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Amtswiderspruch gegen Löschung eines Geh- und Fahrtrechts

OLG München – Az.: 34 Wx 264/12 – Beschluss vom 22.08.2012

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Deggendorf – Grundbuchamt – vom 11. November 2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Im Grundbuch war an dem Grundstück Fl.Nr.124 – dessen wesentlicher Teil früher mit Nr. 82/3 bezeichnet war – ein Geh- und Fahrtrecht für den jeweiligen Eigentümer von Fl.Nr. 123 (früher Nr. 90/1) eingetragen. In der Bestellungsurkunde vom 25.7.1972 lautet die Bewilligung (Ziffer XVI.) folgendermaßen:

Die unter Buchstabe K. der Vorurkunde näher erwähnte Fahrt verläuft über das Grundstück Fl.Nr. 82/3 …

Die Eheleute Erich und Maria K. räumen hiermit für sich und für ihre jeweiligen Rechtsnachfolger im Eigentum des Grundstücks Fl.Nr. 82/3 dem jeweiligen Eigentümer des neu gebildeten Grundstücks Fl.Nr.90/1 das dauernde und unentgeltliche Recht ein, jederzeit und in beiden Richtungen über denjenigen Teil des Grundstücks Fl.Nr. 82/3 zu gehen und mit Fahrzeugen aller Art, auch Kraftfahrzeugen, zu jeder Tages- und Nachtzeit zu fahren, welcher in dem dieser Urkunde zur Beiheftung übergebenen Lageplan mit blauer Farbe kenntlich gemacht ist, und welcher nach Angabe eine Breite von ungefähr drei Meter hat.

Die anliegende Lageskizze auf einem unbeglaubigten Auszug aus der Flurkarte enthält eine mit blauer Farbe gekennzeichnete Linie, die von der südwestlichen Ecke des dienenden und dort an eine Straßenfläche angrenzenden Grundstücks entlang der südlichen Grenze bis zur nordwestlichen Ecke des hinterliegenden herrschenden Grundstücks verläuft. Eine Fortsetzung der Linie im Osten über die Fläche des dienenden Grundstücks bis zu dessen östlicher Grenze enthält die Planzeichnung nicht.

In der erwähnten Vorurkunde vom 19.12.1956 heißt es unter Buchst. K.:

Um vom Vertragsgrundstück nach Westen zur Straße … zu gelangen, muss die Käuferin auch über ein Grundstück der Verkäufer fahren, welches nördlich an das Vertragsgrundstück angrenzt. …

Weiter hatten sich die Verkäufer dort verpflichtet, der Käuferin und deren Rechtsnachfolgern das unentgeltliche Geh- und Fahrtrecht an dem Grundstück einzuräumen und durch eine Grunddienstbarkeit dinglich zu sichern.

Im Jahr 2003 wurde das belastete Grundstück in die Flurstücke Nrn. 124, 124/2 und 124/3 zerlegt. Das Flurstück Nr. 124/3 wurde an den Sohn der Eigentümer übergeben. Es befindet sich zwischen dem westlichen Straßengrundstück und dem Herrschgrundstück im Bereich der Fahrt. Im Rahmen der Übertragung wurde die Löschung des Geh- und Fahrtrechts infolge lastenfreier Abschreibung an den Flurstücken 124 und 124/2 (nördlich bzw. nordöstlich gelegen) beantragt und im Rahmen dieses Verfahrens die damalige Eigentümerin des herrschenden Grundstücks angehört. Am 15.1.2004 hat das Grundbuchamt schließlich das Recht an dem Grundstück Fl.Nr. 124 gelöscht, während es auf Einwendungen der Eigentümerin des herrschenden Grundstücks hin an Fl.Nr. 124/2 eingetragen blieb.

Die Beteiligte ist nun Eigentümerin des herrschenden Grundstücks und Berechtigte aus dem Geh- und Fahrtrecht. Sie hat mit Schreiben vom 31.10.2011 beim Grundbuchamt die Eintragung eines Widerspruchs von Amts wegen beantragt, weil sie davon ausgeht, das Recht sei irrtümlich oder zu Unrecht an dem Grundstück Fl.Nr.124 gelöscht worden. Die Bewilligung habe dahingehend gelautet, dass das Recht eingeräumt werde, „in beiden Richtungen“ über das dienende Grundstück zu gehen und zu fahren. Ein in beide Richtungen eingeräumtes Geh- und Fahrtrecht sei nur so zu verstehen, dass es sich auch über die gegenüberliegende Grundstücksgrenze und den anschließenden Teil von Fl.Nr.124 bis zur an der Ostgrenze befindlichen öffentlichen Straße fortsetze.

