Der Streit um die Instandhaltungsrücklage im Wohnungskaufvertrag
In einem kürzlich ergangenen Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz (OLG Koblenz) kam es zu einer Auseinandersetzung, die jeden potenziellen Wohnungskäufer und -verkäufer interessieren dürfte. Der Sachverhalt drehte sich um die Frage der Instandhaltungsrücklage im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung. Ein Wohnungskäufer verklagte den Verkäufer auf Schadenersatz, da er behauptete, der im Kaufpreis enthaltene Anteil an der Instandhaltungsrücklage sei unzureichend gewesen.
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Zwist um den Wohnungskaufvertrag und die Beschaffenheitsvereinbarung
Die Klägerin hatte das Wohnungseigentum vom Beklagten erworben und dabei wurde in dem Wohnungskaufvertrag explizit die „Ausschluss sämtlicher Ansprüche und Rechte wegen eines Sachmangels“ festgehalten. Ein wesentlicher Punkt dieses Vertrages war die Vereinbarung, dass der Anteil an der Instandhaltungsrücklage im Kaufpreis enthalten sei und mit dem Besitzübergang auf die Käuferin übergehe.
Die Tücke der Instandhaltungsrücklage
Der Knackpunkt lag dabei bei der Instandhaltungsrücklage. Auf dem Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft war ein Betrag vorhanden, der rechnerisch dem vereinbarten Anteil an der Instandhaltungsrücklage entsprach. Allerdings lag zum Zeitpunkt der Beurkundung kein Beschluss der Eigentümergemeinschaft über die Verwendung des auf dem Konto vorhandenen Geldes vor.
Verwirrung durch das Exposé
Für zusätzliche Verwirrung sorgte ein Exposé, welches die Klägerin vor dem Kauf von der vom Beklagten beauftragten Maklerin erhalten hatte. In diesem Dokument wurde unter anderem angegeben, dass Rücklagen für anstehende Investitionen wie Dachsanierung und Reparaturen vorhanden seien.
Das Urteil des OLG Koblenz
Die OLG Koblenz hat letztlich in der Berufung entschieden und das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz abgeändert. Die Klage wurde abgewiesen und die Klägerin dazu verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Entscheidung des Gerichts bringt wichtige Erkenntnisse für zukünftige Wohnungskaufverträge und die Bedeutung von Beschaffenheitsvereinbarungen und Instandhaltungsrücklagen. Sie unterstreicht die Notwendigkeit, solche Angelegenheiten klar und eindeutig zu regeln, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Das vorliegende Urteil
OLG Koblenz – Az.: 15 U 1098/22 – Urteil vom 17.05.2023
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 28.06.2022, Az. 1 O 196/21, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 31.530,46 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung – soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse – um Schadensersatz wegen einer Instandhaltungsrücklage.
Mit Urkunde vom 03.06.2019 des Notars G mit Amtssitz in H (UR-Nr. 499/2019 M; Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 10 ff. eGA-LG) erwarb die Klägerin das darin näher bezeichnete Wohnungseigentum von dem Beklagten unter „Ausschluss sämtlicher Ansprüche und Rechte wegen eines Sachmangels“. In § 3 der Urkunde ist unter anderem geregelt: „Der Anteil an der Instandhaltungsrücklage beträgt nach Angaben zum 10.05.2019 EUR 31.530,46, ist im Kaufpreis enthalten und geht mit Besitzübergang über.“ Auf dem – einzigen – Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft befand sich zum 10.05.2019 ein Betrag von 52.550,76 €, wobei der Anteil des streitgegenständlichen Wohnungseigentums an der zweigliedrigen Eigentümergemeinschaft von 597/1.000 rechnerisch einem Betrag von 31.530,46 € entspricht. Ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft über die Verwendung des auf dem Konto vorhandenen Geldes lag zum Beurkundungszeitpunkt nicht vor.
Die von dem Beklagten beauftragte Maklerin hatte der Klägerin zuvor ein Exposé mit Stand 01.05.2019 (Anlage K 3, Bl. 48 ff. eGA-LG) übergeben, in dem es auf Seite 10 unter anderem heißt:
„Anstehende Investitionen:
Dachsanierung ca. 30.000 €; Rücklagen vorhanden
Reparatur Freitreppe bzw. Geländer Freitreppe; Rücklagen vorhanden.
