OLG Nürnberg – Az.: 15 W 2130/19 – Beschluss vom 06.10.2020
In Sachen erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg – 15. Zivilsenat – folgenden Beschluss
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – S. vom 04.06.2020, Az. O###, aufgehoben.
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind als Eigentümer des Anwesens N Gebäude- und Freifläche zu 1.199 qm, Fl.Nr. und des Ackerlandes M mit der Fl.Nr. zu 22.872 qm im Grundbuch des Amtsgerichts S. für O Blatt eingetragen. Mit notarieller Urkunde vom 26.02.2020, URNr., übertrugen sie diese dem Beteiligten zu 3). Die Beteiligten erklärten die Auflassung.
Unter Abschnitt IV der notariellen Urkunde ist folgendes vereinbart:
„Vorbehaltene Rechte
1. Wohnungsrecht
Die Veräußerer – nachstehend Berechtigte genannt – behalten sich als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB und mit der Maßgabe, dass nach dem Ableben eines der Berechtigten das Wohnungsrecht dem Längerlebenden ungeschmälert zur Alleinberechtigung zusteht, auf die Lebensdauer des Längerlebenden von ihnen ein Wohnungsrecht in dem übergebenen Anwesen vor.
Dieses besteht in dem Recht der ausschließlichen Benutzung der Wohnung im Erdgeschoss – unter Ausschluss des Eigentümers – und dem Recht auf Mitbenutzung der zum gemeinsamen Gebrauch der Hausbewohnter bestimmten Anlagen, Einrichtungen und Räume, insbesondere der Waschküche und der Garage.
Der Erwerber als künftiger Eigentümer ist verpflichtet, die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume auf eigene Kosten in gut bewohnbarem und beheizbarem Zustand zu halten.
Der Erwerber als künftiger Eigentümer trägt sämtliche Kosten, die für das Anwesen und die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume anfallen, insbesondere die Kosten der Schönheitsreparaturen in dem in Mietverträgen üblichen Umfang, die Kosten für Wasser und Abwasser, Beheizung, Strom und Gas, Kaminkehrer und Müllabfuhr, auch soweit sie auf der Wohnnutzung des Berechtigten beruhen.
…
Der Erwerber bestellt hiermit das Wohnungsrecht an dem in Ziffer I beschriebenen Grundbesitz zu Gunsten des Berechtigten – mehreren als Gesamtberechtigten nach § 428 BGB – und bewilligt und beantragt die Eintragung im Grundbuch. …“.
Mit Schreiben vom 27.03.2020 beantragte der Notar den Vollzug der Urkunde. Das Amtsgericht – Grundbuchamt – S. erließ am 04.06.2020 eine Zwischenverfügung dahingehend, dass das Wohnrecht nicht am Ackerland (Fl.Nr.) bestellt werden könne. Weiterhin könnten die Leistungspflichten des Eigentümers (Kostentragungspflicht) nicht gesetzlicher Inhalt des Wohnungsrechts sein.
Hiergegen wendet sich der zuständige Notar in der Beschwerde mit Schreiben vom 25.06.2020, eingegangen am 27.06.2020. Der Antrag in Ziffer IV.1. des Überlassungsvertrages werde dahingehend eingeschränkt, dass das Wohnungsrecht nur am Grundstück Fl.Nr. eingetragen werden solle. Die Beschwerde richte sich nur gegen den Teil des Beschlusses, wonach die Leistungspflicht des Eigentümers nicht gesetzlicher Inhalt des Wohnungsrechts sein könne. Zur Begründung werde u.a. auf die Entscheidung des Bayerisches Oberstes Landesgericht vom 18.06.1980 verwiesen.
Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab und führte aus, die Kostentragungspflicht des Eigentümers könne nicht Inhalt eines Wohnungsrecht sein. Die Vereinbarung der Leistungspflicht des Eigentümers mit dinglicher Wirkung sei ausgeschlossen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 73, 15 Abs. 2 GBO, 10 Abs. 2 Nr. 3 FamFG).
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Grundbuchamt darf vorliegend den Eintragungsantrag nicht beanstanden, da die genannten Kosten (für Schönheitsreparaturen, Wasser, Abwasser, Heizung, Strom und Gas, den Kaminkehrer und die Müllabfuhr) zum dinglichen Inhalt des Wohnungsrechts gemacht werden können.
1. Unproblematisch zulässig und vom Amtsgericht auch nicht beanstandet ist die in der notariellen Urkunde enthaltene Pflicht des Eigentümers, die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume auf eigene Kosten in gut bewohnbarem und beheizbarem Zustand zu halten. Das Wohnungsrecht ist – wie sich aus § 1093 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt – ein besonderer Fall der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Auf diese finden nach § 1090 Abs. 2 BGB eine Reihe von Vorschriften über die Grunddienstbarkeiten, insbesondere § 1021 BGB, entsprechende Anwendung. Danach kann bestimmt werden, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks eine auf dem Grundstück befindliche Anlage, die zur Ausübung der Grunddienstbarkeit gehört, zu unterhalten hat (BayObLGZ 1979, 372). Derartige Anlagen sind z.B. Wege, Ver- und Entsorgungsleitungen sowie die Heizanlage, die der Eigentümer zu unterhalten hat, um die Bewohn- und Beheizbarkeit der dem Wohnrecht unterliegenden Räume zu gewährleisten.
2. Ebenso ist der Eigentümer verpflichtet, die Kosten zu tragen, soweit sie gemeinschaftliche Anlagen und Einrichtungen betreffen. Denn da § 1093 Abs. 3 BGB anders als § 1093 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht auf § 1041 BGB verweist, obliegt die Unterhaltung der gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen dem Eigentümer. Dem Wohnungsberechtigten würde andernfalls die ordnungsgemäße Benutzung seiner Räume unmöglich gemacht (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2011 – V ZR 57/11 zur Pflicht des Eigentümers, die Kosten für Instandhaltung und Instandsetzung der Zentralheizung zu tragen).
3. Entgegen der Meinung des Amtsgerichts können auch die anfallenden Kosten für Schönheitsreparaturen und die laufenden Kosten für Strom, Wasser, Abwasser, Heizung, Müllabfuhr und Kaminkehrer durch Vereinbarung dem Eigentümer mit dinglicher Wirkung auferlegt werden.
a) Zwar ist auf dem Gebiet des Sachenrechts die Vertragsfreiheit grundsätzlich ausgeschlossen. Durch das Gesetz wird nicht nur die Zahl der dinglichen Rechte erschöpfend bestimmt, sondern auch ihr Inhalt zwingend vorgeschrieben. Für Rechte mit unbestimmtem (bedingtem) Inhalt ist hier kein Raum (Bayerisches Oberstes Landesgericht, BayObLGZ 1964, 1). Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Soweit entweder das Gesetz selbst die Abänderbarkeit vorsieht oder zulässt oder bei einer Abänderung des Inhalts eines im Gesetz vorgesehenen Rechts nicht gegen tragende und damit zwingende Grundprinzipien (insbesondere hinsichtlich der Wesensmerkmale der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, der grundsätzlichen Nichtübertragbarkeit des Wohnungsrechts sowie des Ausschlusses des Eigentümers) verstoßen wird, sind abweichende Vereinbarungen zwischen den Beteiligten über den Inhalt eines zu bestellenden dinglichen Rechts nicht nur mit schuldrechtlicher, sondern – bei Eintragung in das Grundbuch bzw. zulässiger Bezugnahme auf die entsprechende Eintragungsbewilligung (§ 874 BGB) – auch mit dinglicher Wirkung möglich (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 18. Juni 1980 – BReg 2 Z 28/80; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 11. Oktober 1990 – BReg 2 Z 114/90).
Wegen des abschließenden Katalogs des möglichen Inhalts einer Dienstbarkeit in § 1018 BGB kann aber die Verpflichtung des Eigentümers zu einem positiven Tun nicht Hauptinhalt einer solchen Dienstbarkeit sein (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 18. Juni 1980 – BReg 2 Z 28/80). Denn eine gegen das Wesen des bestellten dinglichen Rechts verstoßende Vereinbarung ist nichtig (Keller in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht – Kommentar, 8. Aufl. 2019, § 1 Rn. 62).
b) Hieraus schließt eine Meinung in der Literatur, auf die sich das Amtsgericht in seiner Abhilfeentscheidung stützt, dass eine Kostentragungspflicht des Eigentümers nicht mit dinglicher Wirkung vereinbart werden könne, da sie eine positive Leistungspflicht des Eigentümers begründe. Eine derartige, dem Dienstbarkeitscharakter zuwiderlaufende Vereinbarung sei unzulässig. Die Begründung zusätzlicher Leistungspflichten würden die nach §§ 1090 Abs. 2, 1093 Abs. 1 S. 2 BGB anzuwendenden Vorschriften nicht ermöglichen. Kosten, die bei Ausübung des Wohnungsrechts entstehen, und die Verpflichtung zur Lieferung von Strom, Wasser, Warmwasser oder Heizenergie usw. könnten dem Grundstückseigentümer daher nur mit schuldrechtlicher Wirkung vertraglich auferlegt werden. Die vertragliche Verpflichtung des Eigentümers zu Nebenleistungen für die Räume des Wohnungsberechtigten könne nur durch eine Reallast gesichert werden (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, Zweiter Teil Grundbuchformulare mit Erläuterungen Rn. 1253, 1254).
c) Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur, der sich auch der Senat anschließt, sieht dagegen in der Vereinbarung der oben genannten Kostentragungspflicht des Eigentümers mit dinglicher Wirkung keinen Verstoß gegen die zwingende gesetzliche Regelung, dass positive Leistungspflichten des Eigentümers nicht Dienstbarkeitsinhalt sein können.
