Frühzeitige Auflösung einer GmbH: Ein Fall für das OLG Hamm
In einer neuerlichen Entscheidung hat das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) ein Urteil gefällt, das die interessante Frage rund um die Auflösung einer GmbH und die damit verbundene Rolle des Liquidators betrifft. Im Kern drehte sich der Fall um die frühzeitige Anmeldung der Auflösung einer Gesellschaft und die Versicherung des Liquidators.
Eine Person meldete die Auflösung der Gesellschaft bereits am 2. November 2020 zum Stichtag 31. Dezember 2020 an und gab an, von der Gesellschaftsversammlung zum Liquidator ernannt worden zu sein. Die Erklärung des Liquidators erfolgte jedoch vorzeitig, was vom Amtsgericht Dortmund bemängelt wurde. Eine Diskrepanz, die zur Berufung beim OLG Hamm führte.
Direkt zum Urteil Az: I-27 W 18/21 springen.
Übersicht
Rolle und Verpflichtungen des Liquidators
Die Rolle des Liquidators ist von zentraler Bedeutung in diesem Fall. Ein Liquidator ist grundsätzlich der letzte Geschäftsführer, der zur Durchführung der Liquidation einer aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist. Der Liquidator ist dabei verpflichtet, eine Erklärung abzugeben, in der er versichert, dass keine Umstände vorliegen, die ihn rechtlich von diesem Amt ausschließen. Zu diesen Ausschlussgründen zählen etwa eine gesetzliche Betreuung, ein Berufsverbot oder eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen Vermögensstraftat.
Verfrühte Anmeldung: Kein Eintragungshindernis
Die Frage, ob die vorzeitige Anmeldung der Auflösung einer GmbH ein Eintragungshindernis darstellt, bildete einen zentralen Streitpunkt im vorliegenden Fall. Das Amtsgericht Dortmund hatte den Antrag des Liquidators auf Eintragung der Auflösung der Gesellschaft mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Versicherungserklärung zu früh abgegeben worden war. Hiergegen richtete sich die Beschwerde vor dem OLG Hamm.
Die Hamm’sche Gerichtsinstanz kam zu dem Ergebnis, dass die verfrühte Anmeldung kein Eintragungshindernis darstellt. Wichtig war dabei die Feststellung, dass eine vorzeitige Anmeldung nicht mehr zurückgewiesen werden kann, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung alle Eintragungsvoraussetzungen vorliegen.
Bedeutung der Entscheidung
Diese Entscheidung hat eine bedeutende Relevanz in der juristischen Praxis, insbesondere in Bezug auf die Abwicklung von Gesellschaften und die Rolle des Liquidators. Sie verdeutlicht, dass das Registergericht, auch bei einer verfrühten Anmeldung, im Zweifel weitere Erklärungen oder eine Aktualisierung der Versicherung anfordern kann. Aber entscheidend bleibt, dass es zum Zeitpunkt der Entscheidung auf die Erfüllung der Eintragungsvoraussetzungen ankommt und nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung.
Das vorliegende Urteil
OLG Hamm – Az.: I-27 W 18/21 – Beschluss vom 26.03.2021
Die Zwischenverfügung vom 20. Januar 2021 wird aufgehoben und das Amtsgericht Dortmund – Registergericht – angewiesen, die Eintragung nicht aus den dort und im Schreiben vom 7. Januar 2021 genannten Gründen abzulehnen.
Gründe
I.
Bei der Gesellschaft handelt es sich um ein mittelständisches Handwerksunternehmen, das seinen Geschäftsbetrieb zum Ende des Jahres 2020 eingestellt hat.
1.
Mit Anmeldung vom 2. November 2020 beantragte der Beteiligte die Eintragung der Auflösung der Gesellschaft im Handelsregister zum 31. Dezember 2020 an und teilte mit, dass er von der Gesellschaftsversammlung zum Liquidator bestellt worden sei. Dabei versicherte er, dass keine Umstände vorlägen, aufgrund derer er von Gesetzes wegen vom Amt eines Liquidators ausgeschlossen sei.
Mit Schreiben vom 7. Januar 2021 teilte das Amtsgericht dem Beteiligten mit, dass eine Eintragung derzeit noch nicht erfolgen könne, da die Versicherungserklärung des Liquidators zu früh – und damit zur Unzeit – abgegeben worden sei (Bl. 31 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2021 legte der Beteiligte gegen diese, von ihm als solche verstandene Zwischenverfügung Beschwerde ein (Bl. 33 ff. d.A.). Die Annahme des Amtsgerichts, dass die Versicherung zur Unzeit abgegeben worden sei, sei nicht nachvollziehbar.
Das Amtsgericht teilte ihm daraufhin mit Schreiben vom 20. Januar 2021 mit, die Zwischenverfügung vom 7. Januar 2021 sei nicht rechtsmittelfähig. Zudem bestünden die dort genannten Eintragungshindernisse fort. Die Versicherung des Liquidators sei fast neun Wochen vor der Betriebsaufgabe gestellt worden und daher im Hinblick auf den Zeitraum vom 3. November bis 31. Dezember 2020 nicht aussagekräftig (Bl. 37 f. d.A.).
Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 5. Februar 2021 legte der Beteiligte Beschwerde gegen die Zwischenverfügung vom 20. Januar 2021 ein. Das Amtsgericht habe keine Anhaltspunkte dafür vorgebracht, die gegen die Richtigkeit der Versicherungserklärung vom 2. November 2020 sprächen; daher sei nicht zu erkennen, warum für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2020 eine ergänzende Erklärung beizubringen sei (Bl. 47 ff. d.A.).
Mit Verfügung vom 23. Februar 2021 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 41 d.A.).
II.
Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts vom 20. Januar 2021 hat Erfolg.
1.
Sie ist nach §§ 375 Nr. 6, 382 Abs. 4 S. 2, 402 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ob bereits das Schreiben vom 7. Januar 2021 eine Zwischenverfügung i. S. v. § 382 Abs. 4 S. 1 FamFG enthält (vgl. zur Abgrenzung zur bloßen Anregung Müther, in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 382 Rn. 8 m. w. N.), spielt keine Rolle, da das Amtsgericht dieses inhaltlich mit als solcher deklarierter und auch nach seiner Auffassung rechtsmittelfähiger Zwischenverfügung vom 20. Januar 2021 wiederholt und der Beteiligte mit seinem Schriftsatz vom 5. Februar 2021 zum Ausdruck gebracht hat, dass sich die Beschwerde auch gegen sie richtet. Da er sich zudem gegen das Schreiben vom 7. Januar 2021 zeitnah mit Schreiben vom 15. Januar 2021 zur Wehr gesetzt hat, kann auch offen bleiben, ob die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG bereits mit Zugang des Schreibens vom 7. Januar 2021 ausgelöst worden ist (§ 63 Abs. 3 S. 1 FamFG).
2.
Die Beschwerde ist begründet, da die vom Amtsgericht in der Zwischenverfügung angegebenen Gründe für die Ablehnung der Eintragung nicht tragen.
a) Nach § 66 Abs. 1 GmbHG erfolgt die Liquidation einer Gesellschaft, die ihren Geschäftsbetrieb aufgegeben hat und daher „aufgelöst“ ist, außerhalb eines Insolvenzverfahrens durch eine Liquidation, zu deren Durchführung grundsätzlich der letzte Geschäftsführer berechtigt und verpflichtet ist, wenn nicht einer anderen Person dieses Amt übertragen worden ist. Eine in diesem Sinne aufgelöste Gesellschaft ist im Wege der Liquidation abzuwickeln; bis zur Beendigung der Liquidation besteht sie als juristische Person fort. Dem Liquidator obliegt es, im Interesse der Gesellschaft und ihrer Gläubiger für eine vollständige und sachgerechte Verteilung des Gesellschaftsvermögens zu sorgen. Geborene Liquidatoren sind die zur Zeit der Auflösung im Amt befindlichen Geschäftsführer ohne weiteren Bestellungsakt (oder Amtsannahme). Eine Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung über die Bestellung eines geborenen Liquidators ist allerdings nicht schädlich (vgl. zu alledem nur Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 66 Rn. 14; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 66 Rn. 12; K. Schmidt/Scheller, in: Scholz, GmbHG, Bd. III, 12. Aufl. 2021, § 66 Rn. 5, jew. m.w.N.).
b) Gemessen daran ist die Zwischenverfügung nicht frei von Rechtsfehlern. Mit der Anmeldung hat der Beteiligte das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 2. November 2020 vorgelegt, in dem er zum Liquidator bestellt worden ist. Als geborener und bestellter Liquidator war er verpflichtet, die nach § 66 Abs. 4 S. 1 i. V. m. § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 GmbHG gebotene Erklärung abzugeben. Er musste insbesondere versichern, dass er keiner gesetzlichen Betreuung unterliegt, ihm kein Berufsverbot erteilt worden ist und er nicht rechtskräftig wegen einer vorsätzlich begangenen Vermögensstraftat verurteilt worden ist (vgl. dazu näher § 6 Abs. 2 S. 2 Nrn. 1 bis 3 GmbHG). Das hat er mit der vorgelegten notariell beglaubigten Erklärung vom 2. November 2020 getan.
aa) Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts steht der Anmeldung mittlerweile nicht mehr entgegen, dass die Erklärung zur Unzeit abgegeben worden ist. Zwar lag bis zur Eintragungsreife noch ein Zeitraum von knapp neun Wochen , allerdings hat das Amtsgericht die Anmeldung erst Anfang Januar 2021 bearbeitet, so dass sich daraus allein kein Eintragungshindernis herleiten lässt. Die Zurückweisung eines verfrühten Eintragungsantrags kommt jedenfalls dann nicht mehr in Betracht, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung die Eintragungsvoraussetzungen vorliegen; auf den Umstand, dass der Antrag zu früh eingegangen ist, kann dann nicht mehr abgestellt werden (vgl. OLG Hamm, Beschlüsse vom 20. Dezember 2001 – 15 W 378/01, NZG 2002, 425, zit. nach juris, Rn. 12, vom 8. Februar 2007 – 15 W 34/07, GmbHR 2007, 762, zit. nach juris, Rn. 11, und vom 4. August 2010 – 15 W 85/10, ZIP 2010, 2144; Senat, Beschlüsse vom 4. Oktober 2018 – 27 W 119/18, und vom 13. Dezember 2018 – 27 W 149/18, jeweils unveröffentlicht; vgl. allg. Krafka, in: Krafka/Kühn, Registerrecht, 11. Aufl. 2019, Rn. 147 m. w. N.).
bb) Zwar bleibt es dem Registergericht bei einer von ihm als verfrüht erkannten Anmeldung auch nach Fristablauf unbenommen, Bedenken an der Richtigkeit oder am Fortbestand der zur Eintragung angemeldeten Tatsachen zu erheben und vom Anmeldenden weitere Erklärungen oder eine Aktualisierung der Versicherung anzufordern (vgl. Senat, Beschluss v. 4. Oktober 2018, a. a. O.). Dies folgt schon allgemein aus seiner Pflicht zur Sachaufklärung aus § 26 FamFG und kann sich speziell aus § 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG ergeben. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass konkrete Anhaltspunkte dazu Anlass geben, aus denen sich insbesondere Zweifel an der Richtigkeit der Versicherung ergeben (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 4. August 2010, a.a.O., Rn. 11).
Auf diesen Gesichtspunkt kann die angegriffene Zwischenverfügung aber schon deshalb nicht gestützt werden, weil das Amtsgericht immer nur auf den zeitlichen Aspekt der „Verfrühung“ bzw. der Abgabe zur Unzeit abgestellt und keine inhaltlichen Mängel oder Richtigkeitszweifel vorgebracht hat, und zwar weder in dem Schreiben vom 7. Januar 2021 noch in der als solchen bezeichneten Zwischenverfügung vom 20. Januar 2021. Dort ist unter Bezugnahme auf dieses Schreiben lediglich von „weiterhin“ bestehenden Eintragungshindernissen die Rede und wird zur Begründung die Argumentation dazu vertieft, welche Anforderungen an die zeitliche Nähe der Erklärung zu stellen seien. Zwar endet die Zwischenverfügung damit, dass dem Beteiligten Gelegenheit zur „Nachholung der Versicherung für den Zeitraum vom 03.11.2020 bis 31.12.2020“ innerhalb einer Frist von einem Monat gegeben wird, ohne dass jedoch der Wille erkennbar hervortritt, dass dies aus anderen Gründen geschehen ist, als den Aspekt der mangelnden zeitlichen Nähe der Abgabe der Erklärung aus der Welt zu schaffen. Dieser Gesichtspunkt trägt indes – wie unter aa) dargelegt – die Zurückweisung des Anmeldung gerade nicht.
III.
Demnach war die Zwischenverfügung vom 20. Januar 2021 aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzugeben, um die Anmeldung zur Eintragung vom 2. November 2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden (§ 69 Abs. 1 Sätze 2 und 4 FamFG).
Im Hinblick auf den Erfolg des Rechtsmittels ist weder eine Kostenentscheidung, noch eine Wertfestsetzung, noch eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde veranlasst (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. Juli 2017 – 3 Wx 171/16, ZIP 2017, 2057, zit. nach juris, Rn. 9).