Das Grundbuchamt hat mit Schreiben vom 11.11.2011 die Wiedereintragung des Rechts bzw. die Eintragung eines Amtswiderspruchs abgelehnt. Insbesondere lägen die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs nicht vor. Soweit die Bewilligung dahin formuliere, das Recht zum Gehen und Fahren bestehe „in beiden Richtungen“, könne damit nur gemeint sein, dass die Zufahrt von der Straße zum Grundstück und wieder zurück möglich sei. Zwar sei das ganze Grundstück belastet worden, die Ausübung aber auf einen realen Grundstücksteil beschränkt und der Ausübungsbereich dadurch rechtsgeschäftlich zum Inhalt der Dienstbarkeit gemacht worden. Dieser sei mit der erforderlichen Bestimmtheit im Lageplan festgelegt worden. Bei der Teilung des Grundstücks seien die Teile, die außerhalb des Ausübungsbereichs lägen, von der Dienstbarkeit frei geworden; die Löschung sei im Weg der Grundbuchberichtigung durchzuführen gewesen. Rechtliches Gehör sei gewährt worden.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit ihrer Beschwerde vom 23.5.2012. Ihre Rechtsvorgängerin habe in ihrer schriftlichen Anhörung nicht erklären wollen, mit der Löschung in diesem Umfang einverstanden zu sein. Es sei unsinnig, das Geh- und Fahrtrecht nur dahin auszulegen, dass es „hin und zurück“ ausgeübt werden könne. Das Recht bestehe vielmehr über die gegenüberliegende Grundstücksgrenze hinweg zur öffentlichen Straße. Nach dem Willen der Parteien habe es eine zusätzliche anderweitige Anbindung (nach Westen hin) geben sollen und müssen. Das erschließe sich aus der Vorurkunde von 1956, die dann im Jahr 1972 umgesetzt worden sei. Als man 1972 das Geh- und Fahrtrecht habe eintragen lassen, hätten es die damals beteiligten Personen über Jahre hinweg hingenommen, dass nicht nur in dem westlichen Bereich, sondern auch in dem – strittigen – östlichen Bereich ein Geh- und Fahrtrecht bestanden habe. Die Formulierung in den Urkunden ergebe nur so einen Sinn.

Schließlich erlaube die in der Beilage zur Urkunde von 1972 blau eingezeichnete Linie für sich gesehen keine Erreichbarkeit des herrschenden Grundstücks, da der Bereich des Wegerechts nicht in das herrschende Grundstück einmünde. Die Parteien hätten jedoch 1956 keineswegs vorgehabt, ein Recht einzuräumen, was schlechterdings nicht ausübbar sei.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 16.7.2012 nicht abgeholfen.

II.

Das Grundbuchamt hat am 11.11.2011, ungeachtet der von ihm gewählten Form eines Schreibens an die Beteiligte, eine abschließende Entscheidung über die angeregte Eintragung eines Widerspruchs getroffen. Das folgt schon aus der zugleich erteilten Rechtsmittelbelehrung, die die Auffassung des Grundbuchamts zur verfahrensmäßigen Erheblichkeit seines Schreibens deutlich macht. Ein Widerspruch nach § 53 Abs. 1 GBO ist zwar von Amts wegen einzutragen; jedoch ist die Beschwerde gegen die Versagung der Eintragung nach § 71 Abs. 1 GPO zulässig, wenn der Beschwerdeführer das Recht hätte, in Ansehung seines Rechts die Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 BGB zu betreiben (BayObLGZ 1987, 431/433; Hügel/Holzer GBO 2. Aufl. § 53 Rn. 55). Dies ist für die Beteiligte als Eigentümerin des herrschenden Gründstücks und Berechtigte aus dem Geh- und Fahrtrecht (§ 1018 BGB) zu bejahen. Das auch im Übrigen zulässige – unbefristete – Rechtsmittel (§ 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG) ist in der Sache jedoch nicht begründet.

1. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO ist von Amts wegen ein Widerspruch einzutragen, wenn sich ergibt, dass das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Unter Eintragungen in diesem Sinne sind auch Löschungen zu verstehen (Hügel/Holzer § 53 Rn. 9). Die Eintragung des Amtswiderspruchs ist an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich zum Einen die Vornahme der Eintragung (Löschung) unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften und zum Anderen die dadurch bewirkte Unrichtigkeit des Grundbuchs. Die Gesetzesverletzung muss feststehen, die Unrichtigkeit des Grundbuchs dagegen nur glaubhaft sein (h. M.; siehe Demharter GBO 28. Aufl. § 53 Rn. 28).

2. Das Grundbuchamt hat bei der im Weg der Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO, § 1026 BGB bewirkten Löschung des Rechts an Fl.Nr. 124 – Eintrag vom 15.1.2004 – schon keine gesetzliche Vorschriften verletzt.

a) Liegt das abgeteilte Grundstück außerhalb des Ausübungsbereichs der Dienstbarkeit, so wird dieses mit dem Vollzug der Grundstücksteilung kraft Gesetzes, § 1026 BGB, von der belastenden Dienstbarkeit frei (BayObLG NJW-RR 1987, 1101/1102; Staudinger/Jörg Mayer Bearb. November 2008 § 1026 Rn. 10 m.w.N.; siehe zuletzt Senat vom 7.8.2012, 34 Wx 76/12). Eine Löschung kann im Grundbuch aufgrund Unrichtigkeitsnachweises gemäß § 22 GBO – nach Anhörung des betroffenen Rechtsinhabers – stattfinden. An den Unrichtigkeitsnachweis, der in der Form des § 29 GBO zu führen ist, sind zwar strenge Anforderungen zu stellen (z. B. BayObLG NJW-RR 1996, 397/398). Geführt werden kann der Nachweis aber insbesondere dann, wenn als Inhalt der Grunddienstbarkeit die Beschränkung des Ausübungsbereichs klar bestimmt worden ist, etwa durch eine genaue Lageplaneinzeichnung (siehe Staudinger/Jörg Mayer § 1026 Rn. 12; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn. 1189). Es genügt dann ein Vergleich zwischen der ursprünglichen Eintragungsbewilligung – die die bezeichnete Ausübungsstelle enthält – und den aktuellen Eintragungsunterlagen mit Veränderungsnachweis über die Veräußerung der außerhalb der Ausübungsstelle liegenden Fläche (Schöner/Stöber aaO.). Das Grundbuchamt hat bei der Löschung im Jahr 2004 diesen verfahrensmäßig zulässigen Weg ohne Verletzung gesetzlicher Vorschriften gewählt und begangen. Es hat seinerzeit den Umfang des Rechts nach den Grundsätzen des § 133 BGB ausgelegt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berechtigung nur den Zugang nach Westen hin umfasste, nicht aber auch weiter über den hier strittigen östlichen Teil des dienenden Grundstücks. Es mag zwar im schriftlichen Text der maßgeblichen Urkunden Anzeichen geben, die die Auffassung der Beteiligten stützen könnten. So ist in der Bewilligung davon die Rede, dass das Recht „in beiden Richtungen“ ausgeübt werden dürfe. Der Hinweis auf die Ausübung „in beiden Richtungen“ würde es zumindest erlauben, die Berechtigung dahin zu verstehen, dass sie nicht nur einen Zugang, sondern darüber hinaus einen Durchgang erlaubt. In der Vorurkunde aus dem Jahr 1956 heißt es, dass die Käuferin (deren Rechtsnachfolgerin die jetzige Beteiligte ist) „auch“ über ein Grundstück der Verkäufer fahren müsse. Beide Formulierungen sind aber keineswegs so eindeutig, dass sie den Beweiswert der der dinglichen Bestellungsurkunde vom 25.7.1972 beigefügten Planskizze schmälern oder gar außer Kraft setzen. Dass diese den Ausübungsbereich fixieren soll, ergibt sich zwanglos und nächstliegend aus der Bewilligungsurkunde, in der es weiter heißt: „…über denjenigen Teil …, welcher in dem dieser Urkunde zur Beiheftung übergebenen Lageplan mit blauer Farbe kenntlich gemacht ist, …“. Insbesondere würde dem Vorbringen auch nicht widersprechen, dass die Beteiligten im Jahr 1972, aus welchen Gründen auch immer, lediglich eine Sicherung der Fahrt im westlichen Teil bewirken wollten und für den östlichen Abschnitt keinen vertraglichen Regelungsbedarf erkannten. Jedenfalls ist mit grundbuchtauglichen Mitteln nicht zu belegen, dass das eingetragene Recht auch den östlichen Teil mitumfasste. Dass eine Rechtsausübung im Umfang des eingetragenen, durch die Skizze fixierten Rechts einen Sinn ergibt und auch möglich ist, bedarf keiner näheren Ausführungen.

b) Im Übrigen versteht auch der Senat die Stellungnahme der Rechtsvorgängerin der Beteiligten im damaligen Löschungsverfahren so, dass für die Grunddienstbarkeit zwar weiterhin die Fahrt auch über FlNr. 124/2 genommen werden müsse, nämlich „über Eck“ an der nordwestlichen Grenze des herrschenden Grundstücks, nicht aber im westlichen Teil des Grundstücks Fl.Nr. 124.

c) Ob die Beteiligte (schuldrechtliche) Ansprüche auf Einräumung von Geh- und Fahrtrechten in weitergehendem Umfang – auch über den östlichen Grundstücksteil – hat, die bisher nicht eingeräumt und dinglich im Grundbuch abgesichert sind, bedarf an dieser Stelle keiner Klärung.

Die Beschwerde kann deshalb nicht Erfolg haben.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben (vgl. § 78 Abs. 2 GBO).

 

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