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Grundstückskaufvertrag – unwirksame Weiterverkaufsklausel einer Gemeinde

OLG München – Az.: 21 U 4277/16 – Urteil vom 22.05.2017

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 30.09.2016, Az. 31 O 2072/15, aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.712,50 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.01.2016 zu bezahlen.

3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger die nicht anrechenbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 490,99 € zu bezahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.01.2016. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

6. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger in einem Grundstückskaufvertrag mit der Beklagten verpflichtet werden konnte, eine Nachzahlung zu entrichten, wenn das erworbene Grundstück samt Wohnhaus vor Ablauf von acht Jahren ab Bezugsfertigkeit weiterverkauft wird, was hier wegen der Scheidung des Klägers von seiner Ehefrau erfolgt ist.

Der Kläger und seine damalige Ehefrau, die in der Nachbargemeinde … wohnten, erwarben mit notariellem Kaufvertrag vom 28.07.2009, Anlage K 1, von der Beklagten zwei benachbarte Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 857 qm, zu einem qm Preis von 106,75 € (einschließlich Erschließungskosten). Insgesamt betrug der Kaufpreis 91.482,07 €. Dazu wurde in Ziffer XII des notariellen Vertrages festgehalten, dass eine Veräußerung unter Wert nicht vorliegt.

Ziffer VII 5 e des vorgenannten Vertrages enthält zusammengefasst – wie sonst bei einem Einheimischenmodell üblich – die Verpflichtung der Käufer, das Grundstück mit einem Wohnhaus zu bebauen und dieses bis zum Ablauf des 8. Jahres ab Bezugsfertigkeit (Anmeldung beim Meldeamt) selbst zu bewohnen und in dieser Zeit nicht weiter zu veräußern. Sollte der Käufer diesen Verpflichtungen nicht nachkommen und die bebauten Grundstücke an Dritte veräußern, so kann die Gemeinde den Grundstückseigentümer verpflichten, zusätzlich zum bereits bezahlten Kaufpreis einen Aufschlag von 25,00 €/m² nachzuentrichten. Im Einzelnen wird auf Anlage K 1 Bezug genommen.

Der Kläger und seine Ehefrau errichteten in der Folgezeit auf den erworbenen Grundstücken ein Wohnhaus, welches sie bis zum Jahr 2011 gemeinsam bewohnten. Nach der Ehescheidung am 23.09.2013 verkauften der Kläger und seine geschiedene Frau die mit einem Einfamilienhaus bebauten beiden Grundstücke an einen Dritten. Daraufhin verlangte die Beklagte vom Kläger und seiner früheren Ehefrau einen Gesamtbetrag von 21.425,00 €, den diese unter dem Vorbehalt der Rückforderung bezahlten. Mit vorliegender Klage verlangt der Kläger den von ihm getragenen hälftigen Anteil, 10.712,50 €, von der Beklagten zurück.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Vertragsklausel, wonach die Gemeinde bei einer Veräußerung vor Ablauf von 8 Jahren eine Nachzahlung verlangen kann, eine Allgemeine Geschäftsbedingung sei, die ihn unangemessen benachteilige und deshalb nichtig sei. Die Beklagte habe kein berechtigtes Interesse an der verwendeten Klausel, weil hier – anders als im Einheimischenmodell- kein Preisvorteil gewährt worden ist und der Kläger damit ohne Grund schlechter gestellt werde als Einheimische. Die Regelung im Notarvertrag sei darüberhinaus unbestimmt und unklar, persönliche Umstände fänden keine Berücksichtigung.