Es ist bereits zweifelhaft, ob der Eigentümer durch eine Regelung, nach der er die von ihm zu entrichtenden laufenden Kosten für Strom, Heizung, Müllabfuhr usw. nicht von dem Wohnungsberechtigten ersetzt verlangen kann, zu einem positiven Tun verpflichtet wird (OLG Köln, Beschluss vom 17. Januar 1991 – 2 Wx 51/91).
Jedenfalls handelt sich bei dieser Vereinbarung, die die Verbrauchs- und Instandhaltungskosten dem Eigentümer auferlegt, um eine bloße Nebenpflicht. Die Hauptpflicht des Eigentümers, besteht – wie § 1093 Abs. 1 BGB voraussetzt – nach wie vor darin, die Ausübung des Wohnungsrechts durch den Berechtigten zu dulden. Die Kostenregelung dient nur der Ausgestaltung des gesetzlichen Schuldverhältnisses, stellt aber keine unzulässige Begründung einer Hauptpflicht des Eigentümers zu positivem Tun dar (Bayerisches Oberstes Landesgericht, a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 09. Juni 1994 – 2 W 52/94; Staudinger/Reymann (2017) BGB § 1093 Rn. 46; OLG Köln a.a.O.; Keller/Munzig a.a.O. § 6 Rn. 162; Amann in DNotZ 1989, 534, 545; Krauß, Vermögensnachfolge in der Praxis, 5. Auflage, Kapitel 4 Rn. 1588, mit der Beschwerde auszugsweise vorgelegt). Dass es sich bei den laufenden Verbrauchs- und Instandhaltungskosten nicht um Hauptleistungen, sondern um Nebenleistungen handelt, ergibt sich bereits aus der Parallele zur Raummiete, bei der solche Leistungen gemeinhin als „Nebenleistungen“ und das Entgelt als „Nebenkosten“ bezeichnet werden (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht a.a.O.).
Der zusätzlichen Bestellung einer Reallast bedarf es für die dingliche Absicherung der vertraglichen Vereinbarung daher nicht (BayObLG a.a.O.).
4. Die weite Fassung der Kostenregelung in der notariellen Urkunde vom 26.02.2020 unter IV. steht einer Eintragung des Wohnungsrechts nicht entgegen. Zwar hat der Eigentümer die Kosten, soweit sie auf das restliche Anwesen, das dem Wohnungsrecht nicht unterliegt, entfallen, auch ohne Vereinbarung hierüber sowieso zu tragen. Eine Eintragung wäre insoweit nicht erforderlich. Aber angesichts der ausführlichen Regelung in der notariellen Urkunde und der besseren Verständlichkeit hierdurch ist es unschädlich, wenn einzelne Punkte in der Vereinbarung mitgeregelt werden, die jedenfalls nicht ausschließlich Gegenstand einer Eintragungsbewilligung sein könnten (BayObLG a.a.O.).
5. Da die Vereinbarung hinsichtlich der Kostentragungspflicht mit dinglicher Wirkung zulässig ist, ist auch die Eintragungsfähigkeit der entsprechenden Vereinbarung im Grundbuch gegeben (Keller/Munzig a.a.O. § 1 Rn. 47).
Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, da Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens nur die Zwischenverfügung und nicht das Eintragungsersuchen selbst ist (BGH, Beschluss vom 26.09.2013 – V ZB 152/12).
III.
Die Kostenfolge der zulässigen und begründeten Beschwerde ergibt sich aus dem Gesetz (§§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG). Für eine Kostenerstattungsanordnung zugunsten der Beschwerdeführer auf der Grundlage von §§ 81 ff. FamFG bestand kein Anlass. Die Staatskasse kommt in Grundbuchsachen grundsätzlich nicht als Beteiligter in Betracht, dem bei erfolgreicher Beschwerde die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer auferlegt werden könnten (Demharter, GBO, 31. Aufl., § 77 Rn. 33).
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 78 Abs. 2 GBO) nicht vorliegen.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG)