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Nachträgliche Verhinderung eines Vorkaufsrechts möglich?

Der Verkauf von Ackerland für neue Zwecke führt immer wieder zu rechtlichen Konflikten. Im Fokus stand jüngst das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht: Kann es durch eine rückwirkende Annullierung des ursprünglichen Kaufvertrags ausgehebelt werden, nachdem die Behörde den Zugriff bereits mitgeteilt hat? Der Bundesgerichtshof hat diese Frage nun klar beantwortet und die Rechtsposition der Siedlungsunternehmen gestärkt.

Zum vorliegenden Urteil Az.: V ZR 194/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Bundesgerichtshof (BGH), V. Zivilsenat
  • Datum: 11. April 2025
  • Aktenzeichen: V ZR 194/23
  • Verfahrensart: Revision
  • Rechtsbereiche: Siedlungsrecht, Grundstücksverkehrsrecht, Zivilrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Eigentümer landwirtschaftlicher Grundstücke, die diese verkauft hatten und die Feststellung der Unwirksamkeit des Vorkaufsrechts begehrten.
  • Beklagte: Das Siedlungsunternehmen, das das Vorkaufsrecht ausgeübt hatte und die Abweisung der Klage begehrte.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Die Eigentümer landwirtschaftlicher Grundstücke verkauften diese. Der Vertrag sollte genehmigt werden. Die Parteien ließen den Vertrag durch Vertreter aufheben, bevor die Behörde mitteilte, dass ein Siedlungsunternehmen das Vorkaufsrecht ausübt.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Kernfrage war, ob ein siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht unwirksam wird, wenn der Kaufvertrag nach der Ausübung des Vorkaufsrechts, aber aufgrund einer zuvor erklärten und nachträglich genehmigten Aufhebung, rückwirkend als aufgehoben gilt.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Die Klage, die die Unwirksamkeit des Vorkaufsrechts feststellen wollte, wurde abgewiesen. Die Kläger müssen die Kosten des Rechtsstreits tragen.
  • Begründung: Der BGH begründete, dass das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht, sobald es ausgeübt wurde, eine verfestigte Rechtsposition für das Siedlungsunternehmen schafft. Diese Position kann durch nachträgliche Handlungen der ursprünglichen Vertragsparteien nicht mehr beseitigt werden. Die Genehmigung der Vertragsaufhebung wirkt nicht zulasten des Siedlungsunternehmens zurück.
  • Folgen: Die Kläger sind zivilrechtlich an den Verkauf an das Siedlungsunternehmen gebunden. Ihr Versuch, die Unwirksamkeit des Vorkaufsrechts feststellen zu lassen, scheiterte. Das Siedlungsunternehmen behält seine Rechtsposition aus dem ausgeübten Vorkaufsrecht im Zivilprozess.

Der Fall vor Gericht


BGH-Urteil V ZR 194/23: Siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht nach § 4 RSiedlG bleibt auch bei nachträglich genehmigter Vertragsaufhebung durch vollmachtlose Vertreter wirksam

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer wichtigen Entscheidung vom 11. April 2025 (Az. V ZR 194/23) die Rechte von Siedlungsunternehmen beim siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht gestärkt.

Vertreter eines Siedlungsunternehmens und Käufer auf Ackerland mit Photovoltaik-Fundamenten unter blauem Himmel
Genehmigungsbehörde nutzt Vorkaufsrecht bei Ackerland-Kauf für Photovoltaikanlage vor Baubeginn. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Gericht stellte klar, dass ein bereits wirksam ausgeübtes Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz (RSiedlG) nicht dadurch hinfällig wird, dass die ursprünglichen Vertragsparteien eine zuvor von vollmachtlosen Vertretern erklärte Aufhebung des Kaufvertrags erst nach der Mitteilung über die Vorkaufsrechtsausübung genehmigen. Eine solche Genehmigung wirkt gemäß § 184 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zwar grundsätzlich zurück, jedoch nicht zulasten des bereits entstandenen Rechts des Siedlungsunternehmens.

Ausgangssituation: Verkauf landwirtschaftlicher Flächen für Photovoltaikanlage und behördliches Vorkaufsrecht

Im Zentrum des Falles standen die Eigentümer zweier landwirtschaftlicher Grundstücke in Hessen mit einer Größe von rund 1,4 Hektar bzw. 2,3 Hektar. Diese hatten ihre Flächen mit einem notariellen Vertrag vom 19. April 2018 an eine Gesellschaft (im Folgenden: die Kaufinteressentin) verkauft. Die Kaufinteressentin plante, auf den Grundstücken eine Freiflächenphotovoltaikanlage zu errichten und zu betreiben.
Wie bei landwirtschaftlichen Grundstücken üblich, bedurfte dieser Kaufvertrag einer Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG). Der beurkundende Notar beantragte diese Genehmigung im Mai 2018. Die zuständige Genehmigungsbehörde verlängerte die Frist für ihre Entscheidung durch einen Zwischenbescheid.

Der juristische Streitpunkt: Vertragsaufhebung durch vollmachtlose Vertreter und Ausübung des Vorkaufsrechts

Die Situation verkomplizierte sich, als die Grundstückseigentümer und die Kaufinteressentin am 26. Juni 2018 den ursprünglichen Kaufvertrag durch jeweils für sie handelnde vollmachtlose Vertreter notariell aufheben ließen. Ein vollmachtloser Vertreter handelt ohne die erforderliche Berechtigung, sodass das von ihm getätigte Geschäft zunächst „schwebend unwirksam“ ist – es wird erst gültig, wenn die vertretene Person es nachträglich genehmigt.
Nur zwei Tage nach dieser Aufhebungserklärung, am 28. Juni 2018, erhielten die Vertragsparteien einen Bescheid der Genehmigungsbehörde. Darin teilte die Behörde mit, dass ein Siedlungsunternehmen (im Folgenden: das vorkaufsberechtigte Unternehmen) das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht nach § 4 RSiedlG für die Grundstücke ausgeübt habe. Gleichzeitig begründete die Behörde dies damit, dass die Genehmigung des ursprünglichen Kaufvertrags mit der Kaufinteressentin nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG (Versagungsgrund: ungesunde Verteilung von Grund und Boden) hätte versagt werden müssen.
Erst nach dem Zugang dieses Bescheids, nämlich am 3. bzw. 4. Juli 2018, genehmigten die Grundstückseigentümer und die Kaufinteressentin die von ihren vollmachtlosen Vertretern erklärte Aufhebung des Kaufvertrags notariell.

Die Grundstückseigentümer zogen vor Gericht und verlangten die Feststellung, dass das Vorkaufsrecht unwirksam ausgeübt worden sei. Parallel dazu strengten sie ein Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht an, um die Genehmigungsfreiheit des ursprünglichen Kaufvertrags feststellen zu lassen. Das Landgericht Marburg gab der Feststellungsklage der Eigentümer zunächst statt, und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigte diese Entscheidung. Die Begründung der Vorinstanzen: Durch die nachträgliche Genehmigung der Aufhebungserklärung sei diese gemäß § 184 Abs. 1 BGB rückwirkend auf den 26. Juni 2018 wirksam geworden. Somit habe zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts am 28. Juni 2018 kein gültiger Kaufvertrag mehr bestanden, weshalb das Vorkaufsrecht ins Leere gelaufen sei. Eine besondere Schutzbedürftigkeit des vorkaufsberechtigten Unternehmens sahen die Gerichte nicht. Gegen diese Entscheidung legte das vorkaufsberechtigte Unternehmen Revision beim BGH ein.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Vorkaufsrecht hat Bestand – Klage der Grundstückseigentümer abgewiesen

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs folgte der Argumentation der Vorinstanzen nicht. Er hob die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main und des Landgerichts Marburg auf und wies die Klage der Grundstückseigentümer ab. Das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht wurde nach Ansicht des BGH wirksam ausgeübt und ist nicht durch die nachträglich genehmigte Vertragsaufhebung erloschen. Die Kosten des Rechtsstreits müssen die Grundstückseigentümer tragen.

Die Begründung des BGH im Detail: Warum das Vorkaufsrecht trotz Vertragsaufhebung wirksam ist

Der BGH begründete seine Entscheidung umfassend und stellte dabei mehrere zentrale Aspekte des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts und dessen Zusammenspiel mit den Regelungen des BGB und des GrdstVG heraus.

Entstehung und Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts nach § 4 RSiedlG und § 12 GrdstVG

Der BGH erläuterte zunächst die Voraussetzungen für das Entstehen eines siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts. Dieses entsteht gemäß § 4 RSiedlG, wenn ein landwirtschaftliches Grundstück ab einer bestimmten Größe (in Hessen aufgrund einer landesrechtlichen Verordnung bereits ab 0,5 Hektar, bundesweit ab zwei Hektar) verkauft wird, dieser Kaufvertrag einer Genehmigung nach dem GrdstVG bedarf und die Genehmigung nach § 9 GrdstVG versagt werden müsste, beispielsweise wegen einer ungesunden Bodenverteilung. Die Ausübung dieses Vorkaufsrechts ist gemäß § 12 GrdstVG und § 6 Abs. 1 Satz 2 RSiedlG in das Genehmigungsverfahren nach dem GrdstVG eingebettet. Sie erfolgt durch eine Mitteilung der Erklärung des Siedlungsunternehmens durch die Genehmigungsbehörde an den Verkäufer (§ 6 Abs. 1 Satz 3 RSiedlG).

Doppelte Funktion der Mitteilung über die Vorkaufsrechtsausübung
Diese Mitteilung hat laut BGH eine doppelte Funktion: Einerseits ist sie ein Verwaltungsakt der Genehmigungsbehörde, der die Genehmigung des ursprünglichen Kaufvertrags versagt. Dieser Verwaltungsakt ist nur im speziellen landwirtschaftsgerichtlichen Einwendungsverfahren nach § 10 RSiedlG überprüfbar. Andererseits bewirkt die Mitteilung im zivilrechtlichen Verhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Siedlungsunternehmen die Ausübung des Vorkaufsrechts. Ob ein Vorkaufsrecht tatsächlich besteht und dadurch ein Kaufvertrag zwischen Verkäufer und Siedlungsunternehmen zustande gekommen ist (gemäß § 8 RSiedlG in Verbindung mit § 464 Abs. 2 BGB), wird ausschließlich im Zivilprozess geklärt. Entscheidend ist hierbei: Durch den Zugang des Bescheids über die Ausübung des Vorkaufsrechts gilt der ursprüngliche Kaufvertrag im Verhältnis zwischen Verkäufer und Vorkaufsberechtigtem als genehmigt (§ 6 Abs. 1 Satz 3 RSiedlG). Das Gesetz fingiert also die Gültigkeit des Vertrags als Grundlage für die wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts.

Die „verfestigte Rechtsposition“ des Siedlungsunternehmens nach Ausübung des Vorkaufsrechts

Grundsätzlich setzt ein Vorkaufsrecht nach § 463 BGB einen rechtswirksamen Kaufvertrag voraus. Solange erforderliche Genehmigungen fehlen, können Verkäufer und Käufer den Vertrag aufheben und so ein Vorkaufsrecht gegenstandslos machen. Der Vorkaufsberechtigte hat keinen Anspruch darauf, dass der Vorkaufsfall eintritt.

Eine entscheidende Besonderheit des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts ist jedoch, dass das Gesetz dessen Ausübung auch im Hinblick auf einen (mangels GrdstVG-Genehmigung) schwebend unwirksamen Vertrag ermöglicht. Mit der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts erlangt das Siedlungsunternehmen eine bereits verfestigte Rechtsposition. Diese starke Position kann nach ständiger BGH-Rechtsprechung weder von den ursprünglichen Vertragsparteien noch von der Genehmigungsbehörde wieder entzogen werden. Nach Zugang dieser Mitteilung können Verkäufer und Käufer den Vertrag nicht mehr zum Nachteil des Siedlungsunternehmens aufheben oder abändern. Das Siedlungsunternehmen ist somit vor einer einseitigen Vereitelung seiner Rechte geschützt.

Keine Rückwirkung der Genehmigung der Aufhebungserklärung zulasten des vorkaufsberechtigten Unternehmens gemäß § 184 Abs. 2 BGB analog
Das Berufungsgericht hatte fehlerhaft angenommen, dass die nachträgliche Genehmigung der Vertragsaufhebung (die vor Zugang der Mitteilung über die Vorkaufsrechtsausübung von vollmachtlosen Vertretern erklärt wurde) rückwirkend das bereits ausgeübte Vorkaufsrecht zunichtemacht.

Zwar stimmt es, dass die Genehmigung der vollmachtlosen Vertretung am 3. und 4. Juli 2018 gemäß § 184 Abs. 1 BGB grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, also den 26. Juni 2018, zurückwirkt. Rein nach diesem Grundsatz wäre der Kaufvertrag also bereits vor der Ausübung des Vorkaufsrechts am 28. Juni 2018 wirksam aufgehoben gewesen.
Der BGH entschied jedoch, dass das Vorkaufsrecht des beklagten Siedlungsunternehmens davon unberührt bleibt. Eine Rückwirkung der Genehmigung der Aufhebungserklärung zulasten des Siedlungsunternehmens scheidet in entsprechender (analoger) Anwendung des § 184 Abs. 2 BGB aus. Diese Vorschrift schließt im direkten Anwendungsbereich eine Rückwirkung aus, wenn sie bereits getroffene Verfügungen (z.B. eine Weiterveräußerung) des Genehmigenden betrifft. Hier lag zwar keine solche Verfügung vor. Der BGH hält die Norm aber für entsprechend anwendbar, wenn – wie im vorliegenden Fall – aufgrund gesetzlicher Anordnung zulasten des Zustimmungsberechtigten (hier der Grundstückseigentümer, die den Aufhebungsvertrag genehmigten) Rechte Dritter (hier des vorkaufsberechtigten Unternehmens) entstanden sind. Voraussetzung ist zudem, dass der Sinn und Zweck der jeweiligen Entstehungsnorm (hier § 4 RSiedlG) den uneingeschränkten Fortbestand dieser Rechte gebietet. Genau dies trifft auf das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht zu, da das Siedlungsunternehmen mit der Mitteilung über dessen Ausübung, wie dargelegt, eine verfestigte Rechtsposition erlangt, die nicht mehr beeinträchtigt werden darf.

Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts ist die Rechtsposition des Vorkaufsberechtigten auch dann schutzwürdig, wenn der ursprüngliche Kaufvertrag nachträglich (mit Rückwirkung) aufgehoben wird. Zwar mag nach einer wirksamen Aufhebung des Kaufvertrags das Bedürfnis für die Abwehr von Gefahren für die Agrarstruktur (dem Hauptzweck des RSiedlG) entfallen sein. Ob solche Gefahren bestehen, ist aber nach Sinn und Zweck des § 4 RSiedlG bereits zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts zu beurteilen. Tritt danach eine Änderung ein – wie hier die nachträgliche Wirksamkeit der Aufhebung durch Genehmigung – lässt dies die bereits entstandene, verfestigte Rechtsposition des Siedlungsunternehmens nicht nachträglich entfallen. Andernfalls könnten die Vertragsparteien das Vorkaufsrecht durch den Umweg über eine zunächst vollmachtlose Handlung und deren spätere Genehmigung doch noch vereiteln. Dies würde der Schutzintention des Gesetzes widersprechen und wäre nicht anders zu behandeln als eine direkte Aufhebung des Kaufvertrags nach der Ausübung des Vorkaufsrechts, die ebenfalls unwirksam ist, um das Vorkaufsrecht zu Fall zu bringen.

Schutz der Verkäufer durch Warnfunktion des Zwischenbescheids nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GrdstVG
Die Grundstückseigentümer werden durch diese Auslegung nach Ansicht des BGH nicht unangemessen benachteiligt. Sie werden zwar zu einem Verkauf an das Siedlungsunternehmen verpflichtet, obwohl sie ihre ursprüngliche Veräußerungsabsicht (an die Kaufinteressentin für die Photovoltaikanlage) möglicherweise aufgegeben hatten, als sie die Aufhebung des Vertrages genehmigten. Ihre Interessen werden jedoch dadurch geschützt, dass sie durch einen Zwischenbescheid der Genehmigungsbehörde (§ 6 Abs. 1 Satz 2 GrdstVG) gewarnt werden müssen, bevor der Vertrag der Siedlungsbehörde zur Prüfung eines Vorkaufsrechts vorgelegt wird. Dieser Zwischenbescheid hat eine Warnfunktion. Er ermöglicht es den Vertragsparteien, den Genehmigungsantrag zurückzuziehen und so der drohenden Ausübung des Vorkaufsrechts die Grundlage zu entziehen. Im vorliegenden Fall war ein solcher Zwischenbescheid zur Fristverlängerung ergangen. Machen die Vertragsparteien von dieser Möglichkeit der Antragsrücknahme keinen Gebrauch und wird das Vorkaufsrecht daraufhin ausgeübt, ist es nicht unbillig, die verfestigte Rechtsposition des Siedlungsunternehmens zu privilegieren.

Relevanz der Grundstücksgröße in Hessen und spezifische Landesregelungen
Die gesetzliche Mindestgröße für das Eingreifen des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts beträgt nach § 4 Abs. 1 RSiedlG grundsätzlich zwei Hektar. In Hessen wird diese Grenze jedoch durch eine landesspezifische Verordnung gemäß § 4 Abs. 4 RSiedlG auf 0,5 Hektar herabgesetzt. Da beide verkauften Grundstücke diese Größe mit 1,4 Hektar bzw. 2,3 Hektar deutlich überschreiten, war die Größenvoraussetzung für das Vorkaufsrecht erfüllt, unabhängig davon, ob sie eine wirtschaftliche Einheit bilden oder nicht.

Auswirkungen des Urteils und das separate landwirtschaftsgerichtliche Verfahren

Die Abweisung der Feststellungsklage der Grundstückseigentümer im Zivilprozess bedeutet, dass das Vorkaufsrecht des Siedlungsunternehmens als zivilrechtlich wirksam ausgeübt gilt. Dieses Urteil lässt jedoch das parallel von den Grundstückseigentümern eingeleitete Einwendungsverfahren nach § 10 RSiedlG vor dem Landwirtschaftsgericht unberührt. In diesem separaten Verfahren wird nach einem anderen Prüfungsmaßstab entschieden, ob der Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts (als Verwaltungsakt der Genehmigungsbehörde) rechtmäßig war oder aufzuheben ist. Ein im Zivilprozess erfolgreiches Siedlungsunternehmen kann seine Rechtsposition daher theoretisch noch verlieren, wenn im Verfahren nach § 10 RSiedlG der zugrundeliegende Verwaltungsakt aufgehoben wird.

Fazit: Stärkung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts durch den BGH

Das Urteil des BGH V ZR 194/23 ist eine wichtige Klarstellung zugunsten der Effektivität des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts. Es verhindert, dass die ursprünglichen Vertragsparteien ein bereits ausgeübtes Vorkaufsrecht durch nachträgliche Manöver, wie die Genehmigung einer zuvor von vollmachtlosen Vertretern erklärten Vertragsaufhebung, unterlaufen können. Die verfestigte Rechtsposition, die das Siedlungsunternehmen mit der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts erlangt, genießt einen hohen Schutz. Die Interessen der Verkäufer werden durch die Warnfunktion des Zwischenbescheids im Genehmigungsverfahren nach dem Grundstücksverkehrsgesetz gewahrt.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das BGH-Urteil stärkt deutlich die Position von Siedlungsunternehmen, indem es klarstellt, dass ein einmal wirksam ausgeübtes Vorkaufsrecht nicht durch nachträgliche Genehmigung einer zuvor vollmachtlos erklärten Vertragsaufhebung umgangen werden kann. Diese „verfestigte Rechtsposition“ des Vorkaufsberechtigten verdient besonderen Schutz und kann nicht mehr durch nachträgliche Manöver der ursprünglichen Vertragsparteien ausgehebelt werden. Grundstückseigentümer, die landwirtschaftliche Flächen verkaufen wollen, müssen daher besonders vorsichtig sein und bereits nach Erhalt des Zwischenbescheids im Genehmigungsverfahren handeln, wenn sie ein Vorkaufsrecht vermeiden möchten.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht und wann kommt es zur Anwendung?

Das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht ist ein besonderes gesetzliches Recht, das es bestimmten Stellen, oft staatlichen oder staatlich anerkannten Siedlungsunternehmen, erlaubt, in einen bereits geschlossenen Kaufvertrag über ein Grundstück einzutreten. Stellen Sie sich vor, der Eigentümer eines Grundstücks verkauft dieses an einen Interessenten. Wenn ein siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht besteht, hat diese spezielle Stelle das Recht, das Grundstück zu genau den gleichen Bedingungen zu kaufen, die der ursprüngliche Käufer und der Verkäufer vereinbart haben, bevor der ursprüngliche Käufer das Eigentum erhält.

Die rechtliche Grundlage für dieses Vorkaufsrecht findet sich im Reichssiedlungsgesetz (§ 4 RSiedlG). Der Zweck dieses Gesetzes und des damit verbundenen Vorkaufsrechts ist es, die Struktur der Landwirtschaft und die allgemeine Verteilung von Grund und Boden positiv zu gestalten. Es soll dazu beitragen, landwirtschaftliche Flächen für landwirtschaftliche Zwecke zu sichern, die Entwicklung lebensfähiger landwirtschaftlicher Betriebe zu fördern und eine gesunde Agrarstruktur aufrechtzuerhalten.

Wann wird dieses Vorkaufsrecht relevant?

Das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht kommt typischerweise beim Verkauf von landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zur Anwendung. Es betrifft also Flächen, die für die Land- oder Forstwirtschaft genutzt werden oder sich dafür eignen.

Dabei gibt es bestimmte Voraussetzungen, damit das Vorkaufsrecht ausgeübt werden kann. Dazu gehören oft:

  • Es muss sich um einen Kaufvertrag handeln (andere Übertragungen wie Schenkungen lösen das Recht meist nicht aus).
  • Das Grundstück muss eine bestimmte Mindestgröße überschreiten (diese Größe kann je nach Region unterschiedlich sein).
  • Es gibt Ausnahmen vom Vorkaufsrecht, zum Beispiel wenn das Grundstück an nahe Familienangehörige verkauft wird oder wenn der Käufer selbst Landwirt ist und die Fläche zur Verbesserung seines eigenen Betriebes benötigt.

Wenn Sie ein solches Grundstück verkaufen oder kaufen möchten, bedeutet das, dass nach Abschluss des Kaufvertrages geprüft werden muss, ob ein siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht besteht und ob die Voraussetzungen für seine Ausübung vorliegen. Trifft dies zu, hat die vorkaufsberechtigte Stelle eine bestimmte Frist, um zu entscheiden, ob sie das Recht ausüben und in den Vertrag eintreten möchte. Übt sie das Recht aus, tritt sie an die Stelle des ursprünglichen Käufers im Kaufvertrag.


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Was ist der Unterschied zwischen einem vollmachtlosen Vertreter und einem bevollmächtigten Vertreter?

Der Hauptunterschied zwischen einem bevollmächtigten und einem vollmachtlosen Vertreter liegt in der rechtlichen Befugnis zu handeln.

Ein bevollmächtigter Vertreter ist eine Person, die von einer anderen Person (dem Vertretenen) die Erlaubnis erhalten hat, in deren Namen und für diese Person rechtlich wirksame Handlungen vorzunehmen. Diese Erlaubnis nennt man Vollmacht.

Stellen Sie sich vor, Sie geben einem Freund die Erlaubnis, für Sie ein bestimmtes Buch in einer Buchhandlung zu kaufen. Die Erlaubnis (die Vollmacht) ermächtigt Ihren Freund, den Kaufvertrag in Ihrem Namen abzuschließen. Wenn Ihr Freund das Buch kauft, bindet dieser Kaufvertrag sofort Sie als die Person, die die Erlaubnis erteilt hat. Die Handlung des bevollmächtigten Vertreters ist von Anfang an für den Vertretenen wirksam.

Ein vollmachtloser Vertreter hingegen handelt für eine andere Person, ohne dafür eine ausreichende Vollmacht zu besitzen. Das bedeutet, er hat keine Erlaubnis, oder die Erlaubnis (Vollmacht) reicht für die konkrete Handlung nicht aus.

Wenn Ihr Freund das Buch kauft, obwohl Sie ihm dafür keine Erlaubnis gegeben haben, handelt er als vollmachtloser Vertreter. Seine Handlung – der Abschluss des Kaufvertrags in Ihrem Namen – ist in diesem Moment nicht sofort für Sie wirksam.

Die rechtliche Folge einer Handlung durch einen vollmachtlosen Vertreter ist die schwebende Unwirksamkeit. Das bedeutet: Der Vertrag oder die Handlung ist zunächst weder gültig noch endgültig ungültig. Er befindet sich in einem „Schwebezustand“.

Die Wirksamkeit dieser Handlung hängt nun von der Person ab, für die gehandelt wurde (in unserem Beispiel Sie). Sie haben die Möglichkeit, die Handlung nachträglich zu genehmigen.

  • Genehmigung: Wenn Sie die Handlung genehmigen, erklären Sie sich im Nachhinein mit dem Kauf einverstanden. Durch die Genehmigung wird der Vertrag rückwirkend wirksam – so, als hätten Sie Ihrem Freund von Anfang an die Erlaubnis gegeben.
  • Keine Genehmigung: Wenn Sie die Handlung nicht genehmigen, bleibt der Vertrag oder die Handlung endgültig unwirksam für Sie.

Für Sie als Leser bedeutet das: Die Vollmacht ist entscheidend. Handlungen eines Vertreters sind nur dann von Anfang an bindend, wenn eine entsprechende Vollmacht vorliegt. Handelt jemand ohne Vollmacht, ist die Situation zunächst unsicher und die Handlung kann nur durch eine nachträgliche Genehmigung durch die Person, für die gehandelt wurde, noch wirksam werden. Handeln ohne ausreichende Vollmacht kann rechtliche Konsequenzen für den Vertreter haben.


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Welche Rolle spielt § 184 BGB (nachträgliche Genehmigung) im Zusammenhang mit Vorkaufsrechten?

§ 184 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) regelt, was passiert, wenn ein Rechtsgeschäft – also zum Beispiel ein Vertrag – zunächst unwirksam ist, weil eine notwendige Zustimmung oder Genehmigung noch fehlt, diese aber nachträglich erteilt wird.

Der Grundgedanke des § 184 BGB ist, dass die später erteilte Genehmigung rückwirkend wirkt. Das bedeutet: Das Geschäft wird so behandelt, als wäre es von Anfang an gültig gewesen. Stellen Sie sich das vor wie ein „Alles auf Anfang“ oder ein „Zurück in die Zeit“: Die Genehmigung heilt den anfänglichen Mangel und das Geschäft gilt, als hätte es den Mangel nie gehabt.

Beispiel: Jemand schließt einen Vertrag, für den er eigentlich noch die Zustimmung einer anderen Person (z.B. eines Vormunds oder einer Behörde) bräuchte. Solange die Zustimmung fehlt, ist der Vertrag schwebend unwirksam. Wird die Zustimmung später erteilt, gilt der Vertrag rückwirkend ab dem Zeitpunkt, als er geschlossen wurde.

Diese Rückwirkung ist aber nicht unbegrenzt. Das Gesetz und die Rechtsprechung schränken sie ein, um die Rechte Dritter zu schützen. Dritte sind hier andere Personen, die mit dem ursprünglichen Geschäft gar nichts direkt zu tun hatten, aber deren eigene Rechte durch die rückwirkende Genehmigung beeinträchtigt werden könnten.

Ein Vorkaufsrecht ist ein solches Recht eines Dritten. Ein Vorkaufsrecht gibt jemandem das Recht, in einen Kaufvertrag einzutreten, den der Eigentümer des betreffenden Gegenstandes (oft ein Grundstück) mit jemand anderem (einem Dritten) schließt. Sobald der Kaufvertrag mit dem Dritten abgeschlossen ist, entsteht für den Vorkaufsberechtigten die Möglichkeit, sein Vorkaufsrecht auszuüben.

Wenn nun ein Eigentümer, der einem anderen ein Vorkaufsrecht eingeräumt hat, einen Kaufvertrag mit einem Dritten schließt, der aber noch einer nachträglichen Genehmigung bedarf, dann kann folgendes passieren: Der Kaufvertrag wird geschlossen (was das Vorkaufsrecht auslöst), aber er ist wegen der fehlenden Genehmigung noch nicht voll wirksam. In der Zeit, bevor die Genehmigung erteilt wird, kann der Vorkaufsberechtigte sein Recht ausüben.

Die entscheidende Rolle des § 184 BGB hierbei ist: Obwohl die nachträgliche Genehmigung den ursprünglich schwebend unwirksamen Kaufvertrag zwischen dem Eigentümer und dem ersten Käufer rückwirkend wirksam macht, kann diese Rückwirkung nicht die Rechte des Vorkaufsberechtigten beeinträchtigen, die dieser in der Zwischenzeit erworben hat. Das Vorkaufsrecht, das durch den Abschluss des ersten Kaufvertrages ausgelöst wurde, bleibt bestehen und hat Vorrang vor der rückwirkenden Wirksamkeit des ersten Vertrags.

Das bedeutet für Sie: Die Rückwirkung des § 184 BGB dient der Klarheit bei dem genehmigten Geschäft selbst, darf aber nicht dazu führen, dass dadurch bereits entstandene oder ausgelöste Rechte anderer Personen, wie zum Beispiel ein Vorkaufsrecht, ausgehebelt oder verschlechtert werden. Der Schutz dieser Drittrechte, insbesondere der Rechte aus einem bestehenden Vorkaufsrecht, ist eine wichtige Grenze für die Rückwirkung des § 184 BGB.


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Was bedeutet „ungesunde Verteilung von Grund und Boden“ im Sinne des Grundstücksverkehrsgesetzes (GrdstVG)?

Im Bereich der Land- und Forstwirtschaft gibt es in Deutschland das Grundstücksverkehrsgesetz. Dieses Gesetz regelt, dass der Verkauf oder die Übertragung bestimmter land- oder forstwirtschaftlicher Flächen eine behördliche Genehmigung benötigt. Einer der wichtigsten Gründe, warum diese Genehmigung verweigert werden kann, ist die sogenannte „ungesunde Verteilung von Grund und Boden“.

Was bedeutet „ungesunde Verteilung“?

Stellen Sie sich eine Region vor, in der Landwirtschaft betrieben wird. Eine „ungesunde Verteilung“ liegt vor, wenn durch den Verkauf oder die Übertragung eines Grundstücks die Agrarstruktur dieser Region negativ beeinflusst wird. Das Gesetz möchte verhindern, dass die Bewirtschaftung von land- oder forstwirtschaftlichen Flächen erschwert wird oder die vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebe in ihrer Existenz oder Entwicklung beeinträchtigt werden.

Es geht also darum, dass die Flächen dort bleiben oder dorthin gelangen, wo sie am besten landwirtschaftlich genutzt werden können und eine vielfältige Struktur von lebensfähigen Höfen erhalten bleibt.

Welche Kriterien werden bei der Beurteilung berücksichtigt?

Die Behörde, die über die Genehmigung entscheidet, prüft verschiedene Punkte, um festzustellen, ob eine „ungesunde Verteilung“ vorliegen würde. Wichtige Kriterien sind zum Beispiel:

  • Schaffung oder Vergrößerung von unwirtschaftlichen Betriebsgrößen: Wenn durch den Verkauf ein landwirtschaftlicher Betrieb eine Fläche verliert, die er dringend benötigt, oder wenn eine Fläche verkauft wird, die ein anderer Landwirt zur Existenzsicherung oder Entwicklung braucht, kann dies unwirtschaftliche Verhältnisse schaffen oder verschlimmern.
  • Beeinträchtigung der Agrarstruktur: Der Verkauf könnte dazu führen, dass dringend benötigte Flächen aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausfallen, z.B. weil sie an jemand verkauft werden, der sie nicht bewirtschaften will oder kann.
  • Verhinderung von Landzusammenlegungen oder anderen Verbesserungen: Manchmal sind die Felder eines Hofes weit verstreut. Verfahren zur Zusammenlegung (Flurbereinigung) oder der Flächentausch zwischen Landwirten helfen, die Bewirtschaftung zu erleichtern. Ein Verkauf kann solche notwendigen Verbesserungen behindern.
  • Verkauf an Nichtlandwirte, wenn ein Landwirt kaufen möchte: Wenn ein Landwirt, dessen Hof auf die Fläche angewiesen ist, bereit und in der Lage wäre, das Grundstück zu angemessenen Bedingungen zu erwerben, kann der Verkauf an jemanden, der nicht Landwirt ist, als ungesunde Verteilung angesehen werden. Dies dient dem Schutz des bestehenden landwirtschaftlichen Betriebes.

Beispiele für „ungesunde Verteilung“

  • Beispiel 1: Ein Landwirt A besitzt ein Feld, das mitten in den Flächen von Landwirt B liegt. Landwirt B möchte dieses Feld kaufen, um seine Bewirtschaftung zu optimieren. Landwirt A verkauft das Feld stattdessen an eine Person, die keine Landwirtschaft betreibt und das Feld brachliegen lässt. Das kann eine ungesunde Verteilung sein, weil es die Bewirtschaftung von Landwirt B erschwert und Fläche aus der Nutzung nimmt.
  • Beispiel 2: Ein größerer landwirtschaftlicher Betrieb wird verkauft, aber nicht als Ganzes an einen anderen Landwirt, sondern in viele kleine Parzellen an verschiedene Käufer, die daraus Kleingärten oder Freizeitgrundstücke machen. Dies zerstört eine funktionierende landwirtschaftliche Einheit und kann die Agrarstruktur in der Umgebung negativ beeinflussen.

Warum ist dieser Versagungsgrund relevant?

Dieser Versagungsgrund ist entscheidend, um die Landwirtschaft als wichtigen Wirtschaftszweig zu schützen und eine funktionierende und vielfältige Agrarstruktur zu erhalten. Das Gesetz soll verhindern, dass wertvolles Land unkontrolliert zersplittert wird, aus der landwirtschaftlichen Nutzung ausscheidet oder die Arbeitsfähigkeit bestehender Höfe gefährdet. Es geht auch darum, den Fortbestand familiengeführter landwirtschaftlicher Betriebe zu sichern und eine sinnvolle Bewirtschaftung der Flächen im ländlichen Raum zu fördern. Eine ungesunde Verteilung kann zu wirtschaftlichen Nachteilen für einzelne Betriebe und die gesamte Region führen und letztlich auch soziale Auswirkungen auf die ländliche Gemeinschaft haben.


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Welche Rechte haben Siedlungsunternehmen im Hinblick auf landwirtschaftliche Flächen?

Siedlungsunternehmen sind Organisationen, die oft im öffentlichen Interesse oder mit Unterstützung des Staates tätig sind. Ihre Hauptaufgabe ist es, die Landwirtschaft und die ländlichen Gebiete zu fördern und zu gestalten. Sie verfolgen in der Regel gemeinnützige Zwecke.

Das zentrale Recht: Das Vorkaufsrecht

Ein sehr wichtiges Recht, das Siedlungsunternehmen im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Flächen besitzen können, ist das Vorkaufsrecht. Dieses Recht kommt ins Spiel, wenn ein landwirtschaftliches oder forstwirtschaftliches Grundstück verkauft werden soll.

Stellen Sie sich vor, der Eigentümer einer landwirtschaftlichen Fläche möchte diese verkaufen und hat einen Käufer gefunden. Wenn ein Siedlungsunternehmen ein Vorkaufsrecht an dieser Fläche hat, bedeutet das, dass das Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen in den Kaufvertrag eintreten kann. Das Unternehmen kann dann das Grundstück zu denselben Bedingungen (wie Preis und Zahlungsweise) erwerben, die zwischen dem ursprünglichen Verkäufer und dem Käufer vereinbart wurden.

Hintergrund und Zweck des Vorkaufsrechts

Dieses besondere Recht der Siedlungsunternehmen basiert auf dem Reichssiedlungsgesetz (RSiedlG) aus dem Jahr 1919, das auch heute noch eine Grundlage bildet, oft in Verbindung mit den jeweiligen Landesgesetzen. Der historische Gedanke war, Land für Siedler und zur Schaffung neuer landwirtschaftlicher Betriebe bereitzustellen.

Heute dient das Vorkaufsrecht der Siedlungsunternehmen vor allem dem Zweck, die Agrarstruktur zu verbessern und eine ordnungsgemäße und sinnvolle Nutzung des Bodens sicherzustellen. Es soll verhindern, dass wertvolles landwirtschaftliches Land für Zwecke verwendet wird, die den Zielen der Landwirtschafts-, Raum- oder Umweltplanung widersprechen, oder dass es rein zu Spekulationszwecken gehandelt wird.

Durch die Ausübung des Vorkaufsrechts können Siedlungsunternehmen Flächen erwerben, die dann beispielsweise zur Vergrößerung und besseren Gestaltung bestehender Bauernhöfe (man spricht von Arrondierung), zur Schaffung neuer landwirtschaftlicher Existenzen oder auch für notwendige Maßnahmen im Bereich des Naturschutzes, des Hochwasserschutzes oder der Infrastruktur eingesetzt werden, sofern dies im Sinne des Gesetzes ist.

Das Vorkaufsrecht ist somit ein wesentliches Instrument für Siedlungsunternehmen, um ihre gesetzlich verankerten Aufgaben zum Wohl der Landwirtschaft und des ländlichen Raums effektiv wahrnehmen zu können.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht

Das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht ist ein gesetzliches Recht, das bestimmten Siedlungsunternehmen erlaubt, in einen bereits geschlossenen Kaufvertrag über landwirtschaftliche Grundstücke einzutreten und dieses Grundstück zu den gleichen Vertragsbedingungen zu erwerben (§ 4 RSiedlG). Es dient dem Schutz der Agrarstruktur und soll verhindern, dass landwirtschaftliche Flächen ungünstig verteilt oder zweckentfremdet werden. Dieses Vorkaufsrecht wird häufig ausgeübt, wenn ein Grundstück an einen Dritten verkauft werden soll, der nicht die Ziele des Gesetzes unterstützt, und es stellt sicher, dass diese Flächen im Sinne der Landwirtschaft erhalten bleiben.

Beispiel: Wenn ein Bauer sein Feld an eine Firma verkaufen will, die dort eine Photovoltaikanlage errichtet, kann ein Siedlungsunternehmen das Vorkaufsrecht ausüben und das Feld stattdessen selbst erwerben, um die landwirtschaftliche Nutzung zu sichern.


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vollmachtloser Vertreter

Ein vollmachtloser Vertreter handelt für eine andere Person, ohne die erforderliche rechtliche Erlaubnis (Vollmacht) dafür zu haben. Seine Handlungen sind zunächst schwebend unwirksam, das heißt, sie wirken weder sofort als gültig noch als endgültig ungültig. Nur durch eine nachträgliche Genehmigung der vertretenen Person wird die Handlung rückwirkend wirksam. Fehlt diese Genehmigung, ist das Geschäft unwirksam.

Beispiel: Wenn jemand im Namen eines Grundstückseigentümers einen Vertrag aufhebt, aber keine Vollmacht dafür hat, ist diese Aufhebung erst wirksam, wenn der Eigentümer sie später genehmigt.


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§ 184 BGB (Nachträgliche Genehmigung)

§ 184 BGB regelt, dass die nachträgliche Genehmigung eines zuvor unwirksamen Rechtsgeschäfts dessen Wirksamkeit rückwirkend herbeiführt; der Vertrag gilt so, als wäre er von Anfang an gültig gewesen. Diese Rückwirkung schützt die Beteiligten, kann aber nicht die Rechte Dritter beeinträchtigen. Im konkreten Fall bedeutet das, dass die nachträgliche Genehmigung einer zuvor von vollmachtlosen Vertretern erklärten Vertragsaufhebung zwar grundsätzlich zurückwirkt, jedoch nicht zulasten eines bereits ausgeübten Vorkaufsrechts gehen darf.

Beispiel: Ein Kaufvertrag, der ohne Vollmacht aufgehoben wurde, wird durch spätere Genehmigung rückwirkend auf den Aufhebungszeitpunkt wirksam; kann aber die Rechte eines Vorkaufsberechtigten, die zwischenzeitlich entstanden sind, nicht beeinträchtigen.


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ungesunde Verteilung von Grund und Boden (im Sinne des Grundstücksverkehrsgesetzes, § 9 GrdstVG)

Die ungesunde Verteilung von Grund und Boden ist ein Ablehnungsgrund für die Genehmigung eines Grundstücksverkaufs nach dem Grundstücksverkehrsgesetz. Sie liegt vor, wenn der Verkauf die Agrarstruktur verschlechtert, zum Beispiel weil landwirtschaftlich wichtige Flächen von nicht-landwirtschaftlichen Nutzungen oder unpassenden Eigentümern erworben werden. Ziel ist es, eine lebensfähige landwirtschaftliche Betriebsstruktur zu erhalten und zu verhindern, dass Grundstücke zersplittert oder aus der Nutzung fallen.

Beispiel: Wenn ein landwirtschaftliches Grundstück an einen Investor verkauft wird, der es nicht bewirtschaftet, kann dies eine ungesunde Verteilung darstellen und die Genehmigungsbehörde die Zustimmung zum Verkauf verweigern.


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Zwischenbescheid (nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GrdstVG)

Ein Zwischenbescheid ist ein vorläufiger behördlicher Bescheid im Genehmigungsverfahren für Grundstücksverkehr, der häufig die Frist für die endgültige Entscheidung verlängert oder über vorläufige Sachstände informiert. Er hat hier insbesondere eine Warnfunktion für die Vertragsparteien, damit sie die Möglichkeit erhalten, den Kaufvertrag zurückzuziehen, bevor das Vorkaufsrecht eines Siedlungsunternehmens ausgeübt wird. So soll verhindert werden, dass die Parteien durch Einwirkung der Behörden überrascht werden und unvorbereitet einen ungünstigen Vertrag eingehen.

Beispiel: Die Genehmigungsbehörde verlängert die Entscheidungsfrist durch einen Zwischenbescheid, womit die Eigentümer gewarnt werden, dass ein Vorkaufsrecht ausgeübt werden könnte, und sie ihre Vertragsabsichten noch ändern können.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 4 RSiedlG (Reichssiedlungsgesetz): Regelt das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht bei landwirtschaftlichen Grundstücksverkäufen über bestimmter Größe zur Verhinderung ungesunder Bodenverteilung. Das Vorkaufsrecht entsteht, wenn die Voraussetzungen bezüglich Größe und Genehmigung nach dem GrdstVG vorliegen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Vorkaufsrecht wurde gemäß § 4 RSiedlG wirksam durch ein Siedlungsunternehmen ausgeübt, da die Grundstücke die Mindestgröße überschreiten und die Genehmigung des Verkaufsverfahren nach GrdstVG versagt werden musste.
  • § 12 GrdstVG (Grundstücksverkehrsgesetz): Regelt die Einbettung des Vorkaufsrechts in das Grundstücksgenehmigungsverfahren, insbesondere die Mitteilung und Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Genehmigungsbehörde. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Genehmigungsbehörde hat das Vorkaufsrecht formell wirksam ausgeübt und den betroffenen Parteien mitgeteilt, wodurch die rechtliche Stellung des Siedlungsunternehmens einschließlich des Vorkaufsrechts entstand.
  • § 184 Abs. 1 und Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Absatz 1 bestimmt die Rückwirkung einer nachträglichen Genehmigung einer zunächst unwirksamen Willenserklärung auf den Zeitpunkt der Vornahme; Absatz 2 schließt die Rückwirkung aus, wenn Rechte Dritter durch die Genehmigung bereits betroffen sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl die Aufhebung des Kaufvertrags erst nach Mitteilung der Vorkaufsrechtsausübung genehmigt wurde und gemäß § 184 Abs. 1 BGB grundsätzlich rückwirkend wirkt, bleibt das bereits ausgeübte Vorkaufsrecht kraft § 184 Abs. 2 BGB (analog) unberührt und wirksam erhalten.
  • § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG: Bestimmt Versagungsgründe für die Genehmigung eines Grundstücksverkaufs, etwa bei ungesunder Verteilung von Grund und Boden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Genehmigungsbehörde versagte die Genehmigung des ursprünglichen Kaufvertrags aufgrund einer ungesunden Bodenverteilung, wodurch das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht des Siedlungsunternehmens ausgelöst wurde.
  • § 6 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 RSiedlG: Regelt den Ablauf der Genehmigung und die Mitteilung der Ausübung des Vorkaufsrechts, wodurch der ursprüngliche Kaufvertrag zivilrechtlich als genehmigt gilt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Mitteilung über die Vorkaufsrechtsausübung versetzt das Siedlungsunternehmen in eine verfestigte Rechtsposition, indem sie den ursprünglichen Kaufvertrag für das Verhältnis der Parteien zum Siedlungsunternehmen als genehmigt gelten lässt, trotz schwebender Unwirksamkeit.
  • § 10 RSiedlG: Verfahren zur Überprüfung und Anfechtung von Verwaltungsakten im Zusammenhang mit dem siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht vor dem Landwirtschaftsgericht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Urteil lässt das landwirtschaftsgerichtliche Einwendungsverfahren unberührt, in dem die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bezüglich der Vorkaufsrechtsausübung separat überprüft werden kann.

Das vorliegende Urteil


BGH – Az.: V ZR 194/23 – Urteil vom 11.04.2025


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