Die Beklagte hält die Regelung im notariellen Kaufvertrag hingegen für wirksam und trägt vor, dass die Klausel zur Abwehr von Spekulationsgeschäften aufgenommen worden sei. Die Scheidung der Eheleute sei kein Härtefall, weshalb auf die Nachforderung nicht hätte verzichtet werden können.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die streitgegenständliche Regelung zwar eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstelle, diese aber nicht unwirksam sei. Eine unangemessene Benachteiligung des Klägers liege nicht vor, denn dem Grundstückserwerber sei zumutbar, das errichtete Wohnhaus 8 Jahre zu bewohnen. Die Gemeinde habe auch ein legitimes Interesse, Spekulationsgeschäfte mit im Gemeindebereich gelegenen Grundstücken zu vermeiden. Eine Notsituation auf Seiten des Klägers sei zu verneinen, weshalb ihm die Nachzahlung auch zumutbar sei. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seinem Rechtsmittel. Der Kläger wiederholt und vertieft in der Berufung seinen Standpunkt, wonach ein berechtigtes Interesse der Beklagten zu der Regelung nicht feststellbar sei, insbesondere, weil der Kläger den marktüblichen Preis für die Grundstücke gezahlt habe. Das „finanzielle Debakel“ der Scheidung könne dem Kläger nicht vorgeworfen werden. Er dürfe im Vergleich zu Einheimischen, die weniger beim Kauf zahlen und dann nur ihren Vorteil wieder herausgeben müssen, nicht schlechter gestellt werden. Die Beklagte habe zudem außerhalb der Normen des BauGB keinen Auftrag, gegen Spekulanten zu kämpfen.

Der Kläger beantragt in der Berufung:

1. Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt, Az. 31 O 2072/15, vom 30.09.2016 wird abgeändert, dahin, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 10.712,50 € zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten aus dem Basiszins seit Klageerhebung zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger die nicht anrechenbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 490,99 € zu zahlen, zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 05.01.2016.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit und verweist darauf, dass der Kläger sich frei entschlossen habe, mit der Beklagten den vorliegenden notariellen Kaufvertrag abzuschließen. Die Grenze der Vertragsfreiheit liege allein bei § 138 Abs. 2 BGB. Es handele sich nicht um eine Regelung nach dem BauGB. Es sei auch zweifelhaft, ob die Bestimmung als eine Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizieren sei, weil die Gemeinde kein Unternehmer ist. Die Regelung sei aber auch angemessen. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Gemeinde eine solche Aufzahlungsverpflichtung nicht vereinbaren dürfe.

Ergänzend wird auf das Vorbringen der Parteien in der Berufung sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat über den Rechtsstreit am 10.04.2017 mündlich verhandelt. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll, Bl. 119/121 d.A. verwiesen. Eine vom Senat vorgeschlagene vergleichsweise Einigung (zuletzt auf den hälftigen Betrag) kam nicht zustande.

II.

Die gemäß § 511 ff. ZPO zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Mit Ausnahme einer Zuvielforderung von zwei Tagen Verzugszinsen für die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten war der Klage im vollen Umfang stattzugeben und dementsprechend das klageabweisende Urteil des Landgerichts Ingolstadt aufzuheben.

1. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte ergibt sich aus § 812 Abs. 1 1. Alt. BGB. Zwar enthält der mit Anlage K 1 vorgelegte zwischen den Parteien geschlossene notarielle Kaufvertrag über die vormals der Beklagten gehörenden Grundstücke in Ziffer VII 5 e eine entsprechende Nachzahlungsverpflichtung des Klägers. Der Senat hält diese Regelung aber für unwirksam, so dass der Kläger für die unter Vorbehalt geleistete Zahlung von 10.712,50 € einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch hat. Selbst wenn man die Vertragsklausel für wirksam erachten würde, hat die Beklagte das vertraglich eingeräumte Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt und verkannt, dass aufgrund der konkreten Umstände eine Nachforderung nicht in Betracht kommt.

a) Nicht gefolgt werden kann der Argumentation der Beklagten, sie sei in der Vertragsgestaltung bis zur Grenze des Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) bei der Vorgabe vertraglicher Klauseln gegenüber einem Erwerber eines Grundstücks frei. Vielmehr unterliegt die Beklagte beim Abschluss privatrechtlicher Verträge sowohl den §§ 307 ff BGB, soweit sie Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, als auch § 11 BauGB, soweit sie einem Käufer aus städtebaulichen oder subventionsrechtlichen Gründen Beschränkungen auferlegen will.