Rücklagen Hausverwalterkonto:
ca. 50.000,00 € per 08-2017 – derzeit geparkt für o.g. anstehende Investitionen“.
Mit der Klage hat die Klägerin von dem Beklagten unter anderem die Zahlung eines Betrages von 31.530,46 € verlangt und zur Begründung vorgetragen, sie sei aufgrund des Exposés und der vertraglichen Vereinbarungen davon ausgegangen, dass dieser Betrag als Instandhaltungsrücklage vorhanden sowie beim Verkauf eingepreist worden sei und für die erforderliche Sanierung des Daches zur Verfügung stehe. Tatsächlich handele es sich bei dem auf dem WEG-Konto vorhandenen Betrag nicht um eine Instandhaltungsrücklage, sondern dieser resultiere aus Schadensersatzforderungen gegen Bauunternehmen und werde zur weiteren Schadensbeseitigung benötigt; für die Dachsanierung könne er nicht verwendet werden.
Der Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegengetreten, mit dem in der notariellen Urkunde als Instandhaltungsrücklage angegebenen Betrag hätten die Parteien in untechnischer Weise dasjenige Guthaben gemeint, welches sich bei Abschluss des Kaufvertrages auf dem WEG-Konto befunden habe und rein rechnerisch auf den Beklagtenanteil an der Wohnungseigentümergemeinschaft entfallen sei. Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass es sich bei der Regelung unter § 3 des Notarvertrages um dieses Guthaben des WEG-Kontos gehandelt habe, das auf die Klägerin habe übertragen werden sollen. Es handele sich bei diesem Geld aus rechtlicher Sicht auch um eine Instandhaltungsrücklage, da die Wohnungseigentümergemeinschaft vorhandene Gelder auf dem gemeinschaftlichen Konto zur Instandhaltung des Wohnungseigentums verwende und die vorhandene Summe seinerzeit nicht zweckgebunden gezahlt worden sei.
Das Landgericht hat den Beklagten nach Durchführung einer Beweisaufnahme (s. dazu Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 04.04.2022, Bl. 218 ff. eGA-LG) unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 31.530,46 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434 BGB nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, die Kaufsache sei mangelhaft gewesen, da die Parteien bei entsprechender Auslegung des Kaufvertrages mit der betragsmäßigen Nennung der Instandhaltungsrücklage eine Vereinbarung über die Beschaffenheit der Sache getroffen hätten, die diese nicht erfülle. Der vertraglich vereinbarte Haftungsausschluss greife gemäß § 444 BGB nicht, da der Klägerin im Exposé vorgespiegelt worden sei, dass eine Rücklage in Höhe von etwa 50.000 € vorhanden sei. Das Handeln der von ihm eingeschalteten Maklerin müsse sich der Beklagte zurechnen lassen. Es sei für ihn erkennbar gewesen, dass die Klägerin das Objekt nicht erworben hätte, wenn sie gewusst hätte, dass keinerlei Rücklagen vorhanden sind. Er sei ihr insofern zur Aufklärung verpflichtet gewesen und nunmehr zum Ersatz des der Klägerin durch die unterlassene Aufklärung entstandenen Schadens verpflichtet.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 28.06.2022 zugestellte (Bl. 302 eGA-LG) Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 06.07.2022 eingegangenen und am 10.08.2022 (Bl. 7 ff. eGA-OLG) begründeten Berufung, mit der er unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen geltend macht, das Landgericht gehe in rechtsfehlerhafter Weise von einem Sachmangel aus; eine Abweichung der Beschaffenheit der Kaufsache von der vereinbarten Beschaffenheit liege nicht vor. Auch unterstelle es in rechtsfehlerhafter Weise arglistiges Verhalten bei der Verwendung des Begriffs „Rücklagen“ im Exposé, wozu sich im gesamten erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin keinerlei Ausführungen fänden. Das Guthaben in Höhe von ca. 50.000 € sei unstreitig vorhanden gewesen, weshalb er – der Beklagte – hierüber ebenso wenig in arglistiger Weise Falschangaben getätigt haben könne.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Mainz abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstands und der gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils vom 23.06.2022 (Bl. 285 ff. eGA-LG) Bezug genommen.
II.
Die statthafte, fristgerecht eingelegte und begründete und auch sonst zulässige (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) Berufung des Beklagten führt in der Sache zum Erfolg.
Der Klägerin steht der im Berufungsverfahren noch streitgegenständliche Schadensersatzanspruch nicht zu. Die Klage ist daher insgesamt unbegründet und unterliegt auch im berufungsgegenständlichen Umfang der Abweisung durch den Senat.
1.
Ein Anspruch der Klägerin gemäß §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434 BGB in der auf das Rechtsverhältnis der Parteien anwendbaren, vom 01.01.2002 bis 31.12.2021 geltenden Fassung vom 02.01.2002 besteht nicht.
Ansprüche des Käufers wegen eines Sachmangels nach §§ 434 ff. BGB infolge einer unrichtigen Erklärung des Verkäufers über die Beschaffenheit der Kaufsache setzen voraus, dass die Beschaffenheit vertraglich vereinbart wurde (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder dass der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers eine bestimmte Beschaffenheit erwarten durfte (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB). Beides ist hier in Bezug auf eine bestimmte Höhe des „Anteils“ an der Instandhaltungsrücklage nicht der Fall; auch wurde eine insoweit unrichtige Angabe nicht getätigt.
a)
Die Parteien haben in Bezug auf die Instandhaltungsrücklage – entgegen der Auffassung des Landgerichts – keine Beschaffenheit der Kaufsache vereinbart.
aa)
Die Klägerin stützt ihre gegenteilige Rechtsauffassung im Wesentlichen auf den in § 3 der notariellen Urkunde enthaltenen Passus: „Der Anteil an der Instandhaltungsrücklage beträgt nach Angaben zum 10.05.2019 EUR 31.530,46, ist im Kaufpreis enthalten und geht mit Besitzübergang über“. Vom Wortlaut der so beurkundeten Vereinbarung der Parteien ausgehend kann eine Beschaffenheitsvereinbarung bei objektiver Betrachtung indes schon deswegen nicht gesehen werden, weil es sich hierbei lediglich um eine Wissenserklärung oder Wissensmitteilung handelt, mit welcher der Verkäufer die Angaben eines Dritten wiedergibt (vgl. BGH, Urteil vom 12.03. 2008 – VIII ZR 253/05, Rn. 12 f., juris zu üblichen Klauseln bei einem Fahrzeugkauf). Er bringt mit dem Zusatz „nach Angaben“ hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass es sich dabei nicht um eigenes Wissen des Verkäufers handelt. Schon angesichts dessen kann der Käufer nicht erwarten, der Verkäufer wolle in vertragsmäßig bindender Weise die Haftung für die Richtigkeit der Angabe übernehmen und für die Folgen des Fehlens der betreffenden Eigenschaft einstehen (vgl. BGH, a.a.O.). Seit der Schuldrechtsmodernisierung kommt die Annahme der Vereinbarung einer Beschaffenheit, für deren Fehlen der Verkäufer nach Maßgabe des § 437 BGB haftet, nicht mehr „im Zweifel“, sondern nur noch in einem eindeutigen Fall in Betracht. Ein solcher ist hier nicht gegeben. Vielmehr spricht bereits die Einschränkung „nach Angaben“ erkennbar dafür, dass der Beklagte nicht für die inhaltliche Richtigkeit der Angabe haften wollte (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 13, juris).
bb)
Gegen die Annahme, der Verkäufer einer Eigentumswohnung wolle die vertragliche Garantie für eine bestimmte Höhe der Instandhaltungsrücklage in einem nach dem angegebenen Stichtag liegenden Beurkundungszeitpunkt oder gar im Zeitpunkt des Gefahrübergangs übernehmen, spricht bei interessengerechter Auslegung auch, dass die anteilige Instandhaltungsrückstellung nicht Vermögen des Wohnungseigentümers, sondern eines anderen Rechtssubjekts ist, denn Träger des Vermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft einschließlich der gemeinschaftlichen Forderungen und Verbindlichkeiten ist unabhängig von einem Eigentümerwechsel der Verband (BGH, Beschluss vom 02.06.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154-180, Rn. 28 m.w.N., juris). Bei der Rücklage handelt es sich mithin um einen Teil des Gemeinschaftsvermögens nach § 9a Abs. 3 WEG. Über einen „Anteil“ hieran kann der einzelne Wohnungseigentümer daher nicht verfügen (Sommer/Heinemann in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2022, juris Rn. 142). Ein rechtsgeschäftlicher Erwerb dieser Position ist daher nicht möglich (vgl. auch BFH, Urteil vom 16.09.2020 – II R 49/17BFHE 271, 455, BStBl II 2021, 339, Rn. 19 m.w.N.), eine hierauf gerichtete vertragliche Verpflichtung hierzu wäre nach § 275 BGB unwirksam (vgl. Elzer, ZWE 2014, 255-256, juris). Im Zweifel wird aber der Wille der Vertragsparteien nicht auf ein subjektiv Unmögliches gerichtet sein. Außerdem kann der Käufer, der aus vorstehenden Gründen stets mit einer bereits erfolgten Verwendung einer angesammelten Instandsetzungsrücklage rechnen muss, nicht erwarten, dass im Zeitpunkt des Gefahrübergangs solche Gemeinschaftsmittel tatsächlich (noch) vorhanden sind (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 13.10.1999 – 1 U 157/99, Rn. 29 f., juris). Im vorliegenden Fall bestand nach den am 03.06.2019 notariell beurkundeten Erklärungen der Parteien ein „Anteil an der Instandhaltungsrücklage (…) nach Angaben zum 10.05.2019“. Der Gefahrübergang fand jedoch erst dreieinhalb Wochen später statt. Dass der Beklagte für eine bestimmte (dann noch gegebene) Höhe des „Anteils“ an der Instandhaltungsrücklage hätte haften wollen im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung, erscheint unter Berücksichtigung der vorstehenden Überlegungen bei objektiver Betrachtung lebensfremd.
cc)
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Vertragsparteien beim Kauf einer Eigentumswohnung den Kaufpreis regelmäßig unter Berücksichtigung auch der Werthaltigkeit des Gemeinschaftsvermögens – etwa der Höhe der Instandhaltungsrücklagen – bemessen (Lafontaine in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 9a WEG, Stand: 15.03.2023, Rn. 165). Der Umstand, dass etwas wertbildender Faktor ist, begründet für sich genommen noch keine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.
dd)
Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht aus der Überlegung, dass der eingangs genannte Passus – wie das Landgericht meint – andernfalls überflüssig gewesen wäre. Diese – offenbar auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 19.12.2013 (I-19 U 133/13, juris) zurückgehende – Annahme vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die Angabe einer bestimmten Höhe eines Anteils an der Instandhaltungsrücklage ersichtlich im unmittelbaren Zusammenhang mit den durch diese Ausweisung erhofften steuerlichen Vorteilen steht. Eine solche Ausweisung wurde vor der Klarstellung durch den Bundesfinanzhof, dass der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern ist (BFH, Urteil vom 16.09.2020 – II R 49/17 –, BFHE 271, 455, BStBl II 2021, 339, juris) – allgemein zu steuerlichen Zwecken empfohlen (vgl. LG Darmstadt, Urteil vom 03.12.2014 – 25 S 130/14, Rn. 11 m.N., juris). Diese vom Landgericht für unerheblich gehaltene Tatsache hat der Urkundsnotar bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung (Protokoll vom 03.06.2022, S. 2, Bl. 276 eGA-LG) vorliegend auch ausdrücklich bestätigt. Dessen Aussage, die sich der Beklagte im Schriftsatz vom 07.06.2022 (S. 2, Bl. 259 eGA-LG) zu eigen gemacht hat, erläutert in anschaulicher Weise den Hintergrund der in Rede stehenden Formulierung, der in der Rechtsprechung schon früher als gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung sprechender Gesichtspunkt gewertet wurde (vgl. LG Darmstadt, a.a.O.); er steht auch im vorliegenden Fall der Auslegung als individuelle Vereinbarung in der vom Landgericht angenommenen Sinne entgegen. Wollte man dies anders sehen, wäre standardmäßig in den früheren notariellen Kaufverträgen die Instandhaltungsrücklage einer Beschaffenheitsvereinbarung unterworfen worden, wofür – nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Ausführungen unter bb) und cc) – nichts spricht.
ee)
Aus der von der Klägerin bemühten Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (OLG Köln, Beschluss vom 19.12.2013 – I-19 U 133/13 –, juris) ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts anderes.
Dem dort entschiedenen Fall lag eine Konstellation zugrunde, bei der – anders als im hier zu beurteilenden Fall – für den Anteil an der Instandhaltungsrücklage im notariellen Vertrag ein gesonderter, betragsmäßig bestimmter Kaufpreis und im Gegenzug eine rechtsgeschäftliche Abtretung des Anteils vereinbart worden war (OLG Köln, a.a.O., Rn. 4). Der Anspruch an der Instandhaltungsrücklage gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft war nach Auffassung des Oberlandesgerichts im dortigen Fall „gesondert“ verkauft worden, weshalb die Parteien „mit der Vereinbarung eines Kaufpreises für die Instandhaltungsrücklage (…) mithin einen Rechtskauf vereinbart“ hätten, „§ 453 Abs. 1 BGB“.
Damit ist der hier zu entscheidende Fall indes nicht zu vergleichen, da die Parteien ausdrücklich das Gegenteil vereinbart haben: Hier sollte der „Anteil an der Instandhaltungsrücklage“ vielmehr „im Kaufpreis enthalten“ sein. Sie haben vorliegend mithin weder einen eigenen Kaufpreis für den (lediglich rechnerisch bestehenden) „Anteil“ noch eine Abtretung desselben – mag diese rechtlich möglich sein oder nicht – vereinbart. Auch ein fester Anteil am Kaufpreis ist dem Anteil der Klägerin an der Instandhaltungsrücklage mit der gewählten Formulierung nicht zugewiesen.
Mangels vergleichbarer Sachverhalte kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die genannte, soweit ersichtlich vereinzelt gebliebene Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen unter bb) rechtlich zu überzeugen vermöchte (s. dazu auch Elzer, a.a.O.; Sommer/Heinemann, a.a.O., Fn. 708: „evident falsch OLG Köln“ und Fn. 715: „ohne Problembewusstsein und im Ergebnis mit unhaltbarer Begründung“; gegen die Annahme eines Rechtsmangels, eines Garantieversprechens oder einer vom Verkäufer zu vertretenden Unmöglichkeit bei einer ausgewiesenen und „mitverkauften“ Rücklage, die sich als tatsächlich niedriger erweist, auch Sommer/Heinemann, a.a.O. Rn. 142).
ff)
Auf die Angaben zu „anstehenden Investitionen“ und „Rücklagen“ in dem Exposé mit Stand 01.05.2019 (Anlage K 3, Bl. 48 ff. eGA-LG, dort Seite 10), das der Klägerin von der durch den Beklagten beauftragten Maklerin W im Vorfeld des Kaufs übergeben wurde, kann sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht berufen.
Zwar kann sich eine Beschaffenheitsvereinbarung auch ohne ausdrückliche Erklärungen der Parteien aus den Umständen des Vertragsschlusses, wie etwa dem Kontext der dabei geführten Gespräche oder den bei dieser Gelegenheit abgegebenen Beschreibungen, ergeben (vgl. etwa BGH, Urteil vom 06.11.2015 – V ZR 78/14, NJW 2016, 1815; Urteil vom 17.03.2010 – VIII ZR 253/08, NJW-RR 2010, 1329). Allerdings führt die Beschreibung von Eigenschaften eines Grundstücks oder Gebäudes durch den Verkäufer vor Vertragsschluss, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, in aller Regel nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB; Informationen über Eigenschaften der Kaufsache sind vielmehr von den beurkundungsbedürftigen Vereinbarungen der Parteien zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 06.11.2015 – V ZR 78/14, NJW 2016; OLG Hamm, Urteil vom 18. Juli 2016 – I-22 U 161/15, Rn. 26, juris). Dafür, dass hier Anderes gälte, ist nichts ersichtlich.
