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Grundbucheintragungsverfahren – Auslegung einer Rangsbestimmung durch Vereinbarung

OLG München – Az.: 34 Wx 502/11 – Beschluss vom 08.12.2011

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Sonthofen – Grundbuchamt – vom 17. Oktober 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

Der Beteiligten zu 1 gehört Grundeigentum. Mit Urkunde vom 22.6.2011 übertrug sie ihren Kindern, den Beteiligten zu 2 und 3, jeweils benachbarte Grundstücke. In derselben Urkunde ließ sie sich u.a. vom Beteiligten zu 2 ein Leibgeding auf dem ihm überlassenen Grundstück FlSt. 3287 einräumen, für das in Ziff. IV.4. der Urkunde geregelt ist:

„Das Leibgeding ist im Rang nach der zur Eintragung gelangenden Grundschuld ohne Brief zu 50.000 € für die Raiffeisenbank O., im Rang nach den derzeit eingetragenen Rechten und im Rang nach den zur Eintragung gelangenden Rechten im Grundbuch einzutragen.“

In Ziff. XIV.1. bestellt der Beteiligte zu 2 der Beteiligten zu 3 eine Grunddienstbarkeit zur Belassung und Wartung der über das Grundstück zum Nachbargrundstück verlaufenden Wasser- und Kanalleitungen. Zudem ist geregelt, dass das Recht „im Gleichrang mit der Dienstbarkeit gemäß Abschnitt 2., im Rang vor dem zur Eintragung gelangenden Leibgeding für … (Beteiligte zu 1) und im Rang vor der zur Eintragung gelangenden Grundschuld ohne Brief zu 50.000 € … einzutragen“ ist.

In Ziff. XIV.2. räumt der Beteiligte zu 2 der Beteiligten zu 3 außerdem eine Grunddienstbarkeit wegen eines Überbaus ein. Zur Eintragung ist geregelt: „Die Dienstbarkeit hat Gleichrang mit der in vorstehender Ziff. 1. bestellten Dienstbarkeit zu erhalten.“

Mit Schreiben vom 29.8.2011, eingegangen beim Grundbuchamt am 1.9.2011, hat die beurkundende Notarin beantragt, die in der Urkunde gestellten Anträge in folgender Reihenfolge zu vollziehen: nach Eigentumsumschreibung zuerst die zur Eintragung beantragten Grunddienstbarkeiten, danach die vorgelegte Grundschuld und danach die Reallast.

Mit weiterem Schreiben vom 30.8.2011, ebenfalls eingegangen am 1.9.2011, hat die Notarin zudem eine Grundschuldbestellung zum Vollzug auf dem unter FlSt. 3287 eingetragenen Grundstück vorgelegt, in der unter Ziff. 3.1. geregelt ist:

„Der Eigentümer bewilligt und beantragt im Grundbuch die Eintragung der unter Nummer 1 bestellten Grundschuld nebst Zinsen und Nebenleistung. Der zur Eintragung gelangenden Grundschuld dürfen lediglich folgende Rechte im Rang vorgehen: in Abt. II des Grundbuchs: lfd. Nr. 1, 2 und die zur Eintragung gelangenden Grunddienstbarkeiten für Fl.Nr. 3287/2, …“

Am 17.10.2011 hat das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung erlassen, in der eine eindeutige notarielle Rangsbestimmung bezüglich der zur Eintragung beantragten Dienstbarkeit gemäß Ziff. XIV.2. (Überbau) gefordert wird. Dass die Rangbestimmung hinsichtlich der Grunddienstbarkeit in Ziff. XIV.1. auch für die weitere Dienstbarkeit gelten solle, sei eine bloße Vermutung. Da die Dienstbarkeit wegen des Überbaus mangels Rangbestimmung Gleichrang nicht nur mit der Grunddienstbarkeit, sondern auch mit dem Leibgeding und der Grundschuld hätte, sei Verwirrung zu besorgen.

Gegen die Zwischenverfügung hat die Notarin namens der Vertragsteile Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht am 8.11.2011 nicht abgeholfen hat.

II.

Die im Namen der Beteiligten notariell eingelegte zulässige Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1, § 18 Abs. 1, § 15 Abs. 2, § 73 GBO) ist begründet.

Eine Rangsbestimmung durch Vereinbarung der Vertragsparteien ist nach § 45 Abs. 3 GBO und § 879 Abs. 3 BGB möglich und hier ordnungsgemäß getroffen worden. Die notarielle Urkunde ist zwar nicht unzweideutig formuliert, aber hinsichtlich der Rangverhältnisse der bestellten Rechte auslegungsfähig.

1. Zutreffend stellt das Grundbuchamt fest, dass in Ziff. XIV.2. nur die Regelung enthalten ist, das Recht solle gleichrangig mit der in Ziff. XIV.1. bestellten Grunddienstbarkeit eingetragen werden, was für sich allein genommen offen lässt, in welchem Rangverhältnis dieses Recht zur Reallast und zur Grundschuld (Ziff. XIV.1.) stehen soll.#

In einem solchen Fall ist das Grundbuchamt allerdings nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Urkunde insgesamt entsprechend § 133 BGB auszulegen (OLG Zweibrücken DNotZ 1997, 325/326). Dabei sind jedoch die sich aus dem Bestimmtheitsgrundsatz und der Funktion des Grundbuchs ergebenden Einschränkungen zu beachten, die der Auslegung Grenzen setzen. Auf die Auslegung kann daher nur zurückgegriffen werden, wenn sie zu einem eindeutigen Ergebnis führt, ohne auf Umstände außerhalb der Urkunde zurückzugreifen, die nicht für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (Demharter GBO 27. Aufl. § 19 Rn. 28).

2. Die Auslegung der Urkunde ergibt – ohne auf Umstände zurückgreifen zu müssen, die außerhalb derselben liegen – folgendes:

Selbst wenn in Ziff. XIV.2. nicht explizit erklärt wird, dass die Eintragung in der Reihenfolge: erst Dienstbarkeiten, dann Grundschuld und anschließend Reallast vorgenommen werden soll, liegt dies aus der Formulierung der Urkunde insgesamt auf der Hand.

Neben der Regelung des Gleichrangs in Ziff. XIV.2. enthält nämlich auch Ziff. XIV.1. die Bestimmung, dass die „Dienstbarkeit gemäß Abschnitt 2.“ Gleichrang haben soll. Im nächsten Satzteil werden sodann Rangbestimmungen getroffen. Schon aus dieser Abfolge der Bestimmungen entnimmt ein unbefangener Betrachter als nächstliegende Bedeutung (vgl. etwa BGHZ 113, 374/378), dass dieselbe Rangfolge auch für die gleichrangig einzutragende Dienstbarkeit gelten soll, auch wenn diese erst in der nächsten Ziffer genauer bestimmt ist.

Zudem ist den Bestimmungen zum Leibgeding ebenfalls zu entnehmen, dass dieses „im Rang nach den zur Eintragung gelangenden Rechten“ eingetragen werden soll. Schon nach dem Wortlaut handelt es sich somit um mindestens zwei Rechte. Bei diesen kann es sich zwangsläufig nur um die beiden Dienstbarkeiten handeln, die mit gleicher Urkunde bestellt werden.

Auch der Wortlaut der Grundschuldbewilligung spricht für diese Auslegung. Dort ist geregelt, dass die zur Eintragung gelangenden Dienstbarkeiten vorrangig sein sollen. Nachdem nur die in Ziff. XIV.1. und XIV.2. der am selben Tag beim Grundbuchamt eingegangenen Urkunde die Bestellung von jeweils einer Dienstbarkeit zum Gegenstand hat, ergibt sich aus der Verwendung der Mehrzahl auch, dass beide Dienstbarkeiten vorrangig vor der Grundschuld eingetragen werden sollen.

3. Die vom Grundbuchamt erwogene Situation, wonach das Überbaurecht daher Gleichrang nicht nur mit der zweiten Grunddienstbarkeit, sondern auch mit dem Leibgeding und der Grundschuld hätte, wohingegen die zweite Grunddienstbarkeit vorrangig vor dem Leibgeding und der Grundschuld wäre, kann daher nicht eintreten.

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