aa) Die streitgegenständliche Klausel ist – wie auch das Landgericht zutreffend entschieden hat – als eine Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen, deren Wirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB zu prüfen ist. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass die Klausel von ihr gleichartig bei zahlreichen Verträgen im fraglichen Baugebiet verwendet worden ist, vgl. Anlage K 8. §§ 310 und 14 BGB, auf die sich die Beklagte beruft, sind nicht einschlägig, weil es hier nicht um die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber einem öffentlichen Vertragspartner geht, sondern die Beklagte als staatliche Körperschaft hier selbst die Bestimmung getroffen hat. In solchen Fällen finden die Regelungen über AGB-Klauseln in vollem Umfang Anwendung, vgl. Münchner Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, Ziffer III. zu § 310 BGB.

bb) Zu prüfen ist die streitgegenständliche vertragliche Regelung ebenso am Maßstab des § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB, weil in dem überwiegend privatrechtlichen Grundstückskaufvertrag auch Regelungen zur Bebauung und der der Grundstücksnutzung getroffen worden sind, wie sie in § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB normiert sind und die Beklagte damit erklärtermaßen städtebauliche Ziele verfolgt. § 11 BauG normiert das Gebot einer angemessenen Vertragsgestaltung, welches dann eingehalten ist, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Gemeinde erbrachten oder zu erbringenden Leistung steht und die vertragliche Übernahme von Pflichten auch ansonsten zu keiner unzumutbare Belastung für den Vertragspartner der Behörde führt (BGH vom 29.11.2002, Az. V ZR 105/02; BGH vom 26.06.2015, Az. V ZR 144/15, Rn. 19)

cc) Letztlich muss nach beiden Bestimmungen, § 307 Abs. 1 BGB und § 11 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 134 BGB eine Inhaltskontrolle durchgeführt und geprüft werden, ob die Vertragsbestimmungen in ihrer Gesamtheit ausgewogen sind. Darüber hinaus hat die beklagte Gemeinde ganz allgemein dem Gebot der angemessenen Vertragsgestaltung zu beachten, das auf dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruht und daher auch ohne ausdrückliche Regelung für das gesamte Handeln der öffentlichen Körperschaften im Rechtsverkehr mit Privaten bestimmend ist (vgl. BGH vom 26.06.2015, Az. V ZR 144/14, Rn. 17). Eine solche Ausgewogenheit hält der Senat indessen aus nachfolgenden Gründen nicht für gegeben, weswegen im Ergebnis dahinstehen kann, ob einer der genannten Vorschriften bzw. Grundsätze dogmatisch ein Vorrang zukommt (vgl. BGH vom 29.11.2002, Az. V ZR 105/02, Rn. 17; BGH vom 16.04.2010, Az. V ZR 175/09, Rn. 9).

b) Anders als bei den typischen Kaufverträgen im Rahmen sog. Einheimischenmodelle (vgl. BGH vom 16.04.2010, Az. V ZR 175/09 und vom 26.06.2015, Az. V ZR 271/14) wurde dem Kläger und seiner Ehefrau beim Erwerb der Grundstücke von der Beklagten kein Preisvorteil eingeräumt – vgl. auch Ziffer VII des Kaufvertrages -, der nunmehr wieder herausverlangt wird. Vom Kläger wird sogar nachträglich ein höherer Betrag gefordert als der Wertsteigerung der Grundstücke zwischen Erwerb und Wiederverkauf entspricht, was die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich eingeräumt hat. Die Regelung dient damit nicht der Abschöpfung einer gewährten Subventionierung, sondern behindert eine Weiterveräußerung vor Ablauf der vereinbarten „Haltefrist“ durch eine über dem Verkehrswert liegende Nachzahlungspflicht. Darin liegt eine Benachteiligung des Klägers, die auch nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass er kein Einheimischer ist. Wie dargelegt hat die Beklagte als Gemeinde hat auch im Rahmen ihres Handelns im Privatrechtsverkehr sowohl den Gleichheitsgrundsatz als auch das Übermaßverbot zu beachten.

Die durch die vertragliche Regelung erfolgte Einschränkung der Grundrechte, Art. 11 GG Freizügigkeit, Art. 14 GG Eigentum, als auch der Unionsrechte Art. 21 (Unionsbürgerschaft, Nichtdiskriminierung), 45 (Freizügigkeit) und 49 (Niederlassungsrecht) AEUV kann auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die Beklagte geltend macht, hiermit Spekulationen bekämpfen zu müssen. Zwar ist der Gemeinde durchaus das Recht einzuräumen mit gemeindeeigenem Vermögen auch planerische Zwecke zu verfolgen und hierzu Vertragsklauseln zu formulieren, die z.B. der Spekulationsbekämpfung dienen. Die Klausel darf aber nicht so gestaltet sein, dass sie offensichtlich unverhältnismäßig ist und ausschließlich die Interessen der Gemeinde an der Steuerung des Verkaufs von Grundstücken berücksichtigt und den Vertragspartner einseitig benachteiligt. Um die Verhältnismäßigkeit zu wahren, hätte es insoweit für die Unterbindung von Grundstücksspekulationen genügt, dass beim Weiterverkauf des Grundstücks die Differenz zwischen dem Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erwerbs im Verhältnis zum Verkehrswert zum Zeitpunkt des Verkaufs nachzuentrichten ist und somit eine Orientierung an den tatsächlichen Verhältnissen stattfindet (vgl. hierzu auch OLG Celle vom 29.06.2005, Az. 4 U 56/05). Demgegenüber regelt der Vertrag pauschal eine Nachzahlungspflicht in einer erheblichen Größenordnung. Auf den vereinbarten Quadratmeterpreis ohne Erschließungskosten ist ein Aufschlag von knapp 29 % zu zahlen, bezogen auf den Preis inklusive der Erschließung bewegt sich die Nachzahlung in einer Größenordnung von 23,4 %. Der einzige „Vorteil“, den der Erwerber hat, ist der Umstand, dass die Beklagte überhaupt bereit ist, ihm ein gemeindliches Grundstück zu verkaufen.

Darüber hinaus ist zu beanstanden, dass die streitgegenständliche Regelung keinerlei Abstufungen enthält, um den Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden, insbesondere um unzumutbare Härten zu vermeiden. Die Beklagte kann die Nachzahlung unabhängig von Verschuldensgesichtspunkten, der Motive der Weiterveräußerung und der individuellen Folgen im Einzelfall verlangen. Insbesondere wird nicht danach differenziert, wie lange der Erwerber das Haus bewohnt hat und welche Hintergründe der Wiederverkauf hat. Die Beklagte hat keine Kriterien aufgestellt, nach denen sie bereit ist, Ausnahmen zu machen, sondern nur bestimmt, dass die Nachforderung erfolgen kann und der Gemeinderat über diese eventuelle Nachentrichtung im Einzelfall entscheidet. Insgesamt besteht damit keine vorhersehbare und konkret bestimmte vertragliche Korrekturmöglichkeit, die geeignet ist, das Verhältnis der beiderseitigen Leistungen insgesamt noch als angemessen im Sinne von § 11 Abs 2 BauGB und § 307 BGB anzusehen.

Mit Blick auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unwirksamer Vertragsklauseln kommt auch eine ergänzende Vertragsauslegung zugunsten der Beklagten nicht in Betracht. Anders als in den Fällen subventionierter Verkäufe von Grundstücken (vgl. BGH vom 16.04.2010, V ZR 175/09, Rn. 22 ff) verschiebt sich vorliegend bei einer ersatzlosen Streichung der Vertragsklausel zur Nachzahlungspflicht das Vertragsgefüge gerade nicht unangemessen zu Lasten einer Vertragspartei.

c) Selbst wenn man dies zugunsten der Beklagten anders beurteilen würde, ist der Anspruch des Klägers deshalb begründet, weil die Gemeinde einen vertretbaren Abwägungsprozess unter Berücksichtigung der konkret betroffenen Belange des Klägers nicht vorgenommen hat. Hätte sie ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt, wäre sie zwingend zu dem Ergebnis gelangt, dass von einer Nachforderung Abstand zu nehmen ist. Die Beklagte stellt nicht in Frage, dass der Verkauf der Immobilie durch die Trennung bzw. Scheidung der Eheleute veranlasst war. Einen spekulativen Hintergrund, den die Beklagte als Rechtfertigung der Vereinbarung heranzieht, nimmt sie selbst nicht an. Auf Beklagtenseite wurde nur darauf abgestellt, dass eine Scheidung kein ausreichender Grund sei, von der Nachforderung abzusehen und dass finanzielle Härten nicht ausreichend dargestellt seien. Demgegenüber hat der Kläger mit dem Anlagenkonvolut K 10 zumindest jetzt im gerichtlichen Verfahren ausreichend Dokumente vorgelegt hat, welche die finanziellen Zwänge des Klägers und seiner früheren Ehefrau zum Verkauf der Immobilie belegen. Dies hätte die Beklagte berücksichtigen müssen. Aber auch unabhängig von solchen finanziellen Umständen ist der Senat der Meinung, dass ein Ehepaar, das keinerlei finanziellen Vorteil beim Kauf der Immobilie erhalten hat, im Rahmen einer Scheidung selbst – ohne finanzielle Nachteile – entscheiden darf, wie es mit der für das Zusammenleben gemeinsam erworbenen, bebauten und bewohnten Immobilie verfährt. Die Motive, sich für einen Verkauf zu entscheiden, können wirtschaftlicher oder auch emotionaler Natur sein. Sie fallen jedenfalls in den Bereich der ganz persönlichen, privaten Lebensgestaltung der Betroffenen. Eine sachliche Rechtfertigung zugunsten der Beklagten, die diesbezügliche Entschlussfreiheit eines Erwerbers im Rahmen einer Trennung bzw. Scheidung durch die Forderung einer erheblichen Nachzahlung auf den ursprünglichen Kaufpreis einzuschränken, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Entscheidung, dass keiner der beiden getrennten bzw. geschiedenen Ehepartner das bisherige gemeinsame Eigenheim behalten und nutzen kann bzw. will (oder darf), ist vielmehr zu respektieren, ebenso wie die Entscheidung berufsbedingt den Wohnort zu ändern (vgl. auch Schleswig-Holsteinischen OLG vom 26.03.2010, Az. 17 U 67/08). Insoweit ist die Konstellation auch nicht mit dem Erwerb eines subventionierten Grundstücks vergleichbar, bei dem es für den Käufer keine unzumutbare Belastung darstellt, bei einem vorzeitigem Fortzug auch im Fall nachvollziehbarer persönlicher Gründe den erhaltenen Preisvorteil wieder herauszugeben.

Ein Anspruch auf Nachzahlung stand der Beklagten mithin nicht zu, weswegen sie den unter Vorbehalt bezahlten Betrag zurückzuerstatten hat.

2. Der Anspruch auf Verzugszinsen bezüglich der Klageforderung ergibt sich aus § 291 BGB. Nach §§ 280, 249 BGB begründet ist auch der Antrag des Klägers auf Erstattung nicht anrechenbarer außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren, weil sie zur Abwehr des unbegründeten Anspruchs der Beklagten zweckmäßig und erforderlich waren. Die geltend gemachte Höhe wurde von der Beklagten nicht bestritten und ist im Übrigen aber auch zutreffend berechnet. Verzugszinsen sind diesbezüglich aber erst ab dem 07.01.2016 zu erstatten, so dass insoweit die Klage geringfügig abzuweisen war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO, die geringfügige Mehrforderung von Verzugszinsen schadet insoweit nicht, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Der Senat lässt gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision gegen die ansonsten nicht anfechtbare Entscheidung zu, weil die vorstehende Konstellation (Nachzahlungspflicht eines Erwerbers eines gemeindlichen Grundstücks bei vorzeitiger Veräußerung ohne Gewährung eines Preisvorteils) in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht behandelt worden ist und entsprechende Vertragsbedingungen von der Beklagten, wohl aber auch von anderen Gemeinden, in einer Vielzahl von anderen Fällen verwendet wurden und werden.

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