Weitere Anhaltspunkte für die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien sind nicht ersichtlich.
b)
Eine – von der Klägerin nach den Erläuterungen ihrer Prozessbevollmächtigen im Termin vom 28.04.2023 angenommene – „weitere“ Rücklage als den rechnerischen Anteil an dem unstreitig auf dem Gemeinschaftskonto vorhanden gewesenen Guthaben konnte die Klägerin auch nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB) berechtigterweise nicht erwarten.
Zwar enthielt das ihr von der Maklerin übergebene Exposé (Anlage K 3, Bl. 48 ff. eGA-LG, dort Seite 10) Angaben zu anstehenden Investitionen in Form einer Dachsanierung und einer „Reparatur Freitreppe bzw. Geländer Freitreppe“ mit dem jeweiligen Zusatz „Rücklagen vorhanden“ sowie zudem die Angabe:
„Rücklagen Hausverwalterkonto:
ca.50.000,00 € per 08-2017 – derzeit geparkt für o.g. anstehende Investitionen“.
Vor dem Hintergrund dieser – sachlich mit Blick auf den zum 10.05.2019 befindlichen Betrag von 52.550,76 € auf dem Konto der Eigentümergemeinschaft nicht unzutreffenden – Angaben konnte die Klägerin indes bei Abschluss des Kaufvertrages nicht schließen, die in der notariellen Kaufvertragsurkunde genannte Instandhaltungsrücklage bestehe zusätzlich zu (sonstigen) Rücklagen auf dem im Exposé so bezeichneten „Hausverwalterkonto“. Zugunsten der Gemeinschaft wurde unstreitig lediglich ein einziges Konto unterhalten, wovon sie durch entsprechende Nachfrage oder Einsicht in die Verwaltungsunterlagen ohne weiteres Kenntnis erlangt hätte. Es wäre indessen entgegen der Annahme der Klägerin selbst bei einer bereits als solcher gewidmeten Instandhaltungsrücklage nicht erforderlich gewesen, jene von der sonstigen Liquidität zu trennen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 25.09.2020 – V ZR 80/19, Rn. 30, juris). Unter Berücksichtigung der gegenteiligen klägerischen Sichtweise und der im Exposé bzw. der Kaufvertragsurkunde jeweils verwendeten Begriffe „Rücklagen“ einerseits bzw. „Instandhaltungsrücklage“ andererseits ist zwar nachvollziehbar, dass die Klägerin der Fehlvorstellung unterlegen ist, es handele sich um verschiedene Vermögensbestandteile der Gemeinschaft. Bei verständiger Würdigung aus objektiver Sicht eines durchschnittlichen Erwerbers kann es aber keinen Sachmangel der Kaufsache darstellen, wenn im Exposé „Rücklagen Hausverwalterkonto: ca.50.000,00 €“ genannt sind, auf dem einzigen Konto der Eigentümergemeinschaft im dort genannten Zeitpunkt – unstreitig – ein sogar deutlich höherer Betrag in Höhe von 52.550,76 € vorhanden ist und im Kaufvertrag ein „Anteil an der Instandhaltungsrücklage“ Erwähnung findet, der „nach Angaben zum 10.05.2019 EUR 31.530,46“ beträgt, was rechnerisch exakt einem Anteil an der streitgegenständlichen Wohnungseigentumsanlage von 597/1.000 entspricht.
c)
Die Voraussetzungen des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 BGB sind auch nicht unter dem Aspekt erfüllt, dass die Klägerin geltend macht, bei dem auf dem Gemeinschaftskonto vorhandenen Betrag habe es sich nicht um eine Instandhaltungsrücklage bzw. Erhaltungsrücklage im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes gehandelt. Auch wenn man davon ausgeht, dass jedenfalls durch das Exposé in Verbindung mit § 3 des notariellen Kaufvertrags die berechtigte Erwartung einer bereits erfolgten Widmung des im Exposé genannten Betrags durch die Wohnungseigentümergemeinschaft als Erhaltungsrücklage geweckt wurde, ergibt sich nichts anderes, da der Betrag faktisch für die Instandhaltung zur Verfügung stand. Die Klägerin hat letztlich genau das vertraglich Vereinbarte erhalten, nämlich das Wohnungseigentum in einer Wohnungseigentümergemeinschaft, auf deren – einzigem – Konto sich ein Guthaben befand, dessen Höhe sowohl mit den im Kaufvertrag als auch mit den im Exposé enthaltenen Angaben übereinstimmt.
Die Klägerin kann dagegen nicht einwenden, dass dieser Betrag aus Schadensersatzforderungen gegen Bauunternehmen resultiere und daher für die anstehenden Sanierungsarbeiten nicht verwendet werden könne. Nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag des Beklagten ist der betreffende Betrag seinerzeit nicht mit einer Zweckbindung gezahlt worden. Der sog. fiktive Schadensersatz muss nicht für die Schadensbeseitigung eingesetzt werden. Auch ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft über die Verwendung des auf dem Konto vorhandenen Geldes lag unstreitig nicht vor, so dass die Gemeinschaft diesbezüglich – unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung – grundsätzlich frei ist. Mit dem von ihr erworbenen Anteil an dem Wohnungseigentum und ihrem Stimmrecht in der lediglich zweigliedrigen Gemeinschaft ist es der Klägerin zudem unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze möglich, eine ihr nicht genehme Verwendung der auf dem Gemeinschaftskonto vorhandenen Rücklagen zu verhindern, nicht zuletzt auch mit Blick auf § 21 Abs. 2 Nr. 5 WEG in der im Zeitpunkt des Gefahrübergangs maßgebenden Fassung vom 26.03.2007.
d)
Unrichtige und erst recht nicht, wie das Landgericht meint, i. S. d. § 444 BGB arglistig falsche Angaben über Eigenschaften des Kaufgegenstands wurden aus den dargelegten Gründen daher vorliegend nicht gemacht.
e)
Ebenso wenig liegt insbesondere aus den unter c) dargelegten Gründen ein Schaden der Klägerin nach der sogenannten Differenztheorie vor. Im Saldo steht die Klägerin gleich, egal für welchen Zweck der anteilige Guthabenbetrag von 31.530,46 € eingesetzt wird. Selbst wenn die Klägerin die Mittel nicht für die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums einsetzen könnte, sondern sie für sonstige Ausgaben der Wohnungseigentümergemeinschaft einsetzen müsste, würde sie dabei in Höhe ihres Anteils am Guthaben von 31.530,46 € Gelder ersparen, die sie anderenfalls aus eigenen Mitteln aufbringen müsste. Erhielte die Klägerin neben dem Kontoguthaben einen weiteren Betrag in dieser Höhe, läge eine Überkompensation vor.
2.
Sonstige Anspruchsgrundlagen, aus denen die Klägerin den geltend gemachten Schadensersatzanspruch herleiten könnte, sind nicht ersichtlich.
Insbesondere bleibt vor dem vorstehenden Hintergrund für ein etwaiges Verschulden aus Vertragsschluss wegen vorsätzlich falscher Angaben des Verkäufers über Eigenschaften der Kaufsache (§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB, vgl. etwa BGH, Urteil vom 06.11.2015 – V ZR 78/14, BGHZ 207, 349-358, Rn. 22; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14.03.2019 – V ZR 186/18, juris) kein Raum.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat weder eine über den Einzelfall hinausreichende (grundsätzliche) Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Insbesondere weicht der Senat wie dargelegt schon aus tatsächlichen Gründen nicht von der – zudem (soweit ersichtlich) vereinzelt gebliebenen – Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln (OLG Köln, Beschluss vom 19.12.2013 – I-19 U 133/13, juris) ab.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO.