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Adoptionsvoraussetzungen  – getrennt lebensende Eheleute

Adoption durch getrennt lebende Eheleute: Kindeswohl geht vor

In der Familienrechtssphäre stellen Adoptionsvoraussetzungen einen wesentlichen Aspekt dar, besonders wenn es um die gemeinschaftliche Adoption von Kindern durch getrennt lebende Eheleute geht. Diese Konstellation wirft grundlegende Fragen auf, die das Familiengericht intensiv beschäftigen: Inwieweit beeinflusst der Status einer getrennten Lebensführung der Eheleute die Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Adoption?

Welche Rolle spielt das Kindeswohl in diesem Kontext, und wie wird es vor dem Hintergrund der besonderen familiären Situation bewertet? Zudem ist die Klärung der rechtlichen Anforderungen und der Zustimmung der leiblichen Eltern im Adoptionsprozess von hoher Bedeutung. Diese Thematik verlangt eine sorgfältige juristische Abwägung, bei der die Interessen des Kindes und das Bestehen eines stabilen Eltern-Kind-Verhältnisses trotz der getrennten Lebensumstände der Adoptiveltern im Vordergrund stehen. Diese komplexe und sensible rechtliche Problematik wird in der folgenden Betrachtung eines konkreten Falles näher beleuchtet.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 UF 124/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Key Takeaway des Urteils:
Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat entschieden, dass ein getrennt lebendes Ehepaar ein Kind gemeinschaftlich adoptieren darf, wenn dies dem Wohl des Kindes dient und ein stabiles Eltern-Kind-Verhältnis besteht.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Annahme des Kindes X: Die Beteiligten zu 1 und 2 dürfen das Kind X gemeinschaftlich adoptieren.
  2. Status der Eheleute: Trotz ihrer Trennung und getrennten Wohnsituation wird die Adoption genehmigt.
  3. Kindeswohl: Das Wohl des Kindes X wurde als zentraler Entscheidungsfaktor herangezogen.
  4. Eltern-Kind-Verhältnis: Zwischen X und den Beteiligten besteht bereits ein gefestigtes Eltern-Kind-Verhältnis.
  5. Gerichtliche Bewertung: Das Familiengericht wies den Adoptionsantrag zunächst zurück, das Oberlandesgericht entschied jedoch anders.
  6. Rechtliche Grundlage: Die Entscheidung basiert auf § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB.
  7. Persönliche Eignung der Beteiligten: Beide Beteiligten sind wirtschaftlich stabil und erziehungsgeeignet.
  8. Formelle Voraussetzungen erfüllt: Alle notwendigen formellen Voraussetzungen für die Adoption waren gegeben.

Der Weg zur Adoption bei getrennt lebenden Eheleuten

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hatte sich mit einem komplexen Fall der Adoption zu befassen, der die rechtlichen Grenzen und menschlichen Aspekte der Adoption von Kindern durch getrennt lebende Eheleute beleuchtet. Im Zentrum des Falles stand das Kind X, geboren am 15.09.2021, welches von einem Ehepaar, den Beteiligten zu 1. und 2., gemeinschaftlich adoptiert werden sollte. Diese Entscheidung fiel trotz der Tatsache, dass die Eheleute seit April 2023 getrennt lebten, was die rechtliche Beurteilung der Adoptionsvoraussetzungen komplexer machte.

Familiäre Hintergründe und Adoptionsprozess

Die Beteiligte zu 1., eine 38-jährige Frau, lebt eigenständig und ist Mutter eines Kindes, das durch Samenspende gezeugt wurde. Die Beteiligte zu 2., 43 Jahre alt, ist als Pflegehelferin in Teilzeit tätig. Beide Frauen lebten seit 2009 zusammen, gingen 2014 eine eingetragene Lebenspartnerschaft ein und heirateten 2017. Die Beteiligte zu 2. adoptierte den leiblichen Sohn E der Beteiligten zu 1. Das zu adoptierende Kind X wurde von seiner leiblichen Mutter, deren Aufenthaltsort unbekannt ist, zur Adoption freigegeben und lebte seit seinem dritten Lebenswochenende bei den Beteiligten zu 1. und 2.

Kindeswohl als zentraler Faktor der Adoptionsentscheidung

Trotz der Trennung der Eheleute befürwortete das Oberlandesgericht die Adoption, da die Einwilligung der Mutter Xs für eine Adoption durch ein Ehepaar vorlag, und das Gericht das Wohl des Kindes als vorrangig erachtete. Es wurde festgestellt, dass X bereits eine starke Bindung zu den beiden Beteiligten aufgebaut hatte und in deren Haushalt gut integriert war. Darüber hinaus würde die Adoption die wirtschaftliche und emotionale Sicherheit des Kindes stärken und ihm rechtliche Ansprüche in Bezug auf Unterhalt und Erbe verschaffen.

Rechtliche Bewertung und Schlussfolgerung des Gerichts

Das Gericht wies darauf hin, dass die gemeinschaftliche Adoption durch getrennt lebende Eheleute nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei. Es betonte die Notwendigkeit, alle Umstände zu bewerten, insbesondere das Wohl des Kindes. Die Trennung der Eheleute wurde nicht als Hindernis für die Adoption angesehen, da sie einvernehmlich die Verantwortung für das Kind trugen und die Adoptionsvoraussetzungen erfüllten. Das Gericht bestätigte somit die Entscheidung des Familiengerichts und erlaubte die Adoption unter Berücksichtigung des Kindeswohls und der stabilen Verhältnisse, die die Beteiligten zu 1. und 2. dem Kind bieten konnten.

Der Fall zeigt deutlich, wie das Familiengericht und das Oberlandesgericht die Adoptionsvoraussetzungen, insbesondere das Kindeswohl, in den Mittelpunkt ihrer Entscheidungen stellen und dabei flexibel auf die Lebensrealitäten der betroffenen Familien eingehen. Es verdeutlicht auch die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung des Eltern-Kind-Verhältnisses und der Zustimmung der leiblichen Eltern in Adoptionsprozessen. Dieser Fall kann als wichtiger Präzedenzfall für zukünftige Entscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen dienen, in denen das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen über die traditionellen rechtlichen Rahmenbedingungen gestellt werden.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was sind Adoptionsvoraussetzungen?

Die Adoptionsvoraussetzungen in Deutschland sind durch verschiedene rechtliche und praktische Aspekte definiert.

Zunächst einmal muss das Wohl des Kindes im Mittelpunkt jeder Adoption stehen. Die Adoptionsvermittlungsstellen haben die Aufgabe, für jedes zu vermittelnde Kind die Eltern auszuwählen, die am besten zum Kind passen. Es besteht kein Rechtsanspruch auf Vermittlung eines Kindes.

Für eine Adoption muss in der Regel die Einwilligung beider leiblicher Elternteile vorliegen. Nur unter hohen Anforderungen kann auf die Einwilligung eines leiblichen Elternteils verzichtet werden, zum Beispiel wenn der Aufenthaltsort der Mutter oder des Vaters nicht feststellbar ist. Ab dem 14. Geburtstag ist auch die Zustimmung des Kindes zu seiner Adoption notwendig. Zusätzlich bedarf es der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters. Bei Kindern unter 14 Jahren muss lediglich der gesetzliche Vertreter einwilligen.

Die Adoptiveltern müssen nach deutschem Recht unbeschränkt geschäftsfähig und mindestens 25 Jahre alt sein. Wenn sie verheiratet sind, muss mindestens einer von beiden Eheleuten so alt sein, der jüngere Ehepartner muss mindestens 21 Jahre alt sein. Ein Höchstalter für Adoptiveltern gibt es nicht. Der Altersunterschied zum Adoptivkind sollte einem natürlichen Abstand entsprechen.

Die Adoptionsvermittlungsstelle überprüft die Eignung der Bewerber. Dabei sind unter anderem folgende Kriterien wesentlich: Persönlichkeit, partnerschaftliche Stabilität, Wohnverhältnisse und wirtschaftliche Verhältnisse.

Nach der Adoption erlischt in der Regel das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu seiner Herkunftsfamilie. Die Adoptiveltern sind künftig die rechtlichen Eltern und das adoptierte Kind erhält rechtlich die Stellung eines leiblichen Kindes.

Mit der Adoption erhält das Kind den Familiennamen der Adoptiveltern. Der Vorname kann im Zuge der Adoption auf Antrag der Adoptiveltern und mit Einwilligung des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters vom Familiengericht verändert werden.

Es gibt verschiedene Formen der Adoption in Deutschland, darunter die Adoption eines „fremden Kindes“ (Fremdadoption), eines verwandten Kindes (Verwandtenadoption) oder eines Stiefkindes (Stiefkindadoption).


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 8 UF 124/23 – Beschluss vom 25.10.2023

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Ahrensburg vom 21.06.2023 (Datum der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle) zu Ziffer 1. seines Tenors geändert und wie folgt gefasst:

Das Kind X, geboren am 15.09.2021, wird von den Beteiligten zu 1. und 2. gemeinschaftlich als Kind angenommen.

Das Kind X erhält als Geburtsnamen den Ehenamen der Beteiligten zu 1. und 2.

II. Von der Erhebung von Gerichtskosten für die Beschwerde ist abzusehen. Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerde trägt jeder Beteiligte selbst.

Gründe

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. richtet sich gegen die Zurückweisung des Antrags, die Annahme des Kindes X als Kind der Beteiligten zu 1. und 2. auszusprechen.

1. Die am 11.01.1985 geborene und jetzt 38 Jahre alte Beteiligte zu 1. lebt in Y in einer ihr allein gehörenden Immobilie. Sie hat nach ihrem Realschulabschluss bei der Bundeswehr eine Ausbildung zur Fluggerätemechanikerin gemacht und arbeitet seit einigen Jahren bei der Firma Z im Bereich U-Bootbau; dort ist sie außertariflich angestellt und übt eine leitende Tätigkeit als Gruppenleiterin aus, wobei sie größtenteils im Home-Office arbeiten kann. Sie ist die leibliche Mutter des am 18.07.2017 geborenen, durch eine Samenspende gezeugten Kindes E.

2. Die am 04.12.1979 geborene und jetzt 43 Jahre alte Beteiligte zu 2. hat nach ihrem Hauptschulabschluss ein Grundbildungsjahr in einem handwerklichen Bereich absolviert und musste ihre danach begonnene Ausbildung zur Malerin und Lackiererin aufgrund einer Nickel- und Terpentin-Allergie abbrechen. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit als Kommissioniererin in einer Drogeriekette arbeitet sie jetzt unter anderem bei einem mobilen Pflegedienst als Pflegehelferin in Teilzeit.

3. Die Beteiligten zu 1. und 2., die sich 2009 kennengelernt und 2011 zusammengezogen waren, gingen im Juli 2014 eine eingetragene Lebenspartnerschaft ein und heirateten am 16.11.2017. Den leiblichen Sohn E der Beteiligten zu 1. hat die Beteiligte zu 2. im Rahmen einer Stiefkindadoption als ihren Sohn angenommen (Az.: 20a F 11/17 Amtsgericht Ahrensburg).

4. Das anzunehmende Kind X wurde am 15.09.2021 geboren; nach der Geburt verließ ihre am 25.12.2001 geborene Mutter – Xs Vater ist unbekannt – das Krankenhaus. X wurde daraufhin am 20.09.2021 zunächst in eine Bereitschaftspflegestelle verbracht, bevor sie am 05.10.2021 zu den Beteiligten zu 1. und 2. nach Y in Adoptionspflege umzog, wo sie seitdem zusammen mit diesen und deren weiterem Kind E lebt. Xs Mutter hatte zuvor dem Jugendamt eine Vollmacht erteilt, ihr Kind in Adoptionspflege zu vermitteln. X geht seit Oktober 2022 zu einer Tagesmutter und wartet auf einen Kindergartenplatz. Sie hat eine starke und sichere Bindung zu den Beteiligten zu 1. und 2. aufgebaut und ist gut entwickelt, obwohl ihre Mutter während der Schwangerschaft regelmäßig Alkohol und Drogen konsumiert hatte.

5. Am 12.04.2022 haben die leibliche Mutter und die Vormündin Xs notariell ihre Einwilligungen in eine sogenannte Inkognito-Adoption des Kindes durch die im Adoptionsbuch des Kreises S unter Listen-Nr. 10 eingetragenen Eheleute erklärt. Unter dem 23.06.2022 haben die Beteiligten zu 1. und 2. unter Verweis auf ihre entsprechenden notariellen Erklärungen vom 16.06.2022 die Annahme Xs als ihr Kind beim Familiengericht mit der Maßgabe beantragt, dass X ihren Ehenamen als Geburtsnamen erhalten solle. Am 27.12.2022 hat das Jugendamt des Kreises S zu ihrem Antrag Stellung genommen und den Ausspruch der beantragten gemeinschaftlichen Adoption befürwortet. Nachdem das Familiengericht am 11.04.2023 einen Erörterungstermin auf den 07.06.2023 bestimmt hatte, haben sich die Beteiligten zu 1. und 2. getrennt, was die Beteiligte zu 2. am 05.05.2023 dem Jugendamt mitgeteilt hat. Die Beteiligte zu 2. lebt seitdem in einer eigenen, 40 qm großen Einzimmerwohnung in Y und nimmt aufgrund einvernehmlicher Regelung vom 17.05.2023 mit der Beteiligten zu 1. regelmäßig Umgang mit X – und E – wahr, und zwar alle zwei Wochen am Wochenende von Freitag bis Sonntag sowie an jedem Dienstagnachmittag und in den Wochen ohne Wochenendumgang zusätzlich auch noch am Mittwochnachmittag; die Ferienzeiten sind hälftig zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. aufgeteilt.

6. Die Beteiligten zu 1. und 2. haben trotz ihrer Trennung das Ziel der gemeinsamen Adoption Xs weiterverfolgt. Im Erörterungstermin am 07.06.2023 vor dem Familiengericht hat die Vormündin die beantragte Adoption befürwortet, weil sie dem Kindeswohl am besten diene. Der Vertreter des Jugendamts hat dagegen die Auffassung vertreten, dass die Adoption derzeit nicht ausgesprochen werden könne, sondern zunächst die weitere Entwicklung nach der noch sehr frischen Trennung abzuwarten sei. Auch das Vorliegen der erforderlichen Einwilligung der Mutter Xs sei problematisch, da sie für eine Adoption durch Eheleute erteilt worden sei. Die Beteiligten zu 1. und 2. haben sich wie die Vormündin für eine sofortige Entscheidung des Familiengerichts ausgesprochen.

7. Das Familiengericht hat durch seinen Beschluss vom 21.06.2023 den Antrag der Beteiligten zu 1. und 2. zurückgewiesen. Zwar lägen die formellen Adoptionsvoraussetzungen vor und sei zwischen X und den Beteiligten zu 1. und 2. jeweils bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden, doch könne aufgrund der erst im April 2023 erfolgten Trennung der Beteiligten zu 1. und 2. und des kürzlichen Auszugs der Beteiligten zu 2. aus dem gemeinsamen Haushalt nicht sicher festgestellt werden, dass die Annahme weiterhin dem Wohl des Kindes entspreche. Voraussetzung für eine Annahme nach § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB sei, dass eine wirksame Ehe vorliege und die Ehegatten nicht getrennt im Sinne des § 1567 BGB lebten, denn das Kind solle in ein Umfeld hineinadoptiert werden, das einer natürlichen Familie nachgebildet sei. Es sei noch nicht erkennbar, wie sich die Trennungsphase der Beteiligten zu 1. und 2. weiter entwickeln werde. Es sei gut möglich, dass sie in der Trennungsphase noch Krisen zu überstehen haben würden, die sich auch auf das Verhältnis zu X negativ auswirken könnten, zumal das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen sei.

8. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 1. mit ihrer Beschwerde, mit der sie zugleich die Interessen der Beteiligten zu 2. vertritt, die wie sie das Ziel der gemeinschaftlichen Adoption Xs weiterverfolgt. X habe ihr ganzes Leben nicht nur mit ihr, der Beteiligten zu 1., und der Beteiligten zu 2. verbracht, sondern auch mit ihrem leiblichen Kind E, das die Beteiligte zu 2. adoptiert habe und zu dem X eine stabile Geschwisterbindung habe. Sie und die Beteiligte zu 2. hätten sich über den Lebensmittelpunkt Xs verständigt und eine Umgangsregelung getroffen, die problemlos praktiziert werde. Sie würden den tatsächlichen Zustand der gemeinsamen Elternverantwortung für X auch rechtlich durch die gemeinsame Adoption umsetzen wollen. Ein Verbot der gemeinsamen Adoption bei getrenntlebenden Eheleuten lasse sich dem Wortlaut des § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht entnehmen. Entscheidend sei, ob die gemeinsame Annahme dem Kindeswohl diene, was vorliegend der Fall sei. Es gehe hier nicht darum, dass ein getrenntlebendes Ehepaar ein Kind adoptieren wolle, das neu in die Familie komme. Hinzu komme, dass sie und die Beteiligte zu 2. alle Trennungsfolgen gütlich geregelt hätten und Streitpunkte nicht in Sicht seien. Sie seien in der Lage und willens, gut miteinander zu kommunizieren und die jeweilige Elternverantwortung der anderen für X zu fördern. Ohne die Adoption würde X keine Unterhalts- und Erbansprüche haben. Nach ihrer Scheidung könne sonst nur eine von ihnen den Adoptionsantrag stellen; es bestehe dann das Risiko, dass dadurch Konflikte erst entstehen würden, nämlich wer von ihnen beiden die Möglichkeit zur Adoption erhalten solle; eine etwaige Konkurrenzsituation würde dem Wohl Xs nicht dienlich sein. Schließlich habe die leibliche Mutter Xs nur die Zustimmung zur Adoption durch ein Ehepaar gegeben. Ob sie nach der Scheidung auch der Adoption nur durch eine Einzelperson zustimmen würde, sei fraglich. X müsste, wenn eine erneute Zustimmung verweigert werden sollte, entweder in eine andere Familie zur Adoptionspflege und späteren Adoption gegeben werden, was mit einem kindeswohlschädlichen Bindungsabbruch verbunden wäre, oder aber sie würde dauerhaft Pflegekind bleiben.

9. Der Senat hat die Beteiligten zu 1. und 2., Xs Vormündin und die Vertreter des Jugendamts in einem Erörterungstermin persönlich angehört. Die Vormündin hat den übereinstimmend weiterverfolgten Adoptionsantrag der Beteiligten zu 1. und 2. unterstützt, während die beiden Vertreter des Jugendamts unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Kindeswohldienlichkeit eines jetzigen Adoptionsausspruchs vertreten haben.

II. Die nach den §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1. hat Erfolg.

1. Gemäß § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Annahme als Kind zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Ein Ehepaar kann gemäß § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB ein Kind nur gemeinschaftlich annehmen.

2. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Beteiligten zu 1. und 2., die (noch) verheiratet sind, wollen X trotz ihrer zwischenzeitlichen Trennung weiterhin gemeinschaftlich als Kind annehmen. Ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, was von keinem Beteiligten und auch nicht vom Jugendamt in Abrede gestellt wird, sowohl zwischen X und der Beteiligten zu 1. als auch zwischen X und der Beteiligten zu 2., da X bereits im Alter von drei Wochen in den Haushalt der Beteiligten zu 1. und 2. in Adoptivpflege gekommen war und seitdem mit ihnen zusammengelebt hat. Aber auch die Kindeswohldienlichkeit der Annahme als Kind ist zu bejahen.

a) Dass die Beteiligten zu 1. und 2. seit April 2023 ein in Trennung lebendes Ehepaar sind, schließt die gemeinschaftliche Annahme Xs nicht schlechthin aus.

aa) Zwar wird in der Literatur vertreten, dass die Ehe für eine gemeinschaftliche Annahme des Kindes Bestand versprechen müsse und anderenfalls die Adoption nicht dem Kindeswohl entsprechen könne (so MünchKommBGB/Maurer BGB 8. Aufl. § 1741 Rn. 12), die annehmenden Ehegatten nicht getrennt leben dürften (so Krafka in: BeckOGK BGB Stand 01.07.2023 § 1741 Rn. 74) bzw. Adoptionsvoraussetzung eine stabile Ehe sei, da eine Adoption nur zulässig sei, wenn durch sie die Bedingungen, unter denen das Kind aufwachse, dauerhaft verbessert werde (so Erman/Teklote BGB 17. Aufl. § 1741 Rn. 10 m.w.N.).

bb) Dem folgt der Senat in dieser Allgemeinheit nicht. Die Stabilität der Ehe der Adoptiveltern ist ein wichtiger Faktor im Rahmen der Prüfung der Adoptionsvoraussetzungen, aber nicht allein entscheidend (so auch Staudinger/Helms (2019) BGB § 1741 Rn. 30). Vielmehr hat für die Prüfung, ob die beantragte Adoption dem Kindeswohl dient, eine Gesamtabwägung aller Umstände zu erfolgen (so auch Grüneberg/Götz BGB 82. Aufl. § 1741 Rn. 13: Ob die Ehe Bestand verspricht, ist bei der Prüfung der Grundvoraussetzungen zu berücksichtigen; Soergel/Liermann BGB 13. Aufl. § 1741 Rn. 31: Erforderlich ist nicht, dass die Eheleute zusammenleben; unerheblich ist, ob die Ehe intakt ist. Alle diese Fragen spielen nur bei der Prüfung des Kindeswohls eine Rolle). Dies entspricht dem Wortlaut des § 1741 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach nicht ausdrücklich ein Nichtgetrenntleben der Ehegatten erforderlich ist, und lässt sich auch aus den Materialien zu § 1741 BGB ableiten (BT-Drucks. 7/3061 S. 28). Danach soll es zwar entsprechend Art. 8 Abs. 2 des Europäischen Adoptionsübereinkommens das Ziel der Annahme sein, dem Kind ein beständiges und ausgeglichenes Zuhause zu verschaffen, und die Annahme deshalb nur in Betracht kommen, wenn anzunehmen ist, dass die Ehe der Annehmenden Bestand haben wird. Allerdings heißt es aber nach der Auseinandersetzung mit der – verneinten – Frage, ob eine bestimmte Ehedauer Adoptionsvoraussetzung sein solle, auch, dass die Prognose, ob die Ehe der Annehmenden Bestand haben werde, bei der Gesamtwertung des zu erwartenden Annahmeverhältnisses, also bei der Prüfung des Kindeswohls, berücksichtigt werden müsse.

b) Trotz der erfolgten Trennung der Beteiligten zu 1. und 2. entspricht die Annahme des Kindes X durch diese dem Wohl des Kindes. Sie führt eindeutig zu einer Verbesserung der Situation des Kindes.

aa) Durch die Adoption wird die wirtschaftliche Situation von X gestärkt, da die Beteiligten zu 1. und 2. verpflichtet sein werden, ihr Unterhalt zu gewähren und da X erbrechtlich die Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Beteiligten zu 1. und 2. erhält. Dies ist insbesondere im Verhältnis zur Beteiligten zu 1., die in gehobenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen lebt, von Bedeutung.

bb) X erhält durch die gemeinschaftliche Adoption zwei für sie sorgeberechtigten Elternteile, zu denen sie eine enge und tiefe Bindung hat, die für sie die elterliche Verantwortung tragen und ausüben. Für den Fall, dass einer dieser Personen etwas zustoßen oder sie etwa versterben sollte, bekommt sie nicht nur eine Halbwaisenrente, sondern ihr steht auch noch immer ein Elternteil zur Seite, um sie zu betreuen und kindeswohldienliche Entscheidungen für sie zu treffen.

cc) Von besonderer Bedeutung für ihr künftiges Wohl ist, dass X durch die gemeinschaftliche Adoption auch dem weiteren Kind E der Beteiligten zu 1., das die Beteiligte zu 2. adoptiert hat, gleichgestellt wird. Es wäre X in späteren Jahren schwer zu vermitteln, warum die Beteiligten zu 1. und 2. die rechtlichen Eltern des Kindes E sind, mit dem sie zusammen aufwächst und zu dem sie eine stabile Geschwisterbindung hat, nicht aber auch ihre rechtlichen Eltern.

dd) Auch wenn die Beteiligten zu 1. und 2. sich nie über ihren Trennungsgrund geäußert haben, so ist nicht ersichtlich, dass es ihnen nicht gelingen wird, negative Auswirkungen der Trennung von X – und E – fernzuhalten. Bislang haben sie die Trennungsfolgen zügig einvernehmlich außergerichtlich regeln können, so insbesondere den Lebensmittelpunkt der beiden Kinder bei der Beteiligten zu 1. und den Umgang der Beteiligten zu 2. mit den Kindern, der problemlos und zur Zufriedenheit beider Beteiligten von der Beteiligten zur 2. ausgeübt wird. Gleichfalls haben die Beteiligten zu 1. und 2. auch die finanziellen Folgen der Trennung einvernehmlich ohne Inanspruchnahme von Gerichten gelöst. Anfängliche, nachvollziehbare Bedenken der Vertreter des Jugendamts, die Kinder könnten als Druckmittel in der Trennungssituation eingesetzt werden, haben sich bislang als unbegründet erwiesen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich dies ändern könnte, gibt es nicht. Immerhin liegt die Trennung der Beteiligten zu 1. und 2. mittlerweile schon ein halbes Jahr zurück und ist – anders als zum Zeitpunkt der Entscheidung des Familiengerichts – daher nicht mehr als „frisch“ zu bezeichnen. Auch wenn eine sichere Prognose nicht abgegeben werden kann, dass die Beteiligten zu 1. und 2. – z.B. im Falle des Hinzutretens neuer Partnerinnen – weiterhin eigenständig einvernehmliche, beide Seiten zufriedenstellende Lösungen finden werden, stehen die Chancen jedenfalls gut. Bislang haben die Beteiligten zu 1. und 2. in der Trennungssituation sehr verantwortungsbewusst agiert und wollen dies auch künftig tun. Dafür besuchen sie auch gemeinsam eine Beratungsstelle, um ihre Kommunikation, die bislang vornehmlich per E-Mail erfolgt, noch zu verbessern. Selbst wenn ihnen künftig bei einzelnen Streitpunkten gütliche Einigungen nicht gelingen sollten, könnten sie dafür – nicht anders als andere Eltern, die sich trennen – notfalls auch gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen; dass dies negative Auswirkungen auf X haben würde, steht nicht fest.

ee) Auch wenn X durch den Ausspruch der Adoption nicht in eine familienanaloge Situation mit zwei zusammenlebenden Elternteilen kommt, wie es dem Grundbild der gemeinschaftlichen Adoption entspricht, überwiegen hier nach alledem trotz der Trennung der Beteiligten zu 1. und 2. die Vorteile der gemeinschaftlichen Annahme als Kind deutlich und entspricht der Ausspruch der Adoption dem Kindeswohl. Daher kommt es auf die Frage, ob die leibliche Mutter Xs, die nur in eine gemeinschaftliche Adoption durch Eheleute, die hier trotz der Trennung der Beteiligten zu 1. und 2. (noch) gegeben ist, eingewilligt hat, im Falle der Ablehnung der gemeinschaftlichen Adoption nach rechtskräftiger Scheidung auch in eine Einzeladoption durch eine der beiden Beteiligten einwilligen würde, nicht an; einer entsprechenden Aufklärung durch den Senat nach § 26 FamFG bedarf es daher nicht.

c) Die für die Annahme Xs als Kind erforderliche persönliche Eignung der Beteiligten zu 1. und 2. ist gegeben. Beide leben in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, sind berufstätig und – wie durch die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen belegt (Bl. 76 f. d.A.) – körperlich und geistig gesund sowie auch nicht vorbestraft, wie sich aus den vorgelegten Führungszeugnissen (Bl. 78 und 80 d.A.) ergibt. Zudem sind beide nach der Einschätzung des zuständigen Jugendamts und auch nach dem Eindruck des Senats ohne weiteres erziehungsgeeignet und haben sich – auch unter Berücksichtigung der neuen, durch ihre Trennung eingetretenen Situation – mit ihrer Rolle als Adoptiveltern ernsthaft auseinandergesetzt.

3. Die formellen Voraussetzungen für die Annahme als Kind sind ebenfalls gegeben, wie das Familiengericht zutreffend ausgeführt hat. Die Einwilligung des leiblichen Vaters in die Adoption ist gemäß § 1747 Abs. 4 Satz 1 BGB entbehrlich, weil sein Aufenthaltsort dauernd unbekannt ist; die leibliche Mutter Xs kennt Xs biologischen Vater nicht namentlich.

4. Nach § 197 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist in dem Beschluss, durch den das Gericht die Annahme als Kind ausspricht, anzugeben, auf welche gesetzlichen Vorschriften sich die Annahme gründet. Neben den bereits angegebenen gesetzlichen Vorschriften sind das §§ 1754 Abs. 1 und 3, 1755 Abs. 1 BGB. Gemäß § 1757 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGB erhält das Kind als Geburtsnamen den Ehenamen der annehmenden Ehegatten.

III. Die leiblichen Eltern des anzunehmenden Kindes sind nach § 188 Abs. 1 Ziffer 1 b) FamFG nicht am Verfahren beteiligt worden, da ein Fall des § 1747 Abs. 2 Satz 2 BGB (sogenannte Inkognito-Adoption) vorliegt.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.

V. Der Beschluss über die Annahme als Kind ist nach § 197 Abs. 3 Satz 1 FamFG nicht anfechtbar.

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