Restarbeiten und Mängel protokollieren. Die Feststellungen des Sachverständigen sind für die Verkäuferin und die Käufer verbindlich.

Die Käufer sind zur Abnahme verpflichtet, wenn der Sachverständige keine wesentlichen Mängel, die die Gebrauchsfähigkeit des Gemeinschaftseigentums beeinflussen, feststellt.

Die Verkäuferin und die Käufer sind berechtigt, an der Abnahme teilzunehmen. Die Käufer können stattdessen zwei Personen aus ihrer Mitte bevollmächtigen, die für sie die Abnahme durchführen und unter den vorgenannten Voraussetzungen die Abnahme erklären.

[…]“

Eine entsprechende Regelung fand sich in allen vom Antrag der Klägerin erfassten Kaufverträgen.

Am 3. November 2015 fand aufgrund der vorgenannten Verträge eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums statt, die wie aus der Anlage K 7 (Bl. 54 f. d.A.) ersichtlich protokolliert wurde. Die Abnahme erklärten „für die ###“ zwei Mitarbeiter der sie vertretenden ### mbH, nachdem auf der Grundlage der sachverständigen Begutachtung festgestellt worden war, dass keine wesentlichen, die Gebrauchsfähigkeit des Gemeinschaftseigentums beeinflussenden Mängel vorhanden waren. Die Beseitigung der festgestellten unwesentlichen Mängel wurde ausweislich des Abnahmeprotokolls bis zum 31. Januar 2016 angestrebt.

Soweit der Beklagte zudem – u.a. unter dem 11. April 2017 zu seiner UR-Nr. 73/2017, wie aus der Anlage K 4 (Bl. 27 ff. d.A.) ersichtlich – weitere Kaufverträge als sog. Nachzüglerverträge beurkundete, ist die darin enthaltene modifizierte Abnahmeklausel zuletzt nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.

In einem Prozess vor dem Landgericht ### betreffend ein anderes Bauobjekt mit abweichender Abnahmeklausel wurde die Klägerin vom Gericht am 22. Januar 2021 darauf hingewiesen, dass diese Klausel nach § 307 BGB unwirksam sei, weil sie das Recht eines jeden Erwerbers, über die Abnahme selbst zu entscheiden, unangemessen einschränke (vgl. Anlage K 3, Bl. 25 f. d.A.).

Mit Schreiben ihrer späteren Prozessbevollmächtigten vom 18. Januar 2021 (Anlage K 5, Bl. 37 ff. d.A.) forderte die Klägerin den Beklagten zur Abgabe einer Erklärung auf, dass er – der Beklagte – zur Erstattung der Schäden infolge der nach Auffassung der Klägerin unwirksamen Abnahmeklauseln verpflichtet sei. Der Beklagte verweigerte dies mit E-Mail vom 4. Februar 2021 (Anlage K 6, Bl. 39 d.A.).

Zur Begründung ihrer auf Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichteten Klage hat die Klägerin – soweit in der Berufungsinstanz noch von Interesse – die Auffassung vertreten, dass der Beklagte mit der Verwendung der Abnahmeklausel gegen die ihm obliegenden Amtspflichten verstoßen habe. Die Klausel sei gemäß § 307 BGB unwirksam, da mit ihr das Recht und die Pflicht zur Abnahme jedenfalls im Ergebnis durch einen „Abnahmezwang“ für die Erwerber an einen aus dem Lager der Verkäuferin stammenden bevollmächtigten Dritten übertragen worden sei. Die im Jahr 2015 durchgeführte Abnahme entfalte deshalb gegenüber den Erwerbern keine Wirkung. Hierauf habe der Beklagte bei Vertragsschluss hinweisen müssen. Eine Abnahme sei – anders als zum damaligen Zeitpunkt wegen der ausweislich des Protokolls nur unwesentlichen Mängel – derzeit nicht möglich, da noch „eine Vielzahl von Mängeln am Bauvorhaben zu beseitigen“ seien, weshalb die fünfjährige Gewährleistungsfrist gegenüber den Erwerbern noch nicht zu laufen begonnen habe. Mithin sei sie – die Klägerin – aufgrund der unwirksamen Klausel über Jahre gegenüber den Käufern zur Gewährleistung verpflichtet, ohne selbst die Generalunternehmerin in Regress nehmen zu können. Hätte der Beklagte hingegen eine wirksame Abnahmeklausel beurkundet oder ganz auf eine solche verzichtet, so hätte die Klägerin die Möglichkeit zur individuellen Abnahme gehabt und die Gewährleistungsfristen zwischen ihr und der Generalunternehmerin einerseits und ihr und den Erwerbern andererseits wären nicht auseinandergelaufen.

Von den Pflichtverletzungen des Beklagten habe die Klägerin erst mit Zugang des Hinweisbeschlusses des Landgerichts ### Kenntnis erhalten.

Der Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt und sowohl eine Pflichtverletzung als auch ein Verschulden und die Kausalität eines etwaigen Verstoßes für einen – ebenfalls bestrittenen – Schaden in Abrede genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und der dort gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer – soweit im Berufungsverfahren von Interesse – ausgeführt, zwar falle dem Beklagten eine schuldhafte Pflichtverletzung zur Last, weil die in § 9 des Vertrages vom 18. April 2013 verwendete Gutachterklausel gemäß § 307 BGB unwirksam sei. Diese Unwirksamkeit ergebe sich allerdings nicht aus dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Delegation der Abnahme, weil der Sachverständige nur mit der Feststellung der Abnahmereife, nicht aber mit der Erklärung der Abnahme selbst betraut worden sei. Jedoch ergebe sich eine unangemessene Benachteiligung der Erwerber aus der veröffentlichten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit obligatorischer Schiedsgutachterklauseln, die dem Beklagten hätte bekannt sein müssen. Die Pflichtverletzung sei jedoch nicht kausal für einen möglichen Schaden der Klägerin geworden. Nach dem Inhalt von § 9 des Vertrages vom 18. April 2013 sei unabhängig von der Wirksamkeit der Gutachterklausel jedenfalls eine individuelle Abnahme im Verhältnis zu allen Erwerbern notwendig gewesen, auf deren Erforderlichkeit sich die unwirksame Klausel nicht ausgewirkt habe.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie zuletzt nur den Feststellungsantrag bezogen auf die Ursprungsverträge aus den Jahren 2103 bis 2015 weiterverfolgt. Im Übrigen – hinsichtlich der Nachzüglerverträge – hat die Klägerin ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil teilweise zurückgenommen.

Die Klägerin meint, das Landgericht habe bereits den Umfang der Pflichtwidrigkeit des Beklagten verkannt, weil die Abnahmeklausel unwirksam sei. Die Pflichtverletzung sei für den Schaden auch kausal geworden. Bei einem unterstellten Hinweis auf die Unwirksamkeit der vertraglichen Klausel hätte die Klägerin eine wirksame Regelung der Abnahme getroffen und diese durchgeführt. Die tatsächlich erfolgte (unwirksame) Abnahme vom 3. November 2015 sei in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Dass nach Auffassung des Landgerichts auch unter Berücksichtigung des vom Beklagten beurkundeten Vertragsinhalts die Klägerin selbst die Einzelabnahmen hätte durchführen können und müssen, sei keine Kausalitätsfrage, sondern allenfalls unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Mitverschuldens zu berücksichtigen. An einem solchen Verschuldensvorwurf fehle es aber, weil in dem Vertrag eine Vertretungsmöglichkeit für Erwerber bei der Abnahme ausdrücklich vorgesehen gewesen sei und infolge der vermeintlichen Verpflichtung der Erwerber zur Abnahme nach den Feststellungen des Sachverständigen eine eigenständige und freie Willensbildung ausgeschlossen gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 120 ff. d.A.) und den Schriftsatz vom 27. Oktober 2022 (Bl. 177 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt zuletzt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin die Mängelbeseitigungskosten und sonstigen Schäden zu erstatten hat, die der Klägerin daraus entstanden sind und zukünftig noch weiter entstehen, dass und soweit die Wohnungseigentümer und/oder die Wohnungseigentümergemeinschaft der Anwesen ### (in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt, Grundbuch von ### Blätter ###) berechtigte Gewährleistungs- und/oder Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin als Bauträgerin und Verkäuferin geltend machen können, die aufgrund der unwirksamen Klausel in den Notarverträgen des Beklagten vom 18. Dezember 2013, UR-Nr. 503/2013, vom 9. April 2015, UR-Nr. 106/15, vom 20. April 2015, UR-Nr. 117/15, vom 13. August 2015, UR-Nr. 216/15, vom 26. März 2015, UR-Nr. 92/15, vom 15. April 2015, UR-Nr. 114/15, vom 27. März 2015, UR-Nr. 94/15, vom 19. Dezember 2013, UR-Nr. 506/13, vom 24. Juli 2015, UR-Nr. 195/15, und vom 13. Mai 2014, UR-Nr. 172/14 – mangels wirksamer Abnahme des Gemeinschaftseigentums – ohne Verjährungseintritt und somit zugunsten der Wohnungseigentümer und/oder der Wohnungseigentümergemeinschaft bestanden, bestehen, fortbestehen und/oder erst noch künftig entstehen werden, soweit diese Ansprüche von der Klägerin nicht gegenüber der Generalbevollmächtigten, der Firma # ##GmbH, Niederlassung ###, ###, geltend gemacht werden können.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und meint insbesondere weiterhin, dem Beklagten sei keine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen. Den Erwerbern sei das Recht zur rechtsgeschäftlichen Abnahme verblieben, weil der Sachverständige lediglich die Abnahmereife in technischer Hinsicht habe feststellen sollen. Der Beklagte habe auch nicht schuldhaft gehandelt, weil eine etwaige Unwirksamkeit der Klausel zum Zeitpunkt der Beurkundung nicht ersichtlich gewesen sei. Jedenfalls sei eine etwaige Pflichtverletzung des Beklagten nicht kausal für den von der Klägerin behaupteten Schaden geworden. Es streite kein Anscheinsbeweis dafür, dass die Klägerin bei einem unterstellten Hinweis des Beklagten auf die etwaige Unwirksamkeit der Abnahmeklausel diese nicht verwendet hätte. Zudem habe es die Klägerin versäumt, das Gemeinschaftseigentum im Wege der Einzelabnahmen abnehmen zu lassen. Stattdessen habe die Klägerin vertragswidrig die Abnahme durch die WEG durchführen lassen, was dem Beklagten nicht angelastet werden könne. Im Übrigen wären die Käufer auch bei Geltung der von der Klägerin vorgetragenen Abnahmeklauseln zur Verweigerung der Abnahme wegen wesentlicher Mängel berechtigt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die Berufungserwiderung vom 17. Oktober 2022 (Bl. 166 ff. d.A.) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in dem nach der teilweisen Berufungsrücknahme verbleibenden Umfang Erfolg. Die Klage ist insoweit zulässig (dazu nachfolgend unter 1.) und begründet (dazu nachfolgend unter 2.).

1. Die Klage ist mit dem zuletzt gestellten Antrag zulässig.

a) Den vom Senat im Beschluss vom 9. September 2022 (Bl. 145 ff. d.A.) unter Ziffer 2.a) geäußerten Bedenken an der hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hat die Klägerin mit der Neufassung des Antrags im Schriftsatz vom 27. Oktober 2022 Rechnung getragen und nunmehr alle Verträge, aus denen die Klägerin Ansprüche gegen den Beklagten herleiten will, in den Antrag aufgenommen.

b) Das vom Senat ebenfalls in dem o.g. Beschluss angesprochene Feststellungsinteresses gemäß § 256 Abs. 1 ZPO besteht ebenfalls.

Steht – wie hier – nicht die Verletzung eines absoluten Rechtsguts, sondern „nur“ einer Norm zum Schutz des Vermögens im Raum, muss der Kläger schon für die Zulässigkeit der Klage eine Vermögensgefährdung substantiiert dartun (vgl. Zöller/ Greger, ZPO, 34. Aufl., § 256 Rn. 9 m.w.N.).Zwar dürfen die Anforderungen an den Klägervortrag in diesem Punkt nicht überspannt werden; erforderlich ist aber jedenfalls die Darlegung von Tatsachen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 – I ZR 274/16 -, Rn. 23).

Auf den Hinweis des Senats hat die Klägerin zuletzt im Schriftsatz vom 27. Oktober 2022 konkrete Umstände und Zahlen vorgetragen, die ihren drohenden Schaden begründen und beziffern. Dieser Vortrag ist jedenfalls für die Darlegung einer bloßen Vermögensgefährdung ausreichend. Der Umstand, dass die Klägerin nicht vorgetragen hat, dass sich die konkreten Vertragspartner der im Antrag genannten Verträge auf die Unwirksamkeit der Abnahmeklausel berufen, steht dem Interesse der Klägerin an einer zeitnahen Feststellung – etwa auch zum Ausschluss einer Verjährung – nicht entgegen.

2. In der Sache hat die Klage in dem noch verbleibenden Umfang Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch aus § 19 BNotO zu wegen einer Amtspflichtverletzung des Beklagten – dazu nachfolgend a) -, die letzterer schuldhaft begangen hat – dazu nachfolgend b) – und die auch kausal für den behaupteten (möglichen) Schaden geworden ist – dazu nachfolgend c) und d) -.

a) Der Beklagte hat bei der Beurkundung der im Antrag genannten Kaufverträge aus 2013 bis 2015 die ihm obliegende Hinweis- und Belehrungspflicht aus § 17 Abs. 1 BeurkG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO verletzt.

aa) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG hat der Notar den Willen der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären und über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren. Damit soll gewährleistet werden, dass die zu errichtende Urkunde den Willen der Parteien vollständig sowie inhaltlich richtig und eindeutig wiedergibt. Demzufolge hat der Notar die Beteiligten über die rechtliche Bedeutung ihrer Erklärungen sowie die Voraussetzungen für den Eintritt der bezweckten Rechtsfolge in dem Umfang zu belehren, wie es zur Errichtung einer dem wahren Willen entsprechenden rechtsgültigen Urkunde erforderlich ist. Bestehen Zweifel, ob das Geschäft dem Gesetz oder dem wahren Willen der Beteiligten entspricht, sollen die Bedenken mit den Beteiligten erörtert werden (§ 17 Abs. 2 Satz 1 BeurkG). Der Notar hat dabei in allen Phasen seiner Tätigkeit den sichersten Weg zu gehen, das heißt den Beteiligten zur sichersten Gestaltung zu raten und dafür zu sorgen, dass ihr Wille diejenige Rechtsform erhält, die für die Zukunft Zweifel ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2016 – III ZR 159/15 -, Rn. 12 ff.).

Es gehört deshalb auch zu den Pflichten des Notars, AGB-Klauseln, die zu Zweifeln an ihrer Wirksamkeit Anlass geben könnten, einer näheren Prüfung zu unterziehen. Stellt sich eine im Vertrag enthaltene Klausel als unwirksam heraus, muss der Notar die Vertragsparteien darauf hinweisen. Aber auch wenn sich die rechtliche Wirksamkeit einer Klausel nicht zweifelsfrei klären lässt, darf der Notar das Rechtsgeschäft erst dann beurkunden, wenn die Parteien nach Belehrung über die offene Rechtsfrage und das mit ihr verbundene Risiko auf der Beurkundung bestehen (vgl. BGH; a.a.O., Rn. 34).

bb) Gemessen an diesen Maßstäben gilt für die vom Beklagten beurkundeten hinsichtlich der Abnahmeklausel in § 9 wortgleichen Verträge aus 2013 bis 2015 Folgendes:

(1) Das Landgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht eine Pflichtverletzung des Beklagten im Zusammenhang mit der Beurkundung des Vertrages vom 18. Dezember 2013 festgestellt.

(a) Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung des Landgerichts, dass die Regelung in § 9 des Vertrags unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Schiedsgutachterklauseln unwirksam sei. Die vom Landgericht zitierte Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1991 – VII ZR 2/91 -) betrifft den Fall der Beurteilung von im Gewährleistungsprozess streitigen Baumängeln durch einen obligatorischen Schiedsgutachter und wurde vom Bundesgerichtshof damit begründet, dass hiermit ein mögliches Fehlgutachten praktisch unangreifbar und der gerichtliche Rechtsschutz für Mängelgewährleistungsansprüche unangemessen verkürzt wird.

Darum geht es hier gerade nicht, weil den Erwerbern nach den vom Beklagten beurkundeten Kaufverträgen sämtliche Mängelrechte verbleiben und sie diese – auch gerichtlich – ohne Bindung an eine obligatorische Schiedsgutachterklausel geltend machen können. Vielmehr ist im vorliegenden Fall der Gutachter „nur“ im Zusammenhang mit der Abnahme tätig, so dass sich hier die von den Parteien diskutierte Frage der Wirksamkeit der konkreten Abnahmeklausel (nicht: Schiedsgutachterklausel) stellt.

(b) Im Ergebnis ist dem Landgericht aber zuzustimmen, dass § 9 des Vertrages in der vom Beklagten beurkundeten Fassung unwirksam ist. Der Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich daraus, dass das jedem einzelnen Erwerber zustehende Recht zur Abnahme auch bezüglich des Gemeinschaftseigentums (vgl. dazu grundlegend BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 – VII ZR 72/84 -) durch die streitgegenständliche Regelung unterlaufen wird.

Zwar hat das Landgericht im Ausgangspunkt zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Sachverständigen nach § 9 nicht die eigentliche Abnahmeerklärung übertragen wird, was angesichts der Tatsache, dass die Erwerber auf die Person des Sachverständigen keinen Einfluss haben, sondern dieser von dem vom Bauträger bestellten Erstverwalter ausgewählt wird, unzweifelhaft unzulässig wäre (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 30. September 2013 – 1 U 18/12 -; OLG Karlsruhe, Urteil vom 27. September 2011 – 8 U 106/10 -; OLG Brandenburg, Urteil vom 13. Juni 2013 – 12 U 162/12 -; BeckOGK/Fehrenbach, Stand: 01.09.2022, § 307 Abnahmeklausel Rn. 43 m.w.N.).

Da jedoch die Erwerber bei der „eigenen“ Erklärung der Abnahme an die vorangegangene Feststellung der Abnahmereife durch den Sachverständigen gebunden sind, verbleibt ihnen faktisch keinerlei Einfluss mehr auf die Abnahmeentscheidung. Damit wird den Erwerbern jedenfalls im Ergebnis das Recht zur individuellen Abnahme entzogen, weil ihnen die Möglichkeit genommen wird, über die Ordnungsgemäßheit der Werkleistung selbst zu befinden. Dies hat die Unwirksamkeit der Klausel zur Folge (vgl. BeckOGK/Fehrenbach, Stand: 1.9.2022, § 307 Abnahmeklausel Rn. 41 ff. m.w.N.).

Es handelt sich – anders als der Beklagte meint – vorliegend nicht etwa um eine zweistufige Regelung, wie sie teilweise in der Literatur diskutiert und für zulässig erachtet wird (vgl. dazu BeckOGK/Fehrenbach, a.a.O. Rn. 47; BeckOGK/Kober, Stand: 1.7.2022, § 634 Rn. 567.8; v. Oefele, Abnahmeregelung für das Gemeinschaftseigentum im Bauträgervertrag nach der WEG-Novelle, DNotZ 2011, 249), bei der zwischen „technischer Abnahme“ durch einen Sachverständigen und „rechtsgeschäftlicher Abnahme“ durch den Erwerber zu trennen ist. Zum einen wäre auch eine solche Stufenregelung allenfalls dann zulässig, wenn der Sachverständige neutral ist bzw. von beiden Vertragsparteien ausgesucht wird. Zum anderen soll der Gutachter nach der hier vorliegenden Regelung nicht nur den technischen Zustand des Gemeinschaftseigentums, sondern ausdrücklich auch dessen „Abnahmereife“ feststellen, was bereits eine rechtliche Bewertung beinhaltet und den Käufern angesichts der vereinbarten Bindungswirkung keinerlei Spielraum für die rechtsgeschäftliche Abnahme mehr belässt.

Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat argumentiert hat, der Käufer könne sich über die Einschätzung des Sachverständigen hinwegsetzen – wie es bei einer zweistufigen Regelung in dem o.g. Sinne der Fall sein könnte – ist dies angesichts der hier vertraglich vereinbarten Bindungswirkung unzutreffend. Insoweit kann der Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass das Gesetz (in § 640 Abs. 1 BGB) eine Pflicht des Bestellers zur Abnahme des vertragsmäßig hergestellten Werks vorliegt. Dies ändert nichts daran, dass den Käufern auf der Grundlage der konkreten vertraglichen Regelung die Möglichkeit genommen wird, über die Ordnungsmäßigkeit der Werkleistung selbst – ggf. auch mit Hilfe eines eigenen Sachverständigen – zu befinden.

b) Diese Amtspflichtverletzung hat der Beklagte auch fahrlässig begangen.

aa) Der pflichtbewusste und gewissenhafte durchschnittliche Notar muss über die für die Ausübung seines Berufs erforderlichen Rechtskenntnisse verfügen. Er hat sich über die Rechtsprechung der obersten Gerichte, die in den amtlichen Sammlungen und den für seine Amtstätigkeit wesentlichen Zeitschriften veröffentlicht ist, unverzüglich zu unterrichten sowie die üblichen Erläuterungsbücher auszuwerten. Zwar hat der Notar nicht die Pflicht, die künftige Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorauszuahnen. Erkennbare Tendenzen der Rechtsprechung darf er allerdings nicht übersehen. Dies gilt auch im Hinblick auf künftige Entscheidungen im Bereich der richterlichen Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. In diesem Zusammenhang darf zwar die objektiv unrichtige Verwendung neu entwickelter Allgemeiner Geschäftsbedingungen, deren Inhalt zweifelhaft sein kann und durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht klargestellt ist, einem Notar nicht als Verschulden angelastet werden, wenn er nach sorgfältiger Prüfung zu einer aus seiner Sicht keinen Zweifeln unterliegenden Rechtsauffassung gelangt und dies für rechtlich vertretbar gehalten werden kann. Jedoch musst der Notar – wie oben ausgeführt – über offene Rechtsfragen und das daraus folgende Risiko selbst ohne jegliche Vorgaben belehren (vgl. zu allem Vorstehenden: BGH, Urteil vom 21. Januar 2016 – III ZR 159/15 -, Rn. 18 ff.).

bb) Danach stellte es einen sorgfaltswidrigen Pflichtverstoß dar, dass der Beklagte die streitgegenständlichen Verträge beurkundete, ohne die Klägerin zuvor über die Unwirksamkeit der Abnahmeklausel zu belehren.

Entgegen seiner Auffassung kann sich der Beklagte insoweit nicht darauf berufen, dass die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und der Obergerichte nicht den hier geregelten Fall erfassten, in dem „nur“ die Beurteilung der Abnahmereife und nicht die Abnahmeerklärung selbst auf einen im Lager des Bauträgers stehenden Dritten übertragen wird. Denn auch aus der bis Dezember 2013 ergangenen Rechtsprechung (insbesondere BGH, Beschluss vom 12. September 2013 – VI ZR 308/12 – sowie von der Klägerin zitierte OLG-Entscheidungen) ergab sich der oben dargelegte Grundsatz der Unwirksamkeit von Klauseln, mit denen dem einzelnen Erwerber das Recht zur individuellen Abnahme entzogen und die Möglichkeit genommen wird, über die Ordnungsgemäßheit der Werkleistung selbst zu befinden. Die daraus folgenden Probleme bei der Praxis der Gestaltung von Bauträgerverträgen wurden auch in der Literatur bereits geraume Zeit vor Dezember 2013 umfassend diskutiert und auf die Gefahren einer „Vergemeinschaftung“ der Abnahme hingewiesen (vgl. nur Vogel, Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums – ein (immer noch) ungelöstes Problem der Bauträgerpraxis, NZM 2010, 377; von Oefele, Abnahmeregelung für das Gemeinschaftseigentum im Bauträgervertrag nach der WEG-Novelle, DNotZ 2011, 249; Lucenti, Der Bauträgervertrag in der Wirtschaftskrise – Ein Minenfeld aus Verbrauchersicht, NZBau 2010, 469). Um eine strikte Trennung zwischen „technischer“ und „rechtsgeschäftlicher“ Abnahme, die der Beklagte für zulässig hätte erachten können, ging es im vorliegenden Fall gerade nicht.

c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist auch die Kausalität der Pflichtverletzungen für den behaupteten Schaden gegeben.

aa) Im Rahmen des § 19 BNotO hat der Geschädigte unter anderem zu beweisen, dass der ihm entstandene Schaden in ursächlichem Zusammenhang mit der Amtspflichtverletzung steht (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1992 – IX ZR 209/91 -). Zur Beantwortung der Frage, welchen Schaden die Pflichtverletzung zur Folge hatte, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage des Betroffenen sein würde, wenn der Notar die Pflichtverletzung nicht begangen, sondern pflichtgemäß gehandelt hätte. Sofern die Pflichtverletzung in einer Unterlassung besteht, muss untersucht werden, wie die Dinge bei pflichtgemäßem positiven Handeln verlaufen wären. Es muss also hinzugedacht werden, dass der Schädiger seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2017 – IX ZR 34/17 -, Rn. 27).

Bei der Notarhaftung gilt wie im Anwaltsvertragsrecht die Regel, dass bei Verstößen gegen die Beratungspflicht zu Gunsten des Geschädigten die Vermutung eingreift, dieser hätte sich bei vertragsgerechtem Handeln des Beauftragten im Rahmen der geschuldeten Belehrung beratungsgemäß verhalten (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1992 – IX ZR 209/91 -). Hingegen unterliegen entferntere Folgeentschlüsse des Ratsuchenden den allgemeinen Beweisregeln. Besteht also nicht nur eine einzige verständige Entschlussmöglichkeit, sondern stehen mehrere Handlungsweisen als naheliegend offen und bergen sämtliche von ihnen gewisse Risiken oder Nachteile in sich, die zu gewichten und gegenüber den Vorteilen abzuwägen sind, so gibt es keinen Anscheinsbeweis. Nur wenn im Falle der Verletzung der Beratungspflicht feststeht, dass der Schaden vermieden worden wäre, falls der sachgemäße Rat gegeben und befolgt worden wäre, ist der Berater für seine Behauptung beweispflichtig, dass der Beratene sich nicht an den Rat gehalten hätte. Soweit keine feste Lebenserfahrung für eine bestimmte Entwicklung spricht, muss auch bei Amtspflichtverletzungen der Geschädigte beweisen, dass sein Schaden durch die Amtspflichtverletzung des Notars verursacht worden ist (vgl. BGH, a.a.O.).

bb) Nach diesen Maßstäben gilt für die vom Beklagten beurkundeten Verträge Folgendes:

Es spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Klägerin bei einem unterstellten Hinweis des Beklagten auf die Unwirksamkeit der in § 9 der Verträge enthaltenen Abnahmeklausel diese nicht verwendet hätte, weil bei vernünftiger Betrachtungsweise nur diese Entscheidung sinnvoll erschienen wäre. In diesem Fall wäre stattdessen eine wirksame vertragliche Regelung getroffen – dazu (1) – und umgesetzt worden – dazu (2) -. Der Anscheinsbeweis und damit die Kausalität wird vorliegend weder durch die tatsächlich erfolgte (unwirksame) Abnahme vom 3. November 2015 ausgeschlossen – dazu (3) – noch durch eine spätere konkludente Abnahme – dazu (4) – noch durch die vom Landgericht angenommene Möglichkeit und Notwendigkeit einer von der Klägerin zu veranlassenden Einzelabnahme – dazu (5) -.

(1) Soweit nach einer fehlerfrei erteilten Belehrung eine neue – andere – Regelung für die Abnahme des Gemeinschaftseigentums hätte getroffen werden müssen, hat die Klägerin auf den entsprechenden Hinweis des Landgerichts (mit Verfügung vom 22. Februar 2022, Bl. 45 f. d.A.) im Schriftsatz vom 2. März 2022 (Bl. 52 ff. d.A.) nachvollziehbar vorgetragen, welche – wirksame – Abnahmeklausel dann vereinbart worden wäre. Auch über die an die Stelle der unwirksamen Klausel zu setzende Regelung hätte der Beklagte im Übrigen belehren und eine wirksame Alternative vorschlagen müssen. Dass die Klägerin diesem Vorschlag gefolgt wäre, entspricht angesichts ihres Vertrauens in den fachkundigen Notar der Lebenserfahrung. Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür (und werden auch von dem Beklagten nicht geltend gemacht), dass sich die Erwerber auf eine derartige abweichende Regelung nicht eingelassen hätten. Im Gegenteil wäre die Einzelabnahme ohne Bindung an Feststellungen eines Sachverständigen für die Käufer sogar vorteilhafter gewesen. Dies hat der Beklagte nicht in Abrede genommen, sondern sich lediglich mit dem unter (2) erörterten Einwand verteidigt, die Erwerber hätten auf der Grundlage dieser Vereinbarung keine Abnahme erklärt.

(2) Soweit sich der Beklagte weiterhin darauf beruft, es sei ungewiss, ob bei Vereinbarung von Einzelabnahmen diese planmäßig Ende 2015 erfolgt wären, vermag dieser Einwand nicht zu überzeugen. Aus dem Protokoll der unwirksamen Abnahme vom 3. November 2015 ergibt sich, dass zum damaligen Zeitpunkt nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens lediglich unwesentliche Mängel vorlagen. Dem Vortrag des Beklagten lässt sich auch nicht entnehmen, warum bei Durchführung von Einzel- statt Gesamtabnahme die jeweiligen Erwerber eine andere Auffassung vertreten hätten bzw. warum im Falle einer Verweigerung die Klägerin ihr Recht zur Abnahme nicht hätte durchsetzen können.

(3) Die tatsächlich erfolgte Abnahme am 3. November 2015 steht der Kausalität der Pflichtverletzung entgegen der Auffassung des Beklagten nicht entgegen, da sie auf der unwirksamen Klausel in § 9 der Verträge beruhte und deshalb ihrerseits unwirksam war. Ein weiterer Unwirksamkeitsgrund ergibt sich auch daraus, dass die Abnahme ausweislich des Protokolls „für die ###“ durch die Verwalterin erklärt wurde, obwohl nach dem Kaufvertrag allenfalls eine Vertretung der Käufer durch „zwei Personen aus ihrer Mitte“ – also nach meinem Verständnis durch zwei Wohnungseigentümer – zulässig gewesen wäre. Sollte diese Formulierung im Vertrag anders zu verstehen und damit auch eine Stellvertretung durch den vom Bauträger bestellten Erstverwalter ermöglicht werden, wie wohl die Klägerin in der Berufungsbegründung meint, wäre die Klausel auch aus diesem Grund gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2013 – VII ZR 308/12 -; Urteil vom 30. Juni 2016 – VII ZR 188/13 – Rn. 10).

(4) Es kann auch nicht etwa – wie die Beklagte hilfsweise einwendet – davon ausgegangen werden, dass mangels späterer Beanstandungen der Erwerber in der Ingebrauchnahme der Wohnung und Zahlung des Kaufpreises eine konkludente Abnahme liegt, infolge derer die Pflichtverletzung des Beklagten sich nicht auswirken würde. Denn die rügelose Nutzung und Zahlung des Erwerbers erfolgte gerade in der unzutreffenden Annahme, das Gemeinschaftseigentum sei bereits wirksam abgenommen, und kann deshalb nicht als Billigung der vertraglichen Leistung mit Erklärungsbewusstsein angesehen werden (vgl. BeckOGK/Kober, Stand: 1.7.2022, § 634 Rn. 567.6; Kniffka/Koeble in: Kniffka/Koeble/Junrgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, Teil 3 Die Abnahme der Bauleistung Rn. 58).

(5) Schließlich überzeugt auch die Auffassung des Landgerichts nicht, die Klägerin hätte auch nach dem Inhalt der beurkundeten Verträge weiterhin ein Recht und eine Pflicht zur Einzelabnahme mit dem jeweiligen Erwerber gehabt, dessen unterlassene Geltendmachung dazu führe, dass sich die Beurkundung der unwirksamen Klausel nicht ausgewirkt habe.

Es erscheint bereits im Ausgangspunkt zweifelhaft, ob ein unterstelltes Unterlassen der etwa möglichen Einzelabnahmen durch die Klägerin die Kausalität ausschließen würde oder nicht allenfalls – wie die Klägerin in der Berufungsbegründung meint – unter dem Gesichtspunkt eines Mitverschuldens nach § 254 BGB zu prüfen wäre, das im Verhältnis zum sachkundigen Berater nur in Ausnahmefällen zu bejahen ist.

Jedenfalls bestand entgegen der Auffassung der Kammer für die Klägerin angesichts ihres aus der Amtspflichtverletzung folgenden Vertrauens auf die Wirksamkeit der Abnahmeklausel kein Anlass, die Erwerber zu derartigen Einzelabnahmen aufzufordern. Die Haftung für eine Pflichtverletzung wegen unzureichender Belehrung über unwirksame AGB kann nicht dadurch ausgehebelt werden, dass man dem Vertragspartner die Durchsetzung der „in Wahrheit“ bestehenden Ansprüche abverlangt.

Im Übrigen weist die Berufungsbegründung zu Recht darauf hin, dass eine Aufforderung der Erwerber zu Einzelabnahmen auf der Grundlage der vertraglichen Regelung und damit infolge der Pflichtverletzung lediglich dazu geführt hätte, dass diese im Glauben an ihre Bindung an die Feststellungen des Sachverständigen die – dann ebenfalls unwirksame – Einzelabnahme erklärt hätten.

(6) Eine Entkräftung des Anscheinsbeweises ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten schließlich auch nicht daraus, dass der Kaufvertrag – wie oben unter (3) ausgeführt – bei der Abnahme die Vertretung der Käufer durch „zwei Personen aus ihrer Mitte“ und nicht durch Mitarbeiter der bevollmächtigten Hausverwaltung „für die ###“ vorsah, so dass (auch) die tatsächlich durchgeführte Abnahme nicht den vertraglichen Regelungen entsprach. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür dargetan oder sonst ersichtlich, dass es bei ordnungsgemäßer Belehrung und der daraus folgenden Vermutung der Aufnahme einer wirksamen Abnahmeklausel ebenfalls zu einer unwirksamen Vertretung der Erwerber gekommen wäre. Im Gegenteil: In diesem Fall wären gerade Einzelabnahmen vereinbart worden, so dass es einer Vertretung durch Personen aus der Mitte der WEG nicht bedurft hätte.

d) Den ihr drohenden Schaden kann die Klägerin bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses und der übrigen Anspruchsvoraussetzungen in dem zuletzt beantragten Umfang als ersatzfähig feststellen lassen.

Die Verwendung der Formulierung „und/oder“ ist nicht zu beanstanden, weil der Beklagte sowohl für Gewährleistungs- als auch für Schadensersatzansprüche haftet, die aufgrund der unwirksamen Klausel noch geltend gemacht werden können, und weil Gewährleistungsrechte bzgl. des Gemeinschaftseigentums – abhängig von den konkret geltend gemachten Ansprüchen – sowohl der WEG als auch den einzelnen Wohnungseigentümern zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2007 – VII ZR 236/05 -).

Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Einwand des Mitverschuldens in Gestalt eines vermeintlichen Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht erhoben hat, weil die Klägerin nach Auffassung des Beklagten nach Erkennen der Unwirksamkeit der Klausel nachträgliche Einzelabnahmen hätten durchführen können und müssen, greift dieser Einwand ebenfalls nicht durch. Zwar verkennt der Senat nicht, dass der Vorbehalt der Bestimmung eines Mitverursachungsanteils im Feststellungsurteil unzulässig ist und dass deshalb für den Erlass eines solchen Urteils kein Raum ist, solange ein im Streit befindliches Mitverschulden des Gläubigers ungeklärt ist und sich mindernd auf die mit einem Feststellungsantrag verfolgte Ersatzpflicht des Schuldners auswirken kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1997 – VI ZR 145/96 -). Vorliegend fehlt es jedoch bereits an schlüssigem Vortrag des für den Mitverschuldenseinwand darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten. Insbesondere ist weder mit Substanz dargetan noch sonst ersichtlich, dass (und ggf. ab wann) die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, entgegen dem Vertragswortlaut und entgegen der nach wie vor vertretenen Auffassung ihres sachkundigen Beraters, des Notars, die Erwerber zu Einzelabnahme aufzufordern. Vielmehr durfte sich die Klägerin – wie oben unter c) bb) (5) ausgeführt – grundsätzlich darauf verlassen, dass der Notar seine Amtspflicht zur Belehrung aus § 17 BeurkG ordnungsgemäß und rechtsfehlerfrei erfüllt hatte. Der Notar, der bei der Durchführung eines Amtsgeschäfts das Recht fehlerhaft anwendet, kann einem Beteiligten ein Mitverschulden in aller Regel selbst dann nicht vorwerfen, wenn dieser – etwa weil er selbst rechtskundig ist – den Fehler hätte bemerken können (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2004 – IX ZR 262/00 -). Im Übrigen weist die Berufungsbegründung zu Recht darauf hin, dass eine unterstellte Aufforderung der Erwerber zu Einzelabnahmen auf der Grundlage der vertraglichen Regelung und damit infolge der Pflichtverletzung lediglich dazu geführt hätte, dass diese im Glauben an ihre Bindung an die Feststellungen des Sachverständigen die – dann ebenfalls unwirksame – Einzelabnahme erklärt hätten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Soweit die Klägerin die Berufung teilweise zurückgenommen hat, trifft sie zwar grundsätzlich die aus § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO folgende Pflicht, die auf diesen Teil der Klageforderung entfallenden Kosten zu tragen. Der entsprechende Anteil beschränkt sich jedoch auf einen Vertrag (nämlich den im ursprünglichen Antrag beispielhaft genannten vom 11. April 2017), da die Klägerin die weitergehende Konkretisierung der Nachzüglerverträge infolge der teilweisen Berufungsrücknahme nicht mehr vorgenommen hat. Im Verhältnis zu den 10 Fällen, in denen der Beklagte die zuletzt noch streitgegenständliche unwirksame Klausel in den „Ursprungsverträgen“ verwendet hat, hat das Teilunterliegen der Klägerin mit 1/11 in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO keine Auswirkungen auf die Kostenentscheidung.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 711 Nr. 10, § 711 ZPO.

Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, sind entgegen der Auffassung der Berufungsbegründung nicht ersichtlich. Die Entscheidung erfordert lediglich die Anwendung der bereits gesicherten Rechtsgrundsätze aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte ab.

 

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